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procontra Ausgabe 03-2020

Die dritte Ausgabe des freien Finanzmagazins im Jahr 2020.

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FINANZEN<br />

Juni/Juli <strong>2020</strong> – D: 4,80 € • I: 6,50 € • E: 6,50 €<br />

Das freie Finanzmagazin<br />

<strong>2020</strong><br />

#<strong>03</strong><br />

Sprung ins<br />

kalte Wasser<br />

Trendfolger<br />

Warum der Corona-Crash<br />

an den Aktienmärkten nicht<br />

menschengemacht war<br />

ESG-Ratings<br />

Warum Nachhaltigkeits-Ratings<br />

nicht immer eine gemeinsame<br />

grüne Sprache sprechen<br />

Zielgruppe: Eltern<br />

Mit der richtigen Ansprache<br />

und passenden Konzepten die<br />

elterliche Fürsorge absichern


KLEINE MENSCHEN.<br />

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Wichtiger als man denkt: Zukunft frühzeitig absichern.<br />

Mit der neuen BU für Schüler.<br />

„Schüler haben doch noch keinen Beruf!“ Mit dieser Aussage wird der Abschluss<br />

einer Berufsunfähigkeitsversicherung oft auf die lange Bank geschoben. Doch:<br />

Früh einsteigen lohnt sich:<br />

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• Immer abgesichert, egal ob Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf.<br />

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Bei bestimmten Anlässen besteht ein Anspruch, den Beitrag überprüfen zu lassen.<br />

So kann sich der Beitrag z. B. bei Schulformwechsel oder Start ins Berufsleben reduzieren.<br />

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Nur digital<br />

zukunftsfähig<br />

EDITORIAL<br />

pro Der persönliche (Kunden-)Kontakt wurde als Maßnahme gegen die<br />

Verbreitung des Corona-Virus verboten. Schlagartig und für mehrere Monate<br />

kamen Neuakquise und Bestandspflege zum Erliegen, was gnadenlos<br />

vor Augen führte, wie schnell ein Geschäftsmodell zusammenbrechen kann,<br />

wenn es an digitalen Lösungen fehlt. In Folge dessen verleiht Corona dem<br />

digitalen Wandel auch einen Turbo-Booster. Dieser fegt nun mit Hochgeschwindigkeit<br />

durch die Vermittlerbranche und wird alten Gewohnheitsstaub<br />

mit sich reißen.<br />

Er wird die Sicht darauf klären, dass Onlineberatung und digitale Weiterbildung<br />

keine temporären Notlösungen sind. Es sind notwendige Zukunftslösungen,<br />

um Kosten zu senken und Effizienz zu steigern. Wem das nicht<br />

spätestens durch Covid-19 klar geworden ist, der wird seine Wettbewerbsfähigkeit<br />

einbüßen.<br />

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contra Die apokalyptischen Szenarien ließen natürlich nicht lange auf<br />

sich warten: Wer jetzt nicht auf Online(beratung) umschwenkt, wird durchs<br />

Raster fallen. Sicher stellt Corona die klassische Beratung auf eine harte Probe.<br />

Die aktuelle Ausnahmesituation ist aber temporärer Art und mit den fortschreitenden<br />

Lockerungen auch bald überstanden. Zumindest was den direkten<br />

und persönlichen Kundenkontakt betrifft.<br />

Von daher reichte die Zeit gar nicht aus, um jahrzehntelange und etablierte<br />

Verhaltensmuster aufzubrechen. Der Aufwand für Weiterbildung vor Ort<br />

wird wieder in Kauf genommen, Kundentermine wieder ins Büro verlagert.<br />

Corona bewegte den digitalen Wandel zu einem kurzen Zwischensprint, dem<br />

die Luft schon bald wieder ausgehen wird.<br />

LIEBE MAKLER, LIEBE LESER,<br />

die <strong>procontra</strong>-Redaktion wünscht Ihnen<br />

eine aufschlussreiche <strong>Ausgabe</strong>.<br />

facebook.com/<strong>procontra</strong><br />

@<strong>procontra</strong>online<br />

chefredakteur@<strong>procontra</strong>-online.de<br />

Matthias Hundt<br />

Chefredakteur<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />

INHALT<br />

16<br />

Zur Digitalisierung<br />

verdammt<br />

Covid-19 beschleunigt<br />

den digitalen Wandel<br />

der Makler und<br />

zwingt sie zu ihrem<br />

Effizienz-Glück.<br />

32<br />

Nachhaltige<br />

Orientierung gesucht<br />

Die beschränkte<br />

Aussagekraft von<br />

ESG-Ratings.<br />

Corona-Rabatte in<br />

der Kfz?<br />

Die Pandemie wirkt<br />

positiv auf die Unfallstatistik<br />

in der Kfz.<br />

Ob das Fahrern<br />

zugutekommt?<br />

50<br />

48<br />

pro/contra: Umbau<br />

des Pflegesystems notwendig?<br />

Politik und Versicherer mit<br />

unterschiedlichen Therapien<br />

für den „Pflege-Patienten“.<br />

4 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Inhaltsverzeichnis <strong>procontra</strong><br />

PANORAMA<br />

11 Kolumne Dr. Hans-Jörg Naumer<br />

von Allianz Global Investors über<br />

die aktuelle Geldpolitik und ihre<br />

Auswirkungen.<br />

INVESTMENTFONDS<br />

24 Buschfunk<br />

26 »Liquidität wichtiger als Rendite«<br />

Frank Witt vom Vermögensverwalter<br />

Pimco über jetzt sinnvolle<br />

Strategien auf dem Anleihemarkt.<br />

30 Auf Performance getrimmt Neue<br />

Spielregeln für Erfolgsgebühren bei<br />

Fonds. Wie sie aussehen und was<br />

sie wirklich bewirken.<br />

VERSICHERUNGEN<br />

40 Buschfunk<br />

42 »Altbestände mit Garantien unter<br />

Druck« Die pauschale Run-off-<br />

Kritik ist verklungen. Athora-Chef<br />

Christian Thimann über die Gründe<br />

und Zukunftspläne des Aufkäufers.<br />

12 Panorama Fakten für Vertrieb<br />

und Stammtisch<br />

14 Leserbriefe<br />

TITEL<br />

16 Zur Digitalisierung verdammt<br />

Kontaktverbote durch Corona zwingen<br />

zu einer digitalen Beratungsstrategie.<br />

Warum gerade jetzt der<br />

Switch gelingen und damit zur effizienten<br />

Dauerlösung werden kann.<br />

»Automatisierung und<br />

Digitalisierung ist das<br />

Gebot der Stunde.«<br />

FRANK ROTTENBACHER<br />

AfW-Vorstand<br />

32 Nachhaltige Orientierung<br />

gesucht ESG-Ratings wollen<br />

Vergleichbarkeit schaffen, verwirren<br />

aber durch unterschiedliche<br />

Bewertungen.<br />

36 Natürliche Verlustbegrenzer<br />

Wandelanleihen schlugen sich<br />

aufgrund ihrer DNA wacker in der<br />

Corona-Krise. Wie geht’s weiter?<br />

38 Robos ohne Reaktionszeit Warum<br />

der Corona-Crash an den Aktienmärkten<br />

nicht menschengemacht<br />

war und die Systeme trendverstärkend<br />

wirkten.<br />

44 Lieferanten am Limit Corona torpediert<br />

die Lieferketten und erzeugt<br />

eine ganz neue Notwendigkeit von<br />

Warenkreditversicherungen.<br />

48 pro/contra: Umbau des Pflegesystems<br />

notwendig? Politik und<br />

Wirtschaft im Streitgespräch über<br />

den Dauerpatienten Pflegevorsorge.<br />

50 Corona-Rabatte in der Kfz? Leere<br />

Straßen, weniger Unfälle. Findet<br />

sich der positive Corona-Effekt in<br />

zukünftigen Prämien wieder?<br />

54 Bloß nicht beißen lassen Experten<br />

warnen vor einem Zecken-Sommer<br />

<strong>2020</strong>. Ein Anlass für Vermittler,<br />

den Unfallschutz im Bestand einer<br />

Prüfung zu unterziehen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

5


<strong>procontra</strong> Inhaltsverzeichnis<br />

BERATER<br />

56 Buschfunk<br />

58 So ist’s Recht Urteile und Rechtsprechungen,<br />

die Makler kennen<br />

sollten.<br />

60 »Vermittler müssen über<br />

emotionale Brücken« Rolf H. Bay<br />

erklärt, warum aktives Zuhören<br />

jede Verkaufsrhetorik schlägt und<br />

daher der wirklich goldene Weg zum<br />

Kunden ist.<br />

SACHWERTE<br />

66 Buschfunk<br />

68 »Niedrige Zinsen auf<br />

unabsehbare Zeit«<br />

Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt<br />

der Feri Gruppe, über Geldpolitik,<br />

Sachwertstrategien und ein Zinsniveau<br />

auf Jahrzehnte.<br />

70 Baufi am Laufen halten Finanzielle<br />

Engpässe durch Corona treffen<br />

auch aktuelle und zukünftige<br />

Bauherren. Auf welche Flexibilität<br />

Vermittler daher achten sollten.<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial<br />

8 Firmen- und<br />

Personenverzeichnis<br />

8 Impressum<br />

74 privat gefragt<br />

Steckbrief von Torsten Jasper,<br />

Projektleiter Vertrieb, Apella AG.<br />

62 Für die Kleinen nur das Beste<br />

Fürsorgliche Eltern bevorzugen den<br />

Premiumschutz für den Nachwuchs,<br />

sind aber auch aus anderen Gründen<br />

eine lohnenswerte Klientel.<br />

72 Im Speckgürtel enger schnallen<br />

Die Immobilienpreise steigen<br />

deutlicher als das Lohnniveau im<br />

Metropolen-Umland. Das wirkt auf<br />

die Finanzierung.<br />

»Wir brauchen<br />

Nachwuchs und<br />

Innovationstreiber.«<br />

TORSTEN JASPER<br />

Apella AG<br />

6 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


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SERVICE Firmen- und Personenverzeichnis<br />

FIRMENVERZEICHNIS<br />

A<br />

Allen & Overy....................................................33<br />

Allianz......................................................11, 41, 51 f.<br />

Alte Leipziger......................................................41<br />

Apella......................................................................74<br />

aruna......................................................................20<br />

Athora................................................................42 f.<br />

B<br />

Barmenia.............................................................63<br />

BCA.............................................................................19<br />

Bearing Point......................................................12<br />

Berenberg Bank................................33 f., 38<br />

BlackRock...........................................................25<br />

Blackstone..........................................................67<br />

blau direkt........................................................... 57<br />

C<br />

Canada Life..........................................................41<br />

Carel........................................................................34<br />

Check24...............................................................56<br />

Clark..........................................................................12<br />

Covago.................................................................. 57<br />

Crédit Agricole.................................................24<br />

D<br />

DaVita..................................................................... 57<br />

Debeka.......................................................... 10, 49<br />

degenia...................................................................41<br />

Deutsche Bank...............................24, 26, 71<br />

Dr. Klein...............................................................70 f.<br />

Dr. Peters..............................................................66<br />

DWS.........................................................................25<br />

E<br />

Engel & Völkers................................................67<br />

Ethenea................................................................25<br />

Euler Hermes................................................45 f.<br />

Europace..........................................................72 f.<br />

F<br />

Feri........................................................................68 f.<br />

Flexperto................................................... 19 f., 57<br />

Flossbach von Storch....................... 31, 34<br />

Fonds Finanz................................................20 f.<br />

G<br />

g/d/p..................................................................... 17 f.<br />

Geico.......................................................................52<br />

Goldman Sachs..............................................26<br />

Gothaer...................................................................41<br />

H<br />

Hannover Rück.................................................51<br />

Hiscox......................................................................41<br />

HTB............................................................................67<br />

Huk-Coburg.....................................................51 f.<br />

I, J<br />

Interhyp................................................................66<br />

InterRisk..................................................... 55, 64<br />

Isaria........................................................................67<br />

Isra Vision...........................................................33<br />

ISS-oekom..........................................................33<br />

Janus Henderson.........................................24<br />

K, L<br />

Knip.......................................................................... 57<br />

LaSalle....................................................................67<br />

Lehman Bros.......................................................17<br />

Lyxor.......................................................................25<br />

M,N<br />

Maxpool................................................................ 57<br />

Meyerthole Siems Kohlruss....................51<br />

Monega.................................................................33<br />

Morgen & Morgen.................................14, 55<br />

Morningstar...................................................30 f.<br />

MSCI....................................................................33 f.<br />

Netfonds.............................................................. 57<br />

P<br />

Patrizia...................................................................67<br />

Pimco............................................................26, 28<br />

pma.......................................................................... 57<br />

Portfolio Concept..........................................39<br />

R<br />

R+V................................................................... 41, 45<br />

RobecoSAM.......................................................34<br />

INDEX<br />

Roland......................................................................12<br />

RWB..........................................................................67<br />

S<br />

Salm-Salm und Partner............................ 37<br />

Scope.....................................................................66<br />

SDV..........................................................................20<br />

Servicevalue.......................................................15<br />

Signal Iduna......................................................66<br />

Sirius Campus.................................................56<br />

Snapview............................................................20<br />

Sustainalytics..............................................33 f.<br />

T<br />

T. Rowe Price.....................................................25<br />

transparent-beraten.de...........................63<br />

Treptowers...........................................................67<br />

V<br />

Vanguard............................................................. 57<br />

Verivox......................................................... 52, 56<br />

Versicherungskammer Bayern..........63<br />

Via Delcredere.................................................44<br />

Vivat........................................................................43<br />

Volkswagen.......................................................34<br />

W, X<br />

Wifo.......................................................................... 57<br />

xbAV........................................................................ 57<br />

PERSONENVERZEICHNIS<br />

A<br />

Angermann, Axel D..................................68 f.<br />

Anthonj, Felix....................................................20<br />

B, C<br />

Bader, Guido......................................................52<br />

Barth, Ralf Werner........................................56<br />

Bäte, Oliver...........................................................41<br />

Battistini-Kohler, Nicole............................. 57<br />

Bay, Rolf H.......................................................60 f.<br />

Beuther, Alexander......................................45<br />

Bierl, Stefan........................................................63<br />

Bierl, Tobias........................................................63<br />

Bohn, Thorsten...............................................64<br />

Brogt, Daniela...................................................24<br />

Buffett, Warren................................................52<br />

Burkhart, Sven................................................ 57<br />

Charlet, David.................................................. 57<br />

D<br />

Deeken, Bernd.............................................33 f.<br />

Dreier, Martin.....................................................25<br />

Drewes, Oliver.................................................. 57<br />

Drews, Markus..................................................41<br />

F, G<br />

Finkbeiner, Peter.............................................67<br />

Gondlach, Kai..................................18, 20, 22<br />

Gottschalk, Thomas....................................... 11<br />

Grunwald, Eva....................................................71<br />

H<br />

Heidekamp, Bert........................................54 f.<br />

Helberg, Matthias..........................................63<br />

Hildner, Frederik.............................................. 37<br />

J<br />

Jagdfeld, Anno August............................66<br />

Jasper, Torsten................................................74<br />

K<br />

Kemnitz, Gerd...................................................64<br />

Kieper, Oliver..................................................... 57<br />

Klein, Martin....................................................... 57<br />

Kluwe, Christopher.......................................20<br />

Knittel, Patrick..................................................63<br />

Kolb, Michael.....................................................45<br />

Kunkel, Bastian............................................. 17 f.<br />

L<br />

Lamsfuß, Frank................................................63<br />

Lebert, Stephanie.........................................66<br />

Lehmann, Kai....................................................34<br />

Lohmann, Christopher................................41<br />

Lustig, Yoram....................................................25<br />

M<br />

Mai, Nicola..........................................................28<br />

Marsawah, Ali..............................................30 f.<br />

Matthes, Jens.................................................33<br />

Mattner, Andreas...........................................67<br />

Mayer, Brigitte..............................................54 f.<br />

Meier, Hans Dieter......................................70 f.<br />

Meyer, Bernd.....................................................38<br />

N, O<br />

Naumer, Hans-Jörg........................................ 11<br />

Nothaft, Alexander........................................71<br />

Otto, Frank ...................................................44 ff.<br />

P<br />

Pflaum, Petra....................................................25<br />

Pickel, Michael...................................................51<br />

Porazik, Norbert...............................................21<br />

R<br />

Raffelhüschen, Bernd.................................14<br />

Rettig, Stephanie .........................................22<br />

Richert, Markus..............................................39<br />

Richter, Thomas...............................................31<br />

Rottenbacher, Frank......................................18<br />

S<br />

Schoeller, Oliver................................................41<br />

Schünemann, Rolf.........................................19<br />

Schwarzer, Wilfried......................................55<br />

Spahn, Jens.....................................................48<br />

Straubhaar, Thomas....................................74<br />

T<br />

Thimann, Christian...................................42 f.<br />

Trimpop, Katharine.......................................33<br />

W<br />

Wagner, Fred.......................................................51<br />

Waldmann, Kai...................................................41<br />

Weber, Kai..............................................................71<br />

Weber, Roland.......................................... 10, 49<br />

Weis, Markus.................................................... 57<br />

Wirth, Gerhard..................................................67<br />

Wirth, Norman...................................................41<br />

Witt, Frank..................................................... 26 ff.<br />

Z<br />

Zimmermann, Pia..........................................48<br />

Zondler, Mark....................................................20<br />

IMPRESSUM<br />

VERLAG UND REDAKTION<br />

Alsterspree Verlag GmbH<br />

Firmensitz: Großer Burstah 50-52, 20457 Hamburg<br />

Postanschrift: Kurfürstendamm 173 / 174, 10707 Berlin<br />

Telefon: +49 (0 30) 232 56 27 00<br />

Fax: +49 (0)30 232 56 27 49<br />

Web: www.<strong>procontra</strong>-online.de<br />

HERAUSGEBER<br />

Philipp B. Siebert<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Matthias Hundt<br />

ART DIRECTOR<br />

Niels Flender<br />

LAYOUT UND INFOGRAFIK<br />

Sabine Müller<br />

BILDREDAKTION<br />

Roman Kulon, Eleonora Mavromati<br />

LEKTORAT<br />

TextSchleiferei.de<br />

TEXTBEITRÄGE<br />

Mailin Bartknecht, Francois Baumgartner, Florian Burghardt,<br />

Lilian Fiala, Carla Fritz, Julia Groth, Anne Hünninghaus,<br />

Matthias Hundt, Alexandra Jegers, Dr. Hans-Jörg<br />

Naumer, Nina Müller-Peltzer, Uwe Schmidt-Kasparek,<br />

Stefan Terliesner, Martin Thaler, Jan F. Wagner<br />

ANZEIGENBERATUNG<br />

Nadin Prüwer<br />

n.pruewer@alsterspree.de<br />

+49 (0)40 6 07 71 29 24<br />

ANZEIGENDISPOSITION<br />

Marcel Berno<br />

m.berno@alsterspree.de<br />

Verlagsgeschäftsführer: Philipp B. Siebert,<br />

Tilman J. Freyenhagen<br />

Verantwortlich für diese <strong>Ausgabe</strong> i. S. d. P.:<br />

Matthias Hundt<br />

DRUCKEREI<br />

Möller Druck und Verlag GmbH<br />

Zeppelinstraße 6<br />

16356 Ahrensfelde OT Blumberg<br />

www.moellerdruck.de<br />

LESERSERVICE<br />

leserbetreuung@<strong>procontra</strong>-online.de<br />

ABONNEMENT<br />

abo@<strong>procontra</strong>-online.de<br />

Heftpreis: 4,80 Euro<br />

Jahresabonnement: 20 Euro<br />

für sechs <strong>Ausgabe</strong>n inkl. Versandkosten, inkl. USt.<br />

© <strong>2020</strong> für alle Beiträge: <strong>procontra</strong>, <strong>procontra</strong> Spezial,<br />

<strong>procontra</strong>Thema, <strong>procontra</strong>-Sonderteile, <strong>procontra</strong>-<br />

Sonderdrucke (im Heft, Beileger, Beihefter). Alle Rechte<br />

vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste,<br />

Internet und Vervielfältigung auf Datenträger oder<br />

durch andere Verfahren (auch auszugsweise) nur mit<br />

schriftlicher Genehmigung des Verlags.<br />

Hinweis: Den Artikeln, Empfehlungen, Charts, Tabellen<br />

und Diagrammen liegen Informationen zugrunde, die<br />

die Redaktion für verlässlich hält. Trotz sorgfältiger<br />

Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts<br />

keine Haftung übernommen werden. Die in <strong>procontra</strong><br />

gemachten Angaben dienen der Unterrichtung und<br />

sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von<br />

Wertpapieren.<br />

Für Mitglieder der nachfolgend aufgeführten Verbände<br />

ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten:<br />

AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen e. V.<br />

Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen<br />

in Europa e. V.<br />

Unser Druck ist zu 100 % klimaneutral.<br />

8 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


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Personen- und Funktionsbezeichnungen stehen<br />

für alle Geschlechter gleichermaßen.


PANORAMA Notiert<br />

PANORAMA<br />

BRÖCKELNDE<br />

UNABHÄNGIGKEIT<br />

Vor einem Jahr warf die Sommerausgabe der <strong>procontra</strong><br />

die Frage auf, ob es eigentlich noch eine richtige<br />

Unabhängigkeit gibt. Nicht im Sinne einer ergebnisoffenen<br />

Beratung, was Produkte und Anbieter angeht.<br />

Die Verstrickungen für Makler und Vermittler sind hier<br />

komplexer.<br />

Es geht um Abhängigkeiten von Systemen und<br />

Plattformen, ohne die ein Vermittler heute nicht mehr<br />

agieren könnte. Vielleicht aber auch gar nicht möchte.<br />

Maklerpools, die als Fullservice-Dienstleister die Makler<br />

an sich binden. Vergleichsportale mit hoher Schnittstellenmacht,<br />

Maklerverwaltungsprogramme als Schaltzentrale<br />

des Maklerbüros. Durch Covid-19 werden nun<br />

Systeme zur Videoberatung diese Abhängigkeitskette<br />

weiter verstärken.<br />

»Kapitalgedeckte<br />

Zusatzvorsorge ist<br />

preiswerter, als die<br />

Menschen denken.«<br />

Das meint Roland Weber,<br />

Vorstandsmitglied der<br />

Debeka Krankenversicherung<br />

VVaG, in<br />

unserem Streitgespräch<br />

über die Notwendigkeit<br />

eines Systemumbaus<br />

in der Pflegevorsorge<br />

(Seite 48).<br />

GASTWIRTE<br />

SCHIMPFEN<br />

AUF<br />

VERSICHERER<br />

Im Zuge der Corona-Pandemie gerieten Gastwirte und Versicherer<br />

emotional aneinander. Hintergrund ist der „Bayern-Kompromiss“ zur<br />

Betriebsschließungsversicherung. Die Vereinbarung sah vor, dass<br />

10 bis 15 Prozent der vereinbarten Tagessätze pauschal ausgezahlt<br />

werden sollten. Das reiche nicht zum wirtschaftlichen Überleben,<br />

klagten die Gastwirte nun auch per kreativem Liedgut als „Eric und<br />

die Verunsicherten“: „Der Wirt brennt“. Die Versichererseite wies auf<br />

die fehlende Vertragsgrundlage hin. Ihr freiwilliges Angebot sei daher<br />

ein Entgegenkommen, obwohl kein Versicherungsschutz aus der<br />

Betriebsschließungsversicherung bestehe.<br />

10 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Notiert PANORAMA<br />

Geldpolitisches<br />

Serum<br />

DR. HANS-JÖRG NAUMER<br />

leitet Global Capital Markets & Thematic Research<br />

von Allianz Global Investors<br />

TOMMY MIT MICKRIGER RENTE<br />

Sein Bekanntheitsgrad in Deutschland dürfte annähernd bei 100 Prozent<br />

liegen: Entertainer Thomas Gottschalk (70). Seine gesetzliche<br />

Rente schafft es hingegen nicht einmal über die 1.000-Euro-Marke.<br />

Wie der ehemalige „Wetten, dass..?“-Moderator nun offenlegte,<br />

bekommt er 915,79 Euro gesetzliche Rente. Diese Ansprüche<br />

resultierten überwiegend aus seiner Anstellung beim Bayerischen<br />

Rundfunk in den Achtzigerjahren. Immerhin, ab Juli profitiert auch<br />

Gottschalk von der geplanten Rentenerhöhung von knapp 4 Prozent.<br />

Wir leben – nicht nur ökonomisch – in fordernden Zeiten.<br />

Die Rezession der Weltwirtschaft ist dabei längst eine<br />

ausgemachte Sache, die nicht mehr diskutiert wird. Damit<br />

bewegen wir uns nicht nur in der Hochzeit der Virologen<br />

und der Pharmazeuten, wo es darum geht, Gegenmittel<br />

gegen das Virus und damit eine Rückkehr in die Normalität<br />

zu finden, sondern auch (!) in der Zeit der Fiskal- und Geldpolitiker.<br />

Die globalen Notenbanken haben alle Register gezogen,<br />

um sich gegen die ökonomischen und finanziellen<br />

Auswirkungen der Covid-19-Krise zu stemmen.<br />

Geldpolitik ist allerdings ein grundsätzlich ungeeignetes<br />

Instrument zur Überwindung eines Angebotsschocks, wie<br />

er durch Covid-19 ausgelöst wurde. Das heißt, die Fiskalpolitik<br />

muss assistieren. Die fiskalischen Gegenmaßnahmen<br />

auf Ebene der G-20-Staaten haben ein beispielloses Volumen<br />

erreicht. Beispiel USA: Die US-Regierung hat <strong>Ausgabe</strong>npakete<br />

in Höhe von 8,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

(BIP) verabschiedet. Dazu kommen Garantien und<br />

Kredite in Höhe von 2,4 Prozent des BIP. Beispiel EU: Die<br />

geplanten Fiskalpakete belaufen sich hier auf knapp 21<br />

Prozent des BIP. In Großbritannien sind es 27 Prozent.<br />

Eine Konsequenz der Corona-Krise ist für die Anleger<br />

schon jetzt absehbar: Die Niedrig-/Negativzinsen werden<br />

vor allem als Folge der Geldpolitik noch länger anhalten,<br />

als dies vor der Krise zu erwarten war. Wer auch nur Kaufkrafterhalt<br />

für sein Vermögen anstrebt, der muss jetzt den<br />

Aktienanteil im Depot überdenken. Aktien sind Sachwerte.<br />

Fordernde Zeiten – spektakuläre Gegenmaßnahmen. Hoffen<br />

wir, das geld- und fiskalpolitische Serum wirkt rasch.<br />

1.763 $<br />

Eine Goldunze verzeichnete nach langer Seitwärtsbewegung<br />

Mitte Mai ein Siebenjahreshoch<br />

mit 1.763 US-Dollar. Die wirtschaftliche Unsicherheit<br />

durch Corona ließ die Nachfrage nach<br />

dem „sicheren Hafen“ wieder steigen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

11


PANORAMA Fakten für Vertrieb und Stammtisch<br />

VÖLKER, HÖRT DIE PEDALE!<br />

Die Deutschen bleiben ein Volk der Radfahrer: Laut Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbands kauften die Bundesbürger im vergangenen<br />

Jahr insgesamt 4,31 Millionen Fahrräder. Während der Verkauf klassischer Drahtesel leicht rückläufig ist, boomen E-Bikes:<br />

Hier stiegen die Verkäufe 2019 um rund 39 Prozent auf 1,36 Millionen. Gerade bei hochpreisigen Rädern lohnt es sich für Makler,<br />

eine extra Fahrradversicherung ins Gespräch zu bringen.<br />

BITTE<br />

KEIN<br />

BIT<br />

Das Interesse der Deutschen an Bitcoins ist in den vergangenen<br />

Jahren deutlich erlahmt. Laut dem Portal Kryptoszene.de wollten<br />

2017 noch 15 Prozent in die Kryptowährung investieren – aktuell<br />

ziehen das gerade einmal noch 3,3 Prozent in Erwägung. Weltweit<br />

ist damit das Interesse aber immer noch das zwölfthöchste. Am<br />

stärksten interessieren sich die Menschen in Nigeria und Südafrika<br />

für Bitcoins.<br />

Die Corona-Pandemie hat<br />

das Arbeitsleben hierzulande<br />

verändert: Laut Digitalverband<br />

Bitkom arbeiteten in der Krise<br />

knapp die Hälfte der Beschäftigten<br />

von zu Hause aus. Den<br />

meisten scheint es in den<br />

eigenen vier Wänden zu gefallen:<br />

Einer Umfrage von Web.<br />

de zufolge möchte jeder dritte<br />

Arbeitnehmer (29 Prozent)<br />

weiterhin im Homeoffice arbeiten.<br />

Vor allem Arbeitnehmer<br />

mit hohem Bildungsabschluss<br />

nutzen die Möglichkeiten der<br />

Heimarbeit.<br />

Virenalarm bei<br />

der Altersvorsorge<br />

Die Corona-Krise schickte die Kapitalmärkte<br />

erst einmal auf Talfahrt – viele Deutsche<br />

bangen aus diesem Grund um ihre finanzielle<br />

Situation im Ruhestand, wie eine Umfrage des Online-Versicherungsmanagers<br />

Clark ergab. Knapp ein Drittel (31 Prozent)<br />

glaubt, dass die Corona-Pandemie Auswirkung auf ihre Altersvorsorge<br />

haben werde. Am meisten Sorgen machen sich dabei<br />

die Altersgruppen, die kurz vor ihrer Rente stehen – Jüngere<br />

sind weitaus gelassener.<br />

Mehr als jeder fünfte Deutsche (22 Prozent) war in den<br />

vergangenen fünf Jahren in einen Verkehrsunfall<br />

verwickelt. Das geht aus einer Umfrage von Roland Rechtsschutz<br />

hervor. Männer (24 Prozent) sind dabei häufiger<br />

betroffen als Frauen (19). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />

Unfall dann später vor Gericht landet, ist in den vergangenen<br />

Jahren von 13 auf 18 Prozent gestiegen.<br />

Zumeist geht es dabei um die Schuldfrage.<br />

CRASH<br />

BANG<br />

Null-Bock-<br />

Generation<br />

Für junge Menschen zwischen 18 und 20 Jahren, die sogenannte Generation<br />

Z, sind Versicherungen absolut uninteressant. Von den „Kunden von morgen“<br />

gaben 41 Prozent in einer Befragung des Technologieberatungsunternehmens<br />

Bearing Point an, keinerlei Kenntnisse zu Versicherungsprodukten zu haben. Lediglich<br />

jeder dritte verfügt über eine Haftpflichtpolice. Hier gelte es dringend,<br />

die Kommunikation mit dieser Zielgruppe zu überdenken, rät Bearing Point.<br />

12 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


www.stock.adobe.com – © susanne2688<br />

Wir investieren in Ihren Erfolg.<br />

TSO ist Anbieterin von Finanzanlageprodukten und investiert in den USA strategisch in Büround<br />

Gewerbeimmobilien. Investiert wird in Märkte und Objekte, in denen Visionen, Werte<br />

und nachhaltige Entwicklung zusammenwachsen.<br />

• ERFAHRUNG<br />

Seit über 30 Jahren kauft, entwickelt, bewirtschaftet<br />

und verkauft TSO Immobilien im Südosten der USA<br />

und bietet ihre Finanzanlageprodukte bereits seit<br />

2006 erfolgreich auf dem deutschen Markt an.<br />

• VERANTWORTUNG<br />

TSO beschränkt sich nicht darauf, gewinnbringende<br />

Immobilienbeteiligungen zu entwickeln, sondern hat<br />

bei allen zehn in Deutschland angebotenen Beteiligungen<br />

als Partner der Anleger stets mitinvestiert.<br />

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Der Erfolg der TSO-Immobilienvorhaben basiert auf<br />

der besonderen Sorgfalt, die TSO bei der Auswahl,<br />

Analyse und Bewertung der Objekte walten lässt sowie<br />

auf der umfassenden Kenntnis des US-Markts.<br />

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TSO steht für professionelles Asset Management vor<br />

Ort in den USA und stärkt ihre Präsenz im deutschen<br />

Markt durch eigene Büros in Frankfurt am Main und<br />

Düsseldorf.<br />

„Die Portfoliostrategie erfordert eine entsprechende<br />

Erfahrung des Managements,<br />

die auf Basis des aktuellen Track-Records der<br />

TSO-Unternehmensgruppe eindrucksvoll bestätigt<br />

werden kann.“<br />

Dextro Group Germany<br />

Investitionsrating AA-<br />

November 2019<br />

„Die Kompetenz der Gesellschaft spiegelt sich in der<br />

31-jährigen Transaktionsbilanz der Muttergesellschaft<br />

‚TSO – The Simpson Organization’ (TSO) wider, die<br />

für ihre Anlageprodukte für US-Anleger […] durchweg<br />

positive Renditen erzielte.“<br />

Scope Analysis GmbH<br />

Asset Management Rating A+ AMR<br />

Mai 2019 (Quelle: www.scope.de)<br />

www.tso-europe.de<br />

TSO Capital Advisors GmbH<br />

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Tel. +49 69 87000656 - 0


PANORAMA Leserbriefe<br />

KOMMENTIERT<br />

»Falsche Rentenpolitik«<br />

Der Freiburger Uni-Professor und Rentenexperte<br />

Bernd Raffelhüschen hat sich aufgrund<br />

der Corona-Krise für eine Aussetzung<br />

der Rentenerhöhung im Juli ausgesprochen.<br />

Erst im neuen Jahr solle die Bundesregierung<br />

entscheiden, ob eine hälftige Anhebung<br />

möglich ist. Andernfalls würden einzig<br />

jene die Lasten der Corona-Krise tragen, die<br />

bereits von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder<br />

ausfallenden Lohnerhöhungen betroffen<br />

sind, so Raffelhüschen.<br />

Wenn er auch von 1.000 Euro Rente im<br />

Monat nach 47 Arbeitsjahren (davon gehen<br />

noch Miete und Fixkosten ab) leben müsste,<br />

würde ihm eventuell eine andere Lösung einfallen.<br />

Die Rentner trifft anscheinend wieder<br />

einmal die Schuld der falschen Rentenpolitik.<br />

EROL DACHS<br />

via Facebook<br />

»EINMAL GRUNDRENTE, BITTE!«<br />

SPD bekommt Herzensprojekt nicht serviert.<br />

Auf Sicht der nächsten 10 bis 15 Jahre<br />

geht es erst richtig los. Und nicht weil man<br />

die Rentner benachteiligen will, sondern<br />

weil es anders mathematisch nicht möglich<br />

ist bei immer mehr Rentnern mit immer<br />

längerer Lebenserwartung auf immer<br />

weniger Beitragszahler. Jetzt mit Kurzarbeit<br />

und Arbeitslosigkeit erst recht. Wer hier<br />

dagegen ist, sagt im Grunde: „Nehmt es den<br />

Jüngeren weg und gebt es mir.“ So ist eben<br />

unser Umlagerentensystem.<br />

CHRISTIAN KNYE<br />

via Facebook<br />

»Riester nur ein Zusatz?«<br />

Ein weiteres Rententhema, das die <strong>procontra</strong>-Leser<br />

schon seit Jahren umtreibt, ist<br />

die Reform der Riester-Produkte. Die Union<br />

aus CDU und CSU ließ nun einige Punkte<br />

aus offenbar fortgeschrittenen Gesprächen<br />

verlauten. Ein Hauptaspekt: Riester soll<br />

allen Selbstständigen zugänglich gemacht<br />

werden.<br />

So richtig Sinn macht es nicht, denn Rürup<br />

hat ja eine vergleichbare Förderung. Nur<br />

für Geringverdiener und Kinderreiche<br />

könnte die Riester-Zulagenvariante besser<br />

sein. Oder man nutzt es zusätzlich, aber da<br />

könnten auch die Höchstgrenzen angehoben<br />

werden. Sinn würde es machen, Riester- und<br />

Rürup-Förderung zusammenzuführen und<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

TOP 5 DER AUSGABE<br />

+++KLICKVERDÄCHTIG+++<br />

Die beliebtesten Artikel auf <strong>procontra</strong>-online<br />

KFZ-BESCHWERDEN<br />

Die Anbieter mit den schlechtesten Quoten<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/beschwerden<br />

RECHTSSCHUTZ<br />

Diese Versicherer verloren die meisten Kunden<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/rs-kunden<br />

BU-VERSICHERUNG<br />

Welche Klauseln Makler kennen sollten<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/bu-klauseln<br />

VIDEOBERATUNG<br />

Welche Tools wie punkten können<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/videoberatung<br />

BETRIEBSSCHLIESSUNG<br />

Mannheimer Urteil macht Gastronomen Hoffnung<br />

www.<strong>procontra</strong>-online.de/bsv<br />

am besten gleich im Hinblick auf das europäische<br />

Pepp auszugestalten.<br />

DEUTSCHLANDRENTE<br />

via Facebook<br />

»Aus den besten Tarifen wählen«<br />

Das Analysehaus Morgen & Morgen hat in<br />

einem Vergleich von Grundfähigkeitsversicherungen<br />

53 Produkte von 22 Anbietern<br />

getestet. Davon schnitten 22 Tarife mit der<br />

Höchstnote ab, jedoch mussten sich auch<br />

7 Deckungskonzepte mit dem Fazit „schwache“<br />

beziehungsweise „sehr schwache“<br />

Bedingungen begnügen.<br />

Gut, wenn die Beratung durch einen Makler<br />

unabhängig ist und der Kunde aus den<br />

besten Tarifen wählen kann.<br />

EINFACH MAL MACHEN<br />

via Facebook<br />

»Teilzeitklausel«<br />

Bei der Absicherung der Arbeitskraft kommt<br />

es auf die Details, sprich auf vertraglich<br />

vereinbarte Klauseln an. Manche sind dabei<br />

von entscheidender Bedeutung, andere eher<br />

vernachlässigbar beziehungsweise bieten<br />

Diskussionsbedarf. In einem Artikel hatten<br />

14 Illustration: Eleonora Mavromati


Leserbriefe PANORAMA<br />

wir acht wichtige Klauseln erklärt. Unseren<br />

Lesern fiel aber noch eine Ergänzung ein.<br />

Schade, dass es die Teilzeitklausel nicht mit<br />

in die Aufzählung geschafft hat. Eine gute<br />

Teilzeitklausel kann nämlich die Ungerechtigkeit<br />

bei der Ermittlung des BU-Grads von<br />

Teilzeitbeschäftigten reduzieren.<br />

GERD KEMNITZ - BU-VERSICHERUNGEN<br />

via Facebook<br />

»Infektionen verhindern«<br />

Die Wirtschaft wurde in den letzten Wochen<br />

nach den Corona-bedingten Einschränkungen<br />

stufenweise wieder hochgefahren,<br />

manche Bereiche werden auch noch folgen.<br />

Damit die Wiederöffnung gelingt und anhält,<br />

hat das Bundesarbeitsministerium einige<br />

Maßnahmen für den „neuen“ Arbeitsschutz<br />

vorgestellt. So gelten beispielsweise<br />

zusätzliche Hygienemaßnahmen sowie<br />

Masken- und Abstandsgebote auch in<br />

Maklerbetrieben. Neuerungen, die von den<br />

<strong>procontra</strong>-Lesern positiv aufgenommen<br />

wurden.<br />

Alles Maßnahmen, die schon immer<br />

bestehen sollten und viele Influenza-Erkrankungen<br />

und einfache bakterielle Infektionen<br />

verhindert hätten.<br />

KLAUS GRAF<br />

via Facebook<br />

»Perfekter Ansatz.<br />

Öffnung für<br />

Selbstständige und<br />

Kammerberufe.«<br />

SWEN KASTEN ÜBER DIE RIESTER-PLÄNE DER CDU/CSU<br />

»Umfrage unter Veganern«<br />

Das Marktforschungsunternehmen<br />

Servicevalue hat für seine Studie „ServiceAtlas<br />

Privat-Haftpflichtversicherer“<br />

Versicherungsnehmer zu ihrer Zufriedenheit<br />

mit ihrem privaten Haftpflichtversicherer<br />

befragt. Dabei ging es um die Kategorien<br />

Produkte, Kundenbetreuung, Kundenservice,<br />

Schadensregulierung und Preis-<br />

Leistungs-Verhältnis. Es standen insgesamt<br />

40 Versicherungsunternehmen zur Auswahl.<br />

Die Hälfte davon erzielten ein „gutes“ oder<br />

„sehr gutes“ Gesamtergebnis in den Augen<br />

der Kunden.<br />

Es ist recht offensichtlich, dass kein Maklerversicherer<br />

unter den Platzierten ist. Wohl<br />

aber Versicherer, die ausschließlich online<br />

und/oder mit einer starken regionalen Ausschließlichkeitsorga<br />

unterwegs sind.<br />

Also ein bisschen so, als würde man eine<br />

Umfrage unter Veganern zur Erfahrung mit<br />

Metzgereien und Steakhäusern machen.<br />

STEFAN RUMPP<br />

via Facebook<br />

Paket »Cyber«<br />

Haus- & Wo<br />

Neu gedacht, neu gemacht:<br />

Entdecken Sie unsere moderne Hausrat-Versicherung.<br />

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<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

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15


TITEL Corona beschleunigt Digitalisierung<br />

16


Corona beschleunigt Digitalisierung TITEL<br />

ZUR DIGITALISIERUNG VERDAMMT<br />

Covid-19 führt die Notwendigkeit einer Digitalstrategie gnadenlos vor Augen. Gerade jetzt<br />

bietet sich die Chance, Modelle als effiziente Dauerlösung endlich zu implementieren.<br />

– TEXT: ANNE HÜNNINGHAUSEN, FLORIAN BURGHARDT, MATTHIAS HUNDT –<br />

Licht am Ende des Corona-Tunnels! Kontaktverbote<br />

werden gelockert, Reise- und<br />

Konsumbeschränkungen schrittweise aufgehoben.<br />

Kinder dürfen wieder in ihre<br />

Betreuungseinrichtungen, was ihre Eltern<br />

aus dem wochenlangen Homeoffice an<br />

ihre klassischen Arbeitsplätze zurückverweist.<br />

Face to Face mit den Kollegen statt<br />

Facetime mit ruckligem Bild und löchrigem<br />

Ton. Alles scheint – wenn auch langsam –<br />

zur Normalität zurückzukehren. Doch das<br />

gilt nur für die ersten Alltagsgewohnheiten.<br />

Corona geht nicht einfach so „vorbei“. Corona<br />

bewirkt Langzeitfolgen, die auf Wirtschafts-,<br />

aber auch auf Kommunikationsund<br />

Beziehungsebene noch gar nicht (be)<br />

greif bar sind. Zukunftsforscher bezeichnen<br />

solche Krisen, wie beispielsweise auch die<br />

Finanzkrise nach der Lehman-Pleite, als<br />

Tiefenkrisen. Phasen und Ereignisse, die die<br />

Welt so nachhaltig aus den Angeln heben,<br />

dass sie „danach“ in allen Bereichen auf anderen<br />

Beinen steht. Vorab: Diese Welt wird<br />

nicht zwangsläufig schlechter sein, nur anders.<br />

Davon wird folglich auch das Beziehungsdreieck<br />

zwischen Vermittlern, Kunden<br />

und Produktgebern betroffen sein. Mit<br />

einem großen Vorteil gegenüber Branchen<br />

wie der Gastronomie oder Hotellerie, die<br />

ihre Waren und Angebote nicht einfach<br />

so auf digital switchen können. Dank moderner<br />

Technik und Kanäle kann der Geschäftsbetrieb<br />

für Vermittler weiterlaufen.<br />

Wenn man die neue Situation schnell genug<br />

annimmt.<br />

Verschiedene Studien zu den Corona-<br />

Auswirkungen auf das Maklergeschäft belegen<br />

einen deutlichen Rückgang der Kundenkontakte.<br />

Die Forschungsgruppe g/d/p<br />

befragte über 3.000 Makler und Mehrfachagenten:<br />

41 Prozent sprechen von „gravierenden<br />

Auswirkungen“, 42 Prozent haben<br />

weniger oder gar keine Kundenkontakte<br />

mehr. Auch der AfW-Verband konstatierte<br />

in einer Umfrage, dass bei 45 Prozent der<br />

Befragten Kundentermine wegbrächen. Das<br />

überrascht angesichts der Kontaktsperren<br />

erst mal nicht und ist auch kein exklusives<br />

Phänomen der Vermittlerbranche. Die<br />

Frage lautet nun, wie schnell der Schalter<br />

umgelegt werden kann.<br />

Die Kontakte werden sich dank technischer<br />

Umstellungen schnell erholen, der<br />

AfW sieht aber akuten Handlungsbedarf:<br />

„Wer bis jetzt noch nicht technisch aufgestellt<br />

ist, muss das so schnell wie möglich<br />

nachholen. Automatisierung und Digitalisierung<br />

ist das Gebot der Stunde. Das<br />

klassische Neugeschäft stellt viele Vermittlerinnen<br />

und Vermittler aufgrund der Kontaktsperre<br />

vor Probleme. Auch hier gilt es,<br />

sich eine digitale Strategie zu überlegen.“<br />

WAS ONLINEBERATUNG (NICHT) IST<br />

Für viele Vermittler ist es noch völlig ungewohnt,<br />

für die Beratung aktuell vermehrt in<br />

GESCHÄFT LEIDET DEUTLICH<br />

„Nimmt Corona Einfluss auf Ihr Geschäft?“<br />

eher nicht:<br />

13<br />

gar nicht:<br />

11<br />

etwas:<br />

35<br />

Angaben in %,<br />

Basis: 3.100 Makler und Mehrfachagenten<br />

deutlich:<br />

41<br />

Quelle: Forschungsgruppe g/d/p<br />

eine Webcam zu schauen, statt den Kunden<br />

im eigenen Büro zu empfangen, wo man<br />

Mimik und Gestik ganz anders einsetzen<br />

kann. Wer erfolgreich jahrzehntelang klassisch<br />

beraten hat, sah mitunter auch gar<br />

keine Notwendigkeit, ein ergänzendes Onlineangebot<br />

einzuführen. Corona belehrte<br />

eines Besseren. Die eventuelle Ergänzung<br />

ist derzeit die einzige Beratungsmöglichkeit<br />

und zwingt Makler auf neues Terrain. Das<br />

spürt auch Versicherungsmakler Bastian<br />

Kunkel. Er zählt gerade zu den am stärksten<br />

gefragten Maklern. Und zwar seitens seiner<br />

Kollegen. Warum? Er hält Webinare zum<br />

Thema „Tipps und Tricks beim Einstieg in<br />

die Onlineberatung“. „Die Teilnehmerzahlen<br />

haben sich seit Corona vervielfacht“,<br />

berichtet er. Die Nachfrage ist groß und bei<br />

vielen Vermittlern aus der Not heraus geboren.<br />

Auch weil sich der Irrglaube offenbart,<br />

„schon immer online beraten zu haben“,<br />

bloß weil man seinen Kunden Angebote per<br />

E-Mail zusendet. Das ist noch lange keine<br />

Onlineberatung. „Es liegen Welten dazwischen,<br />

ob ich meinem Kunden per E-Mail<br />

ein Angebot zuschicke oder einen Erstkontakt<br />

per Video zu einem komplexen Thema<br />

wie Altersvorsorge berate“, stellt Kunkel<br />

klar und definiert: „Onlineberatung ist für<br />

mich das vollständig digitale Gespräch per<br />

Videoübertragung von beiden Seiten, mit<br />

dem digitalen Vertragsabschluss im Nachgang.“<br />

Nach dieser Definition müssen viele<br />

Makler eingestehen, bislang doch noch keine<br />

wirkliche Onlineberatung angeboten zu<br />

haben.<br />

RIESENCHANCE ZUR EFFIZIENZSTEIGERUNG<br />

Doch die Chance, die fehlenden Schritte<br />

dazu jetzt zu gehen, war nie größer. Nicht<br />

nur aus der eigenen Notlage heraus, um<br />

Kontakte und Geschäftsbetrieb am Laufen<br />

zu halten. Dieser wirtschaftliche Zwang<br />

hilft sicherlich die letzten Vorbehalte<br />

Illustration: Roman Kulon<br />

17


TITEL Corona beschleunigt Digitalisierung<br />

VIDEOBERATUNG BOOMT<br />

8 Tools für Vermittler im direkten Vergleich<br />

Video-Call <br />

Bildschirm teilen <br />

Whiteboard teilen ✖ ✖ ✖ ✖ <br />

elektronische Unterschrift ✖ ✖ ✖ ✖ ✖ <br />

keine Installation notwendig ✖ ✖ ✖ <br />

DSGVO-konform <br />

Preis pro Monat ab 27,30 € 4,68 bis 23,00 € 9,00 bis 24,00 € 29,95 € 0,00 bis 18,99 € 10,75 bis 14,33 € kostenlos ab 59,00 €<br />

Quelle: Finanzen.de, eigene Recherche<br />

zu überwinden. Vor allem aber besteht<br />

am anderen Ende der Berater-Kunden-Beziehung<br />

eine nie dagewesene Akzeptanz.<br />

Verbannt ins Homeoffice ist es mittlerweile<br />

völlig normal, mit Kollegen per Videoschalte<br />

zu konferieren. Auch über komplexe<br />

Themen und nicht nur auf Ebene<br />

der Führungskräfte. Im privaten Bereich<br />

überbrücken Skype & Co. die Barrieren zu<br />

Freunden und Großeltern und damit auch<br />

in sämtliche Altersgruppen. Die erforderliche<br />

Hardware dürfte spätestens seit Corona<br />

in jedem Haushalt vorhanden sein.<br />

Das bedeutet konkret: Onlineaffine<br />

Makler können momentan ganz neue Zielgruppen<br />

für ihre Art der Beratung gewinnen.<br />

Für Vermittler, die bislang eher wenig<br />

auf Onlineberatung setzten, fallen die Einstiegshürden.<br />

„Onlineberatung muss nicht<br />

mehr erklärt werden. Das ist ein großer<br />

Vorteil und baut Bedenken auf Kundenseite<br />

ab“, bestätigt Kunkel. Corona verändert<br />

die Gewohnheiten in der Kommunikation.<br />

Auch wenn Zukunftsforscher Kai Gondlach<br />

(siehe Interview) davon ausgeht, dass<br />

sich viele davon wieder zurückentwickeln,<br />

wenn die Kontaktbeschränkungen vollständig<br />

aufgehoben werden, so wird sich Onlineberatung<br />

nach der Krise fest in der Kundenerwartung<br />

etabliert haben. Davon geht<br />

auch AfW-Vorstand Frank Rottenbacher<br />

aus. „Corona wird den digitalen Wandel in<br />

unserer Branche beschleunigen. Die aktuell<br />

verstärkte Nutzung von Videokonferenzen<br />

wird bleiben, die Anforderungen an digitale<br />

Prozesse steigen. Kunden erwarten immer<br />

»Onlineberatung<br />

muss nicht mehr<br />

erklärt werden. Das<br />

ist ein großer Vorteil<br />

und baut Bedenken<br />

auf Kundenseite ab.«<br />

ERSCHWERTER KUNDENKONTAKT<br />

veränderte(r) Kundenkontakt/Betreuung<br />

keine/weniger Kundentermine/persönlicher Kundenkontakt entfällt<br />

keine/weniger Laufkundschaft/Kunden vor Ort<br />

7<br />

Beratung erschwert durch Telefon-/Online-/Video-Beratung<br />

5<br />

BASTIAN KUNKEL, VERSICHERUNGSMAKLER<br />

Mehrfachnennungen möglich, Angaben in %,<br />

Basis: 3.100 Makler und Mehrfachagenten<br />

42<br />

51<br />

Quelle: Forschungsgruppe g/d/p<br />

mehr einen digitalen Ablauf, Medienbrüche<br />

werden nicht mehr akzeptiert“, meinte<br />

Rottenbacher kürzlich in einem Medieninterview.<br />

Das heißt im Umkehrschluss für Vermittler,<br />

dass sie einen digitalen Beratungskanal<br />

mit anbieten müssen, um wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben und die neuen Kundenbedürfnisse<br />

befriedigen zu können.<br />

DIGITALE STRATEGIEN ÜBERDENKEN<br />

Zwischenfazit: Onlineberatung ist momentan<br />

der einzige Weg zum Kunden. Nach<br />

Corona wird sie die klassische Vor-Ort-<br />

Beratung nicht vollständig ersetzt haben,<br />

ihr Anteil aber signifikant gestiegen sein.<br />

Aufgrund der neuen Offenheit auf Kundenseite.<br />

Und der Erkenntnisse, dass Onlineberatung<br />

kein Hexenwerk ist und sich<br />

„digital“ und „persönlich“ überhaupt nicht<br />

ausschließen müssen. Darauf sollten sich<br />

Vermittler schnell einstellen, sonst drohen<br />

Umsatzeinbußen.<br />

Die Umsatzentwicklung hängt natürlich<br />

nicht allein von der Implementierung einer<br />

Onlineberatung ab. Ein Bestand mit hohem<br />

Sachanteil dürfte dank der Bestandsvergütungen<br />

nur leichte Dellen bekommen.<br />

Einen „Leben-Spezialisten“ trifft es härter,<br />

wie die g/d/p-Umfrage ergab: 54 Prozent<br />

(Leben) versus 31 Prozent (Sach/HUK)<br />

spüren „deutliche Effekte“. Zudem wiegt<br />

die Situation der Kunden schwer. Durch<br />

finanzielle Einbußen aufgrund von Kurzarbeit<br />

oder Arbeitslosigkeit sowie allgemeiner<br />

Zukunftssorgen ist das Ohr momentan al-<br />

18 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Corona beschleunigt Digitalisierung TITEL<br />

les andere als offen für neue Vorsorge- und<br />

Absicherungspläne – hingegen die Versuchung<br />

groß, bestehende Verträge zu kündigen,<br />

um Einsparungen zu erzielen. Eben<br />

hier kommt die Notwendigkeit, jetzt mit<br />

den Kunden in Kontakt treten zu können,<br />

dann doch wieder ins Spiel. Vermittler, die<br />

jetzt als Ansprechpartner digital da sein<br />

können, haben die Möglichkeit, ihren Bestand<br />

zu sichern und Stornos zu vermeiden.<br />

Darüber hinaus positionieren sie sich als<br />

Begleiter in der Krise. „Mein Makler hat<br />

mich durch die Krise begleitet und mir Lösungswege<br />

aufgezeigt“, dürfte das nachhaltigere<br />

Kundenresümee nach der Krise sein<br />

als: „Mein Makler konnte mich aufgrund<br />

der Kontaktbeschränkungen gar nicht beraten.“<br />

BERATUNGSTOOLS IM VERGLEICH<br />

Der plötzliche Bedarf, digitale Beratungslösungen<br />

zu implementieren, konfrontiert<br />

Vermittler mit einer Vielzahl potenzieller<br />

Tools. Hier entscheidet sich, ob es bei einer<br />

WENIGER KONTAKT – WENIGER UMSATZ<br />

Rückgang Akquise/Abschlüsse/Umsatz<br />

weniger Neuabschlüsse/Nachfrageeinbruch<br />

17<br />

Mehrfachnennungen möglich, Angaben in %,<br />

Basis: 3.100 Makler und Mehrfachagenten<br />

39<br />

Umsatzrückgang/weniger bzw. keine Einnahmen<br />

11<br />

Unsicherheit/Zurückhaltung der Kunden<br />

8<br />

weniger Anfragen/Interesse an Versicherungen<br />

4<br />

weniger Arbeit allgemein/ruhige Zeit<br />

4<br />

keine Akquise/nur noch Arbeiten im Bestand<br />

3<br />

Quelle: Forschungsgruppe g/d/p<br />

Notlösung während der Krise bleibt oder<br />

ob das Thema richtig angepackt und langfristig<br />

umgesetzt werden soll. Zwar mag es<br />

für den Anfang schon eine Verbesserung<br />

darstellen, den Kunden überhaupt sehen<br />

zu können. Das ist auch über normale Videoanrufe<br />

möglich. Jedoch lässt sich der<br />

Weg zum Vertragsabschluss deutlich besser<br />

ebnen, wenn auch die gemeinsame Betrachtung<br />

von Dokumenten, Grafiken und<br />

Skizzen möglich ist. Unerlässlich für den direkten<br />

Abschluss ist die Option einer elektronischen<br />

Unterschrift. Das boten im Vergleich<br />

nur drei Tools (siehe Tabelle links).<br />

An Maklerpools angeschlossene Vermittler<br />

können einige der Tools direkt über ihre<br />

Anbindung nutzen. BCA-Partner können<br />

Flexperto nutzen. BCA-Chef Rolf Schünemann<br />

lobte gegenüber <strong>procontra</strong>, dass über<br />

das Tool die komplette Beratungsstrecke inklusive<br />

rechtssicheren Beratungsprotokolls<br />

per Videochat durchgeführt werden kann.<br />

„Wir verzeichnen einen starken Anstieg<br />

der Onlinenutzung um teilweise bis zu<br />

Ihr neuer Erfolgsstürmer:<br />

unsere KV-Vollversicherung<br />

Ab sofort bieten wir Ihnen auch im Bereich der Krankenvollversicherung ein<br />

absolutes Top-Team. Denn mit MedExtra und MedBest haben wir unsere private<br />

Krankenversicherung um zwei leistungsstarke Volltarife erweitert. Lassen Sie<br />

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beste Versorgung im 1-Bett-Zimmer<br />

bis zu 90 % Erstattung für Zahnersatz<br />

hohe Rückerstattungen bei Leistungsfreiheit<br />

Beitragsbefreiung bei Elterngeldbezug<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

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19


TITEL Corona beschleunigt Digitalisierung<br />

2.000 Prozent pro Monat“, berichtet<br />

Flexperto-CEO Felix Anthonj von immens<br />

steigender Nachfrage. Wie auch Mitbewerber<br />

Snapview: „Verbreitung und Nutzung<br />

sind in den letzten Wochen förmlich<br />

explodiert. War früher die Videoberatung<br />

ein optionaler Zusatzkanal, ist sie nun geschäftskritisch“,<br />

meint Mark Zondler, Geschäftsführer<br />

der Snapview GmbH. Ihm sei<br />

zudem kaum ein Versicherer bekannt, der<br />

sich gegenwärtig nicht mit dem Thema beschäftige<br />

oder es bereits umsetze.<br />

POOL-LIEBLING »BRIDGE«?!<br />

Zusätzlich zu den beiden Tools im Finanzen.de-Vergleich<br />

nahm <strong>procontra</strong> noch<br />

„Bridge“ mit auf. Die Software erfüllt alle<br />

Vermittler-relevanten Kriterien. Das hat<br />

allerdings seinen Preis. Mit 59 Euro pro<br />

Monat ist es das teuerste Tool im Vergleich.<br />

Unter anderem die Maklerpools aruna,<br />

Fonds Finanz und SDV setzen auf das Produkt<br />

des Dresdner Herstellers. „Mit Bridge<br />

ist eine umfassende Kundenberatung ohne<br />

Medienbrüche abgebildet: Hinterlegung<br />

von Beratungsleitfäden, Interaktivität mit<br />

dem Kunden, anpassbare Formulare, digitale<br />

Unterschrift und – in unserer Lizenz –<br />

Basis-Finanzanalyse nach DIN 77230. Der<br />

ganze Beratungsvorgang wird automatisch<br />

dokumentiert und steht damit sofort unterschriftsreif<br />

zu Verfügung“, so Christopher<br />

Kluwe, Geschäftsführer der aruna Vertriebsservice<br />

GmbH. Der Berliner Maklerpool<br />

stellt das Tool all seinen aktiven Vertriebspartnern<br />

für zwei Jahre kostenlos zur<br />

Verfügung. Ähnlich handhabt es Fonds Fi-<br />

»Prozesse müssen hinterfragt werden«<br />

Zukunftsforscher KAI GONDLACH über Langzeitwirkungen von Corona und die Frage, wie Maklerbüros echte Innovationskraft schaffen<br />

<strong>procontra</strong>: Vermittlern bleibt aktuell nur die Onlineberatung<br />

für den Kundenkontakt. Notlösung<br />

während der Krise oder die Chance auf eine<br />

Dauerlösung?<br />

Kai Gondlach: Das hängt davon ab, wie lange<br />

die Beschränkungen noch anhalten. Der jetzige<br />

Zeitraum des Lockdowns reicht meiner Meinung<br />

nach noch nicht aus, um tiefgreifende Verhaltensänderungen<br />

herbeizuführen.<br />

<strong>procontra</strong>: Wenn die schrittweisen Lockerungen<br />

fortgeführt werden können, gehen Sie also davon<br />

aus, dass sich die Art der Beratung wieder<br />

auf „Vor-Corona-Gewohnheiten“ zurückentwickeln<br />

wird?<br />

Gondlach: Ich fürchte, ja, obgleich der Trend<br />

zur Digitalisierung weiterhin ungebrochen ist.<br />

Die aktuelle Situation kann aber dazu führen,<br />

dass positive Erfahrungen mit einer digitalen<br />

Finanzberatung stärker kommuniziert werden<br />

als vor Corona.<br />

<strong>procontra</strong>: Das könnte die Nachfrage nach einer<br />

digitalen Beratung doch steigern.<br />

Gondlach: Absolut, aber dieser Kundenwunsch<br />

ist nicht neu und hat auch relativ wenig mit<br />

Corona zu tun. Die Prozesse, sowohl bei Versicherern<br />

als auch Vermittlern, werden sich nicht<br />

grundlegend von heute auf morgen ändern<br />

können. Ich gehe davon aus, dass die bisherige<br />

langfristige Digitalisierungsstrategie nach<br />

dieser aktuellen Ausnahmesituation wieder dort<br />

ansetzt, wo sie vor Corona stand.<br />

<strong>procontra</strong>: Momentan erfahren Vermittler und<br />

Kunden aber auch die Effizienzvorteile einer<br />

Onlineberatung und stellen fest, dass persönlich<br />

und digital sich nicht ausschließen müssen. Das<br />

wirkt doch nachhaltig auf die Geschäftsmodelle?!<br />

Gondlach: Es ist nur ein Teil und steht aufgrund<br />

der Kontaktbeschränkungen momentan im<br />

Fokus. Um in Zukunft erfolgreich zu sein, gilt es<br />

jedoch, Lösungen zu finden, mit denen man bei<br />

der, auch im Versicherungsbereich, fortschreitenden<br />

Plattform-Ökonomie mithalten kann. Das<br />

fängt nicht bei der Onlineberatung an, sondern<br />

bei der gesamten Organisationsstruktur. Hier<br />

braucht es Experimentierfreude und Innovationskraft.<br />

<strong>procontra</strong>: ... wofür dem normalen Maklerbüro<br />

mit fünf Mitarbeitern aber Kapazitäten und finanzielle<br />

Mittel fehlen. Wie können hier Strukturen<br />

aufgebrochen werden?<br />

Gondlach: Unabhängig von der Unternehmensgröße<br />

oder -form müssen Hierarchien außer<br />

Kraft gesetzt werden. Zumindest für bestimmte<br />

Projekte, denn die besten Ideen kommen in der<br />

Regel nicht von der Spitze. Neu zu denken und<br />

bisherige Prozesse zu hinterfragen, braucht<br />

Freiräume. Das funktioniert auch im kleinen<br />

Maklerbüro.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie konkret?<br />

Gondlach: Indem man sich selbst regelmäßig<br />

hinterfragt und Reflexionsbereitschaft mitbringt.<br />

Indem man sich Fragen stellt, etwa: Wer oder<br />

was im Wettbewerb kann meiner Zielgruppe ein<br />

besseres Angebot machen, als ich es momentan<br />

kann? Welche meiner Kundensegmente sind<br />

überhaupt empfänglich für digitale Angebote?<br />

Schließlich braucht es den Mut, wirklich zu<br />

testen. Die Ideen, die im Team entstehen, über<br />

einen längeren Zeitraum am echten Kundenbestand<br />

auszuprobieren. Nur so gewinnt man<br />

Erkenntnisse, was funktioniert und was nicht,<br />

und kann echte Innovationen hervorbringen<br />

und sein Geschäftsmodell unabhängiger von<br />

externen Einflüssen aufstellen. <br />

20 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Corona beschleunigt Digitalisierung TITEL<br />

nanz (für zwölf Monate kostenfrei seit Ende<br />

März). Als echtes Bridge-Highlight bezeichnet<br />

Norbert Porazik die bald verfügbare,<br />

integrierbare Schnittstelle zum Maklerpooleigenen<br />

AkquiseCenter. „Dadurch können<br />

unsere Vermittler während der Onlineberatung<br />

direkt auf die Daten ihrer Kunden zugreifen<br />

und diese verwalten“, so der Fonds-<br />

Finanz-Chef gegenüber <strong>procontra</strong>.<br />

Bei der Auswahl des richtigen Tools<br />

sollten Vermittler prüfen, ob ihr Beratungsmodell<br />

vollständig abgebildet werden<br />

kann. Reicht der visuelle Kontakt, dann bedarf<br />

es einer einfachen Lösung wie Skype &<br />

Co. Wer das Tool jetzt einführen und dann<br />

dauerhaft nutzen möchte, sollte maklerrelevante<br />

Kriterien ansetzen. Schnittstellen zu<br />

CRM-Systemen und Vergleichsprogrammen<br />

sowie die elektronische Unterschrift<br />

gehören dazu. Eventuelle Hürden beim<br />

Kunden sind zu vermeiden. Die Anwendung<br />

sollte für ihn daher webbasiert, also<br />

per Einladungslink und ohne zusätzliche<br />

Installation einer Software funktionieren.<br />

»Die vermittelten<br />

Inhalte auf Präsenzveranstaltungen<br />

werden zukünftig<br />

stärker hybrid<br />

angeboten werden.«<br />

KAI GONDLACH, ZUKUNFTSFORSCHER<br />

WEITERBILDUNG VERLAGERT<br />

SICH WEITER INS NETZ<br />

Neben der Verbindung zum Kunden leidet<br />

auch die Verbindung zu den Produktgebern<br />

unter der Corona-Pandemie. Zahlreiche<br />

Roadshows, Messen und Workshops<br />

wurden abgesagt oder notdürftig ins Netz<br />

verlagert. Der Maklerpool Fonds Finanz<br />

musste die MMM absagen und auf digitale<br />

Ausweichmöglichkeiten ummodeln. Über<br />

dem größten Branchenevent, der DKM im<br />

Herbst, schwebt nach wie vor das Damoklesschwert.<br />

Die Veranstalter erwarten bis<br />

Ende Juni eine behördliche Entscheidungsgrundlage.<br />

Bis dahin könnten nervös gewordene<br />

Aussteller noch kostenfrei stornieren.<br />

Sollte das klassische Vor-Ort-Format<br />

der DKM abgesagt werden müssen, wolle<br />

man eine digitale Alternative anbieten, hieß<br />

es.<br />

Läutet die Corona-Krise das große Sterben<br />

des Live-Netzwerkens ein? Taugt der<br />

Ausnahmezustand als Beweis dafür, dass<br />

virtuelle Begegnungen nicht nur virenfrei<br />

sind – sondern im besten Fall auch günstiger<br />

und effizienter? Digitalapologeten<br />

predigen schon seit Jahren die Vorzüge von<br />

Webinaren und Online-Austausch: gesparte<br />

Anreisekosten, weniger Zeitfresserei, mehr<br />

Konzentration auf das Wesentliche.<br />

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<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

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21


TITEL Corona beschleunigt Digitalisierung<br />

DER TREND WAR SCHON VORHER DA<br />

Pandemie-bedingt folgen viele Anbieter<br />

nun einem Trend, der sich schon lange vor<br />

der Krise Bahn gebrochen hat. Statistiken<br />

der Brancheninitiative „gut beraten“ zufolge<br />

hat das E-Learning bereits im vergangenen<br />

Jahr die Präsenzveranstaltungen<br />

von Platz eins der bevorzugten Lernformen<br />

verdrängt. Das erste Quartal <strong>2020</strong> hat die<br />

Entwicklung befeuert: E-Learning-Varianten<br />

waren mit einem Anteil von 78 Prozent<br />

die mit Abstand verbreitetste Lernform. Im<br />

März betrug der Anteil sogar 88 Prozent,<br />

während Präsenzveranstaltungen auf einen<br />

Anteil von 12 Prozent schrumpften.<br />

Eine Sonderregelung bei den Weiterbildungsanforderungen<br />

nach IDD gibt es für<br />

dieses Jahr voraussichtlich nicht. Daher<br />

sollten Makler die aktuelle Zeit nutzen, um<br />

ihr Fachwissen zu vertiefen und verpflichtende<br />

Weiterbildungszeiten zu sammeln.<br />

An Digitalangeboten der Bildungsanbieter<br />

herrscht zumindest kein Mangel.<br />

EVOLUTION VON KANÄLEN UND INHALTEN<br />

Reine Digitalanbieter wie die Liveakademie<br />

profino sehen ihr Prinzip in dieser Zeit bestätigt.<br />

Hier verzeichnete man ebenfalls ein<br />

wachsendes Interesse. Im April gab es im<br />

Vergleich zum Vorjahr ein Drittel mehr Webinar-Anmeldungen<br />

– die Teilnehmerzahl<br />

steigerte sich sogar um 50 Prozent. Das liegt<br />

vor allem an der reduzierten „No-Show-<br />

Rate“: Weil sich während der Krise die Ablenkungen<br />

verringert haben, beispielsweise<br />

durch spontane Geschäftstermine, springen<br />

Stundungen/Stornierungen<br />

STORNOS NEHMEN ZU<br />

20<br />

Betriebsschließungen/-unterbrechungen / Kurzarbeit<br />

7<br />

Stornos/Kündigungen/Verlust von Kunden<br />

6<br />

Stundungen/verzögerte Prämienzahlung/Beitragsreduktion<br />

5<br />

Ruhestellung/Beitragsfreistellungen (z. B. LV/bAV)<br />

3<br />

Mehrfachnennungen möglich, Angaben in %,<br />

Basis: 3.100 Makler und Mehrfachagenten<br />

Quelle: Forschungsgruppe g/d/p<br />

»Wer bis jetzt noch<br />

nicht technisch aufgestellt<br />

ist, muss das<br />

schnellstens nachholen.<br />

Automatisierung<br />

und Digitalisierung ist<br />

das Gebot der Stunde.«<br />

FRANK ROTTENBACHER, AFW-VORSTAND<br />

weniger Teilnehmer kurzfristig ab, als es<br />

normalerweise der Fall ist. Das erhöht auch<br />

die Erfolgsraten der Referenten und digitalen<br />

Aussteller auf profino.<br />

Die gecancelten Messen steigern zudem<br />

das Interesse daran, sich langfristig als virtueller<br />

Aussteller zu präsentieren. Stephanie<br />

Rettig, Leiterin der profino Liveakademie,<br />

erhält infolgedessen Anfragen von Versicherern,<br />

die kurzfristig mehr Webinare<br />

anbieten möchten als ursprünglich geplant<br />

– oder sogar komplette Veranstaltungen<br />

mit externen Gästen über die Plattform live<br />

streamen möchten.<br />

DER WERT ANALOGER BEGEGNUNGEN<br />

Dass virtuelle Events und Seminare persönliche<br />

Treffen dauerhaft komplett verdrängen<br />

werden, ist dennoch unwahrscheinlich.<br />

„Vor-Ort-Veranstaltungen wie Messen sind<br />

hochgradig soziale Geschichten und werden<br />

daher weiterhin stattfinden“, meint Zukunftsforscher<br />

Kai Gondlach im Gespräch<br />

mit <strong>procontra</strong>. Zudem bleiben analoge<br />

Begegnungen länger im Gedächtnis und<br />

bieten mehr Raum für Interaktion. Und<br />

auch wenn das Gespräch in der Kaffeepau-<br />

se den ersten Effizienzvergleich gegenüber<br />

digitalen Angeboten verliert, sind es solche<br />

Momente, die oft Ausgangspunkte für den<br />

Beginn einer Geschäftsbeziehung bieten.<br />

Bis es wieder so weit ist, brauchen Branche<br />

und Eventplaner allerdings Geduld – und<br />

eine stabile Internetverbindung.<br />

Die Vorzüge digitaler Weiterbildung<br />

kommen bei Vermittlern jedoch immer<br />

mehr zum Tragen. Dieser Trend zeichnete<br />

sich bereits vor Corona ab und wurde jetzt<br />

noch einmal beschleunigt. Auch im Weiterbildungs-<br />

und gesamten Eventbereich<br />

der Versicherungsbranche werden sich die<br />

Welten vermischen. „Ich kann mir gut vorstellen,<br />

dass die vermittelten Inhalte auf<br />

Präsenzveranstaltungen zukünftig stärker<br />

hybrid angeboten werden. Es werden weiterhin<br />

Säle mit interessierten Besuchern gefüllt<br />

und gleichzeitig ein digitales Angebot<br />

geschaffen, das Entscheidungsfreiheiten in<br />

der Art der Teilnahme schafft und so insgesamt<br />

eine höhere Reichweite erzeugt“,<br />

meint Gondlach.<br />

Auch die Kommunikationsebene zwischen<br />

Produktgebern und Vermittlern erfuhr<br />

durch die Corona-Krise einen Booster<br />

hinsichtlich digitaler Entwicklung. Das<br />

wird bleiben, Effizienzvorteile erfahren<br />

stärkere Wertschätzung.<br />

CHANCE IN DER KRISE<br />

„Die Krise als Chance begreifen“ – die Redewendung<br />

ist abgegriffen und historisch<br />

betrachtet auch mit Vorsicht zu genießen.<br />

Jedoch ist sie in Zusammenhang mit Corona<br />

aus Vermittlersicht so zu verstehen,<br />

die Chance für sich selbst zu ergreifen. Sein<br />

Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen,<br />

Strukturen aufzubrechen, um wirkliche Zukunftsfähigkeit<br />

zu schaffen.<br />

Die Kundenseite ist aufgeschlossen. Mit<br />

Blick auf „nach Corona“ sehen einige Experten<br />

ganz neue Beweggründe für eine<br />

Beratung. Corona lässt uns unsere eigene<br />

Verletzbarkeit erkennen. Die Einstellung zu<br />

Gesundheits- und Vorsorgethemen könnte<br />

sich tiefgreifend ändern, die Sinnhaftigkeit<br />

und Notwendigkeit von Versicherungen<br />

von Kunden neu und positiver bewertet<br />

werden.<br />

Der Anpassungsfähige wird den Langsamen<br />

und Großen schlagen. Wer in der<br />

jetzigen Situation schnell reagiert, kann mit<br />

den gewonnenen Kompetenzen dauerhaft<br />

ein Konzept implementieren, das die eigene<br />

Zukunft festigt.<br />

22 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Martin Makler<br />

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BUSCHFUNK Investmentfonds<br />

INVESTMENTFONDS<br />

DIVIDENDEN: STUDIE WARNT VOR EINBRUCH<br />

Rückgänge von bis zu 35 Prozent erwartet<br />

Die Corona-Krise hat bereits für Kursstürze an der Börse gesorgt. Nun zeichnet sich<br />

ab, dass die Pandemie auch die Gewinnbeteiligungen der Aktionäre schmälern wird.<br />

„Aufgrund des plötzlichen, historisch einmaligen wirtschaftlichen Stillstands in vielen<br />

Ländern ist die Aussetzung von Dividenden unvermeidlich“, erklärte Daniela Brogt,<br />

Vertriebschefin bei Janus Henderson. Laut einer aktuellen Studie ihrer Vermögensverwaltungsgesellschaft<br />

werden die Gewinnausschüttungen in diesem Jahr um 15 (Best-<br />

Case-Szenario) bis 35 Prozent (Worst-Case-Szenario) zurückgehen. Problematisch sehen<br />

die Studienautoren den Bankensektor, die Luft- und Raumfahrt- sowie die Bauindustrie.<br />

Weniger hart dürften dagegen die Einbußen bei Unternehmensbeteiligungen in der Gesundheits-<br />

und Lebensmittelwirtschaft ausfallen.<br />

Foto: iStock / Guvendemir<br />

DAX: CORONA-KRISE BEFLÜGELT KÄUFE<br />

Auch ausländische Anleger setzen auf den DAX.<br />

Die Frankfurter Wertpapierbörse<br />

Foto: iStock / Jchambers<br />

Eigentlich gelten die Deutschen als Aktienmuffel. Doch die Corona-<br />

Krise wirbelt offenbar auch das Anlageverhalten durcheinander.<br />

Seit März haben laut einer Untersuchung der BaFin die Handelsaktivitäten<br />

von Privatanlegern in Aktien deutlich zugelegt. Die Käufe<br />

übersteigen dabei deutlich die Verkäufe. Besonder gefragt sind dabei<br />

DAX-Papiere. Hier überstieg das Volumen der Käufe das der Verkäufe<br />

um durchschnittlich 60 Prozent. Auch Anleger aus dem Ausland<br />

kauften 30 Prozent mehr DAX-Aktien, als sie abstießen.<br />

DEUTSCHE BANK SCHWÄCHELT BEI BUNDESANLEIHEN<br />

Deutschlands größtes Geldhaus erneut nicht berücksichtigt<br />

Der Handel mit Staatsanleihen hat in der aktuellen Krise noch einmal an Bedeutung gewonnen.<br />

Umso auffälliger, dass die Deutsche Bank Anfang Mai nun schon zum zweiten Mal in<br />

Folge bei der <strong>Ausgabe</strong> einer neuen Bundesanleihe (15 Jahre Laufzeit) nicht berücksichtigt<br />

wurde. Der Auftrag, das neue Wertpapier bei Investoren zu platzieren, wurde an ein Konsortium<br />

aus fünf anderen Banken vergeben. Auch als die Finanzagentur im Februar die erste<br />

grüne Bundesanleihe konzipierte, kam Deutschlands größte Bank zu kurz. Der Auftrag wurde<br />

an die französische Großbank Crédit Agricole vergeben. Allerdings rechnet man bei der<br />

Deutschen Bank bald wieder mit einer Berücksichtigung. Eine Sprecherin betonte, dass das<br />

Auswahlverfahren der Finanzagentur auch einen Rotationsmechanismus beinhalte.<br />

Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt<br />

Foto: iStock / Philiphotographer<br />

24<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Investmentfonds BUSCHFUNK<br />

BlackRock: Nachhaltiger Rentenfonds<br />

Die Fondsgesellschaft BlackRock hat den Rentenfonds<br />

BGF ESG Fixed Income Global Opportunities (ISIN:<br />

LU2144843237) aufgelegt. Eigenen Angaben zufolge ist es<br />

der erste hauseigene nachhaltige Anleihefonds mit flexibler<br />

Total-Return-Strategie. Der Fonds ist in Euro aufgelegt.<br />

Foto: iStock / Leo Patrizi<br />

Aktiv-Passiv-Debatte<br />

in Corona-Zeiten<br />

YORAM LUSTIG<br />

Head of Multi-Asset Solutions, T. Rowe Price<br />

Ethenea: Anleihenchef geht<br />

Ende Mai dieses Jahres verließ Anleihenchef Martin Dreier<br />

(Foto) das Luxemburger Fondshaus Ethenea. Der Schritt<br />

erfolge auf eigenen Wunsch und aus familiären Gründen.<br />

Die Stelle soll vorerst nicht neu besetzt werden. Dreier war<br />

seit Juni 2019 für Ethenea tätig, seit Januar <strong>2020</strong> leitete<br />

er das Anleihen-Team.<br />

Lyxor: Fonds mit katholischen Grundsätzen<br />

Lyxor hat einen neuen Teilfonds aufgelegt. Der „Globale<br />

Aktien - Dividende & Nachhaltigkeit“ (WKN: CDF4RK) wird<br />

aktiv verwaltet und bezieht sich nicht auf eine Benchmark.<br />

Das Anlageziel besteht darin, langfris tigen Kapitalzuwachs<br />

zu erzielen, indem Inves toren Zugang zu einem<br />

globalen Aktienportfolio im Ein klang mit katholischen<br />

Investmentstandards gewährt wird.<br />

BVI: Fondsbranche sammelt Milliarden ein<br />

Den Fondsgesellschaften sind im ersten Quartal <strong>2020</strong><br />

netto 24,1 Milliarden Euro neue Mittel zugeflossen. Dazu<br />

haben vor allem offene Spezialfonds mit Zuflüssen von<br />

32,7 Milliarden Euro beigetragen. Das ist ihr stärkster Jahresauftakt<br />

seit 2015, als Spezialfonds im ersten Quartal<br />

44,4 Milliarden Euro erzielten.<br />

Venture Capital: Unsicherheit durch Corona<br />

Die ungewissen Auswirkungen der Corona-Pandemie<br />

haben den deutschen VC-Markt verunsichert. Das<br />

Geschäftsklima ist auf ein Allzeittief abgestürzt. Im ersten<br />

Quartal gab der Geschäftsklimaindikator des Frühphasensegments<br />

um 72,3 Zähler auf –61,3 Saldenpunkte<br />

nach – ein noch nie dagewesener Einbruch. Fast alle<br />

Klimaindikatoren fielen im ersten Quartal deutlich in den<br />

roten Bereich.<br />

DWS: Expertin im Nachhaltigkeits-Beirat<br />

Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium<br />

für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit<br />

haben zusammen mit dem Bundesministerium für<br />

Wirtschaft und Energie Petra Pflaum (Foto) in das Gremium<br />

des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung berufen.<br />

Pflaum arbeitet als CIO for Responsible Investment<br />

bei der DWS und ist Mitglied der Geschäftsführung.<br />

Foto: iStock / gpointstudio<br />

Foto: iStock / Jeff Hu<br />

Foto: iStock / Maximusnd<br />

Das Corona-Virus hat für erhebliche Turbulenzen<br />

an den globalen Finanzmärkten gesorgt. Mit Blick<br />

auf die stark erhöhte Unsicherheit sollten Anleger<br />

einmal mehr überdenken, ob sie eine Entscheidung für<br />

günstige passive Investments möglicherweise teuer<br />

bezahlen werden. Denn sie gehen mit dieser Wahl<br />

nicht nur die passiven Investments innewohnenden<br />

Risiken ein, sondern verpassen gleichzeitig einzigartige<br />

Gelegenheiten, die sich erfahrenen aktiven Managern<br />

aktuell bieten: Die Krise sorgt vielfach für eine<br />

komplette Neubewertung der Zukunftsaussichten von<br />

Unternehmen. Talentierte Manager verstehen es, frühzeitig<br />

Investments mit Rückenwind auszuwählen und<br />

solche mit Gegenwind auszusortieren, um den breiten<br />

Markt und entsprechende Indexprodukte zu schlagen.<br />

Auch die deutlich erhöhte Volatilität kann ihnen in die<br />

Hände spielen: In Zeiten permanenter Anpassungen<br />

der Kurse an aktuelle Entwicklungen sorgen irrationale<br />

Erwartungen vielfach für deutliche Abweichungen<br />

des Markts von den Fundamentaldaten. Manager mit<br />

scharfem Blick, kühlem Kopf und Geduld können in<br />

einem solchen Umfeld zu Unrecht abgestrafte Titel<br />

identifizieren, deren Kurse früher oder später auf ein<br />

faires Bewertungsniveau zurückkehren.<br />

Darüber hinaus lassen sich in die Titelauswahl<br />

ESG-Faktoren integrieren, um die von Corona derzeit<br />

überschattete andere globale Krise zu bewältigen –<br />

den Klimawandel. Aktive Ansätze sind hier im Vorteil:<br />

Sie schließen, anders als passive Strategien, nicht nur<br />

systematisch bestimmte Sektoren wie die Ölindustrie<br />

aus, sondern belohnen aktiv Unternehmen, die einen<br />

Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Letztlich geht<br />

es darum, sich auf ein nachhaltig verändertes Umfeld<br />

einzustellen, statt Trends und Zusammenhänge der<br />

Vergangenheit fortzuschreiben, wie es passive Investments<br />

schon per Definition tun. Investmenterfolg<br />

werden diejenigen haben, die die neue Zukunft in den<br />

Blick nehmen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

25


INVESTMENTFONDS Investmenttalk<br />

»Liquidität ist wichtiger<br />

als Rendite«<br />

Die Corona-Krise hat einen Crash in sämtlichen Anlageklassen ausgelöst. Warum Investoren<br />

am Anleihemarkt nicht panisch werden müssen und eine Rezession auch Chancen birgt,<br />

erklärt Frank Witt, Deutschlandchef beim Vermögensverwalter Pimco.<br />

– TEXT: LILIAN FIALA –<br />

<strong>procontra</strong>: Herr Witt, die Folgen der Krise<br />

sind noch unklar, eine Rezession kommt<br />

mit Sicherheit auf uns zu. Wie wird diese<br />

Ihrer Meinung nach aussehen?<br />

Frank Witt: Eine Rezession wird unausweichlich<br />

sein, das steht fest. Wie schlimm<br />

es genau wird, weiß niemand. Man kann<br />

immer nur vorsichtige erste Schätzungen<br />

abgeben. Wir rechnen damit, dass die<br />

Wirtschaft in der Eurozone <strong>2020</strong> real um<br />

bis zu 10 Prozent schrumpfen wird. Die<br />

USA werden etwas besser durch das Jahr<br />

kommen, mit etwa minus 5 Prozent. China<br />

wird wahrscheinlich gerade noch positiv<br />

abschneiden und bei einem Wachstum um<br />

die 0 Prozent liegen. Die Entwicklungsländer<br />

werden ebenfalls mit einem leichten<br />

Wachstum um die Null wegkommen.<br />

<strong>procontra</strong>: Die Krise sorgt für Verluste<br />

in sämtlichen Anlageklassen. Welche<br />

Segmente am Rentenmarkt sind derzeit am<br />

stärksten betroffen?<br />

Witt: Wenig überraschend hat es hier zuerst<br />

die risikoreichsten Bereiche getroffen.<br />

Das sind zum einen Hochzinsanleihen und<br />

zum anderen Emerging-Markets-Anleihen<br />

in lokalen Währungen. Auch US-Dollarbasierte<br />

Schwellenländer-Anleihen hat die<br />

Krise belastet. Und natürlich blieben auch<br />

hochqualitative Unternehmensanleihen<br />

nicht vollständig verschont. Staatsanleihen<br />

haben hingegen sogar positiv abgeschnitten,<br />

weil dort die Zinsen gefallen sind.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie sind Sie mit dem Crash<br />

umgegangen?<br />

Witt: Letztendlich war eine der wichtigsten<br />

Erkenntnisse, dass dieser starke Kursver-<br />

FRANK WITT ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Pimco Deutschland GmbH in München und<br />

leitet das Geschäft von Pimco in Deutschland, Österreich, Schweiz, Benelux und Skandinavien.<br />

Zuvor war er Investmentbanker bei Goldman Sachs in Kalifornien. Außerdem war er als Risikomanager<br />

bei der Deutschen Bank tätig. Mit mehr als 1,87 Billionen US-Dollar verwaltetem Vermögen<br />

gehört Pimco zu den weltgrößten Anbietern von Anleihefonds.<br />

26 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Investmenttalk INVESTMENTFONDS<br />

GLOBALE SCHWELLENLÄNDERANLEIHEN MIT DER BESTEN DREIJAHRESPERFORMANCE<br />

Ob Krise oder Rezession, auf lange Sicht lohnt es sich für Anleger weiterhin, in zukunftsträchtige Märkte zu investieren.<br />

Fonds ISIN Performance<br />

1 Jahr<br />

Performance<br />

3 Jahre<br />

Performance<br />

laufendes Jahr<br />

DWS Invest Emerging Mkts IG Sov Dbt IDH LU0982740572 1,90 1,23 -6,39 0,00 0,47<br />

Stratton Street UCITS NFA GlbBF UI QAEUR LU1483930282 1,18 1,10 -7,62 3,00 1,00<br />

JPM Emerg Mkts Inv Grd Bd A (dist) EURH LU0562246370 0,07 0,11 -5,55 3,00 1,09<br />

JPM Emerg Mkts Inv Grd Bd A (acc) EURH LU0562246297 0,05 0,09 -5,54 3,00 1,10<br />

JPM Emerg Mkts Inv Grd Bd D (acc) EURH LU0562246966 -0,36 -0,32 -5,66 3,00 1,51<br />

MEAG EM Rent Nachhaltigkeit A DE000A1144X4 -2,51 -0,33 -5,65 4,00 1,22<br />

LGT Sust. Bd Fd EM Defensive EUR B LI0183910012 -4,14 -1,31 -5,49 3,00 1,47<br />

Allianz EM Shrt Dur Bd AM H2 EUR LU1064047639 -2,63 -1,33 -5,58 5,00 1,05<br />

Allianz EM Shrt Dur Defensv Bd AT H2 EUR LU1079477284 -2,68 -1,39 -5,69 5,00 1,05<br />

Muzinich EmergingMktsShrtDur HEUR Acc S IE00BCCW0T67 -5,52 -1,39 -7,72 1,00 0,66<br />

Agio<br />

Laufende<br />

Kosten<br />

Angaben in %<br />

Quelle: Morningstar<br />

fall gerade im Rentenbereich hauptsächlich<br />

durch Liquiditätsengpässe ausgelöst<br />

wurde. Denn in dem Moment, in dem<br />

alle verstanden haben, wie schlimm die<br />

Krise werden wird, wollten plötzlich alle<br />

verkaufen. Das war gegen Ende Februar<br />

der Fall und hat dazu geführt, dass die<br />

»Unternehmensanleihen,<br />

Hypothekenanleihen<br />

und<br />

ausgewählte Schwellenländeranleihen<br />

lohnen sich jetzt.«<br />

Anleihekurse immer weiter gefallen sind.<br />

Für uns war es da am allerwichtigsten,<br />

Ruhe zu bewahren und auf keinen Fall panisch<br />

zu verkaufen, sondern uns weiter auf<br />

die Fundamentaldaten zu konzentrieren.<br />

Dabei hat uns geholfen, dass wir schon vor<br />

der Krise sehr vorsichtig waren. Wir haben<br />

dann geprüft, ob unsere Bonds solide und<br />

das Geld noch wert sind. An den meisten<br />

Positionen haben wir festgehalten.<br />

<strong>procontra</strong>: Also gibt es an den Rentenmärk<br />

ten derzeit nicht genug Liquidität?<br />

Witt: Absolut nicht, das hat man jetzt<br />

gesehen. Liquidität ist ein extrem wich-<br />

tiger Risikofaktor, den jeder Investor<br />

berücksichtigen sollte. Zwar hat sich die<br />

Liquidität am Markt durch die Hilfspakete<br />

der Notenbanken und Regierungen wieder<br />

etwas erholt. Sie ist aber immer noch nicht<br />

ausreichend.<br />

<strong>procontra</strong>: Ist Liquidität gerade nicht sogar<br />

noch wichtiger als die Rendite?<br />

Witt: Definitiv. Unter anderem darum,<br />

aber vor allem wegen der allgemeinen<br />

Unsicherheit, raten wir den Anlegern nicht<br />

direkt wieder stark in den Markt etwa<br />

für risikobehaftete Anleihen einzusteigen,<br />

obwohl die Kurse teils sehr attraktiv sind.<br />

Niemand weiß, wie sich die Pandemie<br />

entwickelt, ob es wirklich bald einen<br />

Impfstoff gibt und so weiter. Wir raten<br />

deswegen weiter zur Vorsicht. Gleichzeitig<br />

sollte niemand panisch verkaufen,<br />

sondern besser an den hochqualitativen<br />

Papieren im Portfolio festhalten und hier<br />

auch schrittweise wieder neue Positionen<br />

aufbauen.<br />

<strong>procontra</strong>: Mit Sicherheit kann niemand<br />

die Zukunft vorhersagen, das stimmt.<br />

Aber wie lautet Ihre Vermutung? Haben<br />

wir das Schlimmste hinter uns?<br />

Witt: In unserem Basisszenario gehen<br />

wir davon aus, dass das Allerschlimmste<br />

hinter uns liegt. Das heißt nicht, dass der<br />

Peak der Corona-Pandemie schon vorüber<br />

ist – den erwarten wir eher in ein<br />

paar Monaten. Aber die Märkte nehmen<br />

schon viel vorweg. Wir vermuten, dass<br />

die Wirtschaft im dritten Quartal <strong>2020</strong> zu<br />

einer Erholung ansetzt, die dann im vierten<br />

Quartal tatsächlich kommt. Wenn man<br />

das in Buchstaben beschreibt, dann ist das<br />

eine U-Form. Erst der starke Absturz, den<br />

wir beobachten konnten, und dann erst<br />

mal eine Seitwärtsbewegung, gefolgt von<br />

einer Aufwärtsbewegung. Da sollte sich<br />

die Wirtschaft dann eigentlich auch wieder<br />

relativ schnell erholen. Der Vorteil ist ja,<br />

dass es keine Rezession wird, die durch<br />

Ungleichgewichte in der Wirtschaft hervorgerufen<br />

wurde, sondern es sich letztendlich<br />

um eine vom Staat initiierte Rezession handelt.<br />

Sobald sich die Ausgangsbeschränkungen<br />

lockern, wird auch die Wirtschaft<br />

relativ schnell wieder anspringen.<br />

<strong>procontra</strong>: Im Moment hält die Ausnahmesituation<br />

ja noch an. Und die meisten<br />

Unternehmen leiden darunter. Viele müssen<br />

ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken<br />

oder sogar Insolvenz anmelden. Müssen<br />

Anleger sich bei Unternehmensanleihen<br />

auf massenhafte Ausfälle einstellen?<br />

Witt: Das kann man so pauschal nicht<br />

sagen, es hängt hier sehr von den individuellen<br />

Firmen ab. Bei unseren Titeln haben<br />

wir noch einmal die Stresstests genau angeschaut<br />

und uns gefragt, ob die jeweilige<br />

Firma überlebt, wenn der Lockdown noch<br />

drei bis sechs Monate anhält. Wir prüfen,<br />

ob ein Unternehmen genug Reserven hat<br />

und auf ausreichend Hilfsprogramme<br />

zurückgreifen kann. Auf dieser Basis entscheiden<br />

wir.<br />

<strong>procontra</strong>: Bei welchen Unternehmen rechnen<br />

Sie nicht mehr mit einer Erholung?<br />

Witt: Ein Sektor, in dem es unserer<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

27


INVESTMENTFONDS Investmenttalk<br />

Meinung nach schon sehr schwierig<br />

werden wird, ist der ganze Öl- und Gasmarkt.<br />

Das Segment ist ja nicht nur von<br />

der Corona-Krise und dem damit einhergehenden<br />

Nachfragerückgang betroffen.<br />

Parallel kam auch noch der Ölpreiskrieg<br />

dazu, den sich Saudi-Arabien und Russland<br />

geleistet haben. Der Preisverfall<br />

ist mit teils negativen Preisen geradezu<br />

dramatisch. Andere Sektoren, die wir<br />

kritisch sehen, sind etwa die Flugindustrie<br />

und die Gastronomie. Je stärker ein Sektor<br />

von den wirtschaftlichen Auswirkungen<br />

der Pandemie betroffen ist, desto größer ist<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass eine Firma die<br />

Krise nicht überlebt.<br />

<strong>procontra</strong>: Und wer hat Ihrer Meinung<br />

nach beste Chancen, von einer Erholung<br />

der Märkte nach der Krise zu profitieren?<br />

Witt: In der Panik wurden auch viele<br />

hochqualitative Firmentitel verkauft, die<br />

gute Bilanzen und Geschäftsmodelle haben<br />

und hohe Cash-Positionen besitzen. Wenn<br />

alles nach unserem Basisszenario verläuft,<br />

sollten diese Unternehmensanleihen aber<br />

sehr gut performen. Dazu gehören zum<br />

Beispiel Anleihen von Firmen aus den<br />

Bereichen Pharma, Gesundheit, Versorger<br />

und Telekom/Kabel. Wir mögen auch<br />

Namen aus dem Finanzbereich und REITs.<br />

Wichtig ist dabei aber immer die Einzeltitelauswahl.<br />

<strong>procontra</strong>: Lohnt es sich überhaupt noch,<br />

auf bonitätsstarke Titel zu setzen, oder<br />

sind die bereits viel zu teuer?<br />

Witt: Vor der Krise waren diese Titel schon<br />

sehr teuer, das stimmt. Jetzt sind sie aber<br />

mit allen anderen so stark abgestraft worden,<br />

dass es interessante Investmentmöglichkeiten<br />

gibt. Wir sind der Meinung, dass<br />

sich gerade Unternehmensanleihen, aber<br />

auch Hypothekenanleihen und ausgewählte<br />

Schwellenländeranleihen lohnen. Denn<br />

oft haben Investoren gerade die besten Titel<br />

verkauft, weil die noch am liquidesten<br />

waren. Natürlich sollte man weiterhin<br />

von Fall zu Fall prüfen, welche Risiken<br />

bestehen. Aber als langfristiger Investor<br />

wird man bei vielen dieser Titel für ein<br />

vertretbares Risiko belohnt. Es bieten sich<br />

jetzt definitiv bessere Anlagemöglichkeiten<br />

als noch zu Jahresbeginn.<br />

<strong>procontra</strong>: Also sind vermehrte Investitionen<br />

in Schwellenländeranleihen gerade<br />

eine gute Idee?<br />

Witt: Auch da kommt es auf den Einzelfall<br />

an. Es gibt Länder, die sehr stark<br />

vom Ölpreis abhängen, denen geht es<br />

eher schlecht. Dadurch steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit.<br />

Die Ratingagenturen<br />

dürften sich auch die Firmen in diesen<br />

Ländern genau anschauen und viele vom<br />

Investmentgrade in den High-Yield-Markt<br />

zurückstufen. Für Investoren ist aber<br />

eigentlich ausschlaggebend, was davon<br />

schon eingepreist ist. Man sollte sich bewusst<br />

machen, dass im Investmentbereich<br />

etwa 3 Prozent Ausfälle eingepreist sind,<br />

die höchsten Ausfälle historisch bisher<br />

aber bei nur circa 1,5 Prozent lagen. Es<br />

sind also zu viele Ausfälle eingepreist,<br />

auch bei Titeln mit guten Entwicklungsaussichten.<br />

Und die bieten eine attraktive<br />

Investmentmöglichkeit.<br />

<strong>procontra</strong>: Nicola Mai, Portfoliomanager<br />

und Leiter des Staatsanleihen-Research<br />

bei Pimco, hat das Anti-Krisen-Paket der<br />

Eurozone zuletzt kritisiert. Er hält es für<br />

nicht ausreichend. Wie sehen Sie das?<br />

»Corona-Bonds<br />

werden in irgendeiner<br />

Form kommen.«<br />

Witt: Ich bin froh, dass sich die EU überhaupt<br />

auf ein Hilfsprogramm geeinigt hat.<br />

Das war schon ein großer Durchbruch.<br />

Natürlich hätten sich einige Länder, gerade<br />

Italien oder Frankreich, Corona-Bonds<br />

erhofft, also gemeinsame europäische<br />

Staatsanleihen. Man kann immer sagen,<br />

dass man enttäuscht ist, weil es natürlich<br />

besser für die Wirtschaft und den Markt<br />

ist, je mehr Hilfspakete kommen. Aber<br />

man muss langfristig im Auge behalten,<br />

welche Konsequenzen diese Hilfsinstrumente<br />

für die Eurozone haben. Da sind<br />

wir schon lange skeptisch.<br />

<strong>procontra</strong>: Was befürchten Sie?<br />

Witt: Man hat ja gesehen, dass es noch<br />

viele strukturelle Probleme in der Eurozone<br />

gibt. Diese werden durch die Krise nicht<br />

besser. In solchen Zeiten müssen die Länder<br />

zusammenhalten, und meiner Meinung<br />

nach passiert das auch gerade. Klar, man<br />

kann immer noch mehr machen. Aber ich<br />

würde die bisherigen Maßnahmen erst mal<br />

als positives Zeichen sehen.<br />

<strong>procontra</strong>: Stichwort Corona-Bonds – rechnen<br />

Sie damit, dass die EU solche Anleihen<br />

doch noch ins Leben ruft?<br />

Witt: Das ist wirklich schwierig vorherzusehen,<br />

ich persönlich vermute, dass sie in<br />

irgendeiner Form kommen werden. Aber<br />

ich glaube, nicht so, wie sie gerade von<br />

manchen gefordert werden. Dafür sind<br />

die Interessen von den Niederlanden und<br />

Deutschland gegenüber denen anderer<br />

Länder einfach zu gegensätzlich. Aber da<br />

erweist sich die Politik ja immer als recht<br />

kreativ, irgendwelche Kompromisse zu<br />

finden.<br />

<strong>procontra</strong>: Gibt es denn noch andere Instrumente<br />

der Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) zur Krisenbekämpfung, die Sie jetzt<br />

gerne sehen würden?<br />

Witt: Ich glaube, die Zentralbanken<br />

haben schon alle im historischen Maßstab<br />

reagiert, auch die EZB. Sicherlich hat sie<br />

noch mehr Werkzeuge, wie andere Zentralbanken<br />

auch. Die Bank of Japan kauft<br />

mittlerweile ja auch direkt Aktien und die<br />

US-amerikanische Fed Unternehmensanleihen,<br />

das hat sie im Gegensatz zur EZB<br />

zuvor nicht gemacht. Die EZB könnte<br />

natürlich auch noch anfangen, Aktien und<br />

High-Yield-Anleihen zu kaufen, da ist<br />

man noch nicht am Ende des Instrumentariums<br />

angelangt. Die Frage ist eher, ob<br />

das wünschenswert ist. Kurz vor der Krise<br />

waren die meisten Marktbeobachter ja<br />

schon zu der Erkenntnis gekommen, dass<br />

die Nebenwirkungen der Zentralbankmaßnahmen<br />

langsam anfangen, die positiven<br />

Wirkungen zu übersteigen. Wenn man jetzt<br />

noch stärkere Maßnahmen ergreift, ist<br />

auch mit noch stärkeren Nebenwirkungen<br />

zu rechnen.<br />

<strong>procontra</strong>: Apropos Nebenwirkungen:<br />

Müssen die Leitzinsen in der Eurozone<br />

wegen der hohen Neuverschuldung der<br />

Staaten jetzt für immer und ewig supertief<br />

bleiben?<br />

Witt: Das ist eine unserer Prognosen. Die<br />

Verschuldung der Staaten nach der Krise<br />

wird natürlich deutlich höher sein als<br />

vorher. Deshalb denken wir auch, dass<br />

die Zinsen langfristig sehr niedrig bleiben.<br />

Die Zentralbanken werden sehen, dass,<br />

wenn die Zinsen zu stark ansteigen, zu<br />

viele Länder und Regierungen Probleme<br />

bekommen, ihre Schulden zurückzuzahlen.<br />

Wir glauben, dass die Zinsen auf absehbare<br />

Zeit eher unter dem Niveau von vor<br />

der Krise bleiben dürften.<br />

28 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


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INVESTMENTFONDS Fondsgebühren<br />

AUF PERFORMANCE GETRIMMT<br />

Die Regeln für Erfolgsgebühren sind neu geregelt und in einheitliche Form gebracht.<br />

Die meisten Anleger dürften davon profitieren – aber nicht alle.<br />

– TEXT: JULIA GROTH –<br />

Gute Nachrichten für Investoren in Europa:<br />

Geht es an den Märkten aufwärts,<br />

müssen sie künftig zum Teil weniger Rendite<br />

an Fondsmanager abtreten als bisher.<br />

Der Grund: Die europäische Marktaufsicht<br />

Esma hat neue Regeln für erfolgsabhängige<br />

Gebühren bei Investmentfonds aufgestellt.<br />

Damit schiebe sie den schlimmsten Kostenexzessen<br />

einen Riegel vor, urteilt Ali<br />

Masarwah, Deutschland-Chefredakteur<br />

des Fondsrating- und Analysehauses Morningstar.<br />

„Die neue Regelung ist klar im Interesse<br />

der Investoren“, sagt er. Sie könnte<br />

Anleger allerdings auch in einigen Fällen<br />

schlechterstellen.<br />

30 Illustration: Roman Kulon


Fondsgebühren INVESTMENTFONDS<br />

Die wichtigsten Änderungen: Fondsmanager<br />

dürfen nur noch dann eine Erfolgsgebühr<br />

verlangen, wenn sie ihren Vergleichsindex<br />

auf Sicht von fünf Jahren geschlagen<br />

haben. Kurzzeitige Gewinne, die langfristige<br />

Verluste nicht kompensieren, genügen<br />

nicht mehr. Bei Fonds, die vor die Auszahlung<br />

der Performance Fee eine High-Water-<br />

Mark, also das Übertreffen eines früheren<br />

Höchststandes, gesetzt haben, gilt das Gleiche.<br />

Nur wenn sie die Hochwassermarke<br />

auf Sicht von fünf Jahren übertroffen haben,<br />

dürfen die Manager an der Wertentwicklung<br />

beteiligt werden. Darüber hinaus<br />

muss der Zeitraum, für den Investmentgesellschaften<br />

eine erfolgsabhängige Gebühr<br />

verlangen, mindestens ein Jahr betragen.<br />

»Die Regeln stellen<br />

sicher, dass Anleger<br />

keine erfolgsabhängigen<br />

Gebühren<br />

für eine schlechte<br />

Performance<br />

zahlen müssen.«<br />

THOMAS RICHTER, BVI<br />

EXPORTSCHLAGER »MUSTERKOSTENKLAUSELN«<br />

Maklern in Deutschland dürften diese Regeln<br />

bekannt vorkommen. Sie entsprechen<br />

mehr oder weniger jenen, die die BaFin bereits<br />

im Jahr 2012 aufgestellt hat. Die deutsche<br />

Finanzaufsicht setzte damals mit ihren<br />

sperrig benannten „Musterbausteinen für<br />

Kostenklauseln offener Publikumsinvestmentvermögen“<br />

dem Wildwuchs bei Performance<br />

Fees in der Bundesrepublik ein<br />

Ende. Die Esma orientiert sich bei ihren<br />

Vorgaben eng am deutschen Modell. Die<br />

hiesige Fondsindustrie begrüßt dieses Vorgehen:<br />

„Das sind ausgewogene Regeln im<br />

Interesse der Anleger und der Branche“,<br />

kommentiert Thomas Richter, Geschäftsführer<br />

des Branchenverbands BVI. „Sie<br />

stellen sicher, dass Anleger keine erfolgsabhängigen<br />

Gebühren für eine schlechte<br />

Performance zahlen müssen.“ Dass die<br />

deutschen Regeln nun europaweit gelten,<br />

ERFOLGSKRITERIEN:<br />

PERFORMANCE-FEE-MODELLE<br />

Viele Fondsanbieter gehen nach dem Benchmark-Prinzip<br />

vor. Dabei müssen Fondsmanager<br />

einen Vergleichsindex übertreffen, ehe sie Performance<br />

Fee vereinnahmen dürfen. Makler sollten<br />

darauf achten, dass die Benchmark sinnvoll<br />

gewählt ist. Für Anleger ist es von Vorteil, wenn<br />

Fondsprofis zusätzlich eine High-Water-Mark<br />

schlagen müssen.<br />

Einige Anbieter setzen stattdessen auf das<br />

Hurdle-Rate-Prinzip. Dabei muss eine bestimmte<br />

Renditeschwelle überschritten werden, ehe ein<br />

Erfolgsbonus erhoben werden darf.<br />

bedeutet nicht, dass sich für Anleger in<br />

Deutschland nichts ändert. Denn die Musterkostenklauseln<br />

der BaFin hatten bislang<br />

keine Relevanz für Fonds, die nach<br />

ausländischem Recht aufgelegt worden<br />

waren, etwa in Irland oder Luxemburg.<br />

Beispiel FvS Multiple Opportunities: Das<br />

Flaggschiff der Kölner Investmentboutique<br />

Flossbach von Storch wurde im Jahr 2007<br />

nach Luxemburger Recht lanciert. Bis vor<br />

Kurzem entsprach seine Performance Fee<br />

nicht den deutschen Standards.<br />

NACHTEILE BEIM FIXEN VERLUSTVORTRAG<br />

Zum vergangenen Jahreswechsel stellte<br />

Flossbach auf das deutsche Modell um.<br />

Viele Vermögensverwalter dürften es ihm<br />

nun gleichtun. Das Beispiel des FvS Multiple<br />

Opportunities zeigt, dass die Einheitsregeln<br />

der Esma für Fondsmanager<br />

nicht überraschend kamen – es zeigt aber<br />

auch, dass diese Regeln nicht immer eine<br />

Verbesserung darstellen. So änderten sich<br />

durch die Umstellung bei dem Flossbach-<br />

Dickschiff in der Hauptsache drei Aspekte,<br />

von denen nur zwei den Investoren zugutekamen.<br />

Die erste Änderung: Die Erfolgsgebühr<br />

wird nun nicht mehr quartalsweise abgerechnet,<br />

sondern auf Jahresbasis. Nach<br />

einem heftigen Kurssturz müssen die<br />

Fondsmanager also womöglich nicht nur<br />

auf die Performance Fee für drei Monate<br />

verzichten, sondern auf die Belohnung für<br />

ein ganzes Jahr. Die zweite Anpassung: Die<br />

Performance Fee darf nun höchstens 2,5<br />

Prozent des durchschnittlichen Volumens<br />

der jeweiligen Fondstranche ausmachen.<br />

Eine solche Obergrenze hatte es zuvor nicht<br />

gegeben. In der Theorie ist auch diese Änderung<br />

ein Pluspunkt für Anleger. Praktisch<br />

dürfte sie aber angesichts des hohen Fondsvolumens<br />

nur in Jahren mit extrem guter<br />

Wertentwicklung eine Rolle spielen.<br />

Die dritte Änderung ist für die FvS-Kunden<br />

eher ungünstig. Die High-Water-Mark<br />

gilt nun, gemäß der BaFin- und Esma-<br />

Regeln, für fünf Jahre. Bei manch einem<br />

Fonds dürfte dieser Verlustvortrag verhindern,<br />

dass das Management trotz durchwachsener<br />

Langfrist-Performance zugreift.<br />

Flossbach hatte zuvor aber keine zeitliche<br />

Begrenzung definiert. Bevor bei dem<br />

Fonds eine Erfolgsgebühr floss, musste er<br />

ein neues Allzeithoch erreicht haben. Nun<br />

genügt es, wenn er fünf Jahre nach einem<br />

Crash gut abschneidet – auch wenn er in<br />

der Zwischenzeit die Verluste noch nicht<br />

wieder wettgemacht hat.<br />

SPIELRAUM FÜR TRICKSEREIEN<br />

Insgesamt kämen die Esma-Regeln Anlegern<br />

zugute, urteilt Morningstar-Experte<br />

Masarwah. Die Regulierung gehe aber<br />

noch nicht weit genug: „Fondsmanager<br />

haben immer noch viele Freiheiten bei<br />

der Ausgestaltung der Performance Fee“,<br />

kritisiert er. So gibt es etwa weiterhin keine<br />

Obergrenze dafür, wie viel Prozent der<br />

Outperformance Manager als Belohnung<br />

in die eigene Tasche stecken dürfen. Darüber<br />

hinaus können Fondsanbieter als Vergleichsgröße<br />

für ihre Produkte immer noch<br />

Indizes wählen, die die Fondsmanager mit<br />

Leichtigkeit übertreffen können. Maklern<br />

obliegt es, solche Tricksereien im Interesse<br />

ihrer Kunden zu durchschauen.<br />

PRO<br />

ESMA-REGELN:<br />

ÜBERFÄLLIG ODER UNNÖTIG?<br />

Setzen dem Wildwuchs<br />

im Gebührendschungel<br />

ein Ende<br />

Verhindern allzu<br />

dreiste Gebührenexzesse<br />

Erhöhen die<br />

Transparenz für<br />

Fondskäufer<br />

CONTRA<br />

Lassen Anbietern<br />

immer noch viele<br />

Freiheiten<br />

Stellen Investoren<br />

in einigen Fällen<br />

schlechter<br />

Sind nach wie vor<br />

nicht ganz leicht zu<br />

verstehen<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

31


INVESTMENTFONDS ESG-Ratings<br />

NACHHALTIGE ORIENTIERUNG<br />

GESUCHT<br />

Um nachhaltige Fonds zu bauen, müssen Asset-Manager die Titel auch aus ESG-Sicht<br />

beurteilen können. Hier sollten spezielle Ratings eigentlich Orientierung geben,<br />

tun sie aber nur begrenzt.<br />

– TEXT: JAN F. WAGNER –<br />

32 Illustration: Roman Kulon


ESG-Ratings INVESTMENTFONDS<br />

Ab Mitte 2021 dürften fast alle Asset-Manager<br />

in Deutschland nachhaltige Fonds<br />

in ihrem Angebot haben. Dann tritt eine<br />

EU-Richtlinie in Kraft, wonach Finanzberater<br />

den Kunden ein entsprechendes Angebot<br />

machen müssen. Und es ist schwer<br />

vorzustellen, dass sich ein Asset-Manager<br />

diese neue Geschäftsmöglichkeit entgehen<br />

lässt. Die Konstruktion nachhaltiger Fonds<br />

ist komplizierter als die konventioneller<br />

Produkte. Der Asset-Manager darf nicht<br />

nur die finanziellen Kennzahlen und das<br />

Geschäftsmodell eines Unternehmens als<br />

Basis für seine Anlageentscheidung nutzen.<br />

Er muss das Unternehmen auch aus<br />

nachhaltiger oder „ESG“-Sicht beurteilen.<br />

Das heißt, das Unternehmen muss umwelttechnische,<br />

soziale und unternehmensspezifische<br />

Kriterien erfüllen, die der Asset-<br />

Manager ansetzt. Je nach Ergebnis gilt das<br />

Unternehmen als investierbar oder nicht.<br />

Doch wie geht er dabei vor?<br />

Nun könnte ein Asset-Manager die ESG-<br />

Analyse selbst durchführen. Weil dies allerdings<br />

sehr aufwendig ist, insbesondere<br />

wenn er global investiert, können ESG-<br />

Ratings für seine Analyse eine große Hilfe<br />

sein. Schließlich messen Ratingagenturen<br />

wie MSCI, Sustainalytics und ISS-oekom<br />

die Nachhaltigkeit Tausender Unternehmen<br />

weltweit. „Unsere Ratings sind vergleichbar<br />

mit den Ratings von Aktienanalysten.<br />

Während sie das Kaufen, Halten oder Verkaufen<br />

empfehlen, bezeichnen wir ein Unternehmen<br />

als ‚nachhaltig‘, ‚etwas nachhaltig‘<br />

oder ‚nicht nachhaltig‘“, beschreibt ein<br />

Analyst einer Ratingagentur, der anonym<br />

bleiben will. Neben dem Nutzen für den<br />

Investmentprozess gibt es einen weiteren<br />

wichtigen Grund, warum Asset-Manager<br />

diese Ratings berücksichtigen sollten: Zahlreiche<br />

Studien belegen, dass ein Portfolio<br />

aus besonders nachhaltigen Unternehmen<br />

ein geringeres Marktrisiko aufweist. Das<br />

kann sich wiederum positiv auf die Performance<br />

auswirken.<br />

VORSICHT BEI DEN RATINGS<br />

Wie bei den Ratings von Aktienanalysten<br />

auch stellen ESG-Ratings eine Marktmeinung<br />

dar. Auf keinen Fall darf die Anlageentscheidung<br />

alleine von einem ESG-Rating<br />

abhängen, wie Bernd Deeken, Senior Portfoliomanager<br />

Equites/ESG bei Berenberg,<br />

im Gespräch betont (siehe Interview). Zwei<br />

Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit<br />

zeigen außerdem, dass Asset-Manager die<br />

ESG-VERWIRRUNG BEI DEN AUTOBAUERN<br />

Die Agenturen bewerten die Nachhaltigkeit von Autobauern sehr unterschiedlich.<br />

Volkswagen AG<br />

Porsche Automobil Holding SE<br />

General Motors Co.<br />

Tesla, Inc.<br />

MSCI ESG Sustainalytics RobecoSAM<br />

Quelle: Score für Nachhaltigkeit (Maximum 100)_MSCI ESG Ratings, Bloomberg, Flossbach von Storch Research Institute, Stand: November 2019<br />

ESG-Ratings mit einer gewissen Vorsicht<br />

genießen müssen. Zum einen ging es dabei<br />

um eine Klage gegen ISS-oekom und zum<br />

anderen um eine Studie, die eine gewisse<br />

Widersprüchlichkeit bei den Bewertungen<br />

aufweist.<br />

Zuerst zur Klage: Im Frühjahr 2019<br />

schickte ISS-oekom der Darmstädter Elektronikfirma<br />

Isra Vision eine E-Mail mit der<br />

Bitte um Kooperation bei der Erstellung<br />

eines ESG-Ratings. Da der Absender der<br />

Firma völlig unbekannt war, behandelte sie<br />

»ESG-Ratings liefern<br />

Denkanstöße, für die<br />

Titelselektion braucht<br />

es eigene Expertise.«<br />

KAI LEHMANN, FLOSSBACH VON STORCH<br />

die E-Mail als Werbung. Etwas später gab<br />

ISS-oekom der Isra Vision trotzdem eine<br />

Bewertung, und zwar mit der schlechtesten<br />

Note „D“. Als die Firma davon erfuhr,<br />

verklagte sie ISS-oekom und erwirkte ein<br />

Veröffentlichungsverbot für die Bewertung.<br />

Das Münchener Gericht stellte fest, dass die<br />

Bewertung „teilweise auf völlig fehlender<br />

bzw. falscher Tatsachengrundlage“ beruht.<br />

Warum hatte ISS-oekom dann das Rating<br />

erstellt? Das beantwortet Jens Matthes,<br />

Isra Visions Rechtsverteidiger und<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Anwalt bei Allen & Overy, so: „Sie haben<br />

die Holzhammer-Methode angewandt. In<br />

der Mail gab ISS-oekom Isra Vision 14<br />

Tage Zeit zu kooperieren und betonte, dass<br />

sie so oder so ein Rating vergeben würde.“<br />

Eine Sprecherin von ISS-oekom verteidigte<br />

auf Anfrage die Vorgehensweise. „Wir<br />

halten an unserem Ansatz fest und werden<br />

uns weiterhin auf Qualität und Genauigkeit<br />

fokussieren. Unser Ansatz ist im Übrigen<br />

vergleichbar mit dem von anderen ESG-<br />

Ratingagenturen.“<br />

RATINGAGENTUR GING ZU WEIT<br />

Trotz des fragwürdigen Falls muss man<br />

festhalten, dass ISS-oekom – wie die anderen<br />

Anbieter auch – grundsätzlich sauber<br />

recherchiert und analysiert. Es wurde aber<br />

deutlich, dass das Unternehmen offensichtlich<br />

zu weit ging. Katharine Trimpop, Leiterin<br />

Vertrieb Publikumsfonds bei Monega,<br />

bezeichnet den Fall als ein „extremes Beispiel“.<br />

Sie führt aus: „Versende ich einen<br />

Fragebogen an ein Unternehmen und impliziere<br />

damit, dass mein Rating nicht nur<br />

auf öffentlich zugänglichen Informationen<br />

basiert, sondern auf eigenem Research,<br />

muss ich ihm ausreichend Aufklärung und<br />

Zeit geben, um diesen auszufüllen. Wenn<br />

es dann nicht antwortet, scheint es mir<br />

seriöser, kein Rating zu vergeben und zu<br />

erläutern, dass für ein Rating eben doch<br />

nicht ausreichend Informationen vorliegen,<br />

oder eine Ratingstufe wie etwa ‚mangelnde<br />

Transparenz/Kooperation‘ einzurichten.“<br />

Der Kölner Asset-Manager Monega bietet<br />

selbst 14 nachhaltige Fonds an und be-<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

33


INVESTMENTFONDS ESG-Ratings<br />

»Annahmen müssen hinterfragt werden«<br />

BERND DEEKEN, Senior Portfoliomanager Equities/ESG, Berenberg<br />

UNTERNEHMEN UNTERSCHIEDLICH BEWERTET<br />

Das andere Ereignis, das Asset-Managern<br />

zu denken geben sollte, betrifft eine Studie<br />

von Flossbach von Storch. Der Studienautor,<br />

Kai Lehmann, fand heraus, dass die<br />

ESG-Bewertungen oft stark voneinander<br />

abweichen. Beispiel Volkswagen: Während<br />

MSCI den Autobauer mit null Punkten<br />

(nicht nachhaltig) bewertete, vergab RobecoSAM<br />

aus der Schweiz 65 Punkte (nachhaltig).<br />

Sustainalytics vergab 19 Punkte (et<strong>procontra</strong>:<br />

Herr Deeken, Flossbach von Storch<br />

kommt zu dem Schluss, dass ESG-Ratings zum<br />

Teil widersprüchlich seien – stimmt das?<br />

Bernd Deeken: Ja, und das lässt sich auch<br />

an Zahlen festmachen: Wenn man sich zum<br />

Beispiel einmal die Ratings der Top-Drei-ESG-<br />

Anbieter für dasselbe Unternehmen anschaut,<br />

dann liegt deren Korrelation im Durchschnitt<br />

bei etwas über 0,5. Bei Credit Ratings liegt er<br />

typischerweise bei 0,99 (1,0 entspricht voller<br />

Korrelation; Anm. d. Red.). Zudem erhalten<br />

kleinere Unternehmen häufig ein schlechteres<br />

Rating, weil ihnen die Ressourcen fehlen, um die<br />

geforderten Fragebögen und Dokumentation zu<br />

leisten. Das führt dazu, dass die Nachhaltigkeit<br />

kleinerer Unternehmen deutlich unterschätzt<br />

wird. Entsprechend bestünde ein Portfolio, das<br />

nur nach ESG-Ratings aufgestellt würde, aus<br />

Large Caps, die maßgeblich aus Europa kommen<br />

und im Schnitt über ein schwächeres Wachstum<br />

verfügen.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie geht Berenberg mit solchen<br />

Widersprüchen um?<br />

Deeken: Wir würden niemals eine Firma nur wegen<br />

der ESG-Ratings kaufen. Es zeigt sich noch<br />

mehr als beim klassischen Research, dass die<br />

Annahmen und die aufbereiteten Infos kritisch<br />

hinterfragt werden müssen. Ein Beispiel dafür<br />

ist Carel aus Italien. Das Unternehmen hilft etwa<br />

Supermärkten dabei, große Mengen Strom zu<br />

sparen. In meinen Augen ein sehr nachhaltiger<br />

Ansatz. Trotzdem sind die ESG-Ratings von Carel<br />

in Bezug auf Umweltthemen vergleichsweise<br />

schlecht. Die Noten und ESG-Daten sind für uns<br />

eine Basis für die eigene Analyse. Ein stetiger<br />

Austausch mit den Unternehmen ist dabei<br />

extrem wichtig, denn er schafft zusätzliche<br />

Transparenz.<br />

<strong>procontra</strong>: Flossbach von Storch empfiehlt<br />

den Aufbau eigener ESG-Expertise. Was sollen<br />

Asset-Manager machen, die den Mehraufwand<br />

nicht wollen?<br />

Deeken: In unseren Augen muss Nachhaltigkeit<br />

ein wesentlicher Bestandteil jeder Aktienanalyse<br />

eines jeden Investors sein, denn Nachhaltigkeit<br />

beeinflusst Geschäftsmodelle langfristig.<br />

Deswegen ist es auch wichtig, dass die Analyse<br />

ganzheitlich von Portfoliomanagern erfolgt und<br />

nicht alleine auf reinen ESG-Analysen beruht.<br />

Die Fondsmanager können dann beurteilen,<br />

was wirklich relevant für die Unternehmen ist.<br />

Beispiel Finanzindustrie: Ein paar Solarpaneelen<br />

auf dem Dach sind für den Nachhaltigkeitsaspekt<br />

einer Bank sicherlich weniger relevant<br />

als eine richtige Incentivierungsstruktur.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie könnte die Qualität der Ratings<br />

verbessert werden?<br />

Deeken: In meinen Augen beziehen sich die<br />

Ratings noch zu stark darauf, was die Unternehmen<br />

veröffentlichen oder freigeben, und nicht<br />

auf eine echte Analyse. Damit sind jene Unternehmen,<br />

die die entsprechenden Ressourcen<br />

haben, im Vorteil. Natürlich kann die Diversität<br />

in Rating-Einschätzungen positiv sein, um verschiedene<br />

Seiten zu beleuchten. Letztlich kann<br />

ein Rating aber nur die Basis für eine eigene<br />

Analyse sein.<br />

zieht seine ESG-Informationen zum Teil<br />

von MSCI. Das Beispiel unterstreicht, dass<br />

die Asset-Manager genau prüfen müssen,<br />

ob die ESG-Bewertungen, die sie beziehen,<br />

wirklich nachvollziehbar sind. Wenn nicht,<br />

sollten sie bei den Ratingagenturen nachhaken<br />

und eine Erklärung einfordern.<br />

was nachhaltig – siehe Grafik). Ein weiteres<br />

Ergebnis, das die ESG-Analyse erschwert:<br />

Lediglich bei 11 von 235 untersuchten Firmen<br />

waren sich MSCI, RobecoSAM und<br />

Sustainalytics darüber einig, dass diese<br />

nachhaltig sind.<br />

Diese Diskrepanz ist problematisch. Lehmann<br />

betont, dass man sich für die Titelselektion<br />

auf die eigene Expertise verlassen<br />

müsse. Dabei könnten die Ratings zwar helfen.<br />

„Sie liefern Denkanstöße und können<br />

die Analyse unterstützen. Hier geht es aber<br />

primär um das Erkennen von Frühwarnsignalen<br />

und nicht um die Verwendung aggregierter<br />

Rating-Scores“, sagt Lehmann,<br />

der bei Flossbach von Storch als Senior Research<br />

Analyst arbeitet. Zutreffendes Fazit,<br />

das auch belegt, dass ein Rating allein nur<br />

geringe Aussagekraft besitzt.<br />

PRO<br />

ORIENTIERUNG DURCH<br />

ESG-RATINGS?<br />

Ratings helfen,<br />

nachhaltige Fonds zu<br />

bauen<br />

Portfolio aus gut<br />

bewerteten Titeln<br />

kann das Marktrisiko<br />

senken<br />

Weniger Marktrisiko<br />

bedeutet effizientere<br />

Performance<br />

CONTRA<br />

Qualität der Ratings<br />

muss genau geprüft<br />

werden<br />

Die Ratings fallen<br />

zum Teil sehr unterschiedlich<br />

aus<br />

Rating-Expertise<br />

verursacht Kosten<br />

34 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


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INVESTMENTFONDS Wandelanleihen<br />

NATÜRLICHE VERLUSTBEGRENZER<br />

Wandelanleihen haben sich im Corona-Crash wacker geschlagen. Auch in den kommenden<br />

Monaten könnten die Aktien-Anleihen-Zwitter ihre Stärken ausspielen.<br />

– TEXT: ALEXANDRA JEGERS –<br />

kaufsprospekt verspricht: Sie begrenzten<br />

die Verluste. „Die Partizipationsrate an den<br />

Kursverlusten betrug rund ein Drittel und<br />

war daher lehrbuchartig“, berichtet Frederik<br />

Hildner, Portfoliomanager bei der auf<br />

Convertibles spezialisierten Fondsboutique<br />

Salm-Salm und Partner. Mit anderen Worten:<br />

Wandelanleihen verloren nur rund ein<br />

Drittel dessen, was Aktien im Zuge der Krise<br />

an Wert einbüßen mussten.<br />

Möglich machte dies die besondere Konstruktion<br />

der Papiere: Sie sind Zwitter aus<br />

Anleihen und Aktien und funktionieren<br />

im Prinzip wie Aktieninvestments mit Sicherheitsnetz.<br />

Sie bieten wie herkömmliche<br />

Unternehmensanleihen einen festen<br />

Kupon und eine bestimmte Laufzeit, nach<br />

der Investoren ihr Kapital zurückerhalten.<br />

Gleichzeitig lassen sie sich aber auf Wunsch<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt und einem<br />

vorab festgelegten Preis in Aktien umwandeln.<br />

Anleger können sich mit Convertibles<br />

also gegen Rückschläge am Aktienmarkt<br />

wappnen und zugleich von steigenden Aktienkursen<br />

profitieren. Die Faustregel besagt,<br />

dass Convertibles zwei Drittel der Aufwärtsbewegungen<br />

von Aktien mitmachen,<br />

aber nur ein Drittel der Verluste.<br />

Die Corona-Krise stellt nicht nur den Alltag<br />

auf den Kopf, auch Investoren mussten<br />

in den vergangenen Wochen und Monaten<br />

schmerzhaft erleben, dass altbewährte<br />

Mechanismen plötzlich nicht mehr greifen.<br />

Beispiel Gold: Der Preis des Krisenmetalls<br />

sackte im März zwischenzeitlich um mehr<br />

als 11 Prozent ab – und das, obwohl Gold<br />

doch eigentlich davon profitieren sollte,<br />

MARKT NUR SCHWER ZUGÄNGLICH<br />

Ihr asymmetrisches Risikoprofil macht<br />

Wandelanleihen gerade in Zeiten wie der<br />

jetzigen zu einem interessanten Investment.<br />

Die Volatilität an den Aktien- und Optionsmärkten<br />

sei nach wie vor sehr hoch, manifestiere<br />

sich aber nicht in Convertibles,<br />

erklärt Salm-Salm-Experte Hildner. Diese<br />

Differenz mache die eingebetteten Wandlungsrechte<br />

besonders günstig.<br />

Berater sollten allerdings im Blick haben,<br />

dass Convertibles sehr komplexe Papiere<br />

sind. Ihr Wert ist von vielen Faktoren abhängig,<br />

neben den Entwicklungen auf dem<br />

Aktien- und Anleihemarkt auch von der Bowenn<br />

die Unsicherheit an den Kapitalmärkten<br />

wächst. Auslöser für den Kurssturz waren<br />

unter anderem Notverkäufe von Investoren,<br />

die dringend Liquidität benötigten.<br />

Umso mehr dürften sich die Käufer von<br />

Wandelanleihen gefreut haben. Die Papiere,<br />

auch Convertible Bonds oder kurz<br />

Convertibles genannt, machten in der<br />

Krise nämlich genau das, was der Ver-<br />

36 Illustration: Eleonora Mavromati


Wandelanleihen INVESTMENTFONDS<br />

NUR WENIGE IM PLUS<br />

Wandelanleihefonds wollen Sicherheit mit Rendite vereinen.<br />

Fonds ISIN Performance<br />

1 Jahr<br />

Performance<br />

3 Jahre<br />

Agio<br />

laufende Kosten<br />

Aramea Balanced Convertible A DE000A0M2JF6 -3,51 0,51 3,00 1,06<br />

Allianz Convertible Bond RT EUR LU1377965<strong>03</strong>0 -0,96 0,04 0,00 0,91<br />

Deka-Wandelanleihen CF LU0158528447 -7,56 -0,25 3,00 1,07<br />

Allianz Convertible Bond AT EUR LU0706716387 -1,45 -0,44 3,00 1,41<br />

Allianz Convertible Bond A EUR LU0706716205 -1,46 -0,45 3,00 1,41<br />

Generali IS Convertible Bond DX LU0183830636 -2,84 -0,59 5,00 1,30<br />

Deka-Wandelanleihen TF LU0158529254 -8,00 -0,73 0,00 1,54<br />

Generali IS Convertible Bond EX LU0183831360 -3,<strong>03</strong> -0,79 5,00 1,50<br />

Allianz Convertible Bond CT EUR LU1304665752 -1,84 -0,85 3,00 1,81<br />

Ostrum Convertibles Europe ID FR0011310192 -4,<strong>03</strong> -1,21 0,00 0,85<br />

PRO<br />

Schutz in<br />

Bären-Märkten<br />

Ertragschancen<br />

bei steigenden<br />

Aktienkursen<br />

Regelmäßige<br />

Zinseinnahmen<br />

CONVERTIBLES ALS<br />

ALTERNATIVE?<br />

CONTRA<br />

Wert von vielen<br />

Faktoren abhängig<br />

Schwieriger<br />

Marktzugang für<br />

Privat investoren<br />

Ertrag meist<br />

niedriger als bei<br />

Aktienfonds<br />

Angaben in %<br />

Quelle: Morningstar Direct<br />

trägt. Das macht den Convertibles-Markt<br />

für Privatinvestoren nur schwer zugänglich.<br />

Abhilfe schaffen jedoch Fonds, deren<br />

Manager in die Anlageklasse investieren.<br />

Auf allzu hohe Erträge sollten Anleger aber<br />

nität des Emittenten. Wird dieser zahlungsunfähig,<br />

verhält sich die Wandelanleihe wie<br />

ein Kredit: Im Zweifel geht der Investor leer<br />

aus. Dazu kommt, dass die Mindestanlagesumme<br />

meist 100.000 Euro und mehr benicht<br />

spekulieren. Die meisten Wandelanleihefonds<br />

konnten zwar in den vergangenen<br />

Jahren die Verluste begren zen. Da sie<br />

in Boom-Phasen aber hinter dem breiten<br />

Aktienmarkt zurückbleiben, schneiden sie<br />

auf lange Sicht im Schnitt etwas schlechter<br />

ab als klassische Aktienfonds.<br />

Ihr starker Partner!<br />

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(infinma, Stand 01.2019)<br />

Ausgezeichnete Unternehmensqualität<br />

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37


INVESTMENTFONDS Trendfolgestrategien<br />

ROBOS OHNE REAKTIONSZEIT<br />

Die Geschwindigkeit des<br />

Kurssturzes im März war<br />

historisch. Mitverantwortlich<br />

dafür sind computergestützte<br />

Handelssysteme, die<br />

Trends so beschleunigen,<br />

dass weder ihre Bediener<br />

noch Privatanleger<br />

hinterherkommen.<br />

– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />

Nicht wenige Finanzanlagenberater bekommen<br />

es in diesen Tagen mit erzürnten<br />

Kunden zu tun – wegen der behördlich<br />

angeordneten Kontaktbeschränkungen per<br />

Telefon. Der Grund der Anrufe: Der Kurssturz<br />

an den Börsen kommt bei Anlegern<br />

nicht gut an. Die in den vergangenen Jahren<br />

steigenden Notierungen haben zuletzt<br />

selbst Aktienfondsmuffel zu Investoren gemacht.<br />

Doch dann kam das Corona-Virus.<br />

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie<br />

ließen die Aktienmärkte in einer nie<br />

dagewesenen Geschwindigkeit einbrechen.<br />

So verlor der Euro Stoxx 50 am 12. März<br />

12,4 Prozent. Ein Bärenmarkt, das heißt<br />

ein Verlust von mehr als 20 Prozent, war<br />

nach wenigen Tagen erreicht. Selbst in der<br />

Weltwirtschaftskrise 1929 ging es nicht so<br />

schnell in den Keller. Folglich wurden jetzt<br />

sogar hartgesottene Börsianer nervös.<br />

WENIGER LIQUIDITÄT<br />

„Die Ursachen dieser extremen Marktbewegungen<br />

liegen aber nicht allein in der<br />

abrupten Vollbremsung der Wirtschaft<br />

durch die Quarantänemaßnahmen zur Bekämpfung<br />

der Corona-Virus-Pandemie“,<br />

schreibt Bernd Meyer in einem Gastbeitrag<br />

für die „Börsen-Zeitung“. „Vielmehr“, so<br />

der Chef-Anlagestratege bei der Berenberg<br />

Bank weiter, „lassen sich die extremen<br />

Marktbewegungen darauf zurückführen,<br />

38 Illustration: Roman Kulon


Trendfolgestrategien INVESTMENTFONDS<br />

dass sich die Struktur und das Verhalten<br />

der Kapitalmärkte in den vergangenen<br />

zehn Jahren wesentlich verändert haben.“<br />

Beispielsweise gebe es immer weniger Value-Investoren,<br />

die auch mal konträr zum<br />

Marktgeschehen agierten und damit für<br />

Liquidität sorgten. Zudem nähmen Banken<br />

seit der letzten Finanzkrise deutlich weniger<br />

Risiken aufs eigene Buch. Die Regulatorik<br />

mache das nahezu unmöglich, meint<br />

der Banker.<br />

Ein wesentlicher Anteil am veränderten<br />

Verhalten der Märkte resultiere „aus der<br />

zunehmenden Dominanz regelbasierter Anlagestrategien“.<br />

Verantwortlich dafür wiederum<br />

sei insbesondere das Aufkommen<br />

algorithmischer Empfehlungssysteme zur<br />

Vermögensanlage, kurz: Robo-Advisors.<br />

Hier spielten Ansätze mit Zielvolatilität<br />

und Risikoparität sowie Trendfolge-Strategien<br />

und Short-Volatilität-Strategien eine<br />

zentrale Rolle. Einige dieser regelbasierten<br />

Ansätze wirkten mit ihrem prozyklischen<br />

Verhalten trendverstärkend. Mitunter<br />

führten sie zu einem Teufelskreis, „der erst<br />

endet, wenn alle Risiken auf ein extrem<br />

niedriges Niveau reduziert wurden“.<br />

»Regelbasierte<br />

Ansätze wirken mit<br />

ihrem prozyklischen<br />

Verhalten trendverstärkend.«<br />

BERND MEYER, BERENBERG BANK<br />

EMOTIONSLOSE MASCHINEN<br />

Eine ähnliche Sicht auf die Dinge hat Markus<br />

Richert, Finanzplaner bei der Kölner<br />

Vermögensmanagementgesellschaft Portfolio<br />

Concept: Risikoparitätsstrategien zum<br />

Beispiel basierten darauf, dass die Aufteilung<br />

des Kapitals auf unterschiedliche Anlageklassen<br />

anhand von Volatilität bestimmt<br />

wird. In guten Börsenzeiten, wenn die Volatilität<br />

niedrig ist und die Kurse steigen, investieren<br />

Anleger einen größeren Teil ihres<br />

Kapitals in Aktien. „Sie kaufen also Aktien,<br />

wenn die Kurse ohnehin steigen“, erklärt<br />

Richert. Und weiter: „In schwachen Börsenphasen,<br />

wenn die Volatilität steigt und<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

CORONA-AUSSCHLAG<br />

Der Volatilitätsindex V-Dax zeigt: Im März schwankten die Aktienkurse extrem.<br />

0<br />

Januar 2015 Juni 2016<br />

Februar 2018<br />

April <strong>2020</strong><br />

die Kurse sinken, wird in weniger riskante<br />

Anlageklassen wie Anleihen umgeschichtet.“<br />

In jedem Fall würden durch diesen<br />

Herdentrieb Kursveränderungen verstärkt.<br />

„Vor allem Robo-Advisors nutzen solche<br />

Strategien“, berichtet der Finanzplaner.<br />

Diese computergesteuerten Handelsprogramme<br />

dominierten mittlerweile den<br />

Handel. „Sie machen ihre Arbeit schneller<br />

als jeder Mensch, emotionslos, ohne krank<br />

zu werden, und das 24 Stunden am Tag.“<br />

Nach einem technischen Aufrüstungswettbewerb<br />

in den vergangenen Jahren<br />

reagierten diese Systeme inzwischen in Nanosekunden.<br />

Und das Vordringen künstlicher<br />

Intelligenz mache die Maschinen<br />

noch schneller. „Mitunter wissen selbst die<br />

Bediener dieser Systeme nicht mehr, worauf<br />

diese eigentlich reagieren“, sagt Richert.<br />

Mittlerweile mehrten sich kritische<br />

Stimmen. Rufe nach Beschränkungen oder<br />

einem Verbot des computergesteuerten<br />

Hochfrequenzhandels würden lauter. Denn<br />

der Privatanleger könne im Wettbewerb<br />

gegen solche Systeme nur verlieren. Umso<br />

wichtiger sei es, dass man als Anleger in<br />

solchen extremen Marktphasen die Füße<br />

stillhält. Oder die aktuelle Schwächephase<br />

zum Einstieg nutzt, meint der Finanzplaner.<br />

Und wörtlich: „Die Systeme können ihre<br />

Wirkung auch in die andere Richtung entfalten.<br />

Deutet sich ein Rebound an, können<br />

Kursgewinne stärker ausfallen, als es eigentlich<br />

angemessen wäre. Wer freie liquide<br />

Mittel und einen ausreichend langen Anla-<br />

Quelle: Deutsche Börse<br />

gehorizont hat, sollte die Rücksetzer nutzen<br />

und nachkaufen.“<br />

VOLATILITÄT AUSHALTEN<br />

Was folgt daraus für Finanzanlagenberater<br />

mit verärgerten Kunden am Telefon?<br />

Sie können darauf verweisen, dass computergestützte<br />

Handelssysteme mit jeweils<br />

ähnlichen Strategien den Kursrutsch erheblich<br />

verschärft haben; und dass es ebenso<br />

schnell wieder aufwärts gehen könnte. Die<br />

Kursentwicklung von Mitte März bis Mitte<br />

April bestätigt dies zumindest. Kurz: Extreme<br />

Volatilität muss man aushalten können.<br />

HOCHFREQUENZHANDEL VERBIETEN?<br />

PRO<br />

Technisch hochgerüstete<br />

Handelssysteme<br />

verstärken<br />

Trends<br />

Die extremen<br />

Kursbewegungen<br />

schrecken Privatanleger<br />

ab<br />

Wenn Robo-<br />

Advisors gleich programmiert<br />

sind, ist<br />

das problematisch<br />

CONTRA<br />

März <strong>2020</strong><br />

Liquidität ist heute<br />

wegen einer strengen<br />

Regulatorik niedriger<br />

als früher<br />

Für langfristig orientierte<br />

Anleger spielt<br />

kurzfristige Volatilität<br />

kaum eine Rolle<br />

Technischer<br />

Fortschritt lässt sich<br />

nicht aufhalten<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

39


BUSCHFUNK Versicherungen<br />

VERSICHERUNGEN<br />

BSV: URTEIL MACHT GASTWIRTEN HOFFNUNG<br />

Mannheimer Gericht entscheidet zuungunsten der Versicherer.<br />

Mit der „Bayerischen Lösung“ zu Betriebsschließungsversicherungen hatten Versicherer<br />

im April Kulanz demonstrieren wollen. Ein Urteil des Mannheimer Landgerichts<br />

stellt diese nun infrage. Geklagt hatte eine Hotelbetreiberin, die sich via einstweilige<br />

Verfügung die Leistungen aus ihren BSV-Policen sichern wollte. Tatsächlich wurde<br />

ihre Forderung zwar abgelehnt, da die Anspruchshöhe nicht hinreichend dargelegt<br />

werden konnte. Dennoch stützt das Urteil die Rechtsauffassung, dass in vielen Fällen<br />

BSV-Versicherer im Corona-Kontext voll leisten müssen, da es sich trotz Allgemeinverfügung<br />

um „faktische Schließungen“ handele.<br />

Foto: iStock / Martin dm<br />

DAS KOSTET CORONA DIE BRANCHE<br />

Rund 2<strong>03</strong> Milliarden US-Dollar Schäden befürchtet<br />

Foto: iStock / Krblokhin<br />

Abgesagte Reisen und Großveranstaltungen wie Olympia, Produktionsstopps<br />

und Einbrüche am Aktienmarkt – die Pandemie wird die<br />

Versicherungsbranche teuer zu stehen kommen. Eine erste Prognose,<br />

wie hoch der Betrag konkret ausfallen könnte, hat der Londoner<br />

Versicherungsmarkt Lloyd’s abgegeben: 107 Milliarden US-Dollar für<br />

Versicherungsschäden plus weitere 96 Milliarden Kapitalanlageverluste<br />

könnten zusammenkommen. Das wäre eine beispiellose Summe,<br />

die selbst die der schlimmsten Naturkatastrophen übersteigt.<br />

KEINE NACHWUCHSSORGEN TROTZ KRISE<br />

Ausbilder bändigen Corona-Chaos.<br />

Die Ausbildung stellt für alle Beteiligten gerade eine besondere Herausforderung dar.<br />

Gerade die Anfangsphase erfordert Abstimmung und Anleitung, die von den Betrieben<br />

zurzeit fast ausschließlich virtuell geleistet werden. Dass sich die Ausbildung<br />

durch die Krise verlängert, ist laut Berufsbildungswerk der deutschen Versicherungswirtschaft<br />

aber unwahrscheinlich. Auch ist die Einstellung zum Herbst <strong>2020</strong>/2021 im<br />

vollen Gang und teils schon abgeschlossen, rückläufige Zahlen bezüglich angebotener<br />

Ausbildungsplätze werden nicht gemeldet. Viele Unternehmen haben dabei ganz<br />

auf digitale Einstellungsprozesse umgestellt.<br />

Foto: iStock / Nastasic<br />

40<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Versicherungen BUSCHFUNK<br />

Alte Leipziger: Neue Hausratversicherung<br />

Die Alte Leipziger Versicherung AG hat am 1. Mai ihre neue<br />

Hausratversicherung auf den Markt gebracht. Diese kennzeichnet<br />

sich durch mehr als ein Dutzend neue Leistungen<br />

und Leistungsverbesserungen. „Wir rechnen fest damit,<br />

uns künftig bei den Vergleichsrechnern in der Kategorie<br />

der Service-Versicherer im vorderen Bereich zu positionieren“,<br />

so Vorstandsmitglied Kai Waldmann (Foto).<br />

Chance vertan!<br />

NORMAN WIRTH<br />

Geschäftsführer und Vorstand des AfW –<br />

Bundesverband Finanzdienstleistung e. V.<br />

Canada Life: Neuer CEO<br />

Markus Drews (Foto) wird neuer CEO der Canada Life<br />

Assurance Europe plc, die das Deutschland-Geschäft des<br />

international tätigen Versicherers verantwortet. Drews ist<br />

seit fünf Jahren Hauptbevollmächtigter für den deutschen<br />

Unternehmenszweig und Mitglied des Vorstands. Er ist<br />

der erste Deutsche, der in die CEO-Riege der Canada Life<br />

aufgestiegen ist.<br />

Hiscox: Beitragsfreie Cyber-Erweiterung<br />

Die CyberClear-Antragsmodelle von Hiscox erhalten ein<br />

weiteres Update. Für Unternehmen mit bis zu zehn Millionen<br />

Euro Jahresumsatz beinhaltet dieses ab sofort unter<br />

anderem die Absicherung gegen Cyberbetrug, der zu<br />

Eigenschäden wie etwa Fehlüberweisungen führt. Zum anderen<br />

sind jetzt standardmäßig Betriebsunterbrechungsschäden<br />

durch einen Cloud-Ausfall oder technische<br />

Probleme mit einer Entschädigungsgrenze mitversichert.<br />

degenia: Neues Privathaftpflichtkonzept<br />

Die degenia bringt den neuen PHV-Tarif T20 auf den Markt.<br />

Er bietet günstigere Tarife für Alleinerziehende und Best<br />

Ager über 60. Innerhalb des T20 können unter anderem<br />

verschiedene Versicherungssummen gewählt werden.<br />

Außerdem sind Vorverträge mit Schäden kein Problem bei<br />

der Antragsannahme.<br />

Gothaer: Neuer Vorstandsvorsitzender<br />

Die Gothaer Allgemeine hat Oliver Schoeller (Foto) zum<br />

1. August zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen.<br />

Er folgt auf Dr. Christopher Lohmann. Ab dem 1. Juli wird<br />

Schoeller auch Vorstandsvorsitzender der Gothaer Versicherungsbank<br />

VVaG und der Gothaer Finanzholding AG.<br />

R+V: Neue BU<br />

Die neue Beratungsstrecke für die Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

der R+V bietet verbesserte Leistungen, mehr<br />

Transparenz und Sicherheit in der Beratung. Neu ist unter<br />

anderem die Arbeitsunfähigkeits-Option, die gegen einen<br />

geringen Mehrbeitrag vereinbart werden kann. Einfache<br />

Risikofragen sollen die Beratung deutlich erleichtern.<br />

Foto: iStock / iBrave<br />

Foto: iStock / vgajic<br />

Da war er, der Ruf nach dem Staat. Ach nein, nicht<br />

nur nach dem Staat. Eine „gesamteuropäische Lösung<br />

unter Einbindung der Staaten“ (darunter geht<br />

es nicht mehr) zur Schulterung der Corona-Krise für<br />

die Versicherungsbranche muss her, da wir ja alle in<br />

einer „Gefahrengemeinschaft“ sind, so Allianz-Chef<br />

Oliver Bäte. Und so einigten sich auch inzwischen<br />

die Bundesregierung und die deutschen Kreditversicherer<br />

auf den Aufbau eines 30 Milliarden Euro<br />

umfassenden Schutzschirms für diese Versicherer.<br />

Sehr gut. Aber jetzt kommt es: Entgegen der Empfehlung<br />

der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa<br />

zahlt die Allianz hierzulande aktuell eine Rekorddividende<br />

an ihre Aktionäre. Gleichzeitig weigern<br />

sich viele – nicht alle! – Versicherer in großem Stil,<br />

unter Missachtung der gesetzlichen Vorgabe, im<br />

„bestmöglichen Interesse“ ihrer Kunden zu agieren,<br />

bedingungsgemäßen Versicherungsschutz bei<br />

Betriebsschließungsversicherungen zu bieten. Es<br />

bestünde kein Versicherungsschutz, wird forsch<br />

verlautbart. Vielmehr will man sich für angeblich<br />

freiwillige Leistungen feiern lassen, die sich nun aus<br />

dem sogenannten Bayerischen Kompromiss ergeben.<br />

Die Rede ist schon von asozialer Unternehmenspolitik<br />

– Staatshilfen annehmen, Leistungen vorenthalten<br />

und Dividenden ausschütten. Diese Haltung<br />

bestätigt leider viele Vorurteile über die Assekuranz<br />

in der Bevölkerung und bringt gerade auch sehr viele<br />

Versicherungsvermittler in große Erklärungsnot. Sie<br />

hatten schließlich in gutem Glauben, ihren Gewerbekunden<br />

umfassenden Versicherungsschutz anzubieten,<br />

diese Versicherungen vermittelt. Nun sind sie<br />

diejenigen, die den Kunden vermitteln sollen, dass es<br />

zwar Betriebsschließungsversicherung heißt, aber<br />

nicht Betriebsschließungsversicherung drin ist. Die<br />

Chance für die Branche insgesamt und auch für den<br />

GDV war riesig, in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

als Krisenhelfer einmal richtig zu punkten. Chance<br />

vertan!<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

41


VERSICHERUNGEN Run-off<br />

»Altbestände mit<br />

Garantien unter Druck«<br />

Run-off-Anbieter wurden anfangs verteufelt. Die Kritik ist inzwischen leiser geworden.<br />

Christian Thimann, Chef der Athora Deutschland Gruppe, erklärt die Gründe für den<br />

Imagewandel, hohe Verwaltungskosten und Konsequenzen aus der Corona-Krise.<br />

– TEXT: ANNE HÜNNINGHAUS –<br />

<strong>procontra</strong>: Herr Thimann, nach dem ersten<br />

Aufschrei der Branche um die „bösen“<br />

Run-off-Plattformen ist es ruhiger geworden.<br />

Selbst vonseiten des Verbraucherschutzes<br />

ist die Kritik an Ihrem Geschäft<br />

verstummt. Wie erklären Sie sich das<br />

ursprünglich schlechte Image?<br />

Christian Thimann: In der öffentlichen<br />

Wahrnehmung hat sich unser Bild zum<br />

Positiven gewandelt. Und das liegt daran,<br />

dass wir Bestandsversicherer – das finde<br />

ich einen besseren Begriff als Plattformen<br />

– insgesamt gute Arbeit machen. Damit<br />

meine ich nicht nur Athora, sondern auch<br />

unsere Mitbewerber. Ich glaube, viele<br />

Menschen hatten die Befürchtung, dass<br />

mit dem Verkauf eines Bestands an ein<br />

neues Unternehmen am Markt die regulatorischen<br />

Aufsichtsmechanismen wegfallen.<br />

Dass sie bei einem Wechsel zu uns aus<br />

einer streng überwachten Welt in eine neue<br />

gelangen, in der plötzlich nur noch Investoren<br />

eine Rolle spielen. Dieses ungute<br />

Gefühl hat sich aber nicht bestätigt: Wir<br />

arbeiten unter der derselben Aufsicht und<br />

den exakt gleichen Bedingungen wie reguläre<br />

Versicherungen und haben dieselben<br />

Berichtspflichten.<br />

<strong>procontra</strong>: Im Mittelpunkt der Kritik<br />

standen die Überschüsse. Da Sie nicht auf<br />

Neugeschäft angewiesen sind, vermutete<br />

man hier geringere Erträge.<br />

Thimann: Das ist ein zentraler Punkt,<br />

zu dem ich zwei Argumente entgegne.<br />

Erstens: Niemand möchte in einem Unternehmen<br />

mit einer schlechten Repu-<br />

CHRISTIAN THIMANN ist CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung der Athora Deutschland.<br />

42 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Run-off VERSICHERUNGEN<br />

den möchten Sie über erhöhte Effizienz<br />

schaffen. Warum liegen Ihre Verwaltungskosten<br />

dann immer noch über dem<br />

Durchschnitt?<br />

Thimann: Wir haben nun einmal Bestände<br />

mit extrem hohen Verwaltungskosten<br />

übernommen. Das erklärt sich aus<br />

unserem Geschäftsmodell – wir kaufen<br />

eben nicht den Durchschnitt, sondern die<br />

Bestände mit hohen Garantien. Bei einem<br />

nicht rentablen Geschäft oder mangelndem<br />

Kapital haben Lebensversicherer Investitionen<br />

in eine verbesserte IT-Infrastruktur<br />

gescheut. Wir sind aber dabei, die Effizienz<br />

zu steigern, indem wir hier Innovationen<br />

einführen.<br />

»Mehrere Dutzend<br />

Lebensversicherer<br />

verfügen über<br />

Bestände, die strategisch<br />

nicht mehr<br />

relevant sind.«<br />

<strong>procontra</strong>: Wo sehen Sie genau die Stellschrauben,<br />

um die Quote zu senken?<br />

Thimann: Ganz klar in verbesserten IT-<br />

Systemen. Ein Mitarbeiter kann zwischen<br />

5.000 und 10.000 Verträge verwalten<br />

– eine große Spannweite. Wie viele er<br />

konkret übernehmen kann, hängt sehr<br />

stark davon ab, wie leicht das System zu<br />

bedienen ist, wie viele manuelle Schritte<br />

notwendig sind, um Prozesse zu verarbeiten,<br />

und welche Instrumente den Aufwand<br />

vereinfachen.<br />

<strong>procontra</strong>: Eine Herausforderung im Runoff<br />

besteht in der Erhöhung der Solvenzquoten.<br />

Hier liegt Athora seit 2019 erstmals<br />

ohne Übergangsmaßnahmen über der<br />

regulatorischen Mindestanforderung von<br />

100 Prozent (116 Prozent). Auch die Überschussbeteiligung<br />

wurde auf niedrigem<br />

Niveau erhöht. Wie ist das gelungen?<br />

Thimann: Die Solvenzquote konnten wir erhöhen,<br />

indem wir Teile der Kapitalanlage<br />

in den Bestand haben zurückfließen lassen.<br />

Wir haben 2019 relativ positive Ergebnisse<br />

in der Kapitalanlage erzielt. Daher wollten<br />

wir selbstverständlich, dass auch die Kun-<br />

tation arbeiten. In einer Welt, in der es<br />

immer mehr auf Transparenz und Ethik<br />

ankommt, kann man sich das weder<br />

als Arbeitgeber noch den Verbrauchern<br />

gegenüber leisten. In einer transparenten<br />

sozialen Marktwirtschaft scheitert, wer<br />

sich Kunden gegenüber nicht fair verhält.<br />

Der zweite Grund ist spezifischer: Früher<br />

dachte man, Bestandsversicherer übernehmen<br />

einen Bestand und verwalten ihn,<br />

Punkt. Aber unser Geschäftsmodell beruht<br />

auf dem wiederholten Ankauf. Wir sind<br />

darauf angewiesen, stetig neue Lebensversicherer<br />

zu akquirieren – und die schauen<br />

sehr genau darauf, wie wir unsere Kunden<br />

behandeln.<br />

<strong>procontra</strong>: Apropos: Die notwendigen Skaleneffekte<br />

erzielen Sie nur bei der Übernahme<br />

immer neuer Bestände. Ist das nicht ein<br />

sehr begrenztes Geschäftsmodell?<br />

Thimann: Ich kann nicht sagen, dass es<br />

unendlich ist – aber es ist definitiv sehr<br />

langfristig ausgelegt. Lebensversicherungen<br />

laufen oft über 20 oder 30 Jahre.<br />

Wir sind einst mit 2,2 Milliarden Euro<br />

Kapital gestartet, das wir für Bestände<br />

in Deutschland, Belgien, Irland und den<br />

Niederlanden inzwischen ausgegeben<br />

haben. Die Übernahme des zweitgrößten<br />

Lebensversicherers in den Niederlanden,<br />

Vivat, konnten wir kürzlich besiegeln. Im<br />

Februar haben wir 1,8 Milliarden Euro Eigenkapital<br />

neu hinzubekommen, mit dem<br />

wir weiterwachsen möchten. Momentan<br />

hat Athora insgesamt drei Millionen Kunden,<br />

rund 2.400 Mitarbeiter und verfügt<br />

über 70 Milliarden Euro Kapitalanlagen<br />

– und wir beteuern weiter unser Interesse,<br />

Altbestände zu übernehmen.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie akquirieren Sie konkret<br />

– woran erkennen Sie zukünftige Run-off-<br />

Kandidaten?<br />

Thimann: Das von außen zu erkennen, ist<br />

natürlich schwierig. Wir schauen uns die<br />

Zahlen der Analysten und Aufsichtsbehörden<br />

wie der BaFin an. Zudem erstellen wir<br />

eigene Berechnungen und Schätzungen. Da<br />

wir selbst auch Lebensversicherer sind, stehen<br />

wir in einem regen Austausch mit den<br />

Kollegen. Auch über Kontaktaufnahme via<br />

GDV-Foren oder Konferenzen kommen<br />

wir mit den Versicherern ins Gespräch.<br />

Aus all dem lässt sich ableiten, dass es<br />

unter den 90 Lebensversicherern mehrere<br />

Dutzend gibt, die über Bestände verfügen,<br />

die strategisch nicht mehr relevant sind.<br />

<strong>procontra</strong>: Einen Mehrwert für Ihre Kunden<br />

davon profitieren. Mein Eindruck ist:<br />

In Versicherungsunternehmen mit offenen<br />

Beständen kommt es oft zu einer Vermischung<br />

der Erträge über Altgeschäft und<br />

Neugeschäft. Bei uns ist aber völlig klar,<br />

dass alle Überschüsse an die bestehenden<br />

Kunden ausgeschüttet werden.<br />

<strong>procontra</strong>: Und warum war Ihre Kapitalanlage<br />

vergleichsweise ertragreich? Auch Sie<br />

mussten im Niedrigzinsumfeld anlegen.<br />

Thimann: Im Vergleich zu den traditionellen<br />

Lebensversicherern sind unsere<br />

Ergebnisse minimal besser, etwa um einen<br />

halben Prozentpunkt. Auch wir können<br />

bei der aktuellen globalen Kapitalmarktlage<br />

keine großen Sprünge machen. Unsere<br />

Investments sind international und sehr<br />

breit gestreut. Außerdem investieren<br />

wir nicht in Aktien von börsennotierten<br />

Unternehmen, sondern überwiegend in<br />

Unternehmensanleihen, auch viel über Direktplatzierungen.<br />

Die Spezialität unserer<br />

Asset-Manager besteht insgesamt darin,<br />

leichte, aber dafür nachhaltige Renditesteigerungen<br />

zu erzielen.<br />

<strong>procontra</strong>: Ändern Sie aufgrund der<br />

Corona-Krise aktuell Ihre Anlagestrategie?<br />

Thimann: Nicht fundamental, aber in<br />

manchen Punkten. Corona bringt den Aktienmarkt<br />

komplett durcheinander. Zudem<br />

drücken die langfristig niedrigen Zinsen.<br />

Da wir statt auf Aktien ohnehin auf<br />

Anleihen und Kredite setzen, ist das für<br />

uns weniger problematisch. Auch an den<br />

Währungsmärkten passiert bislang nicht<br />

allzu viel. Im Moment müssen wir also vor<br />

allem das Kreditgeschäft verschärft beobachten.<br />

Während die erste Welle der Krise<br />

weitgehend an uns vorbeigegangen ist,<br />

hat der Börsenabsturz andere Versicherer<br />

möglicherweise härter getroffen. Versicherungskrisen<br />

laufen in Zeitlupe ab, und<br />

die Corona-Krise tut ihr Übriges: Für viele<br />

Versicherer war im Umfeld der Niedrigzinsen<br />

die Erhöhung der Aktienquote eine<br />

Option – und die hat sich jetzt teilweise in<br />

Luft aufgelöst. Die Spannung am Markt<br />

setzt Versicherer, die über Altbestände mit<br />

Garantieversprechen verfügen, also noch<br />

weiter unter Druck.<br />

<strong>procontra</strong>: Für Ihr Geschäftsmodell sind<br />

das nicht die schlechtesten Aussichten.<br />

Thimann: In den nächsten beiden Jahren<br />

wird es voraussichtlich weitere Transaktionen<br />

geben. Sagen wir mal so: Wir stehen<br />

bereit – mit ausreichend Kapital und<br />

Kapazitäten.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

43


VERSICHERUNGEN Warenkreditversicherung<br />

LIEFERANTEN AM LIMIT<br />

Kurzarbeit, Stillstand, Geschäftsbeziehungen am seidenen Faden: Das ist traurige Corona-<br />

Normalität, Lieferantenkredite gegen Zahlungsausfälle abzusichern folglich ein Kraftakt.<br />

Dem Schutzschirm kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, vielfach auch Maklern.<br />

– TEXT: CARLA FRITZ –<br />

„Wann geht es endlich wieder los? Wir kriegen<br />

nichts. Die Lieferketten sind kaputt.“<br />

– Aus vielen Telefonaten, die Fachmakler<br />

Frank Otto in diesen Tagen mit seinen Firmenkunden<br />

führt, klingt Frust. Betriebe,<br />

die ins Ausland liefern, aber auch umgekehrt<br />

von dort Waren beziehen, haben Probleme.<br />

„Für den hiesigen Maschinenbau<br />

und die Autoindustrie ist Norditalien ein<br />

sehr wichtiger Standort und Zulieferer“,<br />

sagt Otto, der sich auf die Kreditversicherung<br />

spezialisiert und jetzt alle Hände voll<br />

zu tun hat, bei insgesamt 1.000 Kunden,<br />

die sein Maklerunternehmen Via Delcredere<br />

GmbH betreut.<br />

Die Warenkreditversicherung, die Lieferanten<br />

für den Fall schützt, dass Abnehmer<br />

im In- oder Ausland die Rechnung nicht<br />

bezahlen können oder wollen, hat in der<br />

Krise Hochkonjunktur. Einen Getränkegroßhändler,<br />

der Trendgetränke und Spirituosen<br />

bislang vorrangig an Hotellerie und<br />

Gastronomie lieferte, konnte der Fachmakler<br />

aus Bedburg noch um „fünf vor zwölf“<br />

versichern. Einer Personalleasing-Firma<br />

verhalf er wieder zum zuvor gestrichenen<br />

Kreditlimit für einen Kunden, indem er<br />

kurzfristig die fehlenden Finanzkennzahlen<br />

des Geschäftspartners besorgte. „Die meiste<br />

Zeit geht jetzt für Limits drauf“, berichtet<br />

er. Dahinter steht derzeit für Betriebe<br />

vielfach das Risiko eines Produktionsstillstands,<br />

wenn Kürzung oder Streichung von<br />

Deckungszusagen ausgerechnet den größten<br />

Abnehmer und damit ein sogenanntes<br />

Schlüssellimit treffen.<br />

44 Bild: picture alliance / Uwe Anspach


Warenkreditversicherung VERSICHERUNGEN<br />

Daumen hoch, Daumen runter. Limits anpassen,<br />

nach oben und unten, abhängig<br />

von der Bonität des betroffenen Geschäftspartners<br />

und weiteren Parametern wie Liquidität,<br />

Marktposition, Diversifizierung,<br />

Branchen- und Länderrisiken. Was zum<br />

normalen Tagesgeschäft eines Kreditversicherers<br />

gehört, erreicht unter Corona-<br />

Vorzeichen eine ganz andere Dimension<br />

und Signalwirkung. Es könne letztlich dazu<br />

führen, dass infolge des weltweit steigenden<br />

Ausfallrisikos Betriebe ihre Abnehmer nicht<br />

mehr beliefern können, so Michael Kolb,<br />

Chef Maklervertrieb bei Euler Hermes<br />

Deutschland.<br />

VERTRAUENSBONUS<br />

Viele Hoffnungen ruhen deshalb auf dem<br />

jüngst aufgespannten milliardenschweren<br />

Schutzschirm für deutsche Unternehmen<br />

und die Aufrechterhaltung ihrer Lieferketten.<br />

Durch die staatliche Rückdeckung<br />

„können die Kreditversicherer dabei höhere<br />

Risiken eingehen, als es durch die tatsächliche<br />

Risikobewertung gerechtfertigt wäre“,<br />

erklärt in diesem Zusammenhang der GDV.<br />

Im Kern übernimmt der Bund dabei eine<br />

Rückgarantie von 30 Milliarden Euro für<br />

mögliche Entschädigungszahlungen der<br />

Kreditversicherer. Diese erhalten im Gegenzug<br />

die Kreditlimits im derzeitigen Umfang<br />

von derzeit rund 400 Milliarden Euro weitestgehend<br />

aufrecht.<br />

Damit wolle man sicherstellen, dass zuvor<br />

gesunde Unternehmen weiterhin genügend<br />

Spielraum haben, und darüber hinaus<br />

auch neue Deckungszusagen übernehmen,<br />

so Kolb. Lieferketten und das Vertrauen in<br />

den Handel als Rückgrat der Wirtschaft zu<br />

stabilisieren sei dabei das Wichtigste. Gut<br />

zu wissen, was dann auch noch einmal Alexander<br />

Beuther, Abteilungsleiter Delkredere<br />

der R+V, explizit bestätigt: „Unternehmen<br />

können natürlich weiterhin eine Warenkreditversicherung<br />

bei uns abschließen<br />

– wir haben keine pauschalen Ausschlüsse.“<br />

Nicht gleichbedeutend mit „einem<br />

Freifahrtschein“ für unsichere Geschäfte –<br />

„insbesondere nicht für Unternehmen, deren<br />

wirtschaftliche Stabilität schon vor der<br />

Corona-Pandemie infrage stand“. In Fällen<br />

besonders schlechter Bonitätsentwicklung<br />

könne es daher weiterhin zu Limitkürzungen<br />

kommen. Wie weit der Schutzschirm hier im<br />

Einzelfall trägt, wann und wo die Reißleine<br />

gezogen wird, im Maklertagesgeschäft wird<br />

man zuerst Antworten darauf finden.<br />

Angaben in %<br />

KURZARBEIT – BETROFFENHEIT NACH WIRTSCHAFTSZWEIGEN<br />

Etwa ein Drittel der Betriebe hat bisher Kurzarbeit angemeldet –<br />

so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.<br />

Gastgewerbe 91,6<br />

Metall-, Elektro- und Stahlindustrie 43,8<br />

sonstige Dienstleistungen/private Haushalte 42,7<br />

Handel, Instandhaltung von Kfz 38,4<br />

sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen 37,5<br />

Arbeitnehmerüberlassung 36,4<br />

Hersteller überwiegend häuslicher Konsumgüter 33,6<br />

Verkehr und Lagerei 32,3<br />

qualifizierte Unternehmensdienstleistungen 30,0<br />

Baugewerbe 29,8<br />

Hersteller von Vorleistungsgütern 29,7<br />

Gesundheitswesen 20,8<br />

Information und Kommunikation 17,9<br />

Erziehung und Unterricht 10,1<br />

Bergbau/Energie/Wasser/Entsorgung 9,2<br />

Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 7,9<br />

Pflege und Soziales 7,6<br />

Finanzen und Versicherungen 5,7<br />

öffentlicher Dienst 0,8<br />

IM BESCHLEUNIGUNGSMODUS<br />

Schon vor der Pandemie gingen die Analysten<br />

von Euler Hermes im Vergleich<br />

zu 2019 von steigenden Insolvenzen aus<br />

– weltweit und in Deutschland. Corona<br />

wirke in manchen Branchen wie ein „Katalysator<br />

für bereits bestehende Probleme<br />

wie Strukturwandel, hoher Verschuldungsgrad,<br />

Wettbewerbs- und Margendruck“,<br />

erläutert Kolb und verweist beispielhaft auf<br />

Automobilindustrie und textilen Einzelhandel.<br />

Schnelles Verfallsdatum insofern dann<br />

auch von Prognosen: Aktuell rechnet Euler<br />

Hermes hierzulande mit einer Zunahme der<br />

Insolvenzen um 10 Prozent im laufenden<br />

»Unternehmen<br />

können weiterhin<br />

eine Warenkreditversicherung<br />

bei uns<br />

abschließen.«<br />

ALEXANDER BEUTHER, R+V<br />

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit<br />

Jahr statt ursprünglich 3 Prozent. Auch von<br />

Ottos Kunden könnten einige kippen, die<br />

er zuvor schon kritisch gesehen hat. Wenig<br />

Hoffnung gibt es etwa für einen Textilgroßhändler<br />

mit einem Umsatzeinbruch von 80<br />

bis 90 Prozent. Neben der Textilbranche<br />

sei teils auch der Maschinenbau betroffen.<br />

„Doch Maschinenbauer leben nicht von<br />

der Hand in den Mund. Sie sind relativ finanzstark<br />

– jedenfalls die, die wir kennen.“<br />

Handelsbetriebe – zumal im textilen Bereich<br />

– seien oft finanziell schwächer ausgestattet<br />

und bräuchten ständig Liquidität,<br />

nicht anders als in der Gastronomie.<br />

„Je exportlastiger, je internationaler, je<br />

konjunkturabhängiger, desto Corona“,<br />

auf diese Formel bringt der Verband der<br />

Internationalen Kreditmakler Bardo die<br />

besonders hohe Gefährdung von Automobilindustrie,<br />

Messen und Konferenzen, Veranstaltern<br />

und Dienstleistern.<br />

ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE<br />

Auf der anderen Seite gibt es aber beispielsweise<br />

auch die Firmenkundin, die Kinderspielzeug<br />

herstellt und online vertreibt und<br />

jetzt höhere Deckungszusagen braucht:<br />

„Das lief vorher schon gut. Jetzt boomt es<br />

regelrecht“, so Otto. Homeoffice, Kita-<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

45


VERSICHERUNGEN Warenkreditversicherung<br />

»Betriebe können sich noch versichern«<br />

FRANK OTTO, Geschäftsführer Via Delcredere GmbH, Vorstand des Internationalen Verbands der Kreditversicherungsmakler Bardo e. V.<br />

<strong>procontra</strong>: Kann man künftig die Uhr nach Insolvenzen<br />

stellen?<br />

Frank Otto: Wenn der Bund einen Schutzschirm<br />

von 30 Milliarden Euro für Warenkreditversicherer<br />

und deren Firmenkunden bereitstellt,<br />

muss ich das wohl nicht mehr kommentieren.<br />

<strong>procontra</strong>: Der Schutzschirm ist aber nur bis<br />

Jahresende aufgespannt.<br />

Otto: Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese<br />

Maßnahme nur ein Dreivierteljahr läuft. Man<br />

wird vermutlich nicht umhinkommen, hier zu<br />

verlängern. Wenn man vergleicht: Über 720.000<br />

Firmen haben Kurzarbeit angemeldet. In der<br />

Finanzkrise 2008 hatten wir circa 60.000<br />

Kurzarbeiter-Firmen. Die Qualität ist eine ganz<br />

andere. Das wird uns wahrscheinlich noch lange<br />

beschäftigen.<br />

<strong>procontra</strong>: „Brennende Häuser kann man nicht<br />

mehr versichern“, lautet ein geflügeltes Wort in<br />

der Assekuranz. Was geht denn gegenwärtig<br />

überhaupt noch?<br />

Otto: Grundsätzlich bekommt man im Augenblick<br />

noch einige Betriebe unter. Bestimmte Branchen<br />

sind aber nicht mehr oder nur sehr schwer zu<br />

versichern. Man darf dann nicht preisempfindlich<br />

und auch nicht wählerisch sein. Zulieferer<br />

von Gastrobetrieben zum Beispiel schaut sich<br />

der Kreditversicherer sehr genau an. Oder auch<br />

Maschinenbauer, die nach Italien liefern. Das ist<br />

aber nur eine Momentaufnahme. Was in zwei<br />

Wochen ist, weiß man nicht. Im Augenblick sind<br />

gekürzte Kreditlimits unserer Kunden das A-<br />

und-O-Thema für uns. Auch da hoffen wir, dass<br />

der Schutzschirm bald seine Wirkung entfaltet.<br />

Und seitens des Internationalen Verbands der<br />

Kreditversicherungsmakler beobachten wir das<br />

auch sehr genau.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie breit sind Sie selbst als Fachmakler<br />

für Kreditversicherungen aufgestellt,<br />

was Branchen und Betriebsgrößen betrifft?<br />

Otto: Aus meiner Zeit bei Euler Hermes habe<br />

ich gelernt: Wenn du dich auf zwei oder drei<br />

Branchen fokussierst, stirbst du mit den Firmen,<br />

wenn eine Branche Probleme hat. Deshalb: alle<br />

versicherbaren Branchen bearbeiten, um eine<br />

Risikostreuung zu erreichen. Und ich bestehe<br />

immer darauf, dass wir kleine, mittlere und große<br />

Kunden haben. Lieber investiere ich in mehr<br />

Personal für die Bearbeitung. Wenn man in die<br />

Breite geht, ist das im Grunde eine Lebensversicherung<br />

für das eigene Maklerunternehmen<br />

und übrigens auch für den Versicherer.<br />

<strong>procontra</strong>: In den letzten Jahrzehnten war das<br />

Risiko noch nie so groß. Wie kommen Sie damit<br />

klar, dass langjährige Firmenkunden vielleicht<br />

vom einen zum anderen Tag ihre Existenz<br />

verlieren?<br />

Otto: Das ist unser Beruf. Das muss man leider<br />

akzeptieren. Wir haben auch schon viel Elend<br />

erlebt. Wenn dann ein Unternehmen wegbricht,<br />

tut mir das sehr leid und menschlich auch weh.<br />

Natürlich sind wir immer sehr froh, wenn wir den<br />

Unternehmern helfen konnten. Das ist ein gutes<br />

Gefühl.<br />

und Schulschließung darf man von dieser<br />

Warte her ausnahmsweise einmal anders<br />

sehen.<br />

Auch Firmen im Computerbereich<br />

könnten seiner Einschätzung nach möglicherweise<br />

zu den Gewinnern zählen, „wenn<br />

sie jetzt durcharbeiten können“. Bei Lieferzeiten<br />

von bis zu acht Wochen ordern Computergroßhändler<br />

gegen Aufschlag derzeit<br />

große Stückzahlen, um überhaupt Waren<br />

zu haben, weiß er aus Kundengesprächen.<br />

Von Handy-Großhändlern hört er: Umsatz<br />

nur leicht zurückgegangen. Wir verkaufen<br />

weiter und werden das gut überleben.<br />

Weitergearbeitet wird auch im Bauzuliefererbereich,<br />

„weil die Nachfrage ungebrochen<br />

ist“, was sich für Kreditversicherungsmakler<br />

wie Otto auch in den<br />

Verhandlungen mit den Gesellschaften<br />

bemerkbar macht. Es gibt bezüglich der<br />

Baubranche weniger Diskussionen über<br />

Prämienerhöhungen wegen überzogener<br />

Schadensquoten, die sich noch an Werten<br />

aus der Vor-Pandemie-Zeit orientieren.<br />

Man sei froh, diese Firmen zu haben.<br />

Im Windschatten von Corona relativiert<br />

sich eben auch manches. Anderes erhält<br />

mehr Gewicht. Dazu zählt Factoring. Auch<br />

Firmenkunden des Fachmaklers nutzen in<br />

der gegenwärtigen Situation dieses Instrument<br />

zusammen mit der Warenkreditversicherung<br />

verstärkt, um Liquidität zu schöpfen.<br />

Ein Thema, das in der Firmenberatung<br />

auch alternativ angesprochen werden sollte<br />

und möglicherweise für Makler selbst in<br />

schwierigen Zeiten ebenfalls eine geschäftliche<br />

Hilfe darstellen kann.<br />

PRO<br />

WARENKREDITVERSICHERUNG<br />

ABSCHLIESSEN?<br />

Extrem hohes<br />

Insolvenzrisiko durch<br />

globale Rezession<br />

Aufrechterhaltung<br />

von Geschäftsbeziehungen/Lieferketten<br />

Mehr Sicherheit<br />

durch staatliche<br />

Rückgarantie<br />

CONTRA<br />

Höhere Versicherungskosten<br />

aufgrund<br />

der Rezession<br />

Betriebe aus<br />

Boombranchen nicht<br />

gefährdet<br />

Limitkürzung/-streichung<br />

bei wichtigen<br />

Partnern generell<br />

nicht ausgeschlossen<br />

46 Foto: Via Delcredere GmbH


Sicherheit und Rendite<br />

perfekt kombiniert.<br />

bAV aus der<br />

Condor Perspektive:<br />

Aus Einzel wird Doppel.<br />

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VERSICHERUNGEN Pflegereform<br />

UMBAU DES<br />

PFLEGESYSTEMS<br />

NOTWENDIG?<br />

Das Pflegerisiko steigt – und mit ihm die<br />

Kosten. Pflegebedürftige sind mit immer<br />

höheren Eigenanteilen konfrontiert.<br />

Muss das Pflegesystem grundlegend<br />

umgebaut werden? Die Meinungen<br />

hierzu gehen auseinander.<br />

PIA ZIMMERMANN, SPRECHERIN FÜR PFLEGEPOLITIK, DIE LINKE<br />

pro<br />

»Die Eigenanteile<br />

in Pflegeheimen<br />

sind nicht mehr<br />

tragbar.«<br />

Wie der steigende Pflegebedarf in der Gesellschaft<br />

durch die gesetzliche Pflegeversicherung finanziert<br />

werden kann, ist eine konzeptionelle pflegepolitische<br />

Kernfrage. Vor allem nicht mehr tragbare Eigenanteile<br />

in Pflegeheimen sowie wachsender Personalbedarf, der zudem<br />

nur durch deutlich bessere Bezahlung gedeckt werden<br />

kann, haben Jens Spahn veranlasst, eine Finanzierungreform<br />

der Pflegeversicherung anzukündigen.<br />

Zur Finanzierung der Mehrausgaben gibt es prinzipiell drei<br />

Möglichkeiten: 1) Die Beiträge der gesetzlichen Pflegeversicherung<br />

werden entsprechend dem Bedarf angehoben; 2) die<br />

Versicherten sorgen zusätzlich privat vor; 3) die private wird<br />

mit der gesetzlichen Pflegeversicherung integriert.<br />

Variante eins stellt für Die Linke keine Option dar. Die<br />

Anhebung der Beiträge in der gesetzlichen Pflegeversicherung<br />

führt zu weiteren Belastungen der Mittelschicht mit Sozialabgaben<br />

– die aber bereits jetzt im internationalen Vergleich<br />

besonders hoch sind.<br />

Noch eindeutiger sind die Gründe für die Ablehnung privater<br />

Absicherung: Die Verwaltungskosten belaufen sich<br />

auf circa 20 Prozent und liegen damit<br />

deutlich höher als die circa 5 Prozent im<br />

Umlageverfahren. Zudem erfordert der<br />

weit überwiegende Teil der angebotenen<br />

Versicherungsprodukte kontinuierlich<br />

konstante Einzahlungen; aber wer<br />

kann sicher sein,<br />

in 5, 10 oder 20<br />

Jahren Beiträge in<br />

der gleichen Höhe<br />

zahlen zu können<br />

wie bei Abschluss?<br />

Genau hier tritt ein<br />

bereits bei der privaten<br />

Rentenvorsorge<br />

auftretendes<br />

Problem erneut<br />

zutage: Der größte Bedarf an Vorsorge beziehungsweise privater<br />

Absicherung besteht in den Einkommensschichten, die<br />

wegen ihrer niedrigen und zudem unsicheren Einkommen am<br />

wenigsten dazu in der Lage sind.<br />

Sowohl zur Vermeidung einer flächendeckenden Unterversorgung<br />

einkommensarmer Schichten wie auch völlig<br />

ungerechtfertigter weiterer Belastungen der Mittelschicht<br />

ist die Integration der privaten mit der gesetzlichen zur Solidarischen<br />

Pflegevollversicherung die eindeutig beste Option.<br />

Dabei werden alle Einkünfte, auch Kapital-, Miet- und<br />

Zinserträge, mit einem einheitlichen Beitragssatz verbeitragt.<br />

Die Beitragsbemessungsgrenze wird erst angehoben, dann<br />

abgeschafft. Auf diese Weise stehen ausreichend Finanzmittel<br />

zur Verfügung – auch für die immensen <strong>Ausgabe</strong>n einer wirklich<br />

bedarfsgerechten Pflege. Durchgesetzt werden muss diese<br />

Option auch gegen die CDU und Herrn Spahn. Er hat sich<br />

gegen eine Pflegevollversicherung wie auch gegen die Verschmelzung<br />

der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung<br />

ausgesprochen. Dass soziale Verbesserungen gegen die CDU<br />

durchgesetzt werden müssen, ist aber nichts Neues.<br />

48 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Pflegereform VERSICHERUNGEN<br />

Aus guten Gründen wurde vor 25 Jahren die Pflegepflichtversicherung<br />

nach der Regel „Pflege folgt<br />

Kranken“ eingeführt. Für GKV-Versicherte wurde<br />

also die soziale Pflegeversicherung (SPV) im Umlageverfahren<br />

geschaffen, für PKV-Versicherte die Pflegepflichtversicherung<br />

im Kapitaldeckungsverfahren.<br />

Eine Analyse der Beitragsentwicklung in der privaten und<br />

der sozialen Pflegepflichtversicherung in den letzten 25 Jahren<br />

zeigt: Die Beiträge der privaten Pflegeversicherung stiegen<br />

um circa 150 Prozent, während sie in der sozialen um mehr<br />

als 400 Prozent zulegten – bei gleichem Leistungskatalog.<br />

Für die Absicherung des Pflegerisikos ist ein jahrzehntelanger<br />

Sparprozess also weitaus besser geeignet als ein Umlageverfahren.<br />

Das ist nicht verwunderlich, denn das Risiko,<br />

Pflegefall zu werden, realisiert sich ja weitestgehend erst zum<br />

Lebensende hin.<br />

Die Kapitaldeckung ist dem Umlageverfahren nachhaltig<br />

überlegen!<br />

Schon die jetzige Teilkasko-Pflegeversicherung ist nur in<br />

der PKV demografiefest finanziert, wogegen in der SPV seit<br />

ihrer Einführung 1995 versteckte Schulden zulasten der jüngeren<br />

Generationen in Höhe von 435 Milliarden Euro aufgelaufen<br />

sind. In diesem erschreckend hohen Umfang sind<br />

schon die heutigen Teilkasko-Leistungsversprechen für unsere<br />

alternde Gesellschaft durch heutige Beitragszahlungen<br />

nicht gedeckt. Private Eigenvorsorge ist also weiterhin notwendig<br />

und wichtig.<br />

Um die nachfolgenden Generationen nicht zu überlasten,<br />

sollten zusätzliche Pflegeleistungen daher nicht<br />

dem Umlageverfahren der SPV auferlegt, sondern<br />

durch kapitalgedeckte Vorsorge abgesichert<br />

werden. Diese kapitalgedeckte Eigenvorsorge<br />

ist viel billiger, als die Menschen denken:<br />

Wir wissen aus einer Allensbach-Umfrage<br />

vom Juni 2019, dass die Vermutung der Menschen,<br />

was eine gute Pflegevorsorge pro Monat<br />

kostet, im Schnitt 161 Euro beträgt – und die<br />

Obergrenze, wie viel man individuell für eine<br />

Pflegevorsorge ausgeben kann, im Schnitt 77<br />

Euro im Monat.<br />

Mit Pflegezusatzversicherungen lässt sich die<br />

„Pflegelücke“ zwischen den gesetzlichen Teilkaskoleistungen<br />

und den realen Kosten heute<br />

schon zu bezahlbaren Preisen vollständig schließen.<br />

Wer die gesetzlichen Leistungen bei ambulanter<br />

Pflege verdoppeln und im Fall stationärer<br />

Pflege den durchschnittlichen Eigenanteil von monatlich rund<br />

2.000 Euro vollständig absichern will, findet hierfür Pflegezusatzversicherungen<br />

schon zu geringen monatlichen Beiträgen.<br />

So zahlt ein Versicherter, der mit 25 Jahren eine solche Pflegezusatzversicherung<br />

abschließt, circa 20 Euro pro Monat.<br />

Selbst ein Abschluss mit 55 Jahren ist für einen Beitrag ab 89<br />

Euro pro Monat zu haben. Auch hier gilt also: Je früher der<br />

Abschluss, umso besser!<br />

Fazit: Es bedarf keines Ausbaus der Pflegeversicherung in<br />

Richtung einer „Vollkaskoversicherung“. Das bestehende<br />

ROLAND WEBER, VORSTANDSMITGLIED DER DEBEKA KRANKENVERSICHERUNG VVAG<br />

contra<br />

»Kapitalgedeckte<br />

Zusatzvorsorge<br />

ist preiswerter,<br />

als die Menschen<br />

denken.«<br />

Pflegesystem lässt sich stattdessen ohne große Reformrisiken<br />

stabilisieren, indem mehr Pflegeleistungen durch kapitalgedeckte<br />

und bezahlbare Vorsorge abgedeckt werden. Es wäre<br />

solide, generationengerecht und für den Einzelnen gut tragbar.<br />

Und wenn die Politik dazu noch intelligente Anreize zur<br />

Vorsorge setzen würde (zum Beispiel betriebliche Pflegezusatzversicherung,<br />

Steuerabzug für Beiträge etc.), wären wir<br />

auf einem guten Weg – für die Gesamtgesellschaft und für<br />

den Einzelnen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

49


VERSICHERUNGEN Kfz-Versicherung<br />

CORONA-RABATTE IN DER KFZ?<br />

Corona-Beschränkungen fegten die Straßen leer, mit positiven Auswirkungen auf die<br />

Schadenszahlen in der Kfz-Versicherung. Sinken deshalb die Prämien für 2021 oder können<br />

Versicherte gar mit Ausschüttungen rechnen? Die Situation ist komplizierter, als sie scheint.<br />

– TEXT: FLORIAN BURGHARDT –<br />

50 Illustration: Roman Kulon


Kfz-Versicherung VERSICHERUNGEN<br />

Die Temperaturen steigen, der Sommer<br />

naht und Deutschland atmet langsam wieder<br />

auf. Viele Beschränkungen des täglichen<br />

Lebens, die akut eingeführt wurden,<br />

um die Verbreitung des Corona-Virus zu<br />

verlangsamen, sind mittlerweile gelockert<br />

oder gänzlich aufgehoben. Dennoch haben<br />

sie Spuren hinterlassen, deren Ausmaß sich<br />

erst in den kommenden Monaten oder auch<br />

erst im neuen Jahr zeigen wird.<br />

Das gilt auch konkret für die Kfz-Versicherung.<br />

Teilweise im März und vor allem<br />

den ganzen Monat April über lautete das<br />

Gebot der Stunde: zu Hause bleiben!<br />

Hauptsächlich durch bundesweite Homeoffice-Regelungen<br />

sowie durch mangelnde<br />

Ziele aufgrund geschlossener Geschäfte,<br />

Museen, Spielplätze & Co. waren Deutschlands<br />

Straßen in diesem Zeitraum beinahe<br />

leer gefegt. Doch wenn deutlich weniger<br />

gefahren wird, entstehen auch deutlich<br />

weniger Schäden in der Kfz-Versicherung.<br />

Diesen Effekt haben für die sechs Wochen<br />

von Mitte März bis Ende April mehrere<br />

Anbieter auf <strong>procontra</strong>-Nachfrage bestätigt,<br />

darunter die Marktriesen Huk-Coburg<br />

und Allianz. Für eine quantitative Aussage<br />

sei es aber auch Anfang Mai immer noch zu<br />

früh, so der Tenor.<br />

WENIGER UNFÄLLE DURCH CORONA<br />

Konkreter wird da die aktuarielle Beratungsgesellschaft<br />

Meyerthole Siems Kohlruss<br />

(MSK). Sie beziffert den Rückgang<br />

von Kfz-Unfällen in der Lockdown-Phase<br />

auf 50 Prozent. Auf dieser Basis schätzen<br />

die MSK-Analysten, dass die deutschen<br />

Kfz-Versicherer bis Ende April etwa eine<br />

Milliarde Euro an Schadensaufwendungen<br />

eingespart haben. Das entspräche einem<br />

Rückgang der Leistungsausgaben um etwa<br />

4 Prozent, bezogen auf die Schadenskosten<br />

des Jahres 2019 (laut vorläufigen Zahlen<br />

des GDV rund 25 Milliarden Euro).<br />

Kein schlechter Effekt also, zumal die<br />

Kfz-Versicherung nicht gerade als Gewinnsparte<br />

bekannt ist (siehe Grafik Seite 52).<br />

Viele Anbieter sehen sie zudem auch heute<br />

noch als Tür zum Kunden und damit zu<br />

möglichem Cross-Selling-Geschäft. Deshalb<br />

ziehen sie auch weiterhin im jährlichen<br />

Preiskampf mit und schreiben in der Autoversicherung<br />

nahezu konstant rote Zahlen.<br />

Da kommt so ein „goldenes Jahr für<br />

die Kfz-Versicherung“ doch gerade recht,<br />

wie es kürzlich Dr. Fred Wagner, Professor<br />

für Versicherungsbetriebslehre an der Uni-<br />

CORONA OHNE EINFLUSS AUF KALKULATION<br />

Faktoren, die den Versicherungsbeitrag maßgeblich beeinflussen<br />

Kilometerleistung/Jahr<br />

Welches Auto wird<br />

gefahren? (Typklasse)<br />

Fahrzeugalter<br />

beim Kauf<br />

Wer ist Fahrzeughalter?<br />

Wer darf fahren? (Nutzerkreis)<br />

versität Leipzig, und Dr. Michael Pickel,<br />

Vorstandsmitglied der Hannover Rück, in<br />

dem Interviewformat #fredwagner bezeichneten.<br />

»Wir wollten zum<br />

jetzigen Zeitpunkt<br />

schon mal ein Versprechen<br />

an unsere<br />

Kunden geben.«<br />

SPRECHERIN, HUK-COBURG<br />

HUK MIT KUNDENVERSPRECHEN<br />

Aber ist es überhaupt vertretbar, dass die<br />

Versicherungsunternehmen aus der Corona-Krise<br />

Kapital schlagen und die Einsparungen<br />

aufgrund deutlich geringerer<br />

Schadensaufwendungen als Gewinn verbuchen?<br />

Noch dazu, wo sich gerade viele ihrer<br />

Kunden in Kurzarbeit befinden oder sogar<br />

ihren Job verloren haben? Marktführer<br />

Huk-Coburg (über zwölf Millionen versicherte<br />

Fahrzeuge im Bestand) hat jedenfalls<br />

Mitte April schon einmal ein Versprechen<br />

an seine Mitglieder und Kunden gerichtet:<br />

Wie alt sind die Fahrer?<br />

(Nutzeralter)<br />

Wie lange unfallfrei?<br />

Selbstbeteiligung<br />

(nur Kaskoversicherung)<br />

Wo ist der Wohnsitz?<br />

(Regionalklasse)<br />

In einem besonderen<br />

Beruf tätig? (Tarifgruppe)<br />

Quelle: GDV<br />

Sie sollen finanziell an einer möglichen Kostenersparnis<br />

beteiligt werden, sofern dem<br />

Unternehmen eine solche durch weniger<br />

Schäden im Geschäftsjahr <strong>2020</strong> entsteht.<br />

Allerdings müsse man erst noch abwarten,<br />

wie sich das Schadensgeschehen weiterentwickelt,<br />

etwa durch das jährliche vermehrte<br />

Hagel- und Sturmaufkommen im Sommer<br />

und Herbst. Dabei könnten viele Kunden<br />

gerade jetzt eine finanzielle Entlastung gut<br />

gebrauchen. Und sind mit diesem Versprechen<br />

überhaupt konkrete Geldzahlungen<br />

an die Versicherten gemeint? Auf diese Frage<br />

antwortete eine Huk-Coburg-Sprecherin:<br />

„Das steht noch nicht fest. Wir wollten<br />

nur zum jetzigen Zeitpunkt schon mal ein<br />

Versprechen an unsere Kunden geben.“<br />

USA MIT SOFORTRABATTEN<br />

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick<br />

über den Großen Teich. Zwar haben die<br />

USA offenbar deutlich größere Probleme<br />

bei der Handhabung der Corona-Pandemie.<br />

In der Kfz-Versicherung hat man im<br />

Land der unbegrenzten Möglichkeiten<br />

aber um einiges praktischer angepackt als<br />

hierzulande. Schließlich tritt dort derselbe<br />

Effekt aufgrund des stark verringerten<br />

Verkehrsaufkommens zutage. So hat der<br />

US-Bundesstaat Kalifornien Mitte April die<br />

Versicherer in mehreren Sparten dazu verpflichtet,<br />

seinen Bürgern konkrete Rabatte<br />

auf laufende Versicherungsbeiträge und<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

51


VERSICHERUNGEN Kfz-Versicherung<br />

107,4 107,4<br />

MACHT DIE PANDEMIE <strong>2020</strong> ZUM »GOLDENEN JAHR«?<br />

In den letzten zehn Jahren fiel die Gewinnspanne der Kfz-Versicherung eher gering aus.<br />

20.158<br />

20.887<br />

102,6<br />

21.989<br />

104,4<br />

23.260<br />

24.380<br />

96,7<br />

25.227<br />

97,9<br />

25.906<br />

98,9<br />

26.956<br />

98,0<br />

27.922<br />

96,1<br />

28.500<br />

98,0<br />

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 *<br />

Brutto-Beitragseinnahmen ohne Versicherungssteuer (in Mio. €) Combined Ratio (in %)<br />

*<br />

Die Werte für 2019 sind vorläufig. Quelle: GDV<br />

sogar sofort fällige Rückvergütungen<br />

zu gewähren. Dem haben sich mittlerweile<br />

landesweit die meisten großen Kfz-Versicherer<br />

angeschlossen. Bei dem zu Investor<br />

Warren Buffetts Imperium gehörenden Anbieter<br />

Geico können versicherte Autofahrer<br />

im Schnitt mit etwa 150 Dollar (knapp 140<br />

Euro) Erstattung rechnen. Kein Reichtum,<br />

aber in Zeiten von Kurzarbeit und Auftragsflaute<br />

für viele Menschen ein kleiner<br />

Segen für den Geldbeutel.<br />

Zwar sind Maßnahmen wie in den USA<br />

in der deutschen Versicherungswirtschaft<br />

eher unwahrscheinlich. Jedoch könnten<br />

sich in den kommenden Monaten noch<br />

mehr Versicherer der grundlegenden Haltung<br />

der Huk-Coburg anschließen und<br />

ihren Kunden eine Beteiligung am diesjährigen<br />

Corona-Sondereffekt zusagen.<br />

Anstatt spontaner Ausschüttungen könnte<br />

dies zum Beispiel auch durch verringerte<br />

Beiträge gehandhabt werden. Somit stellt<br />

sich die Frage: Ist in der Kfz-Versicherung<br />

bald mit Preisstürzen zu rechnen?<br />

»Grundlage der Tarifkalkulation<br />

ist eine<br />

realistische Prognose<br />

des zukünftigen Schadensaufkommens.«<br />

DR. GUIDO BADER, DEUTSCHE AKTUARVEREINIGUNG<br />

Bei der Allianz wird diesbezüglich relativiert.<br />

Natürlich sei ein deutlicher Rückgang<br />

der Verkehrsunfälle seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen<br />

infolge der Corona-<br />

Pandemie erkennbar. Jedoch rechne man<br />

aufgrund längerer Lieferfristen von Fahrzeugteilen<br />

beziehungsweise neuen Fahrzeugen<br />

wiederum auch mit erhöhenden<br />

Effekten für den Schadensaufwand, erklärte<br />

eine Allianz-Sprecherin auf <strong>procontra</strong>-<br />

Nachfrage. Dazukommen würden noch<br />

personelle Engpässe bei den Werkstätten,<br />

die zu höheren Nutzungsausfall- oder<br />

Mietwagenkosten führen können. Von der<br />

Möglichkeit, ihre jährliche Fahrleistung<br />

zu reduzieren und dadurch unterjährig<br />

eine anteilige Beitragserstattung zu erhalten,<br />

würden die Allianz-Kunden bis jetzt<br />

auch keinen erhöhten Gebrauch machen.<br />

Dass diese Möglichkeit nicht häufiger als<br />

im Vorjahreszeitraum wahrgenommen<br />

wird, haben noch weitere Kfz-Versicherer<br />

gegenüber <strong>procontra</strong> bestätigt. Das Vergleichsportal<br />

Verivox hatte errechnet, dass<br />

Versicherte durchschnittlich 12 Prozent weniger<br />

Prämie zahlen, wenn sie statt 20.000<br />

Kilometern nur 14.000 fahren.<br />

CORONA KEINE KALKULATIONSGRUNDLAGE<br />

Aber ist für das nächste Jahr mit sinkenden<br />

Kfz-Prämien aufgrund eines Corona-<br />

Sondereffekts zu rechnen? Dr. Guido Bader,<br />

Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung,<br />

macht in dieser Hinsicht<br />

wenig Hoffnung: „Grundlage der Tarifkalkulation<br />

ist eine möglichst genaue und<br />

realistische Prognose des zukünftigen Schadensaufkommens<br />

für die zu versichernden<br />

Risiken.“ Dazu gehöre auch die Identifizierung<br />

von Sondereffekten und deren Rolle<br />

für das zukünftige Schadensgeschehen. Entscheidend<br />

sei also, ob auch in Zukunft ein<br />

geringeres Verkehrs- beziehungsweise Schadensaufkommen<br />

zu erwarten ist oder nicht.<br />

Bader erklärt: „Wenn für das Jahr 2021<br />

eine Fortsetzung der aktuellen Situation erwartet<br />

wird, dann wird die Schadenserfahrung<br />

aus dem Jahr <strong>2020</strong> ganz wesentlich in<br />

die Tarifkalkulation einfließen. Gehen die<br />

Unternehmen im anderen Extrem davon<br />

aus, dass das Jahr 2021 einem typischen<br />

Jahr aus der Zeit vor Corona entsprechen<br />

wird, dann wird die Schadenserfahrung aus<br />

<strong>2020</strong> tendenziell eher als Ausreißer gewertet<br />

werden.“ Zum Wohle aller ist das zweite<br />

Szenario wünschenswert. Mit Preisstürzen<br />

in der Kfz-Versicherung wäre dann nicht zu<br />

rechnen.<br />

PRO<br />

VERÄNDERT CORONA DIE PREISE<br />

IN DER KFZ-VERSICHERUNG?<br />

Weniger Verkehr,<br />

weniger Schäden<br />

Geld zurück wegen<br />

geringerer Fahrleistung<br />

Evtl. Beteiligung an<br />

geringer Schadensquote<br />

CONTRA<br />

Längere Lieferfristen<br />

und personelle<br />

Engpässe<br />

Kunden reduzieren<br />

Fahrleistung kaum<br />

Tarifkalkulation<br />

2021 vermutlich ohne<br />

Corona<br />

52 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Passt gut zum Job!<br />

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VERSICHERUNGEN Unfallschutz<br />

Diese Mikroskopaufnahme<br />

zeigt die<br />

Mundwerkzeuge<br />

eines Gemeinen<br />

Holzbocks. Unten<br />

ist der Unterkiefer<br />

mit Widerhaken<br />

zu sehen. Zecken<br />

bohren sich mit<br />

Bewegungen ähnlich<br />

wie Brustschwimmer<br />

in die Haut von Menschen,<br />

um sich dort<br />

festzusaugen.<br />

BLOSS NICHT BEISSEN LASSEN<br />

Für <strong>2020</strong> wird eine besonders starke Zeckensaison prognostiziert.<br />

Ein Anlass für Makler, aktiv zu werden und die von der Kundschaft oft vergessenen<br />

Unfallpolicen nicht nur in dieser Richtung zu checken.<br />

– TEXT: CARLA FRITZ –<br />

In Deutschland gibt es jährlich etwa 250<br />

bis 300 Neuerkrankungen an Frühsommer-<br />

Meningoenzephalitis (FSME), die überwiegend<br />

durch Zecken übertragen wird.<br />

30 Prozent der Betroffenen erkranken<br />

schwer. 10 bis 20 Prozent der Zecken tragen<br />

das Borreliose-Bakterium in sich. Hier<br />

werden jährlich rund 7.200 bis 7.800 Patienten<br />

im Krankenhaus behandelt.<br />

Früher sei dieses „plötzliche Ereignis von<br />

außen“ in den Unfallverträgen ausgeschlossen<br />

gewesen. „Mittlerweile hat man Mühe,<br />

Tarife zu finden, wo der Zeckenbiss noch<br />

rausgeworfen wird“, so Brigitte Mayer<br />

von der Verbraucherzentrale Hessen. Eine<br />

mögliche Inanspruchnahme infolge eines<br />

dauerhaften körperlichen Schadens schätzt<br />

sie aufgrund der amtlichen Fallstatistik und<br />

der jederzeit möglichen Schutzimpfung,<br />

zumindest gegen FSME, allerdings als unwahrscheinlich<br />

ein.<br />

Dass andererseits auch eine Schutzimpfung<br />

selbst Schadensauslöser sein kann,<br />

hat Bert Heidekamp, Sachverständiger aus<br />

Berlin, in seiner Beratungspraxis erlebt.<br />

Der Kunde hatte ein „gestrecktes“ Impfmittel<br />

gegen die Schweinegrippe erhalten,<br />

war infolgedessen an Narkolepsie erkrankt<br />

und dadurch erwerbsunfähig geworden.<br />

Das könne aber unter Umständen auch<br />

durch eine ganz normale Impfung passieren.<br />

„Manche Gesellschaften unterscheiden<br />

in diesem Rahmen noch einmal zwischen<br />

ärztlich empfohlener oder gesetzlich vorgeschriebener<br />

Schutzimpfung.“ Die Palette<br />

der Infektionskrankheiten, die in der Un-<br />

fallversicherung mit abgedeckt sind, inklusive<br />

der Schutzimpfungen dagegen, reicht<br />

nach Heidekamps Recherchen von 6 bis<br />

über 40.<br />

TIERBISS ODER INSEKTENSTICH?<br />

Jedes Wort im Kleingedruckten auf die<br />

Goldwaage zu legen empfiehlt sich. Es<br />

macht schon einen Unterschied: Sind Tierbisse<br />

samt Gesundheitsschäden daraus generell<br />

mitversichert? Dann wären Zecken<br />

mit drin. Oder bezieht sich der Schutz nur<br />

auf Insektenstiche? Dann wären die kleinen<br />

Blutsauger raus. Denn sie gehören nicht zu<br />

den Insekten, wie oft angenommen. Darauf<br />

weist Heidekamp hin. Zecken sind<br />

eine Milbenart und zählen zu den Spinnentieren.<br />

Auch bei der Mitversicherung<br />

54 Foto: dpa / Dania Richter


Unfallschutz VERSICHERUNGEN<br />

ZECKENHOCHBURG SÜDDEUTSCHLAND<br />

Basis: FSME-Erkrankungen in den Jahren 2002–<br />

2019, die dem RKI übermittelt wurden; n = 5.479<br />

Saarland<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Rheinland-<br />

Pfalz<br />

Bremen<br />

Hessen<br />

Baden-<br />

Württemberg<br />

Schleswig-<br />

Holstein<br />

Niedersachsen<br />

Hamburg<br />

Thüringen<br />

Zum Teil sehr umfassende<br />

Gesundheitsfragen<br />

Sachsen-<br />

Anhalt<br />

Bayern<br />

Mecklemburg-<br />

Vorpommern<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Sachsen<br />

Quelle: Robert Koch-Institut<br />

von Tierbissen variieren die Bedingungen<br />

nach seiner Bewertung in entscheidenden<br />

Details: Zecken werden hier manchmal<br />

zusätzlich ausgeschlossen oder Infektionen<br />

durch Tierbisse, was letztlich auf dasselbe<br />

hinausläuft.<br />

In vielen Tarifen werden Zeckenbisse<br />

ausdrücklich als mitversichert genannt. Der<br />

Schutz greift teils aber nur mit Einschränkung<br />

– beispielsweise nicht in Ausübung<br />

des Berufs. Was dann ausgerechnet Gärtner,<br />

Förster, Waldarbeiter oder Biologen<br />

beträfe. „Bei Kindern mit Zeckeninfektion<br />

wird unter Umständen erst ab einem Invaliditätsgrad<br />

von 50 Prozent geleistet“, so<br />

Heidekamp.<br />

HÖHE DER GRUNDSUMME PRÜFEN<br />

Der springende Punkt vor allem bei älteren<br />

Policen aus Sicht von Verbraucherschützerin<br />

Mayer: „Bei Verträgen, die zehn Jahre<br />

oder länger liegen, ist die Inflation drüber<br />

gegangen. Dann reicht die Entschädigungsleistung<br />

oft nicht mehr aus. Auch deshalb,<br />

weil aus heutiger Sicht meist geringe Versicherungssummen<br />

vereinbart wurden.“<br />

Bei neueren Verträgen mit fixer Summe<br />

sieht sie oft Mini-Leistungen. Denn eine<br />

Vollinvalidität erreiche im Grunde kaum jemand.<br />

Anhand der Gliedertaxe wäre dann<br />

herunterzubrechen, was überhaupt noch<br />

übrig bleibt. Bei Verträgen mit Progressionsstaffel<br />

– nach dem Prinzip: je höher der<br />

Schaden, desto höher die Entschädigung –<br />

wird die Grundversicherungssumme teils<br />

zu klein gewählt. Konsequenz auch da:<br />

„Bei kleinen Schäden kommt kaum etwas<br />

an.“ Die Kompromisslösung liegt für Mayer<br />

bei einer Progression zwischen 350 und<br />

maximal 500 Prozent bei einer Grundsumme<br />

von mindestens 150.000 bis 200.000<br />

Euro. Damit bei einem mittleren Schaden<br />

auch noch eine Leistung herauskommt.<br />

Immer vorausgesetzt, dass die „schmale<br />

Absicherung über eine Unfallversicherung<br />

sinnvoll ist“ und eine Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

„als erste Wahl“ ausfällt.<br />

Die alten Unfallverträge kündigen und<br />

neue abschließen – das steht im Ergebnis<br />

der Prüfung wahrscheinlich des Öfteren an.<br />

Frauen sollten allerdings wissen, dass sie<br />

dann vielleicht in die teurere Gruppe B der<br />

körperlich Tätigen rutschen. Bei Verträgen<br />

noch aus der Zeit vor den Unisex-Tarifen<br />

wurden sie automatisch der Gruppe A der<br />

nicht körperlich Tätigen zugerechnet. Darauf<br />

weist Heidekamp hin. Auf der anderen<br />

Seite kann es nach seinen Worten für einige<br />

Berufe auch günstiger werden, nachdem<br />

etwa die InterRisk jetzt eine dritte Gruppe<br />

zwischen diesen beiden neu am Markt eingeführt<br />

hat. Dass damit allerdings auch der<br />

tarifliche Vergleich schwieriger wird, bestätigt<br />

Wilfried Schwarzer vom unabhängigen<br />

Analysehaus Morgen & Morgen. Für die<br />

Zukunft erwartet er eine noch stärkere Differenzierung<br />

– ob so weitgehend wie bei der<br />

Berufsunfähigkeitsversicherung, das bleibe<br />

abzuwarten.<br />

PRO<br />

UNFALLPOLICE ZWINGEND NÖTIG?<br />

Preiswerter Schutz<br />

Alternative, wenn<br />

BU-Schutz nicht<br />

möglich<br />

Assistance- und<br />

Reha-Leistungen teils<br />

mitversichert<br />

CONTRA<br />

Nur Ausschnittsdeckung,<br />

BU umfassender<br />

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<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

55


BUSCHFUNK Berater<br />

BERATER<br />

HAFTUNGSRISIKEN IN DER KRISE VERMEIDEN<br />

VSAV empfiehlt Maklern Schutzmaßnahmen.<br />

Tipps gegen Krisenfallen: Die Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler<br />

e. V. (VSAV) sieht für Vermittler aktuell erhöhte Haftungsrisiken. Berater sollten zunächst<br />

ihre Haftpflichtversicherung auf eine weitreichende Internetklausel hin überprüfen. Wer<br />

Onlinetools nutzt, muss sicherstellen, den Kunden via Informationsblatt zu Datenschutzbelangen<br />

aufzuklären. Um Strafrechtsanzeigen enttäuschter Anleger abzuwehren, empfiehlt<br />

der Verband Finanzberatern, eine Strafrechtsschutzversicherung abzuschließen. VSAV-<br />

Vorstand Ralf Werner Barth rät Maklern zudem, sich in der Krise nicht von einzelnen Spezial-<br />

Produktgebern abhängig zu machen, da Versicherer Verträge teils kurzfristig kündigten.<br />

VZBV SIEGT VOR GERICHT GEGEN VERIVOX<br />

Das Vergleichsportal muss transparenter agieren.<br />

Als Versicherungsmakler ist Verivox zu Transparenz verpflichtet. Das<br />

Landgericht Heidelberg entschied im Mai, dass das Onlineportal die<br />

Kunden im Fall eines Privathaftpflichtvergleichs nicht ausreichend<br />

informiert hatte. Der Vergleich berücksichtigte nur knapp die Hälfte<br />

der Angebote am Markt. Zudem war darin nicht ausreichend auf die<br />

eingeschränkte Auswahl und Provisionsvereinbarungen mit Versicherern<br />

hingewiesen worden. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband. Verivox ist gegen das Urteil in Berufung gegangen.<br />

MAKLER LASSEN VERTRIEBSPOTENZIAL UNGENUTZT<br />

Versicherungsvermittler sind laut Vertriebsstudie am erfolgreichsten.<br />

Mehr als die Hälfte der Deutschen kann sich einen Versicherungsabschluss über einen Makler<br />

vorstellen. Allerdings haben das laut Vertriebswege-Monitor des Beratungshauses Sirius<br />

Campus bislang nur 21 Prozent tatsächlich getan. Die gute Nachricht: Vor allem jüngere Kunden<br />

wählen zunehmend unabhängige Makler. Ältere greifen tendenziell auf Vergleichsportale<br />

wie Check24 zurück. Zudem tendieren Kunden mit höherem Einkommen eher zum Makler als<br />

niedrigere Einkommensgruppen. Mit 82 Prozent sagt es den meisten der 9.752 Befragten zu,<br />

einen Versicherungsvertreter zum Abschluss in seinem Büro aufzusuchen.<br />

Foto: iStock / Skynesher<br />

56<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Berater BUSCHFUNK<br />

Netfonds: PKV-Kooperation mit Covago<br />

Versicherungsvermittler der Netfonds Gruppe erhalten ab<br />

sofort einen exklusiven Service zur effektiveren Umsetzung<br />

des PKV-Geschäfts. Das Servicepaket basiert auf einer<br />

Kooperation mit der Covago Vertriebsservice GmbH. „Mit<br />

über 20 Jahren Vertriebs- und KV-Expertise verfügt Covago<br />

über wertvolles Know-how beim Ausbau des KV-Geschäfts<br />

für Netfonds-Partner“, so Oliver Kieper (Foto), Vorstand der<br />

Netfonds AG.<br />

MehrWerte durch<br />

mehr Zeit<br />

MARKUS WEIS<br />

Deputy Head of Germany & Austria, Vanguard<br />

Votum: Vorsitz bei Fecif<br />

Der geschäftsführende Vorstand des Votum Verbands,<br />

Martin Klein (Foto), wurde zum neuen Vorsitzenden des europäischen<br />

Dachverbands Fecif gewählt. Er folgt auf David<br />

Charlet, Präsident des französischen Verbands Anacovi.<br />

Das Amt wird für drei Jahre vergeben.<br />

[pma:]: Kooperation mit Flexperto<br />

Die [pma:] Finanz- und Versicherungsmakler GmbH kooeriert<br />

langfristig mit der Flexperto GmbH. Mit dem neuen<br />

Kooperationsangebot können Makler per Audio- oder Videochat<br />

mit Kunden kommunizieren oder per Screen-Sharing<br />

gemeinsam Dokumente betrachten und bearbeiten. Auch<br />

Verträge können online unterschrieben werden.<br />

xbAV: Neue Leitung Rechtsabteilung<br />

Nicole Battistini-Kohler (Foto) steigt bei xbAV zum General<br />

Counsel auf. Damit verantwortet sie ab sofort alle Rechtund<br />

Compliance-Themen im Unternehmen. Battistini-Kohler<br />

kam im Juni 2018 als Head of Legal zu xbAV. Zuletzt hat sie<br />

das Datenschutzteam des US-Konzerns DaVita in Deutschland<br />

geleitet.<br />

blau direkt: Asset-Deal mit Knip<br />

Nachdem der Digitalmakler Knip und der „Digitalisierungspool“<br />

blau direkt bereits seit geraumer Zeit eng zusammengearbeitet<br />

haben, erwirbt blau direkt nun den Bestand des<br />

Digitalmaklers. Damit soll auch die aktive Kundenbetreuung<br />

durch die blau-direkt-Robo-Technologien erfolgen. Der<br />

Kundenservice soll zunächst weiter unter der Marke Knip<br />

erfolgen.<br />

Wifo: Anschluss an Maxpool-Initiative<br />

Zur Unterstützung in der Corona-Zeit bietet Maxpool-Chef<br />

Oliver Drewes seinen Partnern ein Stundungsprogramm der<br />

Rückzahlpflichten an. Er forderte andere Pools auf, seinem<br />

Beispiel zu folgen. Nachdem sich blau direkt der Inititaive<br />

als erster Pool angeschlossen hatte, folgt Wifo als Dritter im<br />

Bunde. Geschäftsführer Sven Burkhart (Foto) betonte, auch<br />

er lasse seine Partner nicht im Regen stehen.<br />

Foto: iStock / Andrey Popov<br />

Traditionell streben viele Anlageberater an, eine<br />

Outperformance für ihre Kunden zu erzielen. Dafür<br />

versuchen sie, besonders vielversprechende Märkte<br />

und Produkte zu identifizieren. Früher oder später<br />

führt eine solche Herangehensweise aber fast<br />

immer zu Enttäuschungen. Denn es ist so gut wie<br />

unmöglich, die Märkte nach Gebühren und Steuern<br />

langfristig zu schlagen. Für einen nachhaltigen<br />

Mehrwert sollten Berater daher Faktoren in den Blick<br />

nehmen, die sie tatsächlich beeinflussen können. So<br />

zeigt eine Studie von Vanguard, dass eine professionelle<br />

Anlageberatung mit klarem Fokus auf den<br />

Kunden langfristig ein durchschnittliches jährliches<br />

Renditeplus von rund drei Prozentpunkten gegenüber<br />

den Ergebnissen traditioneller Finanzberatung<br />

ermöglicht. Dafür gilt es, sich auf grundlegende<br />

Prinzipien der Vermögensanlage zu konzentrieren.<br />

Entscheidend ist zunächst, realistische Ziele zu<br />

formulieren und eine geeignete Asset Allocation<br />

festzulegen. Angesichts unterschiedlicher Ausgangslagen<br />

und Zielsetzungen einzelner Anleger<br />

lässt sich der Mehrwert hier allerdings nur schwer<br />

quantifizieren. Anders sieht es bei der kosteneffizienten<br />

Implementierung aus: Je nach Asset-Mix<br />

verspricht die Auswahl von Fonds mit geringen<br />

Kosten ein Renditeplus zwischen 55 und 59<br />

Basispunkten. Einen weiteren Beitrag von bis zu 51<br />

Basispunkten liefert ein regelmäßiges Re-Balancing.<br />

Auch Steueroptimierung und Ruhestandsplanung<br />

können positive Effekte haben. Der wichtigste<br />

Faktor ist das Verhaltenscoaching: Anleger dabei zu<br />

unterstützen, Disziplin zu wahren und ihre langfristigen<br />

Anlageziele nicht aus den Augen zu verlieren,<br />

kann der Studie zufolge 1,5 Prozentpunkte Mehrwert<br />

einbringen. Aus Emotionen resultierende Fehler zu<br />

vermeiden, zählt demnach zu den wesentlichen<br />

Aufgaben des Beraters. Die dafür entscheidende<br />

Voraussetzung ist, sich Zeit für die Kommunikation<br />

mit seinen Kunden zu nehmen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

57


BERATER So ist’s Recht!<br />

SO IST’S<br />

RECHT!<br />

Relevante Urteile,<br />

die Makler kennen sollten<br />

– TEXT: MARTIN THALER –<br />

Benzinklausel<br />

SCHADEN BEIM ENTLADEN<br />

Wer beim Be- oder Entladen eines Fahrzeugs Schäden verursacht, kann nicht seine private Haftpflichtversicherung<br />

in Anspruch nehmen. Stattdessen greift die Kfz-Haftpflichtversicherung. Dies<br />

entschied das Wuppertaler Landgericht. Geklagt hatte eine Frau, die für einen Umzug einen Transporter<br />

mit einer Hebebühne angemietet hatte. Auf dieser stehend, beschädigte sie beim Entladen<br />

ein Reklameschild. Den Schaden in Höhe von rund 1.300 Euro sollte die private Haftpflichtversicherung<br />

der Frau bezahlen, die sich mit Verweis auf die sogenannte Benzinklausel weigerte. Zu Recht.<br />

Der Schaden falle unter das Kraftfahrzeugrisiko, wenn das Kraftfahrzeug im Zusammenhang mit<br />

seiner Funktion als Transportmittel be- und entladen werde, so die Richter. Ein solcher Zusammenhang<br />

bestehe, wenn das Entladen mit einer speziellen Entladevorrichtung erfolge.<br />

LG Wuppertal 9 S 125/19<br />

Haftung<br />

IDENTIFIKATION OHNE NUMMERNSCHILD<br />

Unterhalt<br />

PKV ODER GKV?<br />

Wenn es nach einem Autounfall zu einer Fahrerflucht<br />

kommt, muss der Geschädigte zur<br />

Identifizierung des Unfallgegners nicht zwingend<br />

dessen Nummernschild erkannt haben,<br />

damit dieser haftbar gemacht werden kann<br />

– dies entschied das OLG Frankfurt. Stattdessen<br />

reicht die Nennung von Anhaltspunkten.<br />

Geklagt hatte ein Autofahrer, der aufgrund<br />

eines abrupten Fahrspurwechsels eines<br />

Lkws auf der Autobahn die Kontrolle über sein<br />

Fahrzeug verlor. Durch ein Video konnte aber<br />

die Spedition ermittelt werden. Da diese nicht<br />

zur Aufklärung des Unfalls beitrug, wurde sie<br />

haftbar für den Unfall gemacht.<br />

OLG Frankfurt 13 U 226/15<br />

»Schäden, die beim<br />

Be- und Entladen eines<br />

Fahrzeugs verursacht<br />

werden, sind Sache<br />

der Kfz-Police, nicht<br />

der privaten Haftpflichtversicherung.«<br />

LG WUPPERTAL<br />

Nach einer Trennung muss ein Elternteil im<br />

Rahmen der Unterhaltszahlungen nicht den<br />

PKV-Beitrag für sein Kind zahlen, wenn es über<br />

die GKV mitversichert werden kann. Zumindest<br />

wenn der PKV-Tarif keine besseren Leistungen<br />

beinhaltet. Gestritten hatten zwei Eheleute, die<br />

beide in der PKV gewesen waren. Der Vater<br />

war aber in die GKV gewechselt, in der seine<br />

Tochter mitversichert war. Dennoch bestanden<br />

Mutter und Tochter auf Übernahme der<br />

PKV-Beiträge in Höhe von circa 120 Euro/Monat.<br />

Der Vater klagte und bekam vom OLG Frankfurt<br />

recht. Dass die Tochter lange als Privatpatientin<br />

behandelt wurde, spiele keine Rolle.<br />

OLG Frankfurt 6 UF 237/19<br />

Verkehrssicherungspflicht<br />

GEFÄHRLICHES HINDERNIS<br />

Fahrradfahrer müssen grundsätzlich nicht mit nicht klar erkennbaren<br />

Hindernissen rechnen. Kommt es zu einem Unfall, trifft sie an<br />

diesem keine Mitschuld – dies stellte der BGH klar. Geklagt hatte ein<br />

Mountainbiker, der mit seinem Rad auf einem Feldweg unterwegs<br />

war. Über diesen hatte ein früherer Jagdpächter mit Genehmigung<br />

der Gemeinde einen Stacheldraht gespannt, den der Radler zu spät<br />

erkannte, sodass er sein Rad nicht rechtzeitig abbremsen konnte.<br />

Beim Sturz brach er sich den Halswirbel und ist seitdem querschnittsgelähmt.<br />

Der BGH verurteilte die für den Feldweg verantwortliche<br />

Gemeinde sowie die Jagdpächter, da diese ihre Verkehrssicherungspflicht<br />

vernachlässigt hatten. Den Einwand, der Radler sei zu<br />

schnell gewesen, ließ das Gericht nicht gelten.<br />

BGH III ZR 250/17 und III ZR 251/17<br />

Arbeitsunfall<br />

UNFALLSCHUTZ BEIM TANKEN?<br />

Generell fällt der Weg zum Arbeitsplatz unter den Schutz der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung. Dieser Schutz besteht allerdings nicht, wenn sich ein<br />

Unfall beim Tanken ereignet – selbst wenn die Tankstelle auf direktem Weg<br />

zum Arbeitsplatz liegt. Dies entschied das Bundessozialgericht. Geklagt hatte<br />

eine Frau, die auf dem Weg zur Arbeitsstätte tanken musste, da sie ihren<br />

Arbeitsplatz sonst nicht erreicht hätte. An der Tankstelle rutschte sie aus,<br />

brach sich das Sprunggelenk und verlangte Leistungen von ihrer Betriebsgenossenschaft.<br />

Zu Unrecht, wie die Richter befanden: Tanken stelle eine<br />

privatwirtschaftliche Verrichtung dar, die nicht „im Vorübergehen“ erledigt<br />

werden könne. Vielmehr stellten Anhalten, Aussteigen, Tanken und Bezahlen<br />

eine neue Handlungssequenz dar, die sich vom Zurücklegen des Arbeitswegs<br />

unterscheide. Folglich bestehe kein gesetzlicher Unfallschutz.<br />

BSG B 2 U 9/18 R<br />

58 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Passt gut zu<br />

Homework!<br />

<strong>procontra</strong> auf facebook<br />

Die Welt von <strong>procontra</strong> leben und lieben<br />

lernen: teilen Sie aktuelle Informationen,<br />

Gerüchte, Witziges und Provokantes auf<br />

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BERATER Verkaufspsychologie<br />

»Vermittler müssen über<br />

emotionale Brücken«<br />

Rolf H. Bay ist Experte für aktives Zuhören. Er verrät, warum das zielführender ist als laute<br />

Verkaufsrhetorik, und gibt Tipps zum Erstkontakt und zur Überwindung des eigenen Fach-Egos.<br />

– TEXT: ANNE HÜNNINGHAUS –<br />

<strong>procontra</strong>: Herr Bay, der Grundgedanke<br />

des aktiven Zuhörens ist, dass der Zuhörer<br />

immer die Interpretationshoheit über das<br />

Gesagte hat. Was bedeutet das für die<br />

Beraterpraxis?<br />

Rolf H. Bay: Wir müssen uns klarmachen,<br />

dass Hören etwas hoch Individuelles ist –<br />

was bei uns ankommt, hängt immer von<br />

unserer eigenen Verfassung und unseren<br />

Erfahrungen ab. Nur weil wir lauschen,<br />

heißt das noch lange nicht, dass wir den<br />

anderen verstehen. Eine wichtige Technik<br />

im aktiven Zuhören ist daher das<br />

Paraphrasieren: Nehmen Sie auf, was<br />

der andere sagt, lesen Sie zwischen den<br />

Zeilen, so gut es Ihnen möglich ist, und<br />

wiederholen Sie in eigenen Worten, was Sie<br />

aus dem Gesagten folgern. Dem Kunden<br />

signalisieren Sie Wertschätzung, indem Sie<br />

rückkoppeln, ob Sie sein Anliegen richtig<br />

erfasst haben.<br />

<strong>procontra</strong>: Haben Sie generell den Eindruck,<br />

dass in der Beratung zu viel getrommelt<br />

wird und zu wenig hingehört?<br />

Bay: Insgesamt ja. Vermittler sprechen<br />

gerne davon, dass sie eine „ganzheitliche<br />

Beratung“ anbieten. Damit meinen sie,<br />

dass sie fachlich alle Bedarfe des Kunden<br />

berücksichtigen, also sein gesamtes Wertschöpfungspotenzial<br />

erfassen. Psychologisch<br />

verstehen wir unter ganzheitlicher<br />

Beratung aber etwas anderes, das auf dem<br />

Weg zur Wertschöpfung entscheidend ist:<br />

nämlich, den Kunden rational und emotional<br />

für sich aufzuschließen.<br />

<strong>procontra</strong>: Und wie funktioniert das?<br />

Bay: Wir alle verfügen, vereinfacht gesagt,<br />

über ein emotionales und ein rationales<br />

Gehirn. Ersteres bewegt sich unterhalb der<br />

ROLF H. BAY ist Wirtschafts- und Sozialpsychologe und lehrt Berater und Führungskräfte die<br />

Fähigkeit des aktiven Zuhörens. Sein Ratgeber „Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören“ ist<br />

inzwischen in neunter Auflage erschienen.<br />

Bewusstseinsschwelle, es ist unser emotionales<br />

Erfahrungsgedächtnis. Darin ist<br />

alles bisher Erlebte abgespeichert – auch<br />

bezogen auf Beratung. Hat der Kunde<br />

bislang gute Erfahrungen mit Beratungsgesprächen<br />

gesammelt, wird er automatisch<br />

offener dafür sein. Hat er diese bisher als<br />

unangenehm erlebt, wird er eher abblocken.<br />

Neben diesem Emotionsgedächtnis<br />

haben wir unser willentlich reagierendes<br />

60 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Verkaufspsychologie BERATER<br />

rationales Gehirn. Um zu einem Kunden<br />

durchzudringen, sollte der Berater ihn auf<br />

beiden Ebenen erreichen. Das passiert in<br />

den meisten Gesprächen leider nicht.<br />

<strong>procontra</strong>: … weil Berater sich zu sehr auf<br />

rein rationale Argumente fokussieren?<br />

Bay: Genau, die meisten konzentrieren<br />

sich schon beim Gesprächseinstieg nur auf<br />

den Kopf. Eine häufige Frage ist: „Was<br />

erwarten Sie von der heutigen Beratung?“<br />

Das setzt den Kunden unter Druck, eine<br />

möglichst klare und schlaue Antwort zu<br />

geben. Besser wäre es, mit einer emotional<br />

weiterführenden Frage zu eröffnen, zum<br />

Beispiel: „Wie müsste unser Gespräch laufen,<br />

damit Sie am Ende sagen, Sie haben<br />

sich gut aufgehoben und beraten gefühlt?“<br />

Damit sprechen wir das emotionale Gehirn<br />

an, und da dieses unwillkürlich antwortet,<br />

bekommen wir validere und oft auch<br />

ausführlichere Antworten. Das ist der erste<br />

Ansatzpunkt für den Berater, ins aktive<br />

Zuhören zu starten. Besonders mutige<br />

Berater können auch fragen: „Was sollte in<br />

unserem heutigen Gespräch aus Ihrer Sicht<br />

keinesfalls passieren?“ Sie werden erst einmal<br />

verwunderte Blicke ernten, dann aber<br />

meist aufschlussreiche Details bekommen.<br />

So tasten Sie die Ränder der Kooperationsbereitschaft<br />

ab.<br />

<strong>procontra</strong>: Das Erfahrungsgedächtnis einiger<br />

Kunden wird in Bezug auf Beratung<br />

eher negativ sein. Viele Menschen sorgen<br />

sich, dass ihnen etwas aufgedrängt werden<br />

soll, das sie eigentlich nicht brauchen. Wie<br />

komme ich als Berater gegen ein automatisches<br />

Abwiegeln an?<br />

Bay: Fragen Sie den Kunden, warum er<br />

ablehnend reagiert. Sagt er dann: „Ich<br />

habe da so meine Erfahrungen gemacht<br />

mit Beratung …“, sollten Sie nachhaken:<br />

„Was meinen Sie mit ‚Erfahrungen gemacht‘?“<br />

Im aktiven Zuhören greifen wir<br />

auf, was der andere gesagt hat. Der Kunde<br />

bekommt dadurch mehr Redezeit, was sein<br />

Selbstwertempfinden steigert. Gehen Sie<br />

gleich am Anfang des Gesprächs darauf<br />

ein, statt erst einmal 15 Minuten Ihr Portfolio<br />

vorzustellen – bis dahin ist der Kunde<br />

sonst nämlich im Tiefschlaf.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie läuft stattdessen die erste<br />

Begegnung mit dem Kunden idealerweise<br />

ab?<br />

Bay: Bei der ersten Begegnung gibt es vier<br />

Prüfungen, die wir bestehen müssen und<br />

die nacheinander erfolgen. Zuerst die Sympathieprüfung,<br />

bei der es vor allem darum<br />

geht, Blickkontakt aufzubauen und ein<br />

freundliches Lächeln zu zeigen. Dann die<br />

Bedrohungsprüfung: Der Berater darf dem<br />

Gesprächspartner nicht zu nahe kommen<br />

oder ihn gar bedrängen. Schritt drei ist die<br />

Glaubwürdigkeitsprüfung: Die besteht er,<br />

wenn er emotional weiterführende Fragen<br />

stellt. Ist dann das Eis gebrochen, kommt<br />

erst die Kompetenzprüfung: Was hat der<br />

Berater fachlich zu bieten? Viele Berater<br />

machen allerdings den Fehler, mit dem<br />

vierten Schritt zu beginnen. Das steigert<br />

meist den Widerstand.<br />

<strong>procontra</strong>: Weil das Eis durch eine allzu<br />

formelle Vorstellung nicht gebrochen<br />

wird?<br />

»Im aktiven Zuhören<br />

greifen wir auf, was<br />

der Kunde gesagt hat.<br />

Dadurch bekommt er<br />

mehr Redezeit, was<br />

sein Selbstwertempfinden<br />

steigert.«<br />

Bay: Ja – die meisten Berater sind fachlich<br />

hochkompetent, trauen sich aber nicht,<br />

über die emotionale Brücke zu gehen.<br />

Damit verpassen sie es, ihre Kunden für<br />

sich zu öffnen. Diese Erfahrung habe ich<br />

in 20 Jahren Training mit Hunderten von<br />

Beratern gemacht. Jeder Berater sollte zudem<br />

einen inneren Zielsatz im Kopf haben,<br />

der die rationale und die emotionale Ebene<br />

anspricht: Zum Beispiel so: „Ich möchte<br />

Sie heute so beraten, dass wir eine gute<br />

Lösung finden und Sie sich bestens aufgehoben<br />

fühlen.“<br />

<strong>procontra</strong>: Zurzeit fühlen sich viele Makler<br />

aufgrund der Corona-Krise ausgebremst,<br />

weil sie auf telefonische oder Onlineberatung<br />

angewiesen sind. Was tun, wenn<br />

Händedruck, Blickkontakt und andere für<br />

die Sympathieprüfung wichtige Faktoren<br />

wegfallen?<br />

Bay: Dieser Einschnitt ist natürlich einerseits<br />

ungewohnt, andererseits aber nicht<br />

allzu dramatisch, solange Sie Ihre Profes-<br />

sionalität wahren. Am besten ist: Bereiten<br />

Sie sich genauso auf ein Telefon- oder Videogespräch<br />

vor, wie Sie es auch für einen<br />

persönlichen Termin täten. Kleiden Sie sich<br />

gut und sitzen Sie gerade, selbst wenn Sie<br />

„nur“ telefonieren! Lümmeln Sie nämlich<br />

stattdessen im Jogginganzug herum,<br />

werden Sie automatisch eine völlig andere<br />

Haltung einnehmen, die das Gespräch<br />

beeinflusst. Auch wenn Sie abgelenkt sind<br />

und neben dem Telefonat auf Ihr Handy<br />

schielen, wird es schnell offensichtlich sein,<br />

dass Sie nicht ganz beim Kunden sind. Generell<br />

rate ich eher zur Videotelefonie, da<br />

Sie hier einen visuellen Eindruck vermitteln<br />

können.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie verteilen sich die Redezeiten<br />

in einem guten Beratungsgespräch,<br />

gibt es dafür eine Faustregel?<br />

Bay: In der Bedarfsermittlungsphase ist es<br />

gut, wenn der Kunde 40 bis 50 Prozent<br />

des Redeanteils bestreitet. In der Beratungsphase<br />

sollte er trotzdem noch bei 30<br />

Prozent stehen. Viele Berater haben ein<br />

extremes Fach-Ego und erzählen zu viel.<br />

Natürlich kommt es auch auf das Produkt<br />

an: Geht es um eine Lebensversicherung<br />

oder Vermögensberatung, ist sehr viel<br />

mehr Austausch notwendig, vermutlich liegen<br />

die Redeanteile längere Zeit bei 50/50.<br />

Je standardisierter das Produkt, desto größer<br />

ist die Gefahr einer Standardberatung,<br />

auch hier sollten Sie genau zuhören und<br />

individuell auf den Kunden eingehen.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie gehe ich am besten damit<br />

um, wenn mein Gegenüber mir enge Grenzen<br />

in der Beratung setzt, zum Beispiel nur<br />

zu einer Sachversicherung beraten werden<br />

möchte, ohne mir weitere Einblicke in<br />

seine Aufstellung zu gewähren?<br />

Bay: Beginnen Sie am besten mit Anerkennung:<br />

„Ich sehe, Sie haben präzise Vorstellungen<br />

davon, was Sie von mir möchten im<br />

heutigen Gespräch.“ Im späteren Verlauf<br />

können Sie fragen: „Woher haben Sie die<br />

Überzeugung, dass es für Sie momentan<br />

nur auf dieses Produkt ankommt?“, um<br />

die rationalen Gründe herauszufinden.<br />

Schließlich machen Sie einen unaufdringlichen<br />

Vorschlag: „Mal angenommen, Sie<br />

sind am Ende des Gesprächs mit dem, was<br />

Sie von mir bekommen, sehr zufrieden.<br />

Dann würde ich Ihnen das Serviceangebot<br />

machen, mir anzuschauen, ob Sie mit<br />

Ihrem bestehenden Versicherungsschutz<br />

bestmöglich aufgestellt sind.“ So fühlt der<br />

Kunde sich ernst genommen. <br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

61


VERSICHERUNGEN Kinderschutz<br />

FÜR DIE KLEINEN NUR DAS BESTE<br />

Eltern begleiten ihre Kinder intensiv von der Geburt bis weit ins Studium oder den Beruf<br />

hinein. Diese Fürsorge will den Nachwuchs optimal geschützt wissen.<br />

Eine gute Chance für Vermittler, eine hohe Kundentreue zu erreichen<br />

– TEXT: UWE SCHMIDT-KASPAREK –<br />

62 Illustration: Eleonora Mavromati


Kinderschutz VERSICHERUNGEN<br />

Das Potenzial ist groß. Seit einigen Jahren<br />

werden in Deutschland wieder mehr Kinder<br />

geboren. 2019 waren es 778.129 und damit<br />

über 40.000 mehr als noch 2015. Gegenüber<br />

2018 schwächelte die Geburtenrate<br />

mit etwas über 9.000 Babys leicht. Der<br />

Langzeittrend bleibt jedoch intakt. Mit ihm<br />

die steigende Fürsorge der Eltern. Die werden<br />

bei ausgeprägter Fürsorglichkeit auch<br />

abschätzig als „Helikopter-Eltern“ bezeichnet.<br />

Im Grunde zeigen sie aber bloß ein<br />

hohes Sicherheitsbedürfnis, das Vermittler<br />

mit einer gezielten Ansprache und Beratung<br />

befriedigen können.<br />

Auch wenn Eltern ihre Kinder am liebsten<br />

keine Sekunde aus den Augen lassen<br />

würden, sie müssen dies doch. Und dann<br />

sind die Kids vielen Gefahren ausgesetzt,<br />

wie Unfällen im Straßenverkehr, beim Spielen<br />

oder im Haushalt. Gesetzlichen Kinderschutz<br />

gibt es nur in der Schule und auf<br />

dem Weg dorthin oder nach Hause.<br />

HOHE ERWARTUNGEN<br />

In einem solchen Klima ist der beste Schutz<br />

vielfach willkommen. „Die Eltern kommen<br />

in der Regel mit hohen Erwartungen in die<br />

Beratung und wollen einen umfassenden<br />

Schutz für ihr Kind“, hat Patrick Knittel,<br />

Vorsorgeberater und Versicherungsfachmann<br />

aus Peine, beobachtet. Er berät für<br />

den Versicherungsmakler transparentberaten.de<br />

Familien zur Risikovorsorge.<br />

Vermittler können meist den Wünschen<br />

und Bedürfnissen der Eltern entsprechen:<br />

Denn Kinderversicherungen gibt es in jeder<br />

Variante. Die Information über Vor- und<br />

Nachteile des Schutzes muss aber vollständig<br />

sein, denn funktioniert etwas nicht, ist<br />

die Community der Eltern besonders nachtragend.<br />

Knittel: „Die Beratung für Kinderschutz<br />

ist sehr aufwendig. In der Regel telefonieren<br />

wir ausgiebig vier- oder fünfmal<br />

und tauschen Mails aus.“ Erst dann seien<br />

die Eltern in der Lage, selbst zu entscheiden.<br />

VORAB: VOLLER ELTERNSCHUTZ<br />

Anfänglich hätten die Eltern in der Regel<br />

nur etwas über Invaliditätsschutz gelesen<br />

und wollten eine Renten- oder Kapitalleistung,<br />

falls ihr Kind krank wird. Denn sie<br />

möchten ihrem Nachwuchs im Ernstfall<br />

finanziell möglichst flexibel helfen können.<br />

Bessere Versorgung, die Bezahlung von<br />

Pflegekräften oder die Überlegung, dass ein<br />

Elternteil künftig zu Hause bleibt, um sich<br />

Damit sind sie sich mit den Verbraucherschützern<br />

der Stiftung Warentest einig. „Ein<br />

schwerbehindertes Kind kann eine Familie<br />

auch finanziell enorm belasten“, führen die<br />

Verbraucherschützer aus. Daher empfehlen<br />

sie aktuell bei Kinder-Invaliditäts-Zusatzversicherungen<br />

– kurz KIZ – sieben Tarife<br />

(siehe Tabelle). KIZ-Policen leisten bei Invalidität.<br />

Dabei spielt die Ursache – Unfall<br />

oder Krankheit – keine Rolle.<br />

Doch es gibt eine hohe Auslöseschwelle.<br />

Das Kind muss durch Unfall oder Krankheit<br />

einen Behinderungsgrad von mindestens<br />

50 Prozent erreichen. Das wissen die<br />

Eltern, so die einhellige Aussage der Praktiker,<br />

meist nicht. Denn wer im Internet<br />

nachliest, findet erst im Kleingedruckten,<br />

dass die Kinder nicht gegen jede Krankheit<br />

oder jeden Unfall durch die KIZ-Policen<br />

geschützt sind. Das Maklerduo Bierl verweist<br />

zudem darauf, dass die Annahmequote<br />

bei der Barmenia „recht hart“ sei. Es<br />

gibt also eine umfassende Risikoprüfung.<br />

Daher hält Helberg es für gefährlich, dem<br />

Rat der Stiftung Warentest zu folgen und<br />

eigenständig bei den Versicherern Angebote<br />

einzuholen, selbst wenn das Kind Vorerkrankungen<br />

hat. „Wir halten es für besser,<br />

wenn erst einmal über einen Makler anonym<br />

angefragt wird“, erläutert Helberg. So<br />

wäre ein Kind, das nach Größe und Alter<br />

ein klein wenig untergewichtig gewesen sei,<br />

erst einmal abgelehnt worden. „Wir haben<br />

dann eine Zeitlang später eine neue Anfrage<br />

gestellt und darauf verwiesen, dass die<br />

gesamte Familie, genetisch bedingt, leicht<br />

untergewichtig ist.“ Prompt sei das Kind<br />

ohne Erschwernis angenommen worden.<br />

Die Barmenia kommt hier Vermittlern<br />

entgegen, denn es ist per Internet eine<br />

fallabschließende Risikoprüfung möglich.<br />

„Wenn der Kunde nicht möchte, dass das<br />

über seinen Namen oder den seines Kindes<br />

erfolgt, kann die Prüfung problemlos vorab<br />

anonym durchgeführt werden“, erläutert<br />

Barmenia-Vorstand Frank Lamsfuß.<br />

Möglich ist ein Abschluss bei der Barmenia<br />

schon ab der sechsten Lebenswoche. Allein<br />

die Versicherungskammer Bayern greift<br />

mit ihrem KIZ-Angebot noch etwas früher,<br />

denn die vorher notwendige U3-Vorsorgeuntersuchung<br />

sollte bis zur fünften Lebenswoche<br />

durchgeführt werden. Alle anderen<br />

KIZ-Angebote starten erst ab dem zweiten<br />

Lebensjahr. Lamsfuß: „Wir merken, dass<br />

unser Angebot von vielen Eltern angenommen<br />

wird. Gut ein Drittel der Abschlüsum<br />

das kranke Kind zu kümmern, sind die<br />

wesentlichen Beweggründe der Eltern. Zulauf<br />

hat beispielsweise der Versicherungsmakler<br />

Matthias Helberg aus Osnabrück,<br />

der sich als Spezialist für Berufsunfähigkeitsversicherungen<br />

einen Namen gemacht<br />

»Gut ein Drittel der<br />

Abschlüsse der Kiss<br />

werden im ersten<br />

Lebensjahr des<br />

Kindes getätigt.«<br />

FRANK LAMSFUSS, BARMENIA VERSICHERUNG<br />

hat. „Es melden sich aber auch immer<br />

wieder Eltern, die wir nicht versichert haben“,<br />

so Helberg. Und dann müsse er bei<br />

null anfangen. Denn natürlich müssten erst<br />

die Eltern abgesichert werden. „Werden sie<br />

berufsunfähig und müssen allein von einer<br />

gesetzlichen Erwerbsminderungsrente leben,<br />

können sie sogar ihre gesunden Kinder<br />

kaum noch versorgen“, erläutert Helberg.<br />

Erst dann kümmert sich der Experte um<br />

den Kinderschutz.<br />

ERSTE WAHL: KINDER-INVALIDITÄTS-<br />

ZUSATZVERSICHERUNG<br />

„Für ein Kleinkind ab der sechsten Woche<br />

halten wir derzeit die Kinderinvaliditätsversicherung<br />

– kurz Kiss – der Barmenia für<br />

die sauberste Lösung“, beziehen die Versicherungsmakler<br />

Stefan und Tobias Bierl aus<br />

Kirchenrohrbach bei Regensburg Stellung.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

63


VERSICHERUNGEN Kinderschutz<br />

TOP-KINDERSCHUTZ<br />

Diese sieben Tarife für die Kinderinvaliditäts-Zusatz-Versicherung (KIZ) sind laut Urteil der Stiftung Warentest „empfehlenswert“.<br />

Anbieter Tarif Schulnote – Stiftung Warentest * Beitrag pro Jahr Rente Kapitalzahlung<br />

Gesamt Anträge Bedingungen in Euro<br />

Barmenia Kiss 1,5 1,2 1,6 275 1.000 24.000<br />

CosmosDirekt Kinderschutz-Plan 1,7 1,7 1,7 217 ** 1.000 keine<br />

Ergo Kinder-Invaliditäts-Zusatzversicherung 1,8 0,9 2,2 421 1.000 keine<br />

WGV Basis + KIZ / Optimal + KIZ 1,8 0,9 2,2 379 1.000 keine<br />

DEVK Junior Plus 2,4 2,2 2,5 107 keine 100.000<br />

VKB Invaliditäts-Zusatz versorgung Kinder 2,5 3,5 2 254 1.000 keine<br />

Allianz UnfallSchutz + Kinder-InvaliditätsSchutz 2,6 3,3 2,3 205 keine 100.000<br />

*<br />

In die Gesamtnote ging die Bewertung der Bedingungen zu 70 Prozent und die der Anträge zu 30 Prozent ein.<br />

**<br />

Jahresbeitrag kann auf bis zu 411 Euro steigen, falls das Unternehmen nicht genügend Überschüsse erwirtschaften kann. Quelle: Stiftung Warentest, März <strong>2020</strong><br />

se der Kiss werden im ersten Lebensjahr<br />

des Kindes getätigt.“<br />

»Die Eltern haben<br />

hohe Erwartungen<br />

an die Beratung und<br />

wollen umfassenden<br />

Schutz für ihr Kind.«<br />

PATRICK KNITTEL, VORSORGEBERATER<br />

TOP-UNFALLSCHUTZ PLUS PRIVATPATIENT IM<br />

KRANKENHAUS<br />

Doch die schwere Behinderung ihres Kindes<br />

stellt ein höchst sensibles Thema dar, über<br />

das manche Eltern gar nicht nachdenken<br />

wollen. Zudem ist die Prämie für den KIZ-<br />

Schutz oft ein K.-o.-Kriterium. Diese Erfahrung<br />

hat zumindest Thorsten Bohn, Versicherungsmakler<br />

aus dem schwäbischen<br />

Filderstadt, gemacht. „Daher umfasst<br />

unsere per E-Mail versandte Erstempfehlung<br />

an Eltern eine private Unfallversicherung<br />

und den stationären Zusatzschutz,<br />

falls die Kinder nicht privat krankenversichert<br />

sind.“ Für den „besten“ Kinderunfallschutz<br />

empfiehlt Bohn die InterRisk.<br />

Deren „starke“ Police enthalte auch kosmetischen<br />

Operationsschutz – was für die<br />

Zukunft der Kinder besonders wichtig<br />

sei. Guter Kinderunfallschutz zeichne sich<br />

zudem durch eine „Updategarantie“ aus,<br />

damit Leistungsverbesserungen auch für<br />

bestehende Verträge gelten. „Die Gesundheitsfragen<br />

sollten knapp bemessen sein<br />

und eine verbesserte Gliedertaxe über eine<br />

hohe Progression von mindestens 350 Prozent<br />

umfassenden Schutz bieten“, so Bohn.<br />

„Die Risiken schwere Krankheit und Pflege<br />

sowie die Vorsorge per Sparplan sprechen<br />

wir erst im persönlichen Gespräch mit den<br />

Eltern an.“ Dabei spiele das Kindergeld von<br />

200 Euro pro Monat eine wichtige Rolle.<br />

„Wir fragen einfach nach, ob das Geld für<br />

den Haushalt notwendig ist oder etwas für<br />

das Wohl des Kindes abgezweigt werden<br />

kann“, erläutert Bohn. In sehr vielen Fällen<br />

bleibe es dann aber in Sachen Risikoschutz<br />

bei Einbettzimmer und Chefarztbehandlung<br />

im Krankenhaus sowie bei der privaten<br />

Unfallversicherung.<br />

SCHÜLER-BU?!<br />

Empfänglicher sind aber später viele Eltern,<br />

wenn es um die Absicherung älterer Kinder<br />

geht. Und für die Skeptiker hat der Versicherungsmakler<br />

Gerd Kemnitz aus Stollberg<br />

im Erzgebirge einen pragmatischen<br />

Vergleich parat. „Mit dem Abschluss einer<br />

Motorradversicherung können Ihre Kinder<br />

warten, bis sie ein Motorrad besitzen.<br />

Warten Schüler mit der Berufsunfähigkeitsversicherung,<br />

bis sie einen Beruf erlernen,<br />

ist es häufig zu spät.“ Der frühe Abschluss<br />

habe den Vorteil, dass der zu zahlende Beitrag<br />

niedrig ist. Er liegt für Gymnasiasten<br />

bei rund 30 Euro im Monat und für Realschüler<br />

bei etwa 36 Euro, wenn 1.000<br />

Euro Monatsrente bis zum 65. Lebensjahr<br />

abgesichert werden. Wer später einen körperlich<br />

oder psychisch anstrengenden Beruf<br />

anstrebt, etwa Handwerker, Künstler oder<br />

Sportler werden will, muss nämlich mit einer<br />

Einstufung in eine teure, weil riskante<br />

Berufsgruppe rechnen. „Damit die Beiträge<br />

dauerhaft niedrig bleiben, muss jedoch ein<br />

Tarif gewählt werden, bei dem keine Nachmeldung<br />

bei Beginn einer Berufsausbildung<br />

oder Berufstätigkeit gefordert wird“,<br />

erklärt Kemnitz, der sich mit seinem Vergleichsrechner<br />

bu-portal24.de auf die Beratung<br />

zu Arbeitskraftschutz spezialisiert hat.<br />

Doch gute Ratschläge hätten es oft schwer.<br />

„Weil Vertreter und auch so manches Analysehaus<br />

suggerieren, eine Grundfähigkeitsversicherung<br />

sei eine ‚preiswerte Alternative‘<br />

zur Arbeitskraftabsicherung“, kritisiert<br />

Kemnitz. Die gutgläubigen Eltern könnten<br />

nicht wissen, dass dies nur unbefriedigende<br />

Notlösungen seien.<br />

PRO<br />

ZAHLT SICH DIE BERATUNG<br />

ZUM KINDERSCHUTZ AUS?<br />

Zufriedene Eltern<br />

sind ein Garant für<br />

eine langjährige Geschäftsverbindung<br />

Vorsorgliche und<br />

spendable Eltern<br />

findet man in jeder<br />

Schicht<br />

Der Nachwuchs ist<br />

der Kunde von morgen<br />

CONTRA<br />

Beratung zum<br />

Kinderschutz ist sehr<br />

aufwendig<br />

Die schwere Erkrankung<br />

des Kindes ist<br />

ein heikles Thema<br />

Bei Vorerkrankungen<br />

des Kindes<br />

wird ein Abschluss<br />

schwierig<br />

64 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


G L Ü C K S<br />

STRASSENKIND<br />

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Keine Verwaltungskosten<br />

durch ehrenamtliche Mitarbeiter<br />

Eine echte 1-zu-1-Hilfe<br />

Jeder Euro kommt in Afrika an<br />

Hohe Effektivität<br />

Unsere Institution ist klein und übersichtlich<br />

Vollständige Transparenz<br />

Offene Buchhaltung im Internet<br />

100-prozentige Gemeinnützigkeit<br />

Ausstellung von Spendenquittungen möglich<br />

Das FURAHA PHÖNIX Kinderhaus in Kenia<br />

wurde 2010 von uns als kleinem deutschen<br />

Förderverein gebaut und seitdem zu 100<br />

Prozent selbst verwaltet und betrieben. Als<br />

leidenschaftliche Afrika-Reisende rief Familie<br />

Drewes den Verein bereits 2004 ins Leben, um<br />

Waisenkinder in Afrika zu unterstützen und<br />

aktive Hilfe zu leisten.<br />

Unser oberstes Ziel ist es, eine effektive Hilfestellung<br />

vor Ort zu leisten. Besonders stolz sind<br />

wir dabei auf unsere transparente Buchhaltung,<br />

die den Verbleib der Spendengelder eins zu eins<br />

ausweist und dokumentiert, dass wir vollkom-<br />

men ohne Verwaltungskosten wirtschaften.<br />

FURAHA PHÖNIX Kinderhaus e. V.<br />

c/o HAMBURGER PHÖNIX AG<br />

Glockengießerwall 2 in 20095 Hamburg<br />

Telefon: 0 40 / 23 85 66-0 / Telefax -10<br />

Vorstand: Oliver Drewes, Kai Säland,<br />

Christian Hempen, Christine Drewes<br />

Internet: www.Phoenix-Kinderhaus.de<br />

FURAHA PHÖNIX<br />

Spendenkonto:<br />

0 36 36 06<br />

Deutsche Bank Hamburg<br />

BLZ: 200 700 24


BUSCHFUNK Sachwerte<br />

SACHWERTE<br />

JAGDFELD SCHEITERT MIT MILLIARDENKLAGE<br />

Gericht verneint Vorwurf der Rufmordkampagne.<br />

Foto: iStock / Chris Müller<br />

Der Immobilieninvestor Anno August Jagdfeld ist mit seiner Schadensersatzklage<br />

gegen die Signal Iduna gescheitert. Das Dortmunder Landgericht wies die Klage des<br />

Adlon-Investors ab. Jagdfeld hatte von Signal Iduna insgesamt eine Milliarde Euro<br />

gefordert, da er sich als Opfer einer „beispiellosen Rufmordkampagne“ betrachtete.<br />

Für die machte er den Versicherer verantwortlich, der sie nach Ansicht von Jagdfeld<br />

über den Sprecher einer Anlegerschutz-Gemeinschaft gesteuert haben soll. Diese<br />

habe wiederum zu Reputations- und Vermögensschäden für Jagdfeld und seine<br />

Familie geführt, für die er nun die Signal Iduna haftbar machen wollte. Zu Unrecht,<br />

befand das Gericht. Für eine Rufmordkampagne gab es aus Sicht des Gerichts keine<br />

Beweise. Jagdfeld kündigte jedoch bereits an, in Berufung zu gehen.<br />

MAKLERCOURTAGE WIRD GETEILT<br />

Nebenkosten sinken in fünf Bundesländern.<br />

Die Maklercourtage beim Kauf eines Hauses soll in Zukunft je zur<br />

Hälfte von Käufer und Verkäufer getragen werden – so sieht es ein<br />

Gesetzesentwurf vor, der nun vom Bundestag beschlossen wurde.<br />

Bislang wurde die fällige Courtage häufig auf den Käufer umgelegt,<br />

für den in Zukunft beim Immobilienerwerb deutlich niedrigere Nebenkosten<br />

anfallen dürften, vermutet der Baufinanzierungsvermittler<br />

Interhyp – zumindest in bestimmten Bundesländern (Berlin, Brandenburg,<br />

Bremen, Hamburg, Hessen).<br />

Foto: iStock / Mag_Mac<br />

CORONA BREMST AIF-EMISSIONEN<br />

Anbieter verschieben Vertriebsstart von Fonds.<br />

Insgesamt sechs geschlossene Publikums-AIFs wurden im ersten Quartal <strong>2020</strong> mit einem<br />

prospektierten Eigenkapitalvolumen von 204 Millionen Euro auf den Markt gebracht – drei<br />

mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings geht die Berliner Ratingagentur Scope von einer<br />

Stagnation des Angebots in diesem Jahr aus. Grund hierfür ist die Corona-Krise, die aus Sicht<br />

von Scope-Analystin Stephanie Lebert ihre Spuren hinterlassen werde. So dürften Anleger<br />

derzeit nicht mehr zu langfristigen Investments bereit sein, solange die gesamtwirtschaftliche<br />

Entwicklung mit vielen Fragezeichen behaftet bleibe. Es sei zudem zu erwarten, dass<br />

der Vertriebsstart von Fonds verschoben und die Konzeption neuer Produkte vorerst gestoppt<br />

werde. Die Dr. Peters Group verschob bereits einen geplanten Hotelfonds.<br />

66<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


Sachwerte BUSCHFUNK<br />

Engel & Völkers: Ausbau Leistungsspektrum<br />

Die Engel & Völkers Capital AG hat ihr Service- und<br />

Produktuniversum für den gewerblichen Immobilienmarkt<br />

erweitert. So erhalten Kapitalnehmer verschiedene Finanzierungslösungen<br />

wie Mezzanine, Whole Loans oder individuelle<br />

Finanzierungsstrukturierung. Für professionelle<br />

Investoren werden Lösungen wie strukturierte Anleihen,<br />

VAG-konforme Spezialfonds oder Joint-Venture-Strukturen<br />

angeboten.<br />

Foto: iStock / Buzbuzzer<br />

Weg aus der Krise<br />

DR. ANDREAS MATTNER<br />

Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA<br />

Patrizia: Verkauf Bürogebäude an LaSalle<br />

Die Patrizia AG hat das Bürogebäude Goethe85 in Berlin-<br />

Charlottenburg verkauft. Käufer ist LaSalle Investment<br />

Management. Goethe85 wurde 2004 fertiggestellt und<br />

umfasst 8.600 Quadratmeter Fläche auf insgesamt sieben<br />

Etagen. Das Gebäude ist vollständig an elf Mieter aus<br />

verschiedenen Branchen wie Versicherungen, Forschung,<br />

Justiz und Medien vermietet.<br />

Blackstone: Vermietung »Treptowers«<br />

Die Treptowers GmbH, eine Tochtergesellschaft von Blackstone<br />

Real Estate Partners IV, hat mit der Deutschen Rentenversicherung<br />

Bund einen langfristigen Mietvertrag über<br />

die rund 87.000 Quadratmeter der Berliner Büroimmobilie<br />

„Treptowers“, An den Treptowers 3, abgeschlossen.<br />

HTB: Neuer Zweitmarkt-Immobilienfonds<br />

Die HTB hat mit dem HTB 11 einen neuen Immobilien-Zweitmarktfonds<br />

gestartet. Damit sich neben professionellen<br />

Anlegern auch private beteiligen können, ist die Mindestanlagesumme<br />

des mit einem Gesamtvolumen von 15 Millionen<br />

Euro geplanten Fonds auf 5.000 Euro angesetzt.<br />

Innerhalb der geplanten Laufzeit von zehn Jahren ab<br />

Vollinvestition sollen Anleger einen Gesamtmittelrückfluss<br />

vor Steuern von rund 154 Prozent erhalten.<br />

RWB: Neuer Fonds für Privatanleger<br />

Ab sofort können sich Anleger an der RWB Direct Return<br />

III GmbH & Co. geschlossene Investment-KG beteiligen.<br />

Das Anlagekapital wird über eine Vielzahl institutioneller<br />

Private-Equity-Fonds auf über 100 Unternehmen gestreut.<br />

Eine Beteiligung ist ab 5.000 Euro möglich.<br />

Isaria: Vorstandsvorsitzender geht<br />

Peter Finkbeiner (Foto), Vorstandsvorsitzender der Isaria<br />

Wohnbau AG, hat das Unternehmen auf eigenen Wunsch<br />

zum 19. Mai <strong>2020</strong> verlassen. Er hatte die Unternehmensführung<br />

an der Seite von Vorstand Gerhard Wirth im März<br />

2019 übernommen. Finkbeiner bereitete Isaria auf eine<br />

Exitlösung im Rahmen eines Dual-Track-Verfahrens vor.<br />

Foto: iStock / aldorado10<br />

Foto: iStock / rclassenlayouts<br />

Foto: iStock / Bim<br />

Aufatmend haben viele Beobachter die schrittweisen<br />

Lockerungen des Shutdowns festgestellt.<br />

Die Öffnung vieler Bereiche stimmt zuversichtlich,<br />

dass sich das Leben wieder normalisiert. Doch so<br />

einfach ist es nicht. Denn schon der Einzelhandel<br />

hat einen enormen Schaden erlitten. Handelsunternehmen,<br />

Gastronomie und Hotels werden nur<br />

langsam, voraussichtlich erst im Jahr 2021 zu früheren<br />

Umsätzen zurückkehren und damit Mietlasten<br />

erst dann wieder sukzessive tragen können.<br />

Verbraucher werden noch lange zurückhaltend<br />

sein. Hinzu kommt, dass Vermieter in der Regel<br />

nicht an den Förderinstrumenten partizipieren,<br />

aber auch Zins- und Tilgungszahlungen erbringen<br />

müssen. Durch die geringere Liquidität droht letztlich<br />

eine Belastung auch für die Finanzwirtschaft.<br />

Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dieser<br />

Shutdown wäre nicht nötig gewesen. Die oberste<br />

Priorität musste im Gesundheitsschutz liegen. Ich<br />

gehöre aber zu denen, die sich frühzeitig Gedanken<br />

darüber machen, wie wir aus der Krise wieder<br />

herauskommen. Denn mittlerweile können die<br />

Unternehmen einen ausreichenden, verantwortungsvollen<br />

Gesundheitsschutz gewährleisten,<br />

sodass das Überleben der Wirtschaft und ihrer<br />

zahlreichen miteinander verwobenen Branchen in<br />

den Fokus rücken muss. Deshalb braucht es ein<br />

Mietenhilfsprogramm für Wirtschaftsimmobilien.<br />

Vermieter könnten so – auf Basis einer partnerschaftlichen<br />

Vereinbarung – bis zu 50 Prozent der<br />

monatlichen Miete erlassen. Ebenso solidarisch<br />

werden Vermieter in diesen Fällen von der öffentlichen<br />

Hand durch eine Übernahme von 50 Prozent<br />

dieser Mietreduktion in Form von Zuwendungen<br />

unterstützt. Der Mieter zahlt nur mindestens<br />

50 Prozent der Miete, der Vermieter verzichtet auf<br />

bis zu 25 Prozent der Miete und erhält durch die<br />

staatliche Unterstützung mindestens 75 Prozent<br />

der ursprünglichen Miete. Ein solches Programm<br />

würde den Weg aus der Krise ebnen.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

67


SACHWERTE Sachwertstrategien<br />

»Niedrige Zinsen auf<br />

unabsehbare Zeit«<br />

Mit viel Geld bekämpfen Politik und Notenbanken die Folgen des Corona-Lockdowns.<br />

Anleger sollten daher Aktien und Immobilien bevorzugen,<br />

rät Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der Feri Gruppe.<br />

– TEXT: STEFAN TERLIESNER –<br />

<strong>procontra</strong>: Mit neuen Schulden helfen<br />

Staaten von der Corona-Krise betroffenen<br />

Unternehmen und Gewerbetreibenden. Ist<br />

das alternativlos?<br />

Axel D. Angermann: In der tiefsten Rezession<br />

seit Jahrzehnten ist es sinnvoll und<br />

notwendig, dass die Fiskalpolitik versucht,<br />

die schlimmsten Folgen zu mildern,<br />

zumal der durch staatliche Anordnungen<br />

erzwungene Nachfrageschock mit der<br />

Stilllegung ganzer Wirtschaftszweige einer<br />

der Auslöser dieser Rezession war. Der<br />

Umfang der Hilfen erscheint mit mehr als<br />

5 Billionen Dollar im globalen Maßstab<br />

zwar gigantisch, ist aber angesichts einer<br />

um 3 Prozent schrumpfenden Weltwirtschaft<br />

angemessen. Positiv ist, dass die Fiskalpolitik<br />

sehr schnell reagiert hat, was die<br />

Möglichkeit eröffnet, die negativen Effekte<br />

des Lockdowns teilweise abzufedern, und<br />

der folgenden Erholung helfen dürfte. Die<br />

Geldpolitik allein wäre mit der Bewältigung<br />

der Krisenfolgen überfordert.<br />

<strong>procontra</strong>: Die Notenbanken haben ebenfalls<br />

gigantische Hilfspakete geschnürt.<br />

Welche Folgen hat die Geldschwemme?<br />

Angermann: Die praktisch unbegrenzte Bereitstellung<br />

von Liquidität bedeutet einen<br />

Regimewechsel: Die Notenbanken gehen<br />

jetzt endgültig zur Schuldenfinanzierung<br />

über, indem sie bereit sind, die von den<br />

Staaten begebenen Anleihen unbegrenzt<br />

aufzukaufen. Es dürfte nur eine Frage<br />

der Zeit sein, bis dies im Euroraum nach<br />

japanischem Vorbild unmittelbar und<br />

ohne Umweg über den Sekundärmarkt<br />

geschieht. In der Konsequenz bedeutet das<br />

„monetäre Staatsfinanzierung“ – ein kurzfristig<br />

vielleicht unabwendbarer, langfristig<br />

aber gefährlicher Weg.<br />

<strong>procontra</strong>: Was ist gefährlich an einer monetären<br />

Staatsfinanzierung?<br />

Angermann: Die offene monetäre Finanzierung<br />

von Staatsschulden steht im<br />

Gegensatz zu allen tradierten Normen<br />

einer soliden Geldpolitik. Die konkreten<br />

Effekte lassen sich aus heutiger Sicht noch<br />

nicht klar abschätzen, aber im Prinzip<br />

führt das neue geldpolitische Regime zu<br />

einer massiven monetären Verwässerung,<br />

die wiederum gefährliche Folgen für die<br />

langfristige Stabilität und Integrität von<br />

Finanzsystemen hat.<br />

<strong>procontra</strong>: Was bedeutet all das für Sparer<br />

und Anleger?<br />

Angermann: Empirische Untersuchungen<br />

belegen, dass Pandemien für einen Zeitraum<br />

von mindestens 20 Jahren ein niedrigeres<br />

Zinsniveau zur Folge hatten, als es<br />

vor der Krise bestand. Neben der höheren<br />

Vorsorge der Menschen und der erhöhten<br />

Sparneigung kommt die expansive Geldpolitik<br />

als Treiber hinzu. Wir werden also auf<br />

unabsehbare Zeit mit einem extrem niedrigen<br />

Zinsniveau leben müssen, wenigstens<br />

in realer Betrachtung. Für Sparer und<br />

Anleger bedeutet dies, dass Anleihen noch<br />

weniger die für die Altersvorsorge nötigen<br />

Erträge erbringen.<br />

68 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


<strong>procontra</strong>: Spricht das Umfeld also eher für<br />

Sachwerte?<br />

Angermann: Die Krise bestätigt deutlich<br />

unseren bei Feri bereits seit Langem empfohlenen<br />

Ansatz einer „Sachwertstrategie“.<br />

Das bedeutet im Grundsatz eine Bevorzugung<br />

sachwertorientierter Anlageklassen<br />

wie Aktien, Unternehmensbeteiligungen,<br />

Immobilien und Edelmetalle und eine<br />

vorsichtige Haltung gegenüber bonitätsorientierten<br />

Anlageklassen wie (Staats-)<br />

Anleihen.<br />

<strong>procontra</strong>: Warum genau raten Sie zu Vorsicht<br />

bei Schuldtiteln?<br />

Angermann: Es ist nicht auszuschließen,<br />

dass auch die Bonität bislang als solide<br />

geltender Schuldner zunehmend kritisch<br />

hinterfragt wird, bis hin zu den USA. Die<br />

Folge könnte ein Wertverlust auch solcher<br />

bislang vermeintlich sicherer Anlageformen<br />

sein. Die Anlage in Aktien ist per<br />

se mit einer größeren Volatilität verbunden,<br />

ermöglicht aber die Teilhabe an realer<br />

Wertschöpfung. Immobilien sind ebenfalls<br />

eine Anlageform mit Sachwertbezug,<br />

bergen aber latent die Gefahr staatlicher<br />

Zugriffe auf das Vermögen, gegen die man<br />

sich nur eingeschränkt wehren kann. Gold<br />

schließlich ist und bleibt eine Versicherung<br />

gegen steigende Inflation oder monetäre<br />

Verwässerung, ist aber sonst „totes Kapital“.<br />

<strong>procontra</strong>: Wie stabil ist dieses Umfeld?<br />

Kommt irgendwann die „finale Krise“ mit<br />

Staatspleiten, Schuldenschnitten, Hyperinflation<br />

und Währungsreformen?<br />

Angermann: Klar ist, dass in dieser Entwicklung<br />

weitere Ungleichgewichte und<br />

Systembrüche aufgebaut werden, die sich<br />

irgendwann entladen können – insoweit<br />

sind solche Befürchtungen berechtigt.<br />

Anders als es uns Crash-Propheten glauben<br />

machen wollen, lässt sich aber kein<br />

Zeitpunkt bestimmen, zu dem das passiert.<br />

Noch wichtiger: Auch der Ablauf der<br />

nächsten Krise ist keineswegs ex ante klar,<br />

weil es eine Vielzahl möglicher Szenario-<br />

Verläufe gibt – einen davon herauszugreifen<br />

und als einzige Zukunftsvorhersage zu<br />

deklarieren, ist schlicht unseriös. Deshalb<br />

bleibt es dabei, dass sich Anleger generell<br />

mit der erwähnten Sachwertstrategie<br />

vernünftig auf wahrscheinliche langfristige<br />

Trends einstellen und signifikante<br />

Risiken vermindern können und ansonsten<br />

kurzfris tig auf die jeweilige konkrete Entwicklung<br />

reagieren müssen.<br />

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<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

69


SACHWERTE Immobilienkredite<br />

BAUFI AM LAUFEN HALTEN<br />

Die Corona-Pandemie führt viele Menschen in die Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit.<br />

Damit geraten auch Immobilienkredite unter Druck.<br />

Was kann ein Makler seinen Kunden jetzt empfehlen?<br />

– TEXT: FRANCOIS BAUMGARTNER –<br />

Laut der jüngsten Frühjahrsprognose der<br />

Bundesregierung ist mit der schwersten<br />

Rezession seit der Nachkriegszeit zu rechnen.<br />

So beläuft sich der geschätzte Wachstumseinbruch<br />

allein für Deutschland im<br />

Vergleich zum Vorjahr auf minus 6,3 Prozent.<br />

Bislang haben mehr als 650.000 Unternehmen<br />

Kurzarbeit beantragt, mehr als<br />

während der Weltwirtschafts- und Finanzkrise<br />

im Jahr 2008. Darüber hinaus ist die<br />

Zahl der Arbeitslosen in Deutschland allein<br />

von März bis April um über 300.000 angestiegen.<br />

In so einer Situation wird vielen<br />

Menschen klar: Das Leben besteht aus Ansprüchen<br />

und Verpflichtungen, und manchmal<br />

wird es eng mit Zins- und Tilgungsleistungen<br />

an die Bank. Das betrifft auch<br />

Immobilienkredite, sobald Kreditnehmer<br />

mit Einkommensverlusten rechnen müssen.<br />

Baufinanzierungsspezialist Hans Dieter<br />

Meier von Dr. Klein empfiehlt demzufolge:<br />

„Je früher die Kunden mit uns in Kontakt<br />

treten, desto schneller kann man auf<br />

die Bank zugehen und eine Lösung finden.<br />

Zuallererst muss geprüft werden, wie hoch<br />

das verfügbare Einkommen in absehbarer<br />

Zeit sein wird und welche finanziellen Mittel<br />

im Ernstfall noch zur Verfügung stehen<br />

könnten. Es muss abgewogen werden, wie<br />

schlimm es tatsächlich ist.“ Sobald der Kreditnehmer<br />

wegen einer Kündigung oder einer<br />

auslaufenden Befristung seinen Arbeitsplatz<br />

verliert, sollte er sich um staatliche<br />

Hilfen bemühen, wie etwa um Arbeitslosengeld,<br />

Wohngeld oder einen Lastenzuschuss.<br />

Wenn der Einkommensverlust hingegen<br />

durch die grassierende Corona-Pandemie<br />

entstanden ist, gibt es für Kreditnehmer<br />

weitere Erleichterungen.<br />

„Wenn sich die Vertragspartner nicht einigen<br />

können, kann der Darlehensnehmer<br />

seine Zahlungspflichten in den Monaten<br />

70 Illustration: Eleonora Mavromati


Immobilienkredite SACHWERTE<br />

April, Mai und Juni <strong>2020</strong> für drei Monate<br />

aussetzen. Die Laufzeit des Darlehens verlängert<br />

sich dadurch um drei Monate“,<br />

erklärt Alexander Nothaft, Leiter Kommunikation<br />

beim Verband der Privaten Bausparkassen<br />

e. V., und betont: „Eindeutig geregelt<br />

ist, dass der Darlehensgeber für den<br />

Zeitraum der gesetzlichen Stundung die<br />

gestundeten Zinszahlungen erhält. Das Gesetz<br />

sieht lediglich vor, dass sich die Fälligkeit<br />

dieser Zahlungen um drei Monate nach<br />

hinten verschiebt. Die Aprilrate ist somit im<br />

Monat Juli zu zahlen. Damit ist klar, dass<br />

auch im Falle der gesetzlichen Stundung für<br />

drei Monate nichts verschenkt wird.“<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

NIEDRIGZINS AUF DAUER<br />

4/2010 4/2011 4/2012 4/2013 4/2014 4/2015 4/2016 4/2017 4/2018 4/2019 4/<strong>2020</strong><br />

10-jährige Darlehen EZB-Leitzins<br />

Quelle: Interhyp<br />

RATENPLAN ÄNDERN<br />

Um im Bedarfsfall eine kundenzentrierte<br />

Lösung finden zu können, muss das Vertragswerk<br />

zur Immobilienfinanzierung unter<br />

die Lupe genommen werden. In der Regel<br />

sind Änderungen des Tilgungssatzes, die<br />

Aussetzung der Tilgungsleistungen für einen<br />

bestimmten Zeitraum oder individuell<br />

vereinbarte Stundungen durchaus möglich.<br />

Bei Änderungen des Tilgungssatzes verringert<br />

sich die Rate, die Zins- und Tilgungsleistung<br />

läuft dennoch mit einer Minimum-<br />

Tilgung weiter.<br />

Entscheidet man sich für eine temporäre<br />

Aussetzung der Tilgungsleistungen, verringert<br />

sich die Rate beim Kredit auf den<br />

reinen Wert des Zinssatzes. Bei einer Stundung<br />

wird die Rate für einen gewissen Zeitraum<br />

ausgesetzt und im Nachgang nachgeholt.<br />

Meier: „Je nach persönlicher Situation<br />

des Kunden sollte man fürs Erste eine Herabsetzung<br />

des Tilgungssatzes besprechen.<br />

Der Kunde bleibt somit auf Kurs, was die<br />

Entschuldung seiner selbst genutzten Immobilie<br />

betrifft.“ Bei vermieteten Objekten<br />

sei das im Vergleich nicht so tragisch, „weil<br />

hier der Kapitalanleger seine Immobilien<br />

oftmals aus steuerlichen Gründen ohnehin<br />

länger in den roten Zahlen lässt“, fügt Meier<br />

hinzu.<br />

STRESSTEST CORONA<br />

Als Alternative zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses<br />

kann auch ein neuer Ratenkredit<br />

oder ein KfW-Darlehen sinnvoll<br />

sein. „Wenn ein Darlehen dagegen schon<br />

seit zehn Jahren vollständig ausbezahlt<br />

ist, kann der Schuldner dieses mit einer<br />

Frist von sechs Monaten kostenfrei kündigen<br />

− selbst wenn ursprünglich eine längere<br />

Zinsbindung vereinbart war. Weil das<br />

WENN DAS BAUFINANZIERUNGSGESCHÄFT UNTER DRUCK GERÄT<br />

Flexible Produkteigenschaften sind für Bestands- und Neukunden in Krisenzeiten unverzichtbar.<br />

Laufende Immobilienkredite und Maßnahmen<br />

› Tilgungssatzwechsel<br />

› Befristete Aussetzung der Tilgungsleistungen<br />

› Stundung für 3 Monate nutzen (Corona-Krise)<br />

› Weitere Stundungen via Kreditvertrag<br />

› Umschuldung z. B. per KfW-Darlehen prüfen<br />

› Sondertilgungen aussetzen<br />

Zinsniveau jetzt wesentlich niedriger ist als<br />

damals und die Finanzierung neu berechnet<br />

wird, bedeutet das eine sofortige Entlastung<br />

bei der monatlichen Rate oder eine kürzere<br />

Gesamtlaufzeit des Darlehens“, sagt Kai<br />

Weber, Spezialist für Baufinanzierung von<br />

Dr. Klein und Ansprechpartner beim Immobilienverband<br />

Deutschland IVD. Wenn<br />

aber selbst das noch nicht reicht, muss über<br />

»Als Erstes sollte<br />

man eine Herabsetzung<br />

des Tilgungssatzes<br />

besprechen.<br />

So bleibt der Kunde<br />

auf Kurs, was die<br />

Entschuldung seiner<br />

Immobilie betrifft.«<br />

HANS DIETER MEIER, BAUFINANZIERUNGSSPEZIALIST<br />

Baufinanzierung bei Neukunden<br />

› Flexible Vertragsbedingungen für Ratenplanänderungen<br />

› Änderungen von Tilgungssätzen vereinbaren<br />

› Diversifikation durch ein breites Darlehensportfolio<br />

› Langfristige Zinsbindungen bei angemessenen Kosten<br />

› Möglichkeit von Sondertilgungen<br />

Quelle: <strong>procontra</strong><br />

Kapitalauszahlungen durch Auflösung weiterer<br />

Versicherungsverträge nachgedacht<br />

werden. Im Notfall ist das die Kündigung<br />

von Versicherungsprodukten für die Altersvorsorge,<br />

weil mittlerweile jeder weiß: Der<br />

positive Zins kehrt auf absehbare Zeit nicht<br />

zurück.<br />

DER BLICK NACH VORN<br />

Damit der Traum von der eigenen Immobilie<br />

in Zukunft nicht zum Albtraum wird,<br />

sollten Makler ebenso Neukunden richtig<br />

beraten. Die Kernfrage lautet dabei stets: Ist<br />

die Finanzierung für den Kunden langfristig<br />

tragbar und können temporäre Verdienstausfälle<br />

gut abgefedert werden? „Zeiten<br />

wie diese zeigen, dass vor allem zwei Dinge<br />

für den Kunden wichtig sind: zum einen<br />

Vertragsbedingungen, die Flexibilität erlauben,<br />

und zum anderen eine gute Beratung.<br />

Bei dem aktuell niedrigen Zinsniveau ist es<br />

zudem sinnvoll, mit einer anfänglichen Tilgung<br />

von mindestens 2 Prozent zu starten.<br />

Denn je höher die anfängliche Tilgung ist,<br />

umso schneller ist das Darlehen zurückgezahlt“,<br />

empfiehlt Eva Grunwald, Leiterin<br />

Immobiliengeschäft bei der DB Privat- und<br />

Firmenkundenbank AG.<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

71


SACHWERTE Immobilienkompass<br />

IM SPECKGÜRTEL ENGER SCHNALLEN<br />

Bislang galt das Umland großer Metropolen als günstigere Alternative für ein urbanes Leben:<br />

nahe dran und doch preislich erschwinglich. Doch wer heute eine Wohnimmobilie in den<br />

Randbezirken erwirbt, zahlt tatsächlich länger.<br />

– TEXT: NINA MÜLLER-PELTZER –<br />

Die aktuelle Datenlage deutet an, dass<br />

Städte für private Kaufimmobilien bereits<br />

an Attraktivität verloren haben. Allerdings<br />

konnte bisher kaum festgestellt werden, ob<br />

dadurch das stadtnahe Umland attraktiver<br />

für Käufer ist oder ob sich hier eine ähnliche<br />

Entwicklung abzeichnet.<br />

Dieser Frage widmet sich nun die Finanzierungsplattform<br />

Europace in ihrer aktuellen<br />

Kurzstudie zum Wohnen im Umland.<br />

Basierend auf den ermittelten Transaktionszahlen<br />

zeigt sich, dass 46 Prozent des<br />

abgewickelten Immobilienvolumens im<br />

Umland liegen, während die Stadt mit 31<br />

und das Land mit 23 Prozent deutlich dahinter<br />

rangieren. Im Umland ist eine annähernd<br />

konstante Entwicklung für die Jahre<br />

2016 bis 2019 festzustellen, die sich von 44<br />

auf 46 Prozent erhöht hat. Demgegenüber<br />

hat sich der Anteil der Stadt von 33 auf<br />

31 Prozent reduziert. Das Land hingegen<br />

bleibt konstant bei 23 Prozent.<br />

Eine steigende Nachfrage nach Immobilien<br />

ließ den Umfang aller Transaktionen auf<br />

der Plattform im Bereich der Immobilienfinanzierung<br />

zwischen 2016 und 2019 um<br />

87 Prozent ansteigen. Gleichzeitig nahmen<br />

die Finanzierungssummen in diesem Zeitraum<br />

im Median um 18 Prozent zu. Der<br />

hart umkämpfte Wohnungsmarkt reagierte<br />

naturgemäß mit steigenden Preisen: In der<br />

Stadt konnte eine Steigerung im Median<br />

von 13,1 Prozent, auf dem Land von 18,4<br />

Prozent verzeichnet werden. Im Umland<br />

jedoch war der größte Zuwachs mit einem<br />

Wert von 20,1 Prozent zu sehen.<br />

Setzt man den Kaufpreis einer Immobilie<br />

in Relation zum Nettoeinkommen, zeigt<br />

sich deutlich, dass das Umland die höchsten<br />

absoluten Werte und die höchste Steigerung<br />

aufweist. 2016 mussten 6,37 Nettoeinkommen<br />

zur vollständigen Abzahlung einer<br />

Immobilie aufgewendet werden, 2019 lag<br />

dieser Wert bei 7,08. In der Stadt ist das<br />

Niveau vergleichbar, aber der Zuwachs<br />

deutlich geringer.<br />

Die Änderungsrate von 2016 zu 2019<br />

verdeutlicht, dass der Wert im Umland von<br />

einem bereits hohen Niveau um 11,2 Prozent<br />

gestiegen ist, während die Entwicklung<br />

in der Stadt und auf dem Land nur bei 8,1<br />

beziehungsweise 9,1 Prozent liegt.<br />

Die Einkommensentwicklung ist also<br />

schwächer als die Steigerung bei den Immobilienpreisen<br />

– unabhängig vom Standort.<br />

Attraktiv erscheint das Verhältnis von Einkommen<br />

zu Kaufpreis nur auf dem Land.<br />

Eine hochpreisige Stadt könnte noch interessant<br />

sein, da hier die Steigerung der<br />

Immobilienpreise nicht mehr ganz so stark<br />

ausfällt.<br />

Am unattraktivsten erscheint der Speckgürtel:<br />

er schneidet bei der Kaufpreis-Einkommens-Relation<br />

am schlechtesten ab, da<br />

sich hier die Kaufpreise deutlich nach oben<br />

bewegt haben.<br />

EUROPACE-KURZSTUDIE<br />

WOHNEN IM UMLAND<br />

Weitere Studien und Indizes<br />

zur Immobilienfinanzierung<br />

https://report.europace.de/<br />

72 Foto: iStock / Nikada


Immobilienkompass SACHWERTE<br />

TEURES UMLAND<br />

Immobilienpreise steigen deutlich stärker als die Nettoeinkommen.<br />

Umland: Entwicklung der Haushaltsnettoeinkommen<br />

im Verhältnis zu der Entwicklung der Immobilienpreise zu 2016<br />

+ 7,1 %<br />

+ 7,7 %<br />

+ 2,7 %<br />

+ 1,6 %<br />

+ 4,1 %<br />

+ 3,5 %<br />

2017 2018 2019<br />

Median der Anzahl von Jahren, die benötigt wird, um eine Immobilie mit dem verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen<br />

vollständig zu bezahlen (Veränderung von 2016 zu 2019)<br />

STADT:<br />

7,1 Jahre<br />

(+ 8,1 %)<br />

UMLAND:<br />

7,1 Jahre<br />

(+ 11,2 %)<br />

LAND:<br />

6,5 Jahre<br />

(+ 9,1 %)<br />

Verteilung des abgewickelten Immobilienvolumens nach Stadt, Umland und Land 2019<br />

STADT:<br />

31 %<br />

UMLAND:<br />

46 %<br />

LAND:<br />

23 %<br />

Quelle: europace<br />

<strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20<br />

73


PRIVAT GEFRAGT Torsten Jasper, Apella AG<br />

»Wir brauchen dringend<br />

Nachwuchs<br />

und Innovationstreiber.«<br />

TORSTEN JASPER<br />

Jahrgang 1986<br />

Projektleiter Vertrieb bei der Apella AG<br />

verheiratet, zwei Kinder<br />

IHRE MEINUNG, HERR JASPER:<br />

Wir brauchen ein Unterrichtsfach<br />

Finanzen<br />

Die Corona-Krise bietet eine Chance für<br />

die Digitalisierung der Vertriebswege<br />

Verbraucher brauchen immer weniger<br />

(persönliche) Versicherungsberatung<br />

Die Versicherungsbranche in Deutschland<br />

ist zu unübersichtlich<br />

Onlineberatung kann das persönliche<br />

Gespräch ersetzen<br />

Zum Frühstück gibt es bei mir<br />

Kaffee, Porridge aus selbst gemahlenem<br />

Getreide und einen Vitaminshake.<br />

Den Arbeitsweg bewältige ich per<br />

Auto ins Büro oder per Treppe<br />

ins Homeoffice.<br />

Das Radio/Spotify drehe ich lauter bei<br />

House/Dance, Hits der 90er und guter<br />

aktueller Musik.<br />

Mein erstes Geld habe ich verdient als<br />

Tellerwäscher in der Jugendherberge<br />

Büsum.<br />

Wenn Geld keine Rolle spielen würde,<br />

wäre ich am liebsten<br />

Investor und Förderer regionaler Projekte.<br />

Meine aktuelle Filmempfehlung:<br />

Lange keinen gesehen. Ich mag James<br />

Bond und die alten Asterix-Filme.<br />

Am meisten Überwindung kostet mich<br />

beim ersten Klingeln des Weckers<br />

aufzustehen.<br />

Wahrer Luxus ist für mich<br />

die Zeit mit Familie und Freunden an einem<br />

coolen Ort bei Essen, Cappuccino oder<br />

Drinks zu verbringen, ohne auf die Zeit<br />

oder aufs Geld zu achten.<br />

Ich würde niemals auch nur einen Tag<br />

tauschen mit<br />

Menschen, für die das Glas halb leer ist.<br />

Corona hat meinen Arbeitstag insofern<br />

verändert, als<br />

jetzt mehr Kollegen und Kunden wissen,<br />

wie Onlinemeetings und Videotelefonate<br />

funktionieren.<br />

Der größte Missstand in meiner Branche<br />

sind zwei verschenkte Jahrzehnte der<br />

Digitalisierung.<br />

Aus folgendem Grund kann ich bzw. die<br />

Branche jedoch nichts daran ändern:<br />

Ich gebe mein Bestes und „der Branche“<br />

fehlen offensichtlich leider Programmierer.<br />

Eine (unternehmerische) Entscheidung, die<br />

ich gern rückgängig machen würde, war<br />

das Zögern, Mitarbeiter einzustellen.<br />

Wenn ich einen Tag Kanzler wäre,<br />

würde ich Folgendes veranlassen:<br />

bedingungsloses Grundeinkommen nach<br />

der Idee von Thomas Straubhaar.<br />

Die Startseite auf meinem Browser ist<br />

Google und MeisterTask.<br />

Mein Social-Media-Erfolgsrezept lautet:<br />

Wenn ich Zeit finde, poste und kommentiere<br />

ich zielgerichtet.<br />

Mein Lieblings-Podcast ist<br />

der Makler und Vermittler Podcast natürlich<br />

und „Stay hungry, Stay foolish“ .<br />

Der Makler-Beruf verdient ein besseres<br />

Image, weil<br />

wir dringend Nachwuchs und Innovationstreiber<br />

brauchen.<br />

Dass die Corona-Krise die Digitalisierung<br />

in der Versicherungsberatung vorantreibt,<br />

sehe ich<br />

nachhaltig nur, wenn sie länger anhält.<br />

In zehn Jahren hat sich in der deutschen<br />

Versicherungswirtschaft Folgendes<br />

maßgeblich gewandelt:<br />

weniger, aber größere Vermittlerbetriebe<br />

und dafür mehr angestellte Berater/Vermittler,<br />

die als Experten gut verdienen.<br />

74 <strong>procontra</strong> <strong>03</strong>|20


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