CRESCENDO 1/19 Januar-März 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum. CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Diana Damrau, Max Richter und Wilfried Hiller. Mit Special zum Bauhaus-Jubiläum.

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O U V E R T Ü R E Anruf bei Susann Bräcklein Mädchen im Knabenchor? Warum nicht? Alles andere wäre Diskriminierung, meint Dr. Susann Bräcklein, Juristin mit Schwerpunkt Verfassungsrecht, am Telefon. Sie hat kürzlich in einer Berliner Tageszeitung gefordert, auch Mädchen in staatlichen geförderten Knabenchören aufzunehmen. CRESCENDO: Frau Dr. Bräcklein, wie kommen Sie darauf, dass Mädchen im Knabenchor auftreten sollen? Susann Bräcklein: Staatliche Knabenchöre sind exklusive Musikschulen. Es ist ein Grundrecht, dass Menschen nicht wegen ihres Geschlechts oder anderer persönlicher Merkmale, die sie nicht ändern können, benachteiligt werden, ohne dass es dafür zwingende Gründe gibt. Werden Mädchen wegen ihres Geschlechts selektiert und von der musikalischen Ausbildung, dem Repertoire und den Auftrittsmöglichkeiten, die Knabenchöre bieten, ausgeschlossen, handelt es sich um eine Diskriminierung nach Art. 3 Absatz 3 des Grundgesetzes. Was wären denn zwingende Gründe? Wenn Probleme zu lösen sind, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, so das Bundesverfassungsgericht. Das ist zum Beispiel beim Mutterschutz anerkannt; bei der Feuerwehrabgabe für Männer hingegen nicht. Was ist mit der Klangveränderung des Chors, wenn Mädchen mitsingen? Die aktuellen Forschungsergebnisse ergeben einen minimalen, subtilen Unterschied in den Ohren von Experten – leicht oberhalb der Schwelle des Zufälligen. Manche Stimmen oder Gruppen werden konsequent falsch eingeschätzt. Die Studien ergeben, dass Gesangspädagogik und Klangideal viel entscheidender für den Klang sind als das biologische Geschlecht der Kinder. Die Perspektive der Konsumenten ist auch nur eine Seite. Die kann auch mit Klischees und Stereotypen behaftet sein. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass es um die Grundrechtsverwirklichung von Kindern geht. Hierzu gehört die Teilhabe von Mädchen. Künstlerische und pädagogische Belange erfordern nicht den generellen Ausschluss. Flexible Auftritts- und Probenformate sind ohne Weiteres denkbar. Das machen viele Domchöre schon seit 30 Jahren oder länger. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Zwingend wäre der Ausschluss in Tölzer Knabenchor Bezug auf den Klang, wenn nachweisbar ist, dass Mädchen nicht singen können, dass sie nur brummen oder fiepen und den Chor verunstalten würden. Gab es für Ihren Kommentar einen direkten Auslöser? Das oberste Finanzgericht in München hat 2017 bestätigt, dass eine Freimaurerloge nicht staatlich förderungswürdig ist, weil sie grundlos Frauen ausschließt. Die Entscheidung hat einzelne Brauchtumsoder monogeschlechtliche Sportvereine, aber auch Vereine in der Chorszene aufgeschreckt. Das Phänomen Knabenchor hattte sich wohl bislang keiner unter diesem Aspekt angesehen. Für Knabenchöre in unmittelbarer staatlicher Trägerschaft gilt das Diskriminierungsverbot unmittelbar; für andere Organisationsformen mittelbar im Rahmen der Gemeinnützigkeitsprüfung. Zudem ist die Chancengleichheit von Mädchen in der musikalischen Ausbildung die „kleine Schwester“ struktureller Benachteiligungen von Frauen in der klassischen, aber auch der neuen Musik, was zum Beispiel der Anteil von Dirigentinnen und Komponistinnen belegt. Die aktuelle Studie von Christian Ahrens zu „Frauen in Berufsorchestern“ zeigt: je renommierter ein Orchester, desto geringer der Anteil von Frauen. Das gilt für die Spitzenkinderchöre genauso: je renommierter ein Knabenchor, desto weniger Mädchen. Haben Sie die teils heftigen Reaktionen überrascht? Menschen haben sich an Knabenchöre als exklusive Einrichtungen gewöhnt, auch durch deren Präsenz und ihre lange Tradition. Allerdings ist diese lange Tradition auch eng mit dem Auftrittsverbot von Frauen in der Kirchenmusik verbunden. Das gilt für den säkularen Bereich entsprechend. Viele Männerchöre sind aus beruflichen und handwerklichen Traditionen hervorgegangen, die männlich dominiert waren. Allerdings gibt es kein Sonderrecht der Kunst auf Diskriminierung. Auch heute schon werden die Knaben in der Zauberflöte von Mädchen gesungen und keiner nimmt Anstoß daran. Klaus Härtel Die Musik löst alle Rätsel des Daseins. Leo Tolstoi HINTER DER BÜHNE Roman Novitzkys erste Monografie umfasst mehr als 60 Fotos aus dem Stuttgarter Ballettsaal, der Garderobe und von Gastspielen des Stuttgarter Balletts. Sein wachsames Auge fängt Momente absoluter Präzision ein, zeigt elegante, bis in die Fingerspitzen akkurate Armbewegungen, durchgestreckte Füße und virtuoses Muskelspiel. Der in Bratislava geborene Novitzky tanzt seit 2009 als Erster Solist beim Stuttgarter Ballett, seit rund sechs Jahren begleitet er den Tanz auch hinter der Kamera. Daneben etabliert er sich auch als Choreograf, beginnend mit ersten Stücken im Rahmen des Junge Choreographen- Abends der Noverre-Gesellschaft, zuletzt beim Ballettabend „Die Fantastischen Fünf“. Der 96-seitige Bildband ist in der Edition Cantz erschienen. FOTO: PRIVAT, GEMÄLDE VON ILJA JEFIMOWITSCH REPIN (1887) 10 w w w . c r e s c e n d o . d e — Februar – März 2019

100.000 Dollar hat der Niederländer Joël Bons für seine interkulturelle Komposition Nomaden erhalten. Mit dieser Summe ist der Grawemeyer-Preis – einer der renommiertesten Preise für zeitgenössische Musik – dotiert. KLASSIK IN ZAHLEN 1,6 889 Millionen Euro sind für die Sanierung von Frankfurter Oper und Schauspiel veranschlagt – kostspieliger als die Elbphilharmonie. Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig arbeitet an der Kostensenkung. Milliarden: Die Single „Bohemian Rhapsody“ von Queen ist mit weltweit mehr als 1,6 Milliarden Streams der meist gestreamte Song des 20. Jahrhunderts und der meist gestreamte klassische Rock-Titel aller Zeiten. FOTOS: OPER FRANKFURT: EPIZENTRUM; QUEEN: UNIVERSAL MUSIC GROUP; STUART & SONS: BROOK PENFOLD 11 verschiedene Musikstücke spielt der neue Orgel-Audiomat in der Braunschweiger St. Katharinenkirche, u. a. Bach, Brahms und Reger. Für 50 Cent gibt es drei Minuten Orgelmusik. 108 21 Klaviere wollten zwei Schmuggler kürzlich aus der Schweiz nach Deutschland bringen. Beamte des Hauptzollamts Singen witterten Steuerhinterziehung der musikalischen Art und konnten dies am Zollamt Rheinheim verhindern. Tasten hat das Klavier, das Australiens letzter verbliebener Klavierbauer Stuart & Sons nun vorgestellt hat. Dieses Neun-Oktaven-Phänomen erreicht in der Welt der akustischen Klaviere bisher unerreichte Frequenzen. Ein Standardklavier hat heute 88 Tasten (etwas mehr als sieben Oktaven). 11

100.000<br />

Dollar hat der Niederländer Joël Bons für<br />

seine interkulturelle Komposition Nomaden<br />

erhalten. Mit dieser Summe ist der Grawemeyer-Preis<br />

– einer der renommiertesten<br />

Preise für zeitgenössische Musik – dotiert.<br />

KLASSIK<br />

IN ZAHLEN<br />

1,6<br />

889<br />

Millionen Euro sind für die Sanierung<br />

von Frankfurter Oper und Schauspiel<br />

veranschlagt – kostspieliger als die Elbphilharmonie.<br />

Frankfurts Kulturdezernentin<br />

Ina Hartwig arbeitet an der Kostensenkung.<br />

Milliarden: Die Single „Bohemian Rhapsody“<br />

von Queen ist mit weltweit mehr als<br />

1,6 Milliarden Streams der meist gestreamte<br />

Song des 20. Jahrhunderts und der meist gestreamte<br />

klassische Rock-Titel aller Zeiten.<br />

FOTOS: OPER FRANKFURT: EPIZENTRUM; QUEEN: UNIVERSAL MUSIC GROUP; STUART & SONS: BROOK PENFOLD<br />

11 verschiedene Musikstücke spielt der neue<br />

Orgel-Audiomat in der Braunschweiger<br />

St. Katharinenkirche, u. a. Bach, Brahms und Reger.<br />

Für 50 Cent gibt es drei Minuten Orgelmusik.<br />

108<br />

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Klaviere wollten<br />

zwei Schmuggler<br />

kürzlich aus der Schweiz nach<br />

Deutschland bringen. Beamte des<br />

Hauptzollamts Singen witterten<br />

Steuerhinterziehung der musikalischen<br />

Art und konnten dies am<br />

Zollamt Rheinheim verhindern.<br />

Tasten hat das Klavier, das Australiens letzter verbliebener Klavierbauer<br />

Stuart & Sons nun vorgestellt hat. Dieses Neun-Oktaven-Phänomen erreicht<br />

in der Welt der akustischen Klaviere bisher unerreichte Frequenzen.<br />

Ein Standardklavier hat heute 88 Tasten (etwas mehr als sieben Oktaven).<br />

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