CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018
CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.
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M U S I C A V I V A Helmut Lachenmann Peter Eötvös Pierre-Laurent Aimard FOTO: GIOVANNI DAINOTTI; MARCO BORGGREVE / DG; ASTRID ACKERMANN ABENTEUER UND PARTY Mit Helmut Lachenmann und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Höhle des Löwen My Melodies – Musik für acht Hörner und Orchester“ lautet der Titel des von der internationalen Musikwelt seit Langem erwarteten neuen Werkes des Grand Maître der Neuen Musik Helmut Lachenmann: „Ich habe eine sportliche Lust, in die Höhle des Löwen zu gehen, dort, wo sich die Menschen mit ihrem Musikverständnis geborgen und glücklich fühlen, eine Erfahrung zu schaffen und in dieser Geborgenheit ein Abenteuer in Gang zu setzen beim Hören. Ich will diesem Orchester, das wir kennen, ein neues Gesicht geben. Das ist Komponieren: aus diesen Instrumenten ein eigenes Instrument zu machen.“ Mitstreiter dieses Abenteuers sind das grandiose Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und seine acht fantastischen Hornsolisten unter der Leitung von Peter Eötvös, für die Lachenmann das umfängliche Werk im Auftrag der musica viva geschrieben hat. Das Horn ist bis heute eines der am schwersten zu spielenden Instrumente geblieben. Neben aller Spieltechnik braucht es ein ausgezeichnetes Ohr, überhaupt: beste körperliche Konstitution. Stefan Dohr, der Solohornist der Berliner Philharmoniker, die schon ganz neugierig die Vorbereitungen der Münchner Lachenmann-Premiere verfolgen, im Gespräch mit der Musikjournalistin Eva Blaskewitz: „Man muss die Töne im Ohr haben, bevor man spielt, sonst hat man überhaupt keine Chance. Man muss genau wissen, wie viel Luft brauche ich, wie muss die Lippenstellung SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS 7. & 8. Juni 2018 | 20 Uhr | Herkulessaal der Residenz | München BRticket 0800-5900 594 (gebührenfrei) | shop.br-ticket.de | sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen Tickets 12 – 38 EUR | Schüler & Studierende 8 EUR (auch im VVK) Eine Veranstaltung der musica viva des Bayerischen Rundfunks sein, und wie kann ich die Zunge verwenden, damit genau dieser Ton kommt und nicht zufälligerweise der drunter oder drüber...“ Die anspruchsvolle Blastechnik führt schon seit dem 18. Jahrhundert dazu, dass sich Hornisten auf hohe oder tiefe Partien spezialisieren. Beim hohen Horn geht es vor allem darum, die Töne sauber zu treffen; beim tiefen liegt die Schwierigkeit darin, „dass man die großen Intervalle schnell spielen kann, aber auch langsam und dass alle Töne kontrolliert geformt klingen“, so Dohr. „Wenn man viel in der Tiefe übt, verliert man ein bisschen Spannung in der Höhe. Das ist ein Unterschied wie zwischen einem 200-Meter-Läufer und einem 10-Kilometer-Läufer, der eine ist mehr Sprinter, der andere hat mehr Ausdauer.“ Vielleicht sind es gerade die Tücken des Instruments, die die Hornisten zusammenschweißen: „Hornisten sind selten Einzelgänger, wir treten ja immer mindestens zu zweit auf bei Mozart oder Haydn, und bei späteren Komponisten immer zu viert, mindestens, dann auch mal zu sechst oder zu acht, das ist dann schon fast eine Party. Hornisten sind gesellige Leute – man sagt ja so schön: Das gemeinsame Schicksal verbindet.“ Abenteuer und Party werden bei der musica viva gleich zweimal präsentiert: am 7. Juni (Uraufführung) und am 8. Juni im Herkulessaal der Residenz. Auf dem Programm stehen außerdem Lachenmanns expansive SERYNADE für Klavier mit Pierre- Laurent Aimard und der erst kürzlich zum Jahreswechsel uraufgeführte Marche fatale für Orchester. n 68 w w w . c r e s c e n d o . d e — Juni – Juli – August 2018
RÄSONANZ – STIFTERKONZERT Das Chamber Orchestra of Europe zu Gast bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks FOTO: MARCO BORGGREVE Tabea Zimmermann Der Gründungsboom der Spezialensembles war abgeklungen, als sich das Chamber Orchestra of Europe (COE) 1981 in die internationale Konzertszene einzumischen begann. Die Musikerinnen und Musiker sprachen mit Claudio Abbado, er wurde Mentor des neuen Ensembles; sie fanden Enthusiasten, die das Management leisteten, und sie einigten sich auf eine Arbeitsweise, die in keinem etablierten Berufsorchester möglich gewesen wäre: Die Proben- und Konzertphasen des Ensembles sollten eine Jahreshälfte umfassen, die andere sollte für eigene solistische und kammermusikalische Aktivitäten zur Verfügung stehen. Das COE war von Beginn an ein Ensemble von Solisten und versierten Kammermusikern, die gewohnt waren, sich in verschiedenen Formationen zusammenzutun. Konzertante Solopartien konnten sie, wenn sie wollten, aus dem Orchester heraus besetzen, sie konnten sich aber auch für die Zusammenarbeit mit renommierten Solisten entscheiden. Die Gründergeneration des COE war wohl die erste, die in ihrem Hochschulstudium nicht mehr unter Ausschluss historisch informierter Aufführungspraxis und avancierter Spieltechniken der Moderne ausgebildet wurde. Sie lernte und praktizierte beides als selbstverständlichen Teil ihres Künstlertums. Das Repertoire, das vom COE in sorgfältig durchkomponierten Programmen vorgestellt wurde, schlug von Anfang an CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE 9. Juni 2018 | 19 Uhr | Prinzregententheater | München BRticket 0800-5900 594 (gebührenfrei) | shop.br-ticket.de | sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen Tickets 12 – 38 EUR | Schüler & Studierende 8 EUR (auch im VVK) Eine Veranstaltung der musica viva des Bayerischen Rundfunks einen weiten historischen und stilistischen Bogen, der von den Concerti und Sonaten eines Vivaldi und Zelenka bis zu jungen Komponisten der Gegenwart reicht. Scherzhaft wurde einmal bemerkt, das COE sei ein Spezialensemble, dessen Spezialität darin bestehe, dass es kein Spezialensemble sei. Das Programm des Münchner räsonanz – Stifterkonzertes gehört zu den exponierten Projekten des COE in den letzten Jahren. Den Rahmen bilden zwei Werke von Elliott Carter, die gleichsam seine letzte Stilepoche einfassen. Das Zusammenfinden unabhängiger Prozesse thematisiert die Penthode für fünf Instrumentalquartette und die Erkenntnis von inneren Verbindungen zwischen kurzen, selbstständigen Episoden die Instances, eines der letzten Werke des großen amerikanischen Komponisten. Dazwischen stehen Enno Poppes Bratschenkonzert Filz („Das wärmende und das Verflochtene sind sicher gute Assoziationen“, so der Komponist) und George Benjamins Three Inventions. Für alle diese Werke sind die Urtugenden der COE-Künstler gefordert: Solisten mit anregendem Teamgeist und energischer Fähigkeit zur Selbstbehauptung in einem zu sein und mit der Unabhängigkeitserklärung zugleich eine Liebeserklärung an ihre Mitwelt abgeben zu können. Der Anspruch, den ein Programm stellt, ist das beste Kompliment an die Musiker, die es verwirklichen. n Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 69
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STIFTERKONZERT<br />
Das Chamber Orchestra of Europe zu Gast bei der<br />
musica viva des Bayerischen Rundfunks<br />
FOTO: MARCO BORGGREVE<br />
Tabea<br />
Zimmermann<br />
Der Gründungsboom der Spezialensembles war abgeklungen,<br />
als sich das Chamber Orchestra of Europe (COE)<br />
1981 in die internationale Konzertszene einzumischen<br />
begann. Die Musikerinnen und Musiker sprachen mit<br />
Claudio Abbado, er wurde Mentor des neuen Ensembles; sie fanden<br />
Enthusiasten, die das Management leisteten, und sie einigten sich auf<br />
eine Arbeitsweise, die in keinem etablierten Berufsorchester möglich<br />
gewesen wäre: Die Proben- und Konzertphasen des Ensembles sollten<br />
eine Jahreshälfte umfassen, die andere sollte für eigene solistische<br />
und kammermusikalische Aktivitäten zur Verfügung stehen.<br />
Das COE war von Beginn an ein Ensemble von Solisten und<br />
versierten Kammermusikern, die gewohnt waren, sich in verschiedenen<br />
Formationen zusammenzutun. Konzertante Solopartien konnten<br />
sie, wenn sie wollten, aus dem Orchester heraus besetzen, sie<br />
konnten sich aber auch für die Zusammenarbeit mit renommierten<br />
Solisten entscheiden. Die Gründergeneration des COE war wohl die<br />
erste, die in ihrem Hochschulstudium nicht mehr unter Ausschluss<br />
historisch informierter Aufführungspraxis und avancierter Spieltechniken<br />
der Moderne ausgebildet<br />
wurde. Sie lernte und<br />
praktizierte beides als selbstverständlichen<br />
Teil ihres Künstlertums.<br />
Das Repertoire, das vom<br />
COE in sorgfältig durchkomponierten<br />
Programmen vorgestellt<br />
wurde, schlug von Anfang an<br />
CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE<br />
9. <strong>Juni</strong> 20<strong>18</strong> | 19 Uhr | Prinzregententheater | München<br />
BRticket 0800-5900 594 (gebührenfrei) | shop.br-ticket.de |<br />
sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen<br />
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Eine Veranstaltung der musica viva des Bayerischen Rundfunks<br />
einen weiten historischen und stilistischen Bogen, der von den Concerti<br />
und Sonaten eines Vivaldi und Zelenka bis zu jungen Komponisten<br />
der Gegenwart reicht. Scherzhaft wurde einmal bemerkt, das<br />
COE sei ein Spezialensemble, dessen Spezialität darin bestehe, dass<br />
es kein Spezialensemble sei.<br />
Das Programm des Münchner räsonanz – Stifterkonzertes<br />
gehört zu den exponierten Projekten des COE in den letzten Jahren.<br />
Den Rahmen bilden zwei Werke von Elliott Carter, die gleichsam<br />
seine letzte Stilepoche einfassen. Das Zusammenfinden unabhängiger<br />
Prozesse thematisiert die Penthode für fünf Instrumentalquartette<br />
und die Erkenntnis von inneren Verbindungen zwischen kurzen,<br />
selbstständigen Episoden die Instances, eines der letzten Werke<br />
des großen amerikanischen Komponisten. Dazwischen stehen Enno<br />
Poppes Bratschenkonzert Filz („Das wärmende und das Verflochtene<br />
sind sicher gute Assoziationen“, so der Komponist) und George<br />
Benjamins Three Inventions. Für alle diese Werke sind die Urtugenden<br />
der COE-Künstler gefordert: Solisten mit anregendem Teamgeist<br />
und energischer Fähigkeit zur Selbstbehauptung in einem zu<br />
sein und mit der Unabhängigkeitserklärung<br />
zugleich eine<br />
Liebeserklärung an ihre Mitwelt<br />
abgeben zu können. Der<br />
Anspruch, den ein Programm<br />
stellt, ist das beste Kompliment<br />
an die Musiker, die es verwirklichen.<br />
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