SB_18.173NLP
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2017<br />
Abschlussbericht<br />
DVS-Forschung<br />
Nachweisführung für die<br />
Beanspruchbarkeit von<br />
hyperelastischen<br />
Klebverbindungen unter<br />
betriebsrelevanten<br />
Bedingungen
Nachweisführung für die<br />
Beanspruchbarkeit von<br />
hyperelastischen<br />
Klebverbindungen unter<br />
betriebsrelevanten<br />
Bedingungen<br />
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />
IGF-Nr.: 18.173 N<br />
DVS-Nr.: 08.097<br />
Fraunhofer-Gesellschaft e. V.<br />
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik<br />
und Angewandte Materialien<br />
Förderhinweis:<br />
Das IGF-Vorhaben Nr.: 18.173 N / DVS-Nr.: 08.097 der Forschungsvereinigung Schweißen und<br />
verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die AiF im<br />
Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen<br />
Bundestages gefördert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />
unter: http://dnb.dnb.de<br />
© 2017 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />
DVS Forschung Band 341<br />
Bestell-Nr.: 170450<br />
I<strong>SB</strong>N: 978-3-96870-340-4<br />
Kontakt:<br />
Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />
T +49 211 1591-0<br />
F +49 211 1591-200<br />
forschung@dvs-hg.de<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />
vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung 1<br />
2 Nachweisführung - Normlastfälle und elastische Klebverbindungen<br />
7<br />
2.1 Regelwerke zur Nachweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
2.2 Normlastfälle und elastische Dickschichtklebungen im Schienenfahrzeugbau<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
3 Klebstoffauswahl, Beanspruchungsarten und Festlegung der Prüfabläufe<br />
für Feuchte und Temperatur 23<br />
3.1 Klebstoffauswahl und Haftungsnachweis gemäß DVS Merkblatt<br />
1618 und DIN 6701-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
3.2 Messung der Temperatur- und Feuchtebeanspruchung in einem<br />
Wagenkasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.3 Feuchtediffusion im Klebstoff und Festlegung der Probenkonditionierung<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
3.4 Beschleunigte Alterungen nach DVS Merkblatt 1618, im Klima<br />
40 ◦ C/60% r.F. und Kombination mit mechanischer Beanspruchung 41<br />
3.4.1 Relaxationsversuch ohne Alterung . . . . . . . . . . . . 42<br />
3.4.2 Relaxationsversuch mit Alterung bei 40 ◦ C/60% r.F. . . 46<br />
3.4.3 Relaxationsversuch mit Alterung gemäß DVS 1618 . . . 48<br />
3.5 Feuchtebeanspruchung in einer Klebfuge . . . . . . . . . . . . . 52<br />
4 Messungen für hyperelastische und viskoelastische Werkstoffmodelle<br />
und für ein Bemessungskriterium 64<br />
4.1 Versuche zur Parameterermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
4.1.1 Versuchsaufbauten und Versuchsbedingungen . . . . . . 66<br />
4.1.1.1 Zugversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
4.1.1.2 Druckversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
4.1.1.3 Zugscherversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
4.1.1.4 Planarzugversuch . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />
4.1.1.5 T-Profilversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />
4.1.2 Versuchsergebnisse bei Normklima . . . . . . . . . . . . 71<br />
4.1.2.1 Ergebnisse aus den Zugversuchen . . . . . . . . 72<br />
4.1.2.2 Ergebnisse aus den Druckversuchen . . . . . . 76<br />
4.1.2.3 Ergebnisse aus den Zugscherversuchen . . . . . 77<br />
4.1.2.4 Ergebnisse aus den Planarzugversuchen . . . . 78<br />
Seite i
Inhaltsverzeichnis<br />
4.1.3 Versuchsergebnisse bei 40 ◦ C/60% rel. Feuchte . . . . . . 79<br />
4.2 Optimierung der Prüfbedingungen und der Auswertung der Messdaten<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
4.2.1 Prüfbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
4.2.2 Nullpunktskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
4.3 Messungen zur Identifikation der Modellparameter . . . . . . . 84<br />
4.3.1 Versuche bei Raumtemperatur . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
4.3.1.1 Zugversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
4.3.1.2 Druckversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
4.3.1.3 Zugscherversuche . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
4.3.1.4 Planarzugversuche . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
4.3.2 Versuche bei 40 ◦ C/60% rel. Feuchte . . . . . . . . . . . 89<br />
4.3.2.1 Zugversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
4.3.2.2 Druckversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
4.3.2.3 Zugscherversuche . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
4.4 Relaxationsversuche zur Messung der zeitabhängigen Eigenschaften<br />
für ein verbessertes Klebstoffmodell . . . . . . . . . . . . . 92<br />
4.5 Versuche an T-Profilproben zur Ableitung eines Bemessungskriteriums<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
4.6 Prüfungen mit Rissfortschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
4.6.1 Winkelprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
4.6.2 Planarzugprobe mit Rissfortschritt . . . . . . . . . . . . 98<br />
5 Werkstoffmodelle und Parameterermittlung 101<br />
5.1 Kinematik und Kinetik der Grundversuche . . . . . . . . . . . 102<br />
5.2 Ogdenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />
5.3 Modell von Arruda und Boyce . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
5.4 Das van der Waals Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
5.5 Modifiziertes statisches Werkstoffmodell . . . . . . . . . . . . . 111<br />
5.6 Anpassung der freien Parameter für die Standardmodelle . . . . 113<br />
5.6.1 Modellparameter aus den Versuchsergebnissen bei RT und<br />
bei 40 ◦ C/60% rel. Feuchte . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
5.7 Parameteridentifikation für das modifizierte Klebstoffmodell . . 132<br />
6 Bemessungskriterium für die Dimensionierung 137<br />
6.1 pq-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />
6.1.1 Bemessungskriterium – Ansatz 1 . . . . . . . . . . . . . 141<br />
6.1.2 Bemessungskriterium – Ansatz 2 . . . . . . . . . . . . . 143<br />
6.1.3 Bemessungskriterium – Ansatz 3 . . . . . . . . . . . . . 150<br />
Seite ii
Inhaltsverzeichnis<br />
6.1.4 Überprüfung des Sicherheitsfaktors S mit Hilfe von Streckungsund<br />
Druckkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162<br />
6.2 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />
6.2.1 Bewertung mit Hilfe des p-q Kriteriums . . . . . . . . . 166<br />
6.2.2 Bewertung mit dem kombinierten Streckungs- und Druckkriterium<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />
7 Konstante Last und schwingende Beanspruchung 171<br />
7.1 Kriechversuche unter konstanter Last . . . . . . . . . . . . . . 173<br />
7.2 Prüfungen unter schwingender Beanspruchung . . . . . . . . . 184<br />
7.2.1 Prüfungen bei Raumtemperatur . . . . . . . . . . . . . 185<br />
7.2.2 Prüfungen bei 40 ◦ C/60% rel. Feuchte . . . . . . . . . . 192<br />
7.2.3 Einfluss der Mittellast und Lastamplitude auf die Schwingfestigkeit<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />
7.3 Haigh-Diagramm und Haigh-Transformation . . . . . . . . . . 205<br />
7.3.1 Auswertung auf der Basis von Zugscherversuchen und<br />
Nominalspannungen bei RT . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />
7.3.2 Auswertung auf der Basis von Zugscher- und Zugversuchen<br />
mit T-Profilproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />
7.3.3 Einfluss von Temperatur und Feuchte auf die Schwingfestigkeit<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />
8 Zusammenfassung 219<br />
9 Ausblick 222<br />
10 Danksagung an den Arbeitskreis 224<br />
11 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der<br />
erzielten Ergebnisse 225<br />
12 Ergebnistransfer in die Wirtschaft 227<br />
12.1 Aktualisierter Transferplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />
12.2 Einschätzung zur Realisierbarkeit des vorgeschlagenen und aktualisierten<br />
Transferkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />
13 Veröffentlichungen 230<br />
14 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeiten 231<br />
15 Angaben über gewerbliche Schutzrechte 231<br />
Seite iii
Inhaltsverzeichnis<br />
16 Förderhinweis 231<br />
17 Literatur 233<br />
Seite iv
1 Einleitung<br />
Seit dem erstmaligen Einsatz hyperelastischer Klebstoffe für Scheibenklebungen<br />
im Automobilbau in den 1980-iger Jahren werden diese Klebstoffe auch<br />
für das Kleben von Sekundärstrukturen im Schienenfahrzeugbau und im Schiffbau<br />
verwendet. Einsatzbereich ist die (z.T. modulare) Multimaterialbauweise<br />
im Leichtbau für den gesamten Fahrzeug- und Transportmittelbau, bei der die<br />
sog. elastischen Dickschichtklebverbindungen (unabhängig von der Branche)<br />
neben dem Fügen unterschiedlicher Werkstoffe (Stahl, Aluminium, FVK, andere<br />
Kunststoffe) zusätzliche Funktionen beim Ausgleich von Wärmedehnungsunterschieden<br />
(∆α) und Toleranzen oder bei der Dichtigkeit im Hochgeschwindigkeitsbetrieb<br />
erfüllen. Geklebt wird wärmearm auf dem Grundmaterial der<br />
gefügten Komponenten oder auf beschichteten Oberflächen.<br />
Der Fahrzeug und Transportmittelbau ist geprägt durch OEM 1 , die sich einem<br />
weiten Netz von spezialisierten KMU 2 für die Zulieferung von Kleinteilen und<br />
Bauteilen bedienen. Ohne eine sichere, trotzdem einfach gestaltete und kostengünstige<br />
Methode zum Nachweis der Betriebssicherheit, die von den Lieferanten<br />
der Bauteile erwartet wird, können die Klebungen nicht umgesetzt und innovative<br />
Bauweisen nicht vermarktet werden. Mit dem Einsatz im Schienenfahrzeugund<br />
Schiffbau ergab sich die Notwendigkeit einer in Regelwerken [1] [2] [3] [4]<br />
[5] [6] [7] [8] [9] festgelegten Vorgehensweise bei der Nachweisführung für Klebverbindungen.<br />
Die Regelwerke werden in Abschnitt 2 erläutert.<br />
Essentiell für die Umsetzung einer hinreichenden Nachweisführung sind geringe<br />
Kosten und einfache Prozesse bei trotzdem hinreichender Sicherheit. Die Methoden<br />
müssen ohne großen Investitionsaufwand und ohne speziell ausgebildete<br />
Experten im Unternehmen eingesetzt werden können. Aus diesem Grund hat<br />
sich eine Vorgehensweise etabliert, bei der die Nachweisführung zweigeteilt erfolgt:<br />
Die Haftung des Klebstoffes an den Oberflächen wird für die „relevanten“<br />
Betriebsbedingungen durch einen Raupenschältest mit Alterung qualifiziert [1]<br />
[10]. Damit wird (gemäß [1] und [6]) nachgewiesen, dass nur noch kohäsives<br />
Versagen zu betrachten ist. Alle weiteren Prüfungen (Kriechen, Schwingfestigkeit<br />
etc.) werden einmal, vom Bauteil unabhängig (beim Klebstoffhersteller)<br />
durchgeführt.<br />
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass der Raupenschältest mit der<br />
Alterungsprüfung (Cataplasma) nach [1] nicht hinreichend ist, wenn es um den<br />
1 Original Equipment Manufacturer, Erstausrüster<br />
2 Kleine und mittlere Unternehmen<br />
Seite 1
1 Einleitung<br />
Nachweis gleicher Sicherheit bei neuen Anwendungsfällen geht. Aus Mangel an<br />
validierten Alternativen wurde die Alterung nach [1] kombiniert mit statischen<br />
und schwingenden mechanischen Lasten. Dies führte zu überzogen scharfen<br />
Prüfbedingungen. Hiermit ergab sich der Forschungsbedarf, das methodische<br />
Vorgehen zum Nachweis der Betriebsfähigkeit von elastischen Klebverbindungen<br />
zu überprüfen und die beschriebenen Probleme möglichst zu beheben oder<br />
zumindest zu verringern.<br />
Ziel des Projektes ist damit, eine Prüfmethode zu entwickeln und zu validieren,<br />
in der mechanische Lasten mit sinnvollen Klimabedingungen kombiniert<br />
werden können und diese über ein Bemessungskriterium in die Nachweisführung<br />
einzubringen. Zu diesem Zwecke sollte untersucht werden, wie mit Unterstützung<br />
numerischer Methoden die zu definierende Bemessungsgröße von<br />
den Prüfungen auf das Bauteil übertragen werden kann. Anforderung an die<br />
genutzte Software ist, dass sie am Markt verfügbar ist und von bauteilfertigenden<br />
KMU bzw. unterbeauftragten Ingenieurbüros genutzt werden kann, und<br />
dass die Werkstoffmodelle bereits standardmäßig implementiert sind. Die notwendigen<br />
Werkstoffkennwerte für die Berechnung sollen mit Versuchen erhalten<br />
werden können, die bereits jetzt bei den Klebstoffherstellern durchgeführt werden.<br />
Der Schienenfahrzeugbau wurde zwar als Schwerpunkt des Projektes gewählt,<br />
die entwickelten Methoden sind jedoch auch im Nutzfahrzeugbau, Schiffbau<br />
und Automobilbau verwendbar. Die Nachweisführung im Schienenfahrzeugbau<br />
muss nach den Regelwerken alle Lastfälle unter betriebsrelevanten Bedingungen<br />
berücksichtigen. Es muss eine Aussage über die mechanische Beanspruchbarkeit<br />
unter Feuchte- und Temperatureinfluss für die Betriebsdauer getroffen werden.<br />
Die mechanischen Lasten sind statisch, dynamisch und schwingend. Die mechanischen<br />
Lastfälle für den Schienenfahrzeugbau und die Nachweisführung sind<br />
für metallische Werkstoffe normativ beschrieben. Für polymere Werkstoffe (und<br />
damit für Klebverbindungen) ist nach Norm [8] zu verfahren wie folgt: „Die Abschnitte<br />
7 (Zulässige Werkstoffspannungen) und 8 (Anforderungen an Tests zum<br />
experimentellen Festigkeitsnachweis) sind speziell nur für solche (metallische)<br />
Werkstoffe anwendbar. Wenn andere (nichtmetallische) Werkstoffe verwendet<br />
werden, müssen dennoch die grundsätzlichen Prinzipien dieser Norm angewendet<br />
werden und geeignete Daten zur Beschreibung der Werkstoffeigenschaften<br />
müssen eingesetzt werden.“ ([8], Abschnitt 5.1). Diese Formulierung stellt die<br />
Anwender der Klebtechnik vor die offene Frage, welche methodische Vorgehensweise<br />
für polymere Werkstoffe und speziell für Klebverbindungen zu wählen ist,<br />
und welche Daten für die Nachweisführung relevant sind.<br />
Seite 2
Das existierende Konzept in der Schienenfahrzeugindustrie sieht, wie oben schon<br />
angedeutet, folgende Arbeitsweise vor: Die Klebverbindungen werden mit entsprechender<br />
Vorbereitung / Vorbehandlung auf metallisch blanken oder beschichteten<br />
(grundierten, lackierten) Oberflächen ausgeführt. Nach dem Stand<br />
der Technik wird ein Haftungsnachweis mit der Raupenschälprüfung nach verschiedenen<br />
Auslagerungen in demineralisiertem Wasser und Cataplasma [1] [10]<br />
geführt. Nach bestandener Prüfung wird davon ausgegangen, dass die Haftung<br />
am Fügeteil für den Betrieb nachgewiesen ist. Als Nachweis der Alterungsbeständigkeit<br />
wird in der Regel nach DVS 1618, Anlage 3, vorgegangen. In DIN<br />
54457:2007-09 findet sich auf Seite 4 der allgemeine Hinweis: „. . . Die Auswahl<br />
der Alterungsbedingungen muss sich an der Beanspruchung der späteren<br />
Bauteilklebung orientieren. Im Anhang A wird beispielhaft ein Alterungsverfahren<br />
beschrieben, das in der Praxis oft angewendet wird.“ Dieses Verfahren<br />
entspricht weitgehend den Angaben in DVS 1618, Anhang 3. Der weitere Nachweis<br />
erfolgt nach erfolgreicher Prüfung gemäß den eben zitierten Vorgaben unter<br />
der nach bestandenem Haftungstest getroffenen Annahme, dass nur noch kohäsives<br />
Versagen auftreten kann. Unter Berücksichtigung der Anforderungen aus<br />
den verschiedenen Anwendungsbereichen ist der weitere Nachweis typischerweise<br />
für einen Temperatur-/Feuchtebereich von -55 ◦ C oder -40 ◦ C bis 50 ◦ C oder<br />
70 ◦ C mit 60 bis 85% r.F. zu führen. Die DIN 6701-3 [6] nennt in Tabelle C1<br />
die Prüfbedingungen -35 ◦ C, +23 ◦ C/50% r.F. und +70 ◦ C/85% r.F. Diese Prüfbedingungen<br />
wurden aus den Maximalanforderungen abgeleitet, die in Lastenheften<br />
gestellt werden. Es wurde jedoch bisher an keiner Stelle überprüft, ob<br />
z.B. eine Kombination von +70 ◦ C mit 85% r.F. jemals oder über welche Zeiten<br />
der Betriebsdauer auftritt.<br />
Die weitere Nachweisführung wird unter den gegebenen Voraussetzungen (ohne<br />
besseres Wissen in einem pragmatischen Ansatz) aus konservativer Sicht<br />
geführt. D.h., dass z.B. Schwingfestigkeitsprüfungen bis zu 10 7 Schwingspielen<br />
bei +70 ◦ C/85% r.F. vorgenommen werden. Diese Prüfbedingung geht jedoch<br />
mit Sicherheit an der realen Belastung vorbei, weil eine Klebverbindung nicht<br />
über die gesamte Betriebsdauer diesen Bedingungen ausgesetzt ist. Experimentell<br />
führen die Prüfbedingungen häufig zu einem Versagensverhalten, das den<br />
Betriebserfahrungen und den Ergebnissen des Haftungsnachweises nach DVS<br />
1618 widerspricht, d.h., dass die experimentelle Nachweisführung verbessert<br />
werden muss.<br />
Bei der rechnerischen Nachweisführung elastischer Dickschichtklebungen werden<br />
aufgrund der relativ zu hochsteifen Klebstoffen vernachlässigbaren Spannungsüberhöhungen<br />
an den Überlappungsenden häufig Nennspannungsbetrachtungen<br />
verwendet [11] [12]. Das (postulierte) unterschiedliche Verhalten in Zug-<br />
Seite 3