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RITTER BLAUBART - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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In dieser Legendenerzählung offenbart sich<br />

dem Zuschauer neben der lapidar erzählten<br />

Vorgeschichte – die ersten fünf Frauen sind<br />

tot – die Person, der Charakter und das<br />

Mordmotiv Blaubarts; ein Luxus, den Perrault<br />

in seiner Erzählung nicht bietet. „Keinem<br />

Witwer geht’s so gut“ lautet seine Devise<br />

und es wird einem schnell klar, dass in Blaubart<br />

selbst die unvereinbaren bürgerlichen<br />

Ehe- und Moralvorstellungen des ausgehenden<br />

18. Jahrhunderts und die libertinen Ausschweifungen<br />

des Adels aufeinander prallen.<br />

Blaubart liebt tatsächlich jede seiner Frauen<br />

aufs Neue, doch da „wahre“ Liebe nur mit<br />

Heirat einhergehen kann, muss er sich, um<br />

legitim zu lieben, ständig auf unbequeme<br />

Weise seiner aktuellen Frau entledigen.<br />

Ein weiteres beliebtes und bewährtes<br />

Parodieverfahren, das bis in die Anfänge<br />

der Opera buffa und der Opéra comique<br />

zurückreicht, ist die beharrliche Repetition<br />

musikalischer Formeln. Bei Ritter Blaubart<br />

trifft dieses Verfahren ins Mark der<br />

ursprünglichen Erzählung. Perrault löst<br />

das Problem der sich ständig wiederholenden<br />

Episode – Heirat, Schlüssel, Neugier,<br />

Mord – durch erzählerische Ökonomie: Er<br />

berichtet lediglich vom Schicksal der letzten<br />

Angetrauten und dem Tod Blaubarts.<br />

Wie Ludwig Tieck, der 1797 in seiner<br />

Erzählung Die sieben Weiber des Blaubart<br />

die Sparsamkeit Perraults aufdröselt,<br />

um das Schicksal jeder einzelnen Frau in<br />

beinahe provozierender Sinnlosigkeit zu<br />

berichten, betont Offenbach das Moment<br />

der Wiederholung. Der ewige Kreislauf<br />

des Mordens und der Heirat ist Motor der<br />

Handlung und lässt die verschiedenen<br />

Geschehnisse kollidieren.<br />

Auf dem stetigen Rhythmus eines Bolero<br />

stellt Blaubart im ersten Finale des zwei-<br />

ten Akte seine neuste Frau Boulotte am<br />

Hofe des Königs vor. Die Hofgesellschaft<br />

reagiert mit einstimmiger Langeweile,<br />

denn der Ritter erzählt jedes Mal aufs<br />

Neue von seinem Liebesglück. Auf den<br />

Überdruss der Leute reagiert Blaubart mit<br />

trotziger Hartnäckigkeit: „Egal! Ihr habt ja<br />

keine Wahl. Ich wiederhole es, wiederhol<br />

es noch einmal“ und Offenbach zögert<br />

nicht, diese Hartnäckigkeit in ein sinnloses<br />

Tralalalala aller Beteiligten, welches<br />

durch die schnellen Sechzehntel und Achtel<br />

den Klang von Geschnatter annimmt,<br />

münden zu lassen.<br />

Mit den frivolen Bemerkungen in der<br />

zweiten Strophe lässt Boulotte die Stimmung<br />

wieder umschlagen. Das Volk ist<br />

empört, doch musikalisch kann sie sich<br />

der Liedform, die von jeher den repetitiven<br />

Aspekt beinhaltet, nicht entziehen, und<br />

man kann bereits erahnen, dass auch das<br />

kecke Mädel vom Land der sich ständig<br />

erneuernden Liebe Blaubarts auf den Leim<br />

gehen muss.<br />

Immer wieder wird Offenbach seinem<br />

Ruf gerecht, der verheißt, er könne das<br />

Lachen in die Musik komponieren. Wenn<br />

Blaubart den Tod Boulottes am Anfang<br />

des dritten Aktes verkündet und sein<br />

anfängliches Lamentieren, mit gezupften<br />

Streichern untermalt, schleichend zu einem<br />

ausgewachsenen Walzer anwächst,<br />

trifft Jacques Offenbach in Verbindung<br />

folgenden Textes den Nerv seiner eigenen<br />

Kunst: „Fort mit deiner Trauer, fort mit deinem<br />

Frust. Leben wird auf Dauer schöner<br />

nur durch die Lust. Lust will ich erleben,<br />

Lust in jedem Fall, Lust ist meine Sucht,<br />

nach dem großen Knall. Ja das ganze<br />

Leben ist ein Karneval!“<br />

Anika Rutkofsky<br />

12 Carsten Süss

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