CRESCENDO 1/19 Januar-März 2019
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.
K Ü N S T L E R Auf einen Kaffee mit … FRIEDRICH ANI VON BARBARA SCHULZ FOTO: PRIVAT 12 w w w . c r e s c e n d o . d e — Februar – März 2019
Friedrich Ani (*1959) ist ein deutscher Schriftsteller, der vor allem für seine Krimis um Ermittler Tabor Süden bekannt und mehrfach ausgezeichnet wurde. Geboren in Kochel am See, ist er längst ein Münchner Urgestein, der die Stadt und ihr Licht am meisten dann liebt, wenn Ferien sind – im August. CRESCENDO: Herr Ani, wie wichtig ist Musik in Ihrem Leben? Friedrich Ani: Musik ist einer der wesentlichen Pfeiler meines Lebens. Ich hab sehr früh angefangen, selbst Musik zu machen: erst auf der Trommel, dann hab ich sehr jung Blockflöte und bald Klavier gespielt. Aber natürlich hab ich auch viel Musik gehört und schon früh Songtexte geschrieben, auf Englisch und auf Deutsch. Und weil ich gern gesungen habe und mich begleiten wollte, hab ich mir Gitarre beigebracht – obwohl alle meinten, ich könne nicht singen. Welche Musik hören Sie? Klassische Musik, Rockmusik, vor allem Folkmusik – da gibt es Phasen. Aber natürlich sind manche immer da: Bob Dylan, Bach, Rachmaninow, Schubert … Und die Singer-Songwriter-Szene, die ist schon meins – immer gewesen, Bob Dylan vor allen Dingen. Was ist mit Jazz? Selten. Es kommt vor, dass ich Jazz höre, dann gefällt er mir auch. Es kommt aber genauso oft vor, dass er mir überhaupt nicht gefällt. Er erreicht mein Herz nicht. Bach hingegen ist für mich kosmisch. Einfach ewig. Auch Schubert kann ich unendlich hören. Was macht die Musik mit Ihnen? Ohne Musik hätte ich nie angefangen, intensiv zu schreiben. Musik ist der Quell meines Schreibens. Das heißt, wenn ich Musik höre, bin ich inspiriert. Was nicht bedeutet, dass ich mich gleich hinsetze und schreibe. Musik ist wie das Wasser, das ich als Kind in den Bergen getrunken habe, direkt von der Quelle. Also reines Wasser. So ist Musik für mich reine Kunst. Und es ist großartig, was man mit Musik erreichen kann – an Gefühlen, an inneren Zuständen. Da muss man sich schon einen Wolf schreiben, um das mit Wörtern herzustellen. Musik war mein Leben lang Basis, Hilfe und Trost, auch bei der Arbeit. Ohne Musik kein Leben. Schreiben Sie, während Sie Musik hören? Unmöglich! Da mache ich ja selber Musik und versuche, meine eigenen Töne zu treffen. Die Inspiration findet also eher abstrakt statt. Ja, es ist nicht immer so, dass Hören direkt zu etwas Konkretem führt, aber es ist so, dass Musikstücke mich weiter beschäftigen, auch wenn sie zu Ende sind. Wie hören Sie? Wenn ich eine CD oder Schallplatte auflege, kann ich nur zuhören, nichts nebenbei machen. Was schwierig ist im Laufe des Lebens, weil ich viel schreibe. Dann will ich auch noch lesen, und ich kann beim Lesen keine Musik hören, das wäre total widersinnig. Also muss ich mir die Zeit gut einteilen. Verschiedene Stimmungen, verschiedene Richtungen? Klar, wobei ich schon versuche, mich der jeweiligen Musik anzupassen. Ich vermeide eher, in dunkler Stimmung dunkle Musik zu hören. Allerdings habe ich nichts dagegen, mich von der Musik verdunkeln zu lassen, auch wenn vorher alles weitgehend okay war. Es braucht viel Fantasie, um sich so spannende Geschichten auszudenken. Wichtiger ist aber, den richtigen Ton zu finden? Der eigene Sound ist das, was mich von anderen Autoren unterscheidet. Was ich schreibe, haben schon Hunderttausende vor mir ES IST GROSSARTIG, WAS MAN MIT MUSIK ERREICHEN KANN AN GEFÜHLEN UND INNEREN ZUSTÄNDEN erzählt. Seit den Griechen gibt es ohnehin keine neuen Stoffe. Ich schreibe über den Menschen in seinem Irrsinn, in seiner Verzweiflung, seiner Not, seiner Trauer. Aber ich habe lange gebraucht, bis meine Instrumente so gestimmt waren, dass ich sie spielen konnte. Und sind sie heute immer verfügbar? Leider nicht. Ich habe oft das Gefühl, dass sie vollkommen kaputt in der Garderobe liegen. Vor jedem neuen Roman: komplett zertrümmert! Ich muss sie jedes Mal erst wieder zusammenbasteln und neu stimmen, um überhaupt anfangen zu können. Ich hab 30 Romane geschrieben und mehr, aber es wird nicht besser. Ein elender Zustand? Wenn ich die erste Fassung meines Romans lese, bin ich manchmal entsetzt! Als wäre da jemand, der meine Sachen nachts heimlich umschreibt. Man kann es nicht lesen. Und so muss ich die erste Fassung neu vertonen, versprachlichen. Der berühmte erste Satz … Ja, der kommt oder kommt nicht. Wenn er nicht kommt, ist es blöd. Dann muss man warten. Musik hören? Nein, der Satz kommt aus der Stille. Würde ich Musik hören, wäre ich in der Welt der Komponisten. Ich muss aber in meine Welt kommen. Mit welchem Komponisten würden Sie sich vergleichen? Vielleicht Schostakowitsch … Warum er? Die Dramatik, das Erzählerische, das Poetische – unterschiedliche Ebenen bilden das Ganze. Da hatte ich früher den Eindruck, dass das etwas mit mir zu tun hat. Aber es fällt mir schwer, auch bei Schriftstellern – wo könnte ich andocken? Natürlich gibt es Einflüsse, klar, hoffentlich viele. Wer wäre das im Wesentlichen? Georges Simenon, Cornell Woolrich, auch Hans Fallada, Erich Maria Remarque. Und Derek Raymond, ein englischer Autor, den ich erst sehr spät entdeckt habe. Obwohl er sehr hart ist, sprachlich wie inhaltlich, ist es ergreifend, wie er erzählt, mit diesem blutenden Herzen. Da entdecke ich immer wieder Ähnlichkeiten in der Sprache, aber auch im Blick auf die Welt. Ihr nächstes Buch hat auch eine politische Komponente. Es kommen zwei syrische Kinder vor, die Thematik behandelt Polizei und Migration. Vor allem aber geht es um drei Kommissare von mir – Tabor Süden, Polonius Fischer, Jakob Franck – und eine neue Kommissarin, Fariza Nasri. Insgesamt ist es ein gesellschaftspolitischer Roman, sehr emotional mit wechselnden Stimmungen. Hat es damit zu tun, dass Sie syrische Wurzeln haben? Mein Vater war Syrer, und natürlich habe ich mich mit dem Land beschäftigt. Ich fand es wichtig, mich dazu zu äußern, aber nur als Bürger der Stadt. Ich habe keine Botschaft, nur weil ich einen syrischen Vater hatte. Aber ja, vielleicht treibt es mich mehr um. Doch eher in meinem Zimmer und in meinem Herzen als auf der Straße. ■ Friedrich Anis neues Buch „All die unbewohnten Zimmer“ erscheint im Juni 2019 bei Suhrkamp 13
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