CRESCENDO 1/19 Januar-März 2019
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
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H Ö R E N & S E H E N<br />
ORCHES-<br />
TER<br />
René Jacobs<br />
Farbenreich und<br />
vielschichtig<br />
Mit den Sin fo ni en Nr. 1 und Nr. 6 sind auf diesem<br />
Album zwei packen de Früh wer ke Franz<br />
Schu berts zu erle ben, die die sen als eben so<br />
lebens freu di gen wie rin gen den Men schen<br />
offen ba ren. René Jacobs erweckt sie mit seinem<br />
B’Rock Orches tra far ben reich und vielschich<br />
tig zum Leben und fas zi niert dabei mit<br />
einem erfri schend ande ren und direk ten<br />
Zugang zu den Jugend wer ken. Dabei betont er<br />
eben so humor voll, kon trast reich und hin tersin<br />
nig die kar ne val es ken Sei ten der Stü cke,<br />
wie er die dra ma ti schen und düs te ren Phra sen<br />
aus ge stal tet. Das B’Rock Orches tra über zeugt<br />
unter sei ner Lei tung als inten siv und dicht aufspie<br />
len der Klang kör per mit his to ri schen<br />
Instru men ten, der dabei nie an Trans pa renz<br />
ein büßt. Licht und Schat ten, höchs te Freu de<br />
und tie fe Melan cho lie lie gen bei der packenden<br />
Inter pre ta ti on der zwei Sin fo ni en stets<br />
eng bei ein an der und zei gen Schu bert in sei ner<br />
gan zen musi ka li schen Fül le. DW<br />
Schu bert: „Sym pho ny No. 1<br />
& No. 6“, B’Rock Orches tra,<br />
René Jacobs (Pen ta to ne)<br />
Track 1 auf der <strong>CRESCENDO</strong><br />
Abo-CD: Sinfonie Nr. 6 C-Dur,<br />
D. 589, II. Andante<br />
Concentus Musicus Wien<br />
Vollendet<br />
Nie klang Schu berts Unvoll ende te so vollendet<br />
wie in die ser voll kom me nen Einspie<br />
lung des Con cen tus Musi cus Wien<br />
unter Ste fan Gott fried. Bereits als<br />
Teen ager Fan des Ensem bles, war Gottfried<br />
lan ge Har non courts Assis tent und<br />
lei tet seit 2016 die ein zig ar ti ge Musi kerver<br />
bin dung. Schu bert, der nur zwei Sät ze<br />
zu sei ner h-Moll-Sin fo nie hin ter ließ, lässt<br />
bis heu te die Exper ten rät seln. Auch die<br />
Vari an te, Schu bert selbst hät te sie als<br />
voll endet betrach tet, ist eine der Deu tungen.<br />
Das von Schu bert skizzierte Trio<br />
Scherzo Alle gro wur de oft von frem der<br />
Feder aus kom po niert, sel ten so ra f iniert<br />
und ein fühl sam wie hier vom ita lie ni schen<br />
Kom po nis ten Nico la Sama le und dem<br />
deut schen Musik for scher Ben ja min-<br />
Gun nar Cohrs. Die Krö nung der CD<br />
sind Schu berts von Brahms und Webern<br />
orches trier te Lie der, deren viel sa gen de<br />
Inter pre ta tio nen des Aus nah me-Bass ba ritons<br />
Flo ri an Boesch tief berüh ren. SELL<br />
„Schu bert Unfinished“:<br />
Flo ri an Boesch,<br />
Con cen tus Musi cus<br />
Wien, Stefan Gottfried<br />
(Aparte)<br />
TANZ<br />
Juilliard String Quartet<br />
Meilensteine der<br />
Kammermusik<br />
Das Juil li ard String Quar tet zählt zu den<br />
unbe strit te nen Gigan ten unter den Strei cheren<br />
sem bles. Mit te der <strong>19</strong>40er-Jah re reg te<br />
Wil liam Schu man, Lei ter der renom mier ten<br />
Juil li ard School in New York, die Grün dung<br />
eines Resi denz-Quartetts an. Die Musi ker<br />
soll ten älte res Kernrepertoire mit neu er Frische<br />
prä sen tie ren und sich ernst haft mit<br />
Wer ken aus der Gegen wart befas sen. Den<br />
hohen Erwar tun gen wird das Ensem ble seit<br />
Jahr zehn ten gerecht. Mit Ein spie lun gen von<br />
Wer ken Mozarts, Haydns, Beet ho vens, Schuberts,<br />
Bergs oder Car ters hat es inter na tio nal<br />
Maß stä be gesetzt. In der vor lie gen den Box<br />
sind die Gesamt auf nah men für das Label RCA<br />
zwi schen <strong>19</strong>57 und <strong>19</strong>60 ver sam melt. Mit Elan<br />
und Akku ra tes se inter pre tiert das Quar tett<br />
Schu berts Der Tod und das Mäd chen eben so<br />
wie Stü cke von Debus sy und Ravel. Die elf<br />
CDs umfas sen de Box bie tet einen fas zi nie renden<br />
Rück blick auf eine Zeit, in der noch legendä<br />
re Grün dungs mit glie der wie Robert Mann<br />
und Rapha el Hil ly er<br />
dabei waren. CK<br />
„The Com ple te Record ings<br />
<strong>19</strong>57 –60“, Juil li ard String<br />
Quar tet (Sony)<br />
André Previn<br />
Spielerische<br />
Frische und Feuer<br />
Para dox genug: Bis heu te steht die vier ak ti ge,<br />
zwei ein halb Stun den lan ge „ori gi na le“ Bal lett mu sik<br />
zu Shake speares Romeo und Julia, die Ser gei Pro kofjew<br />
<strong>19</strong>36 voll ende te, im Schat ten der drei spek taku<br />
lä ren Orches ter sui ten. Jetzt hat War ner eine<br />
Modellauf nah me der 52-tei li gen Bal lett mu sik auf<br />
drei 180-g-Vinyls wie derauf ge legt, die André Previn<br />
<strong>19</strong>73 in Lon don mit dem Lon don Sym pho ny<br />
Orches tra pro du zier te und die bis heu te nichts<br />
ein ge büßt hat von ihrer betö ren den Far ben pracht,<br />
ihrer spie le ri schen Fri sche und ihrem dra ma ti schen<br />
Feu er. Man staunt vor allem über die sti lis ti sche<br />
Viel falt Pro kof jews, der hier stän dig die Hal tung<br />
wech selt zwi schen Klas si zi tät, Moto rik, Lyris mus<br />
und Gro tes ke. Allein für das tra gi sche Lie bes paar<br />
erfin det er mehr als 20 ver schie de ne The men, die<br />
das Werk leit mo ti visch durch zie hen. So konn te der<br />
damals 44-jäh ri ge Musik di rek tor des Lon don Sympho<br />
ny Orches tra des sen unglaub li che Spiel kul tur<br />
punkt ge nau und rhyth misch swin gend auf blü hen<br />
las sen und die Hand lung im rich ti gen Kon text präsen<br />
tie ren. Auch die Klang qua li tät der Auf nah me ist<br />
exzel lent, sodass sie selbst<br />
nach 45 Jah ren kei ne Konkur<br />
renz fürch ten muss. AC<br />
Pro kof jew: „Romeo and Juliet“,<br />
Lon don Sym pho ny Orches tra, André<br />
Pre vin (War ner)<br />
KAMMER-<br />
MUSIK<br />
Stefan Zweig Trio<br />
Üppige Schwelgerei<br />
Das Ste fan Zweig Trio ist nicht das ers te<br />
Ensem ble, das Alex an der Zem lin skys – für<br />
einen Wett be werb mit Johan nes Brahms als<br />
Jury-Mit glied ent stan de nes – Kla vier trio mit<br />
Vio li ne anstel le der ori gi nal vor ge se he nen<br />
Kla ri net te aufführt. Die se Kom bi na ti on des<br />
Opus Zem lin skys mit dem Debüt werk seines<br />
pro mi nen ten Schü lers Erich Wolf gang<br />
Korn gold hat es in sich. Voll endung und<br />
Auf bruch sind Kate go ri en, die bei de<br />
Schwel len wer ke nur in Teil as pek ten defi nieren,<br />
zumal das Ste fan Zweig Trio sie mit<br />
einer immensen Lust an der Viel falt aller<br />
nur denk ba ren Lega to-Kul tu ren zele briert.<br />
Hier deu tet nichts dar auf hin, dass Arnold<br />
Schön berg als bald die bis dahin gül ti gen<br />
Ton sys te me infra ge stel len wird. Im Gegenteil:<br />
Das Ste fan Zweig Trio ris kiert fast süffi<br />
ge Ele ganz und unver schäm te Run dun gen<br />
mit rei fem bis über rei fem Klang. Die se<br />
„luxu rie ren de Mor bi dez za“ ist gera de für<br />
das Trio des zu sei ner Ent ste hung 13-jäh rigen<br />
Korn golds ide al. DIP<br />
Korn gold: „Kla vier trio<br />
op. 1“, Zem lin sky:<br />
„Kla vier trio op. 3“,<br />
Ste fan Zweig Trio<br />
(Ars Pro duc tion)<br />
Il pomo d’oro<br />
Schönstimmiges<br />
Brüderpaar<br />
Erst nach der Wie der ent de ckung in Göt tin gen<br />
<strong>19</strong>24 wür dig te man, mit welch modern anmuten<br />
der, subtiler Iro nie Hän del die ero ti schen<br />
Ver wir run gen um den Per ser kö nig Arta xer xes<br />
ver tont hat te. Für die 1738 in Lon don wenig<br />
erfolg rei che Oper um das berühm te Lar go<br />
ori en tier te er sich an Sil vio Stam pi gli as Libretto<br />
für Gio van ni Bonon ci ni. Unter Maxim<br />
Emely any chev macht das Ori gi nal klang-<br />
Ensem ble Il pomo d’oro sei nem Namen<br />
alle Ehre. Das gel be Label hat nach Fran co<br />
Fagio lis fas zi nie ren dem Hän del-Album um den<br />
argen ti ni schen Coun ter te nor und Vivi ca<br />
Genaux in den Par ti en der so unter schied lichen<br />
Brü der Ser se und Arsa mene ein stil kundi<br />
ges und mit allen voka len Fines sen agie rendes<br />
Ensem ble arran giert. Inten siv gestal te te<br />
Rezi ta ti ve, ein jugend lich dyna mi scher Vortrag,<br />
dazu opti ma les Gespür für die Spannungsbögen<br />
von Händels Arien-Ketten machen<br />
die se Neu ein spie lung zum Ver gnü gen. DIP<br />
„Han del: Ser se“, Fran co<br />
Fagio li, Vivi ca Genaux, Inga<br />
Kal na u. a., Il pomo d’oro,<br />
Maxim Emely any chev<br />
(Deut sche Gram mo phon)<br />
ALTE<br />
MUSIK<br />
34 w w w . c r e s c e n d o . d e — Februar – <strong>März</strong> 20<strong>19</strong>