CRESCENDO 1/19 Januar-März 2019
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
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DIE STADT AN DER ELBE PUNKTET MIT KULTUR<br />
UND EINER VIELZAHL VON KIRCHEN,<br />
DEREN AKUSTIK JEDEN MUSIKER BEGEISTERT.<br />
Dresden<br />
Mit Hans-Christoph Rademann, Heinrich-Schütz-Experte und Leiter der Internationalen<br />
Bachakademie Stuttgart, auf Spuren der Alten Musik in Dresden.<br />
VON ROLAND H. DIPPEL<br />
FOTO: MARTIN FÖRSTER<br />
Dieser Mann atmet mit der Musik<br />
der Stadt, die ihn künstlerisch<br />
prägte: Hans-Christoph Rademann<br />
ist gebürtiger Dresdner, wuchs jedoch<br />
im erzgebirgischen Schwarzenberg<br />
auf wie der Countertenor und Regisseur<br />
Axel Köhler, der neue Rektor der Hochschule für<br />
Musik Carl Maria von Weber. Mit ihm könnte der<br />
<strong>19</strong>65 geborene Rademann eine zu wenig erschlossene<br />
Farbe im Profil der Musikstadt stärken: mehr Barock neben<br />
der Spätromantik. Treffpunkt: Bahnhof Dresden-Neustadt. Sofort<br />
empfiehlt Rademann, Leiter der Internationalen Bachakademie<br />
Stuttgart, eine Strecke entlang seiner musikalischen Herzensangelegenheiten:<br />
durch die innere Neustadt zur Dreikönigskirche, kurz<br />
an das östliche Elbeufer zum „Canaletto-Blick“ auf die Brühlsche<br />
Terrasse, Schloss und Zwinger, über die Augustusbrücke zur<br />
Hochschule für Musik. Dort wird Rademann, Nachfolger Helmuth<br />
Rillings an der Internationalen Bachakademie Stuttgart,<br />
später seine erste Lehrstunde im Jahr 20<strong>19</strong> halten.<br />
An diesem <strong>Januar</strong>morgen herrscht Aprilwetter. Schon beim<br />
Karl-May-Ort Radebeul, wo Rademann mit seiner Frau, der Tänzerin<br />
Friederike Rademann, lebt, wechseln Sonne und eisiger<br />
Regen. In dieser milden Weinregion sehr selten, kommt es geradezu<br />
der Aufforderung zu einem Perspektivenwechsel gleich.<br />
Denn heute geht es um Abenteuerlicheres als die sächsische<br />
Strauss- und Wagner-Stadt mit ihren berühmten Kunstschätzen.<br />
Hans-Christoph<br />
Rademann<br />
„Dresden hat als Zentrum der Alten Musik leider<br />
noch nicht die gebührende Ausstrahlungskraft“,<br />
bedauert Rademann. Das ist nicht die Schwärmerei<br />
eines Enthusiasten, sondern basiert auf seinem<br />
in kritischer Auseinandersetzung gewachsenen<br />
Repertoire und dem heutigen wissenschaftlichen<br />
Kenntnisstand: Die Notenarchive der Sächsischen<br />
Landesbibliothek Dresden sind eine unerschöpfliche<br />
Schatztruhe des 17. und 18. Jahrhunderts.<br />
Rademann legt ein beredtes Koordinatennetz von Fakten und<br />
Anreizen über die Stadt. Wir sitzen im Schwarzmarkt-Café an der<br />
Neustädter Markthalle. „Den Zwinger kennen alle. Aber das wahre<br />
Dresden erlebt man nur in der Äußeren Neustadt zwischen Albertplatz<br />
und Alaunpark.“ Die Stadt wirbt mit dem Lockwort „Szeneviertel“<br />
für das pittoreske und siegreich der Gentrifizierung trotzende<br />
Quartier: eine multikulturelle Insel für Hipster, Studierende,<br />
Bohemiens und Kleinfamilien, die Rademann immer<br />
wieder neu entdeckt. Daran zeigt sich, wie in der Musik auch, seine<br />
Vorliebe für kleinere, unspezifische Formen. Rademanns Aufführungen<br />
von Orffs Carmina burana mit der Singakademie Dresden<br />
und dem Tanzforum Köln waren bei den sommerlichen Zwingerkonzerten<br />
ein Highlight. Der persönlichen Berufung aber folgte er<br />
mit dem von ihm <strong>19</strong>85 gegründeten Dresdner Kammerchor, einem<br />
Vokalensemble von stilistisch unbestechlichen Qualitäten. Eine<br />
Pionierleistung dieses meisterhaften Chors, die CD-Edition des<br />
Gesamtwerks von Heinrich Schütz, steht kurz vor der Vollendung.<br />
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