CRESCENDO 1/19 Januar-März 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum. CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.

crescendo.redaktion
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B A U H A U S 1 0 0 sich eben so wie Kan din skys Plan, Schön berg als Rek tor für die Wei ma rer Musik hochschu le zu gewin nen, sehr schnell zer schla gen. „Ich wuchs in Ber lin her an, doch Weimar liegt nicht sehr weit von Ber lin, und wir alle fuh ren nach Wei mar, wie Pil ger nach Jeru sa lem oder Mekka.“ Stefan Wol pe war vermutlich der einzige professionelle Kompo nist, der je am Bau haus war – jedoch nicht als Leh rer oder Meis ter, son dern als Schü ler. Als sol cher nahm er an Ele men tarkur sen bei Itten und Klee teil. Hans Heinz Stu cken schmidt schreibt in sei nem bereits erwähnten Arti kel über sei nen Besuch am Bau haus: „Wol pe saß meis tens ein sam in einer Ecke und schrieb wie der ein mal eines sei ner ekstati schen Kla vier stü cke, das er Friedl Dicker wid me te, einer hoch begab ten Bau häus le rin, die aus Wien kam und Johan nes Itten nahestand.“ Stu cken schmidt selbst kam 1923 für eini ge Zeit auf Ein la dung von Moho ly-Nagy ans Bau haus. Er arbei te te gemein sam mit Kurt Schmidt an des sen „Mecha ni schem Bal lett“. Die Musik zu dem Bal lett ist ver schol len – soweit sie über haupt je auf ge zeich net war, denn die Erin ne run gen von Stu cken schmidt legen die Ver mu tung nahe, dass die Musik über wei te Stre cken impro vi siert war. Die ser ver stand sich aller dings weni ger als Kom po nist, son dern schrieb vor allem Kri ti ken und Bücher, von denen vie le noch heu te zu den Stan dard wer ken der Musik ge schich te des 20. Jahr hun derts gehören. Ob Geor ge Ant heil, der ame ri ka ni sche Pia nist und Kom ponist, der durch sei ne futu ris ti schen Kon zer te immer wie der für Skan da le und Sen sa tio nen sorg te, jemals in Wei mar war, lässt sich heu te nicht mehr rekon stru ie ren. Und doch muss es Kon tak te zum Bau haus gege ben haben. Xan ti Scha win ski schreibt in sei nen Erinne run gen an die Bau haus ka pel le, die sich um Andor Wei nin ger gebildet hatte und aus musikalischen Amateuren bestand, die Tänze und „Kon zer te“ auf zum Teil selbst ge bau ten Geräusch in stru menten impro vi sier ten, dass mit der „Musik von Bach, Hän del, Mozart, Ant heil, Stu cken schmidt, Strawin sky, Hin de mith oder den Impro vi sa tio nen der Kapel le“ das Tanzgelage in eine atemlose Zuhö rer schaft ver wan delt wurde. In einer Annon ce zu den soge nann ten „Bau haus- Büchern“ wur de auch ein Buch von Geor ge Ant heil, „musi co mechanico“, angekündigt. Dieses Buch ist jedoch nie erschienen. Unter glei chem Titel hat te Ant heil in der Zeit schrift „De Sti jl“ bereits einen Arti kel veröffent licht, in dem es um die Musik der Zukunft ging, um den Ein satz der Maschi ne in der Musik, um die Erfah rung des Mög li chen, des Scho ckie renden, um sei ne „strom li ni en förmi ge Musik“. Der Her aus ge ber die ser Zeit schrift, der Lite rat, DER EIGENTLICHE ERFINDER DER ZWÖLFTONMUSIK: JOSEF MATTHIAS HAUER Sein Leben stand im Schat ten „die ses Sch.“, die ser „Rari tät von einem Schwind ler“, wie Josef Mat thi as Hau er Arnold Schön berg nann te. Fakt ist: Drei Jah re bevor Schön berg 1922 sei ne „Metho de, mit zwölf Tönen“ anwandte, erschien Hauers Nomos op. 19, das ers te Zwölfton-Stück von 1.100 Wer ken, dar un ter zwei Opern. „Dumm froz zelnd“ hat te Hau er 1917 den Riva len emp fun den, dem er den noch 1922 Neun Etü den op. 22 für Klavier wid me te. „Stel len wir unse re Ide en unter genau er Abgren zung des Unterscheidenden, mit Zuhilfenahme sachlicher (aber höfl icher) Polemik dar“, schlug Schön berg 1923 vor. Doch der kau zi ge Hau er, Sohn eines zitherspielenden Gefängniswärters, lehnte ab und wetterte beim Heurigen lie ber gegen die Kol le gen. Wag ner war ihm ein „Bor dell-Musi kant“, Strauss und Beet ho ven „Nar ko ti kum für das Volk“. Während Schönberg seine expressive Klangsprache auch mit klassischen Mit teln wie Phra sie rung und Dyna mik gewann, ord ne te Hau er die zwölf Töne der chromatischen Tonleiter wie ein „Uhrmacher“ (Adorno) mechanistisch-mathematisch aneinander. 479.001.600 Möglichkeiten errech ne te er, die er in 44 Grup penrei hen – „Tro pen“– unter teil te. Bis zu sei nem Tod 1959 poch te er dar auf, der „Inven tor der Zwölf-Töne-Technik“ (Paul Hin de mith) zu sein. Ver ge bens. Alle auf einmal: von Antheil bis Wolpe. Und unser Autor Steffen Schleiermacher am Klavier (mdg) Maler, Theo re ti ker und Künst ler Theo van Does burg, leb te von 1921 bis 1923 in Weimar, zwar ohne unmit tel bar am Bau haus zu unterrichten, doch gab es zweifelsohne Kontak te zwi schen ihm und den Bau häus lern. Lyo nel Fei ni gers oft zitier tes musi ka lisches Schaffen beschränkt sich auf 14 Fugen für Orgel. Er war von sei nen Eltern zwar ursprüng lich nach Euro pa geschickt wor den, um sein musi ka li sches Kön nen zu ver vollkomm nen – galt er doch als eine Art Wunder kind, als begab ter und früh rei fer Violin vir tuo se. Doch mehr und mehr wand te sich Fei nin ger der bil den den Kunst zu, mar gi nal blieb sei ne Aus ein an der set zung mit Musik. An neu es ter Musik war Feinig ner para do xer wei se nicht inter es siert, genau so wenig übri gens wie Paul Klee. Die Expe ri men te, die Moho ly-Nagy am Bau haus – wahr scheinlich ange regt durch die Ide en von Piet Mon dri an und des sen Schrift „Neu es Gestal ten“ – mit Schall plat ten mach te, in die er direkt Muster, Lini en oder ande re Gebil de ritz te, um sie dann abzu spie len, lassen sich heute nicht mehr rekonstruieren; ebensowenig die Filmarbei ten von Hirsch feld-Mack oder Alex an der László, die recht schlich te Kla vier mu sik zu ihren „Licht spie len“ kom po nier ten, welche aber ein ge stan de ner ma ßen die Funk ti on hat te, die Stil le während der Vor füh run gen zu über de cken und die Geräu sche der Projek to ren zu kaschie ren. Musik am Bau haus. Obwohl es kei nen „Musik meis ter“ gab, haben die Ide en des Bau hau ses doch auf die Musik ein ge wirkt, wenn auch eher mit tel bar: Ste fan Wol pe emi grier te über Paläs ti na nach Ame ri ka, wur de dort in New York ein gesuch ter Leh rer und Anreger, unter ande rem von Mor ton Feld man und David Tudor. Mor ton Feld man sei ner seits schätz te die Musik von Josef Mat thi as Hau er außerordentlich. László Moholy-Nagy emigrierte ebenfalls nach Amerika, eröffnete nacheinander mehrere Kunstschulen in Chicago, die auch John Cage besuch te. Cage hat sich immer wie der in sei nen Arti keln über den gro ßen Ein fluss und die Fas zi na ti on, die von Moho ly-Nagy ausging, geäu ßert. Und viel leicht ste hen auch vie le Expe ri men te von Cage in mit tel ba rer Nachfolge zu den frühen Experimenten von Moho ly-Nagy in Weimar. Josef Albers, erst Bau hausstudent, dann Bauhausmeister, emigrierte ebenfalls nach Ameri ka, wirk te als eine der Vater figu ren der Maler des abs trak ten Expressionismus wie Willem de Kooning, Jackson Pollock oder Mark Roth ko. Er wur de Direktor am legen dä ren Col le ge in Black Moun tain, wel ches in vielen Din gen dem Bau haus nachemp fun den war. Hier fand das erste Happening – so zumindest stellt es sich im Rück blick dar – der Kunst ge schich te statt, mit Robert Rau schen berg, Mer ce Cun ning ham und John Cage.n 60 w w w . c r e s c e n d o . d e — Februar – März 2019

WOHER KOMMT EIGENTLICH … … der Soundtrack zum Bauhaus ? VON STEFAN SELL Piet Mondrians „Victory Boogie Woogie“ – es wurde getanzt ohne Ende, gern bis zur Erschöpfung Ob Kurt Weill Brecht ver ton te oder Ope ret ten wie Leo Falls Die Stra ßen sängerin Pre mie re hat ten, die Ber li ner Luft vor 100 Jah ren war musikgeschwängert. Der Jazzpionier Eric Bor chard war all ge gen wär tig, in Falls Ope ret te von 1921 eben so wie in Fritz Langs „Dr. Mabuse“. Hindemith, Schönberg, Busoni und Schreier lehrten in Berlin. Klaus Mann charakterisiert Deutsch land zu Beginn der Bau hau s epo che als „zugleich erschöpft und hek tisch auf ge kratzt“. Der Ers te Welt krieg war eben erst vor bei, und die Men schen sehn ten sich nach „Won ne, Erleb nis, Eksta se und Erhe bung“, wie Har ry Hal ler ali as Her mann Hes se im Roman „Der Step pen wolf“ beschreibt. Har ry kommt zum Tanz auf dem Vul kan in die „Höl le“, das Kel ler ge schoss eines Tanz pa las tes. „Von der Men ge gescho ben, gelang te ich in diesen und jenen Raum, Trep pen hin auf, Trep pen hin un ter; ein Gang im Kel ler ge schoß war von den Künst lern als Höl le aus ge stat tet, und eine Musik ban de von Teu feln pauk te dar in wie rasend.“ Klaus Mann im Rück blick: „Das Ber li ner Nacht le ben, Jun ge-Jun ge, so was hat die Welt noch nicht gese hen!“ „The Roaring Twen ties“, die „Gol de nen 20er“, waren eine Zeitspan ne zwi schen Wirt schafts auf schwung und Welt wirt schafts kri se, ein rau schen des Fest für die Kunst. Über all in der Musik, im Film, in der Lite ra tur, der Kunst und Archi tek tur blüh ten neue For men auf. Es war eine Ära des Jazz, der Ope ret te, des Schla gers und der Neu en Musik. Der Sound track zum Bau haus: ein Remix aus all dem. Paul Klee trat mit sei ner Gei ge auf, zeich ne te eine Tran skrip ti on der ers ten Tak te aus Bachs Sechster Sonate für Violine und Cembalo, und Feininger komponierte Fugen. Musik verwandelte sich in Bauhauskunst, Gren zen wur den über schrit ten. Kurt Schmidt schuf 1923 die „Form- und Farbor gel“, Oskar Schlem mer expe ri men tier te mit dem Tria di schen Bal lett, Johann Itten bau te den Turm des Feu ers, László Moholy-Nagy entwarf die Partiturskizze zur Mecha ni schen Exzentrik, Kan din sky tausch te sich mit Schön berg aus und schöpfte den „gelben Klang“, Piet Mondrian tanzte Boogie-Woogie und brachte ihn auf Lein wand. Gab es eine Bau haus-Ver samm lung, hieß es: „Musiker, bitte Instrumente und Noten mitbringen!“ Das Gleiche galt für Wochen end aus flü ge: „Musik geht mit!“ Im Hexen kes sel der „Höl le“ hört Har ry Hal ler das Stück Year ning von den Cali for niacs: „Ein neu er Tanz, ein Fox trott, erober te sich in jenem Win ter die Welt, mit dem Titel Year ning. Year ning wurde ein s ums and re Mal gespielt und immer neu begehrt, alle waren wir von ihm durch tränkt und berauscht, alle summ ten wir sei ne Melo die mit. Ich tanz te unun ter bro chen“. Wei ter heißt es: „Ein Erleb nis wur de mir in die ser Ball nacht zuteil: das Erleb nis des Fes tes, der Rausch der Fest ge mein schaft, das Geheim nis vom Unter gang der Per son in der Men ge, von der Unio mysti ca der Freu de.“ Hes se fängt das Lebens ge fühl ein, das suchen de Künst ler beflü gelt haben muss. Das Bau haus hat vie les unter sei nem Dach ver eint, der inspi rie ren de Sound track war stets prä sent. 1924 wur de eine eige ne Bau haus ka pel le ins Leben geru fen, dar in spiel ten Andor Wei nin ger Kla vier, Hanns Hoff mann-Lede rer Schlag zeug, Hein rich Koch Teu fels gei ge und Rudolf Paris Schlagzeug. Am liebsten konzertierten sie auf selbst gebauten Instrumenten. Spä ter kamen wei te re Musi ker und Instru men te hin zu, die Bau haus-Jazz-Kapel le war in den 20er-Jah ren eine der belieb tes ten Bands. Dabei waren unter ande rem Lux Fei nin ger, Lyo nel Fei ningers jüngs ter Sohn, der Ban jo und Kla ri net te spiel te, und – als einzige Frau – die damalige Bauhausstudentin, spätere Fotografin und Archi tek tin Lot te Gerson mit ihrem Saxo fon. Lux erin nert sich: „Ein hin rei ßen der Tanz des Namens ‚Der Chromatische‘ muss aus dem Repertoire einer längst verschollenen Mili tär ka pel le ent nom men sein, so wie die bekann tes te aller Bauhaus me lo di en, der Bau haus Marsch, des sen Anfang zu den Wor ten ‚Itten-Muche-Maz daz nan‘ gesun gen wer den konn te und als ‚Bauhaus pfiff‘ inter na tio nal bekannt war.“ Lux Fei nin ger, der das biblische Alter von 101 erreich te, schwärm te von der Eksta se, mit der die Kapel le spiel te, die einem „Veits tanz“ gleich kam. Har ry Hal ler wuss te, es gibt kein Ent kom men: „Als die Musik abbrach, blie ben wir umschlun gen ste hen, alle die ent zün de ten Paa re rings um uns klatsch ten, stampften, schrien, peitsch ten die erschöpfte Kapel le zur Wie der ho lung des Year ning auf.“ In der Erin ne rung des Bauhaus stu den ten Far kas Molnár klingt das so: „Der Tanz nimmt kein Ende. Die Jazz-Kapel le zer bricht ihre Instru men te. Der Knei per ver liert sei ne Geduld … jetzt ist der Höhe punkt erreicht. Baro meter 365 Grad. Span nungs ma xi mum. Zap fen streich, der Hen ker erscheint. Roter Pfeil. Not aus gang.“ n FOTO: GEMEENTEMUSEUM DEN HAAG 61

WOHER KOMMT<br />

EIGENTLICH …<br />

… der Soundtrack zum Bauhaus ?<br />

VON STEFAN SELL<br />

Piet Mondrians „Victory Boogie<br />

Woogie“ – es wurde getanzt ohne<br />

Ende, gern bis zur Erschöpfung<br />

Ob Kurt Weill Brecht ver ton te<br />

oder Ope ret ten wie Leo<br />

Falls Die Stra ßen sängerin<br />

Pre mie re hat ten,<br />

die Ber li ner Luft vor 100 Jah ren war<br />

musikgeschwängert. Der Jazzpionier Eric<br />

Bor chard war all ge gen wär tig, in Falls<br />

Ope ret te von <strong>19</strong>21 eben so wie in Fritz Langs<br />

„Dr. Mabuse“. Hindemith, Schönberg, Busoni und<br />

Schreier lehrten in Berlin. Klaus Mann charakterisiert<br />

Deutsch land zu Beginn der Bau hau s epo che als „zugleich<br />

erschöpft und hek tisch auf ge kratzt“. Der Ers te Welt krieg<br />

war eben erst vor bei, und die Men schen sehn ten sich nach<br />

„Won ne, Erleb nis, Eksta se und Erhe bung“, wie Har ry Hal ler ali as<br />

Her mann Hes se im Roman „Der Step pen wolf“ beschreibt. Har ry<br />

kommt zum Tanz auf dem Vul kan in die „Höl le“, das Kel ler ge schoss<br />

eines Tanz pa las tes. „Von der Men ge gescho ben, gelang te ich in diesen<br />

und jenen Raum, Trep pen hin auf, Trep pen hin un ter; ein Gang<br />

im Kel ler ge schoß war von den Künst lern als Höl le aus ge stat tet, und<br />

eine Musik ban de von Teu feln pauk te dar in wie rasend.“ Klaus Mann<br />

im Rück blick: „Das Ber li ner Nacht le ben, Jun ge-Jun ge, so was hat<br />

die Welt noch nicht gese hen!“<br />

„The Roaring Twen ties“, die „Gol de nen 20er“, waren eine Zeitspan<br />

ne zwi schen Wirt schafts auf schwung und Welt wirt schafts kri se,<br />

ein rau schen des Fest für die Kunst. Über all in der Musik, im Film,<br />

in der Lite ra tur, der Kunst und Archi tek tur blüh ten neue For men<br />

auf. Es war eine Ära des Jazz, der Ope ret te, des Schla gers und der<br />

Neu en Musik. Der Sound track zum Bau haus: ein Remix aus all dem.<br />

Paul Klee trat mit sei ner Gei ge auf, zeich ne te eine Tran skrip ti on der<br />

ers ten Tak te aus Bachs Sechster Sonate für Violine und Cembalo, und<br />

Feininger komponierte Fugen. Musik verwandelte sich in Bauhauskunst,<br />

Gren zen wur den über schrit ten. Kurt Schmidt schuf <strong>19</strong>23 die<br />

„Form- und Farbor gel“, Oskar Schlem mer expe ri men tier te mit dem<br />

Tria di schen Bal lett, Johann Itten bau te den Turm des Feu ers, László<br />

Moholy-Nagy entwarf die Partiturskizze zur Mecha ni schen Exzentrik,<br />

Kan din sky tausch te sich mit Schön berg aus und schöpfte den<br />

„gelben Klang“, Piet Mondrian tanzte Boogie-Woogie und brachte<br />

ihn auf Lein wand. Gab es eine Bau haus-Ver samm lung, hieß es:<br />

„Musiker, bitte Instrumente und Noten mitbringen!“ Das Gleiche<br />

galt für Wochen end aus flü ge: „Musik geht mit!“<br />

Im Hexen kes sel der „Höl le“ hört Har ry Hal ler das Stück<br />

Year ning von den Cali for niacs: „Ein neu er Tanz, ein Fox trott,<br />

erober te sich in jenem Win ter die Welt,<br />

mit dem Titel Year ning. Year ning wurde<br />

ein s ums and re Mal gespielt und<br />

immer neu begehrt, alle waren wir<br />

von ihm durch tränkt und berauscht,<br />

alle summ ten wir sei ne Melo die<br />

mit. Ich tanz te unun ter bro chen“. Wei ter<br />

heißt es: „Ein Erleb nis wur de mir in die ser<br />

Ball nacht zuteil: das Erleb nis des Fes tes, der<br />

Rausch der Fest ge mein schaft, das Geheim nis vom<br />

Unter gang der Per son in der Men ge, von der Unio mysti<br />

ca der Freu de.“ Hes se fängt das Lebens ge fühl ein, das<br />

suchen de Künst ler beflü gelt haben muss. Das Bau haus hat<br />

vie les unter sei nem Dach ver eint, der inspi rie ren de Sound track<br />

war stets prä sent.<br />

<strong>19</strong>24 wur de eine eige ne Bau haus ka pel le ins Leben geru fen,<br />

dar in spiel ten Andor Wei nin ger Kla vier, Hanns Hoff mann-Lede rer<br />

Schlag zeug, Hein rich Koch Teu fels gei ge und Rudolf Paris Schlagzeug.<br />

Am liebsten konzertierten sie auf selbst gebauten Instrumenten.<br />

Spä ter kamen wei te re Musi ker und Instru men te hin zu, die<br />

Bau haus-Jazz-Kapel le war in den 20er-Jah ren eine der belieb tes ten<br />

Bands. Dabei waren unter ande rem Lux Fei nin ger, Lyo nel Fei ningers<br />

jüngs ter Sohn, der Ban jo und Kla ri net te spiel te, und – als einzige<br />

Frau – die damalige Bauhausstudentin, spätere Fotografin und<br />

Archi tek tin Lot te Gerson mit ihrem Saxo fon.<br />

Lux erin nert sich: „Ein hin rei ßen der Tanz des Namens ‚Der<br />

Chromatische‘ muss aus dem Repertoire einer längst verschollenen<br />

Mili tär ka pel le ent nom men sein, so wie die bekann tes te aller Bauhaus<br />

me lo di en, der Bau haus Marsch, des sen Anfang zu den Wor ten<br />

‚Itten-Muche-Maz daz nan‘ gesun gen wer den konn te und als ‚Bauhaus<br />

pfiff‘ inter na tio nal bekannt war.“ Lux Fei nin ger, der das biblische<br />

Alter von 101 erreich te, schwärm te von der Eksta se, mit der<br />

die Kapel le spiel te, die einem „Veits tanz“ gleich kam. Har ry Hal ler<br />

wuss te, es gibt kein Ent kom men: „Als die Musik abbrach, blie ben<br />

wir umschlun gen ste hen, alle die ent zün de ten Paa re rings um uns<br />

klatsch ten, stampften, schrien, peitsch ten die erschöpfte Kapel le<br />

zur Wie der ho lung des Year ning auf.“ In der Erin ne rung des Bauhaus<br />

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Ende. Die Jazz-Kapel le zer bricht ihre Instru men te. Der Knei per<br />

ver liert sei ne Geduld … jetzt ist der Höhe punkt erreicht. Baro meter<br />

365 Grad. Span nungs ma xi mum. Zap fen streich, der Hen ker<br />

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