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CRESCENDO 2/19 April-Mai 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Christian Thielemann, Birgit Minichmayr.

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Christian Thielemann, Birgit Minichmayr.

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20 JAHRE<br />

AUSGABE 02/20<strong>19</strong> APRIL – MAI 20<strong>19</strong><br />

WWW.<strong>CRESCENDO</strong>.DE 7,90 EURO (D/A)<br />

mit CD im Heft<br />

SCHWERPUNKT<br />

Zensur in der Musik<br />

ANNA LUCIA<br />

RICHTER<br />

„Trauer kann glücklich machen“<br />

BIRGIT MINICHMAYR<br />

SANTTU-MATIAS ROUVALI<br />

ALEXANDER KRICHEL<br />

PHILIPPE JAROUSSKY<br />

Christian<br />

Thielemann<br />

„Revolution? Ich habe lieber Bach gespielt.“<br />

ZUM 60. GEBURTSTAG: DER DIRIGENT IM INTERVIEW<br />

B47837 Jahrgang 22 / 02_20<strong>19</strong><br />

Mit Beihefter CLASS: aktuell<br />

und Themenspecial Reise & Kultur


WIR SPIELEN<br />

UNTER DIE HAUT.<br />

PARADISI GLORIA<br />

Werke von<br />

André Caplet und<br />

Heinrich Ignaz Franz Biber<br />

PERCUSSION<br />

TIME!<br />

Virtuose SchlagWERKE<br />

Fr. 5. <strong>April</strong> 20<strong>19</strong> – Herz-Jesu-Kirche München<br />

MIT DEM BR-CHOR<br />

LEITUNG: HOWARD ARMAN<br />

Mi. 10. <strong>April</strong> 20<strong>19</strong> – Prinzregententheater<br />

MIT SIMONE RUBINO – ARTIST IN RESIDENCE<br />

LEITUNG: ARIEL ZUCKERMANN<br />

Präsentiert von<br />

VOLKSLIED<br />

RELOADED<br />

mit Mulo Francel<br />

und Quadro Nuevo<br />

SPACE NIGHT<br />

IN CONCERT II<br />

Eine multimediale<br />

Reise ins All<br />

Mi. 8. <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong> – Prinzregententheater<br />

LEITUNG: ELISABETH FUCHS<br />

Präsentiert von<br />

Fr. 2. Juli 20<strong>19</strong> – Circus-Krone-Bau München<br />

MODERATION: ANDREAS BÖNTE<br />

LEITUNG: PATRICK HAHN<br />

Jetzt Tickets sichern! Kartentelefon: 0800 5900 594 • www.shop.br-ticket.de<br />

RUNDFUNKORCHESTER.DE


P R O L O G<br />

FREIHEIT ODER PFLICHT?<br />

Liebe/r Leser*In,<br />

unsere Weihnachtsfeier findet immer im Januar statt – dieser Auftakt fürs neue Jahr ist<br />

Tradition bei <strong>CRESCENDO</strong>. Ich mag diesen Abend: mit den Kollegen ratschen, auch<br />

über Themen, für die man sonst keine Zeit hat. Diesmal ging’s um „Gender-Sprache“<br />

– geschlechtsneutrale Schreibweisen, also LeserIn oder Dirigent*in – und wie wir das bei<br />

<strong>CRESCENDO</strong> halten wollen. Die Meinungen in der Redaktion reichen von „hemmt nur<br />

den Lesefluss“ über „da stehen wir als moderne Frauen drüber“ bis zu „das ist wichtig,<br />

Gleichberechtigung fängt bei der Sprache an“. Wie sehen Sie das? Schreiben Sie mir doch<br />

Ihre Meinung: an wh@crescendo.de.<br />

WINFRIED HANUSCHIK<br />

Herausgeber<br />

Sie wollen auch zwischen zwei <strong>CRESCENDO</strong> Ausgaben auf dem Laufenden sein? Dann<br />

abonnieren Sie „BRÜGGEMANNS KLASSIK-WOCHE“, den wöchentlichen Newsletter<br />

kostenfrei unter www.crescendo.de/newsletteranmeldung. Unser Kolumnist Axel<br />

Brüggemann fasst pointiert Neuigkeiten aus der Musikwelt für Sie zusammen: „Was ist?“,<br />

„Was war?“ und „Was lohnt?“. In der Szene ging das hoch wie eine Bombe und verbreitete<br />

sich explosionsartig. Neugierig geworden? Melden Sie sich an – er macht richtig Spaß!<br />

Persönlich können Sie das <strong>CRESCENDO</strong> Team bei einer unserer nächsten Veranstaltungen<br />

in der Reihe <strong>CRESCENDO</strong> LIVE treffen: am 10. <strong>April</strong> beim Konzert von Simone<br />

Rubino und am 8. <strong>Mai</strong> bei Quadro Nuevo. Mit dem <strong>CRESCENDO</strong> VIP-Paket können Sie<br />

die Künstler auch persönlich kennenlernen. Mehr auf Seite 52.<br />

Recht nah kommen Sie in dieser Ausgabe auch CHRISTIAN THIELEMANN, der am<br />

1. <strong>April</strong> seinen 60. Geburtstag feiert. Außerdem trafen wir die Sopranistin ANNA<br />

LUCIA RICHTER, den Countertenor PHILIPPE JAROUSSKY, den Struwwelpeter-<br />

Hipster-Dirigenten SANTTU-MATIAS ROUVALI und als Newcomerin die Harfenistin<br />

ANAÏS GAUDEMARD. Den Pianisten ALEXANDER KRICHEL, gerade 30 geworden,<br />

traf <strong>CRESCENDO</strong> TV in Hamburg. Das Video gibt’s auf <strong>CRESCENDO</strong>.DE und das<br />

Interview auf Seite 24.<br />

Auch zum Schwerpunkt dieser Ausgabe, „ZENSUR!“, gab es angeregte Diskussionen in<br />

der Redaktion. Zunächst waren sich alle einig: Zensur gibt es nur bei wirren Autokraten<br />

wie Erdoğan, Orban etc. und in Staaten wie China, Russland oder Nordkorea, aber doch<br />

nicht bei uns, wo Presse- und Meinungsfreiheit sogar im Grundgesetz verankert ist.<br />

Schnell war klar: doch! Zensur gibt es auch bei uns: Die Verbreitung frauenfeindlicher,<br />

rassistischer, gewaltverherrlichender, pornografischer, volksverhetzender oder anderer<br />

Diskriminierung kann richterlich untersagt werden. Quasi Zensur im Namen des<br />

Kantschen kategorischen Imperativs: Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie die<br />

Freiheit des Anderen beschneidet. Aber wo beginnt und wo endet Meinungsfreiheit? Und<br />

wer entscheidet darüber?<br />

Konkret diskutierten wir, welche Bilder wir Ihnen zumuten wollen. Das verstörende Foto<br />

des russischen Aktionskünstlers Pjotr Pawlenski, der sich den Mund zugenäht hat? Die<br />

Band Cannibal Corpse, die mit ihren grässlich blutrünstigen Album-Covern provozieren<br />

möchte? Muss man das zeigen? Soll man das zeigen? Oder eben gerade nicht? Ist das<br />

dann Zensur von unserer Seite? Wir haben uns dafür entschieden, die Bilder zumindest<br />

nicht großformatig zu zeigen. Und uns letzlich auf unser Gebiet fokussiert: die Zensur in<br />

der Musik – historisch eingeordnet und in der aktuellen Diskussion.<br />

FOTO TITEL: LOIS LAMMERHUBER<br />

Exklusiv für Käufer und Abonnenten:<br />

die <strong>CRESCENDO</strong> Premium-CD<br />

Viel Inhalt in besonders hochwertiger Ausstattung finden<br />

Sie in dieser Premium- Ausgabe: Reportagen, Porträts,<br />

Interviews, Aspekte und Hintergrundwissen aus der Welt<br />

der Klassik. Außerdem für alle Käufer und Abonnenten<br />

der Premium-Ausgabe:<br />

sechs Mal pro Jahr die <strong>CRESCENDO</strong> CD,<br />

ein exklusives Album mit Werken einiger in der<br />

aktuellen Ausgabe vorgestellter Künstler.<br />

In diesem Heft: die 77. CD der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Premium-Edition.<br />

Fehlt die CD? Dann rufen Sie uns an: 089/85 85 35 48.<br />

Doch wollten wir auch den Genuss nicht zu kurz kommen lassen: PAULA BOSCH hat<br />

wunderbar kräftige Weine aus Galicien mitgebracht, und CAMILLA TILLING hat für<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Zimtschnecken gebacken, dass uns das Wasser im Mund zusammenlief.<br />

Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen,<br />

Ihr Winfried Hanuschik<br />

www.crescendo.de — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong> 3


P R O G R A M M<br />

08<br />

STEFAN TEMMINGH<br />

Der Blockflötist und<br />

ECHO-Preisträger<br />

verrät uns seine<br />

Lieblingsaufnahmen<br />

18<br />

ANNA LUCIA<br />

RICHTER<br />

„Ich wollte immer die<br />

schönste Musik machen,<br />

ohne limitiert zu sein“<br />

36<br />

HAUSCHKA<br />

Der Düsseldorfer Pianist<br />

beschäftigt sich in seinem neuen<br />

Album „A Different Forest“ mit<br />

dem Wald als Naturraum<br />

Der neue<br />

Newsletter von<br />

<strong>CRESCENDO</strong>:<br />

Jeden Montag<br />

mehr wissen<br />

Abonnieren Sie<br />

Brüggemanns<br />

Klassik-Woche<br />

kostenlos auf<br />

www.crescendo.de<br />

Der Klassik-Newsletter,<br />

mit dem Sie jede Woche<br />

über die aktuellen<br />

Themen informiert sind.<br />

STANDARDS<br />

03 PROLOG<br />

Der Herausgeber stellt<br />

die Ausgabe vor<br />

06 BLICKFANG<br />

„Marionettentheater“ –<br />

Mozarts Zauberflöte an<br />

der Berliner Staatsoper<br />

08 OUVERTÜRE<br />

Was hört …<br />

Stefan Temmingh?<br />

Neues & Notizen<br />

Ein Anruf bei …<br />

Rainer Karlitschek,<br />

Dramaturg an der<br />

Bayerischen Staatsoper<br />

Klassik in Zahlen<br />

33 IMPRESSUM<br />

42 RÄTSEL &<br />

REAKTIONEN<br />

82 HOPE TRIFFT<br />

Katja Schaefer, die<br />

Generalsekretärin der<br />

Bayerischen Akademie<br />

der Schönen Künste<br />

KÜNSTLER<br />

12 EIN KAFFEE MIT …<br />

Birgit Minichmayr<br />

14 CHRISTIAN<br />

THIELEMANN<br />

„Die Politisierung der<br />

Kunst hat mir nie gefallen.“<br />

Großes Interview mit dem<br />

Dirigenten anlässlich<br />

seines 60. Geburtstags<br />

18 ANNA LUCIA<br />

RICHTER<br />

Die Sopranistin über<br />

Heimweh, Trauer und<br />

Geborgenheit<br />

22 PHILIPPE<br />

JAROUSSKY<br />

Musikalisches Maskenspiel<br />

des Countertenors<br />

24 ALEXANDER<br />

KRICHEL<br />

„Mein Ego musste<br />

gebrochen werden“<br />

26 SANTTU-MATIAS<br />

ROUVALI<br />

Der junge Finne dirigiert<br />

Sibelius nach seiner<br />

persönlichen Mind Map<br />

30 ANAÏS<br />

GAUDEMARD<br />

„Ich liebe es, als Solistin auf<br />

großer Bühne zu sein“<br />

HÖREN & SEHEN<br />

31 DIE WICHTIGSTEN<br />

EMPFEHLUNGEN DER<br />

REDAKTION<br />

32 ATTILAS AUSWAHL<br />

Leidenschaftliche<br />

junge Musiker<br />

35 FRIEDRICH<br />

KLEINHAPL<br />

Der Musiker mischt<br />

munter Genres und Stile<br />

jeglicher Couleur<br />

37 FELIX KLIESER<br />

Sein Kindheitstraum:<br />

Mozarts Hornkonzerte<br />

40 UNERHÖRTES &<br />

NEU ENTDECKTES<br />

Die Komponisten<br />

Arnold Rosner und Juan<br />

Crisóstomo de Arriaga<br />

4 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong><br />

FOTOS: HARALD HOFFMANN; JULIA WESELY; GREGOR HOHENBERG


Limitiertes Angebot<br />

exklusiv für <strong>CRESCENDO</strong> Leser<br />

<strong>CRESCENDO</strong> LIVE – die nächsten<br />

Termine im Münchner<br />

Prinzregententheater:<br />

10.4.<strong>19</strong>: Percussion Time!<br />

mit Perkussionist Simone Rubino<br />

8.5.<strong>19</strong>: Volkslied Reloaded<br />

mit Quadro Nuevo<br />

50<br />

SCHOSTAKOWITSCH<br />

TAGE IN GOHRISCH<br />

Die kleine Gemeinde in der<br />

Sächsischen Schweiz ist<br />

Pilgerort für Liebhaber des<br />

Komponisten<br />

54<br />

ZENSUR IN DER MUSIK<br />

Nackte Nippel beim Vorspiel<br />

zu Tannhäuser. Facebook<br />

hat das Video zensiert.<br />

Hier (noch) das Original<br />

71<br />

REISE & KULTUR<br />

Deutschland, Österreich,<br />

Ukraine: die schönsten<br />

Festivals und Musik-<br />

Arrangements im Frühling<br />

und Sommer<br />

Freuen Sie sich im Anschluss<br />

an das Konzert auf den<br />

inspirierenden Nachklang<br />

mit Klassikliebhabern und<br />

den Künstlern in der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Lounge!<br />

FOTOS: OLIVER KILLIG; WILFRIED HOESL; DER KLOSTERHOF<br />

ERLEBEN<br />

44 DIE WICHTIGSTEN<br />

TERMINE UND<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

50 EIN SYMBOL DER<br />

WAHRHEIT<br />

Die 10. Internationalen<br />

Schostakowitsch Tage in<br />

Gohrisch<br />

51 IOAN HOLENDER<br />

Reisende Bühnenbilder<br />

52 <strong>CRESCENDO</strong> LÄDT<br />

EIN ZUM KONZERT<br />

Exklusiv-Paket für Quadro<br />

Nuevo im Münchner<br />

Prinzregententheater<br />

EXKLUSIV<br />

FÜR ABONNENTEN<br />

Hören Sie die Musik zu<br />

unseren Texten auf der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD –<br />

exklusiv für Abonnenten.<br />

Infos auf den Seiten 3 & 70<br />

SCHWERPUNKT<br />

56 MACHT UND<br />

KUNSTAUSLESE<br />

Kurze Geschichte<br />

der Musikzensur<br />

58 KOMMENTAR<br />

Kulturelle Freiheit beginnt<br />

bei den Menschen<br />

60 KUNST(UN)FREI-<br />

HEIT HEUTE<br />

Der Kampf der<br />

Organisation Freemuse<br />

61 DER FALL<br />

SEREBRENNIKOW<br />

Ein Regisseur inszeniert<br />

unter Hausarrest<br />

62 SATIRE KANN DICH<br />

TÖTEN<br />

Ein Gespräch über neue<br />

politische Umfelder<br />

64 WOHER KOMMT<br />

EIGENTLICH …<br />

die Zensur?<br />

LEBENSART<br />

66 PAULA BOSCHS<br />

WEINKOLUMNE<br />

Uralte Rebstöcke und<br />

Weine mit viel Charakter<br />

in Galicien<br />

68 LIEBLINGSESSEN<br />

Zimtschnecken aus<br />

Schweden von<br />

Camilla Tilling<br />

71 REISE & KULTUR<br />

Genuss für alle Sinne:<br />

Essen und Trinken, Kunst<br />

und Architektur, Musik<br />

und Muse: die schönsten<br />

Festivals und Reisepakete<br />

von Salzburg bis Odessa<br />

81 KUNST AM COVER<br />

Farb- und Materialkunst<br />

von Georg Steidinger<br />

5<br />

Wir haben Karten der<br />

besten Kategorie für Sie:<br />

für 45 Euro, inklusive Führung<br />

hinter die Kulissen<br />

und einem Glas Sekt –<br />

garantiert ohne Anstehen<br />

Tickets und Infos auf<br />

www.crescendo.de/live<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE


O U V E R T Ü R E<br />

6 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Marionettentheater<br />

Am Ende einigte man sich im Publikum offenbar<br />

auf unentschieden – zumindest kann man den<br />

Schlussbeifall so interpretieren, in dem Zuspruch<br />

und Ablehnung doch recht heftig aufeinandertrafen.<br />

Der amerikanische Regisseur Yuval Sharon inszenierte<br />

Mozarts Zauberflöte an der Berliner Staatsoper<br />

als buntes Marionettentheater. Pamina, Tamino und<br />

Co. hängen an gelben Seilen. Ein Schauspieler – Florian<br />

Teichtmeister – gibt den Papageno und muss<br />

einige Buhs einstecken. Untadelig sauber singt<br />

Julian Prégardien den Tamino, was ihn wiederum<br />

zu einem unerreichbaren Helden<br />

macht, dem auf dem Weg zur<br />

Macht alles recht ist.<br />

7<br />

FOTO: MONIKA RITTERSHAUS


O U V E R T Ü R E<br />

Was hört ...?<br />

Stefan<br />

Temmingh<br />

Der ECHO-Preisträger verrät uns seine<br />

Lieblingsaufnahmen.<br />

Händel:<br />

Die Sonaten für<br />

Blockflöte,<br />

Stefan Temmingh<br />

und Wiebke<br />

Weidanz (Accent)<br />

1<br />

Brahms: Klavierkonzert Nr. 1,<br />

Claudio Arrau, Bernhard Haitink<br />

Als Kind habe ich diese Aufnahme rauf und runter<br />

gehört, daher kenne ich jede Note. Bis heute berührt<br />

mich diese Musik zutiefst. Den Anfang empfinde<br />

ich fast als musikalische Gewalt, aber das Klavier versucht<br />

mit seinem ersten Einsatz den gewaltsamen<br />

Ausbruch zu versöhnen. Vielleicht genau die richtige<br />

Musik, wenn die Eltern sich gerade scheiden lassen<br />

oder wenn man die Welt nicht mehr versteht.<br />

2<br />

Mendelssohn: Klavierkonzert in a-Moll,<br />

Kristian Bezuidenhout, Freiburger<br />

Barockorchester<br />

Manchmal möchte ich Musik hören und weiß nicht,<br />

was. Dann höre ich dieses Werk an und wenige Minuten<br />

später fühle ich mich frei und glücklich.<br />

3<br />

Mozart: Le Nozze di Figaro,<br />

Concerto Köln, René Jacobs<br />

Mozart muss sein. Wenn ich nur eine Aufnahme<br />

irgendwohin mitnehmen dürfte, dann wäre<br />

es diese. Diese Musik langweilt nie und jedes Mal<br />

entdecke ich etwas Neues. Die Ensembleszenen<br />

sind unfassbar genial – unbegreiflich, dass ein einzelner<br />

Mensch sich so etwas ausgedacht hat.<br />

4<br />

Miriam Makeba: <strong>19</strong>60<br />

Ich hatte nie eine Pop-Phase. Klassik hat mich<br />

immer mehr interessiert. Aber nach 20 Jahren<br />

in Deutschland brauche ich etwas (außer der Küche<br />

meiner Heimat), das mich an Südafrika erinnert. So<br />

kam ich auf Miriam Makeba. Sie singt intensiv und fein.<br />

5<br />

Vivaldi: Concerti per fagotto, Sergio Azzolini,<br />

L’Aura soave Cremona<br />

Man kann nicht immer nach Italien fahren. Aber<br />

diese Musik bringt Sonne, gutes Essen, das Meer und<br />

die Architektur Venedigs ins Wohnzimmer!<br />

Track 8 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Alla Siciliana.<br />

Aus: Sonate F-Dur HWV 369<br />

Bach-Preis<br />

Ihr einzigartiges künstlerisches Schaffen<br />

und ihr herausragender Beitrag zur zeitgenössischen<br />

Musik sind der Grund<br />

dafür, dass die Komponistin Unsuk<br />

Chin den Hamburger Bach-Preis 20<strong>19</strong><br />

erhält. Der wichtigste Musikpreis der<br />

Hansestadt ist mit 10.000 Euro dotiert<br />

und soll am 28. November 20<strong>19</strong> im Rahmen<br />

eines Konzerts in der Elbphilharmonie<br />

übergeben werden. Der Bach-<br />

Preis wird seit <strong>19</strong>50 alle vier Jahre vom<br />

Senat vergeben. Zu den bisherigen Preisträgern<br />

zählen unter anderem Paul<br />

Hindemith (<strong>19</strong>51), György Ligeti (<strong>19</strong>75),<br />

Sofia Gubaidulina (2007) und Pierre<br />

Boulez (2015).<br />

SingBach<br />

Am 28. Juni nachmittags beginnt das<br />

68. Musikfest ION mit einem Paukenschlag:<br />

Rund 250 Grundschüler aus<br />

Nürnberg bestreiten mit „SingBach“ ihr<br />

eigenes Konzert. Damit kommt die<br />

erfolgreiche Konzeption von Friedhilde<br />

Trüün erstmals nach Nürnberg. Unter<br />

dem Motto „Jeder kann singen“ studieren<br />

zahlreiche Schulklassen intensiv eine<br />

Woche lang Werke von Bach ein und<br />

präsentieren das Resultat im Konzert.<br />

Insgesamt verknüpft das Programm die<br />

Spurensuche des musikalischen Erbes<br />

mit ungewöhnlichen Herangehensweisen,<br />

neuen Ausdrucksformen und innovativen<br />

Veranstaltungsformaten. Eine<br />

Reihe festlicher Konzerte bildet zusammen<br />

mit spannenden neuen Entwicklungen<br />

ein lebendiges, generationenübergreifendes<br />

und weltoffenes Musikfest.<br />

Pavarotti im Kino<br />

Apollo 13, The Da Vinci Code oder<br />

Illuminati – für diese Blockbuster wurde<br />

der Regisseur Ron Howard nicht nur in<br />

Holly wood gefeiert. Jetzt bringt der<br />

US-amerikanische zweifache Oscar-Gewinner<br />

einen biografischen Film über<br />

Luciano Pavarotti in die Kinos. Der Film<br />

soll dem Publikum auf der ganzen Welt<br />

ab 7. Juni ein erstaunlich intimes Porträt<br />

des Opernsängers vermitteln.<br />

Konzerthaus<br />

Auf 288 Millionen Britische Pfund werden<br />

die Kosten für das neue Konzerthaus<br />

in London taxiert, das im Barbican Center<br />

entstehen soll. Die Architekten planen<br />

einen Konzertsaal mit 2000 Plätzen.<br />

Der aus Holz gestaltete Saal soll die<br />

Zuschauer in Gruppen auf der Bühne<br />

positionieren, wobei jede Gruppe nicht<br />

größer als das Orchester selbst ist.<br />

Zusätzliche Kosten werden von den<br />

Geschäftsräumen über der Haupthalle<br />

finanziert, die wiederum die Betriebskosten<br />

des Gebäudes stützen und keine<br />

öffentlichen Zuschüsse benötigen.<br />

Bach online<br />

Unter www.bachipedia.org ist die Website<br />

„Bachipedia“ nun online. Und mit<br />

ihr bis dato 120 von 220 Bachkantaten.<br />

Seit 2006 führt die Johann-Sebastian-<br />

Bach-Stiftung in St. Gallen monatlich<br />

Kantatenkonzerte durch – und stellt sie<br />

auf die Plattform. Darüber hinaus kann<br />

man das Libretto und das erklärende<br />

Beiwerk abrufen, genauso wie die ebenfalls<br />

in Ton und Bild aufgenommenen<br />

Einführungsworkshops des Dirigenten<br />

und die „Reflexionen“ zu den Kantaten.<br />

Die Bach-Stiftung stellt diese Dienstleistung<br />

kostenlos zur Verfügung und<br />

erhofft sich dadurch, ihrem Zweck, der<br />

Weitergabe von Bachs genialem Oeuvre<br />

an kommende Generationen und an eine<br />

möglichst große Öffentlichkeit, ein großes<br />

Stück nähergekommen zu sein.<br />

FOTOS: PRIVAT, SABINE VINAR, DILLER SCOFIDIO + RENFRO<br />

8 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Exklusive Musikreisen<br />

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Freuen Sie sich mit ZEIT REISEN auf die musikalischen Höhepunkte 20<strong>19</strong>!<br />

Unsere Musikexperten begrüßen Sie herzlich und haben ein spannendes<br />

Rahmenprogramm und interessante Begegnungen für Sie ausgewählt.<br />

Musikalisches Pfingsten in Berlin<br />

Seien Sie dabei, wenn Daniel Barenboim mit dem Pianisten<br />

Radu Lupu sein 50-jähriges Jubiläum als Dirigent<br />

bei den Berliner Philharmonikern feiert. Erleben Sie Sir<br />

Simon Rattle beim Dirigat von Puccinis »Manon Lescaut«<br />

an der Deutschen Oper und in der Staatsoper eine Neuproduktion<br />

des »Rigoletto« in grandioser Besetzung.<br />

Termin: 7. – 10.6.20<strong>19</strong> Preis: ab 1.690 €<br />

zeitreisen.zeit.de/berlin-pfingsten<br />

München im <strong>Mai</strong><br />

Erleben Sie Elīna Garanča in einer Gala, Sir John Eliot<br />

Gardiner am Pult des Symphonieorchesters des BR<br />

sowie das Ballett »Spartacus«. Eine waschechte Münchnerin<br />

begleitet Sie durch »ihre« Stadt, Sie hören eine<br />

Probe des Münchner Rundfunkorchesters und genießen<br />

regionale Feinschmeckerküche. Genuss mit allen Sinnen.<br />

Termin: 21. – 24.5.20<strong>19</strong> Preis: ab 1.590 €<br />

zeitreisen.zeit.de/muenchen-konzert<br />

Sommerkonzerte in Bad Kissingen<br />

Für Musikliebhaber ist der beschauliche Kurort ein<br />

höchst attraktives Ziel. Erleben Sie in den historischen<br />

Sälen drei Themenkonzerte, die Mozart, Schumann und<br />

Dvořák gewidmet sind. Interpreten sind Daniil Trifonov,<br />

Leif Ove Andsnes, Truls Mørk, Paavo Järvi und Weltklasseorchester.<br />

Unser Experte Gregor Lütje begleitet Sie.<br />

Termin: 5. – 8.7.20<strong>19</strong> Preis: ab 1.540 €<br />

zeitreisen.zeit.de/badkissingen<br />

Fotos: Holger Kettner, Paul Schirnhofer/Deutsche Grammophon, Dario Acosta<br />

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Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gern!<br />

Ihre Ansprechpartnerin: Jana Salewski<br />

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Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg


O U V E R T Ü R E<br />

Kultur ist per se niemals unpolitisch<br />

Anruf bei Rainer Karlitschek, Dramaturg der Bayerischen Staatsoper, die kürzlich bekanntgab, die<br />

bayerische Erklärung „Die Vielen“ unterschrieben zu haben.<br />

Herr Karlitschek, auch die Bayerische Staatsoper hat kürzlich<br />

die Initiative „Die Vielen“ unterzeichnet. Für oder gegen was<br />

tritt diese Initiative genau ein?<br />

Die Erklä rung „Die Vie len“ ist auf ge setzt wor den, weil sich vie le<br />

– auch kleinere – kulturelle Institutionen mit<br />

rechtspopulistischen Angriffen und Agitationen<br />

kon fron tiert sehen. Rechts po pu lis ten<br />

wollen den bundesrepublikanischen kulturellen<br />

Kon sens aufk ün di gen und sind demo kratie<br />

feind lich. Des halb bestand das Bedürf nis,<br />

dass die Kul tur in sti tu tio nen in die sem Punkt<br />

eine genaue re Hal tung her aus bil den und die se<br />

mit Pro fil in der Gesell schaft posi tio nie ren.<br />

Gibt es einen bestimmten Auslöser, der die<br />

Bayern nachziehen ließ? Die bundesweite<br />

Initiative gibt es ja seit November 2018.<br />

Als Bei spiel wer den oft die Vor gän ge beim<br />

Gost ner Hofthea ter in Nürn berg her an ge zogen.<br />

Im kon kre ten Fall kann man sehr gut<br />

nach voll zie hen, was es heißt, sich mit Rechtspo<br />

pu lis ten aus ein an der zu set zen. Sie woll ten<br />

Aktio nen des Thea ters tor pe die ren und es damit unter Druck<br />

set zen. Das ist aber nur ein Bei spiel. Es gibt meh re re Vor fäl le in<br />

Bay ern, die Anlass dafür gaben, sich klar zu posi tio nie ren. Wir<br />

wur den übri gens von den Kol le gen des Resi denz thea ters und der<br />

Kam mer spie le ange fragt und gebe ten, auch zu un ter zeich nen.<br />

Aber ist Kultur per se nicht eigentlich unpolitisch?<br />

Kul tur ist per se nie mals unpo li tisch, weil sie immer Teil der<br />

res publi ca, also Sache des Staa tes, und der Polis, also des Gemein -<br />

we sens, ist. Das ist wich tig, denn unse re gesam te Legi ti ma ti on<br />

resul tiert aus der Polis, die sich im Baye ri schen Land tag<br />

reprä sen tiert und der uns bud ge tär aus stat tet. Aber: Die<br />

Baye ri sche Staats oper ist nicht par tei po li tisch und ver tritt daher<br />

kei ne kon kre ten par tei- oder tages po li ti schen Anlie gen. Wir<br />

arbei ten auf Basis des demo kra ti schen Kon sen ses, dass es Orte<br />

für Kunst und Kul tur geben muss. Und in die sem Sin ne sind<br />

wir natür lich poli tisch!<br />

Und daraus resultiert die Pflicht, dass sich Kultur gegen<br />

Rainer Karlitschek<br />

Rechtspopulismus und dergleichen einsetzen muss?<br />

Rechts po pu lis mus agiert gegen den demo kra ti schen Kon sens und<br />

will die Demo kra tie in ihren Grund fes ten erschüt tern, indem er<br />

eine Min der hei ten mei nung für alle pro kla miert. Der berühm te<br />

Satz „Wir sind das Volk!“ wird ja heu te anders<br />

ver wen det als etwa <strong>19</strong>89. Recht po pu lis ten<br />

glau ben, auto ri tär bestim men zu kön nen, was<br />

die Wahr heit oder – in die sem Fall – was das<br />

Volk ist, was es will und wer nicht dazu ge hört.<br />

Rechts po pu lis mus ist ein fun da men ta ler<br />

Angriff auf grundlegende freiheitliche Werte<br />

etwa der Aufk lä rung. Des halb müs sen wir uns<br />

dem ent ge gen stel len. Denn genau auf die sen<br />

Wer ten basiert unse re Kul tur ar beit.<br />

Hat München in der Hinsicht eine besondere<br />

Verantwortung?<br />

Ja, und das ist in der Erklä rung so ange deu tet.<br />

Es gibt eine his to ri sche Refe renz. Das ist aber<br />

für mich per sön lich nicht das Ent schei den de.<br />

Vielmehr ist es für mich die aku te Fra ge, die<br />

sich im Hier und Jetzt stellt. Aber auch ohne<br />

unse re Geschich te müss ten wir uns als staat li che Kul tur in sti tuti<br />

on dem The ma stel len.<br />

Eine Unterzeichnung ist zunächst einmal eine Absichtserklärung.<br />

Schlägt sich das im täglichen Leben nieder? Gar im<br />

Spielplan der Staatsoper?<br />

Zunächst haben wir die se Erklä rung unter zeich net und<br />

die se Unter zeich nung öffent lich gemacht. Und prompt: Wir<br />

bekom men Reak tio nen auch aus rechts po pu lis ti scher Ecke. Das<br />

sind zwar nicht vie le – aber es gibt sie. Damit füh len wir uns<br />

auch bestä tigt, dass wir uns mit die sem The ma beschäfti gen<br />

müs sen. In der Oper bil den wir die Gesell schaft im Gan zen ab<br />

und damit auch unter schied li che Mei nun gen. Die müs sen wir<br />

akzep tie ren, ihnen aber ent ge gen tre ten, wenn sie eine Linie<br />

über schrei ten und sich anti de mo kra tisch ent wi ckeln. Dass auf<br />

unse rem Spiel plan der zeit Ernst Kren eks Oper Karl V. steht, zeigt,<br />

wie aktu ell Oper sein kann und wie sie mit künst le ri schen<br />

Mit teln zu Fra gen der Gesell schaft steht.<br />

Klaus Härtel<br />

Ich habe noch so viel<br />

Musik im Kopf. Ich habe<br />

noch nichts gesagt.<br />

Ich habe noch alles zu sagen<br />

Maurice Ravel<br />

HÄTTEN SIE’S GEWUSST?<br />

Dass der Mensch vom Affen abstammt, gilt als einigermaßen<br />

gesichert. Ob auch die Sensibilität für<br />

strukturelle Abhängigkeiten bereits in gemeinsamen<br />

Vorfahren von Affen und Menschen existiert haben<br />

könnte, hat nun ein Team der Uni Wien untersucht.<br />

Die Forscher spielten Äffchen Sequenzen aus Pieptönen<br />

vor, die mit einem tiefen Ton begannen und<br />

endeten – dazwischen fand sich eine variable Anzahl<br />

von hohen Tönen. Nachdem sie Hunderte Sequenzen gehört hatten, wurden<br />

ihnen einzeln zwei neuartige Playback-Kategorien vorgespielt: Sequenzen<br />

mit dem gleichen Aufbau wie zuvor und Sequenzen, bei denen der<br />

erste oder der letzte tiefe Ton fehlte. Es stellte sich heraus: Die Äffchen<br />

unterschieden tatsächlich zwischen den Playbacks. Sie drehten sich häufiger<br />

zum Lautsprecher, wenn sie Sequenzen mit den Abhängigkeiten hörten.<br />

FOTOS: WILFRIED HÖSL; BIBLIOTHÈQUE NATIONALE DE FRANCE,<br />

IKIWANER - EIGENES WERK, CC BY-SA 3.0<br />

10 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


2<br />

Grammys waren dem „Wagner-Bariton“<br />

Ekkehard Wlaschiha dereinst sogar verliehen<br />

worden, weil er die Partie des Alberich so unnachahmlich<br />

gab. Alberich sang er im Verlauf<br />

seiner Karriere so viele Male, dass er als<br />

„Alberich vom Dienst“ tituliert wurde. Nun ist<br />

Wlaschiha 80-jährig gestorben.<br />

KLASSIK<br />

IN ZAHLEN<br />

6<br />

350<br />

Jahre alt ist die Stradivari-Violine, die das Festival Strings<br />

Lucerne zur Verfügung gestellt bekommt. Bei dem Instrument<br />

handelt es sich um eine gut erhaltene Geige, die<br />

seit etwa <strong>19</strong>79 nicht mehr öffentlich gespielt wurde. Das<br />

neue Instrument wird durch Daniel Dodds eingeweiht.<br />

Millionen Euro stellt der Bund für kulturelle<br />

Projekte und Veranstaltungen zum 250. Geburtstag<br />

des Komponisten Ludwig van Beethoven<br />

zur Verfügung. Das Fördervolumen<br />

für einzelne Aktivitäten reicht von 20.000<br />

bis 300.000 Euro.<br />

FOTO: FABRICE UMIGLIA<br />

500<br />

98,03<br />

Sitzplätze wird das Theater<br />

Pokrovsky in Moskau bekommen,<br />

das renoviert und bespielbar gemacht<br />

werden soll. Das Theater<br />

Prozent betrug die Platzauslastung der Wiener<br />

Staatsoper in der Spielzeit 2017/18. Mit 292 Vorstellungen<br />

auf der Hauptbühne blieb das Haus auf<br />

gehört zum Bolschoi-Theater<br />

und soll dessen Kammerbühne<br />

1.000.000<br />

dem Niveau der vorherigen Saison. Der Kartenverkauf<br />

hat 35,5 Millionen Euro eingebracht,<br />

werden.<br />

Schwedische Kronen erhält die Geigerin Anne-Sophie Mutter mit dem<br />

diesjährigen Polar-Musikpreis. Die Königlich Schwedische Musikakademie<br />

bezeichnete die Musikerin in ihrer Begründung als „Königin der Violine“.<br />

Eine Million Schwedische Kronen entsprechen fast 100.000 Euro.<br />

11


K Ü N S T L E R<br />

Auf einen Kaffee mit …<br />

BIRGIT MINICHMAYR<br />

VON WALTER WEIDRINGER<br />

FOTO: REINHARD WERNER<br />

12 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Die öster rei chi sche Schau spie le rin Bir git Minich mayr (*<strong>19</strong>77) ist vor allem<br />

eines: inten siv und von unge heu rer Prä senz. Legen där ist sie in der Rol le<br />

im Weibsteufel am Münch ner Resi denz thea ter, und auch als Buhl schaft im<br />

Jeder mann bei den Salz bur ger Fest spie len über zeug te sie mit ihrer ein zig -<br />

ar ti gen Mischung aus Weib lich keit und Stär ke.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Frau Minichmayr, Sie haben gerade eine warme<br />

Ingwerlimonade bestellt. Trinken Sie auch Kaffee oder Tee?<br />

Birgit Minichmayr: Ja, einen Fünfuhr tee mit Käse brot! Beim Tee<br />

geht alles bis auf Früch te und Kräu ter. Am Mor gen trin ke ich ger ne<br />

Kaffee – zu Crois sant, But ter und Erd beer mar me la de. Nicht das<br />

gesün des te, aber mein Lieb lings früh stück. Am Sonn tag darf ’s gern<br />

ein Brunch in grö ße rer Run de sein.<br />

Wie sehr haben sich solche Gewohnheiten durch Ihre Kinder<br />

umgekrempelt?<br />

Enorm! Ich bin ein tota ler Nacht mensch, was natür lich auch mit<br />

mei nem Beruf zu tun hat, ich arbei te nachts am bes ten. Also schlief<br />

ich frü her bis elf, der Tag begann zu Stu den ten zei ten mit Red Bull<br />

und Ziga ret te. Die se Zei ten sind Gott sei Dank vor bei. Jetzt ist<br />

schon acht para die sisch! Ich neh me mir die Zeit, mit mei ner<br />

Fami lie zu früh stü cken, aber bin immer<br />

noch dank bar, wenn mein Mann mich<br />

aus schla fen lässt und er die Früh schicht<br />

über nimmt. Sicher ist, dass die<br />

Mäd chen, zwei ei ige Zwil lin ge, das Bes te<br />

sind, was ich in mei nem Leben je<br />

hin ge kriegt habe.<br />

Singen Sie ihnen etwas vor?<br />

Ja, ab und zu, aber im Moment ist<br />

Musik hö ren und Tan zen das Größ te:<br />

Abends gibt es der zeit immer Jazz, Col tra ne oder Duke Elling ton.<br />

Für tagsüber habe ich an erträg li cher Kin der mu cke „Kli-Kla-Klawit<br />

ter“ gefun den: Das lie ben sie, da wird immer abge sha ked. Wenn<br />

ich sin ge, jault die eine immer mit! Manch mal lese ich ihnen vor,<br />

aber meist nur das, was ich gera de zu arbei ten habe.<br />

Ist das Textlernen schwieriger geworden?<br />

Es ver schiebt sich auf die Zeit, in der sie schla fen. Dann wird Büro<br />

gemacht, wer den E-<strong>Mai</strong>ls beant wor tet und Text gelernt. Vie le<br />

haben gesagt: Man merkt, dass du Mut ter bist, dei ne <strong>Mai</strong>ls<br />

kom men jetzt immer erst am spä ten Abend. Aber mich stört das<br />

schwar ze Ding, das heute jeder so ganz selbst ver ständ lich da<br />

lie gen hat, obwohl auch Kin der da sind, die se stän di ge Erreich barkeit<br />

per Han dy.<br />

Sie sind ja weder auf Instagram noch Facebook vertreten …<br />

Die ses gan ze Zeug ist mir fremd. Es ist schon schlimm genug,<br />

wenn man beim Zei tung le sen online zu weit nach unten rutscht<br />

und in den Kom men ta ren auf Mist und Unflä tig kei ten stößt.<br />

Anony mes Bashing im Inter net, Mob bing in Schu len, Gazet tenjour<br />

na lis mus, eine Poli ti ker r he to rik des Unge pfleg ten, Unge bil deten:<br />

Für mich hängt das alles zusam men. Über all fehlt es an<br />

Respekt. Aber man bleibt mit sei nen sozia len und poli ti schen<br />

Ansich ten all zu oft in sei ner eige nen Bla se gefan gen.<br />

Sie wurden in Internetforen schon dafür kritisiert, nicht mehr<br />

österreichisch zu klingen.<br />

Mir war immer wich tig, mein Arbeits feld so weit wie mög lich<br />

abste cken zu kön nen. Mit mei nem Kind heits dia lekt wäre das nicht<br />

gegan gen. In Wien sagt man, ich klän ge nach Nord deutsch land,<br />

dort heißt es, ich klän ge süd deutsch. Dabei nei ge ich ein fach zur<br />

Assi mi la ti on. Zuerst ganz jung in Ber lin, dann auch in der Schweiz:<br />

Im Nu hat te ich dort einen Schwei zer Sing sang drauf – do han i di<br />

gan ze Zeit so g’sproch’n. Ich tue das nicht, weil ich mei ne Her kunft<br />

MICH STÖRT DAS SCHWAR ZE<br />

DING, DIESE STÄN DI GE<br />

ERREICH BAR KEIT PER HAN DY<br />

ver leug nen wür de, son dern weil mein Beruf enorm viel mit<br />

Sprach klang zu tun hat. In mei nem Hei mat ort Pasching in<br />

Ober ös ter reich wur de ich auch schon mal ange motzt, wie ich den<br />

„Knedl“ (Knö del) mitt ler wei le aus spre che: Das „d“ dür fe man<br />

nicht hören! Irgend wie ist mir das aber alles ziem lich wurscht.<br />

(lacht)<br />

Sie haben mit Campino und den Toten Hosen gesungen, mit<br />

Wolfgang Mitterer das Album „Sopop“ gemacht, mit Stefan<br />

Pucher das Burgtheater mit Struwwelpeter gerockt: Wie kommt<br />

es, dass für Sie als Schauspielerin die Musik eine so große Rolle<br />

spielt?<br />

Ich bekam früh Kla vier un ter richt, hab im Chor gesun gen und<br />

woll te Bal lett tän ze rin wer den. Linz hat te schon damals eine tol le<br />

alter na ti ve Musik sze ne, min des tens die Hälfte der Jungs in der<br />

Klas se spiel te in einer Band. Musik war<br />

mir immer nah. Ich tre te der zeit mit<br />

„Doro thy Par ker in Con cert“ auf, einer<br />

Lesung mit Jazz auf zwei Flü geln, mit<br />

dem groß ar ti gen Duo Chris Hop kins<br />

und Bernd Lhotz ky. Das macht mir<br />

unglaub lich viel Spaß. Aber wenn es<br />

um sel ber Musik machen gin ge, dann<br />

ver lie re ich mich im Dschun gel der<br />

Mög lich kei ten, dann sie gen Scheu und<br />

Unsi cher heit. Wenn die Din ge auf mich zukom men, hat sich das<br />

immer als der bes se re Weg für mich erwie sen.<br />

Sie brauchen sich wohl schon lange nichts mehr gefallen lassen.<br />

Stichwort #MeToo: Haben Sie sich oft wehren müssen, immer<br />

wehren können?<br />

Ich kam Gott sei Dank nie in so miss li che Extrem si tua tio nen.<br />

Ich ken ne aber den klas si schen „Her ren witz“ und die schlüpf ri gen<br />

Stamm tisch be mer kun gen gegen über Frau en sehr gut. Ich fin de,<br />

es war hoch an der Zeit zu sagen: Wir bit ten um einen ande ren<br />

Umgang. Wenn eini ge jam mern, sie wüss ten jetzt nicht mehr, wie<br />

man flir ten soll, dann fra ge ich mich, ob die das je gewusst haben.<br />

Die Ein kom mens sche re zwi schen Män nern und Frau en ist immer<br />

noch gro tesk groß, dar auf muss auch der Gesetz ge ber reagieren.<br />

Es kann nicht sein, dass das Thea ter sich Fort schritt und Frei heit<br />

auf die Fah nen schreibt und zugleich viel fach immer noch so<br />

ver krus te te, hin ter wäld le ri sche Macht struk tu ren gel ten. Doch das<br />

bricht alles gera de auf, end lich – vom Black fa cing über den<br />

eth ni schen Hin ter grund bestimm ter Rol len ganz all ge mein bis<br />

zur Wahr neh mung etwa der LGBT+-Community. Offen bar<br />

brau chen wir vor über ge hen de Erzie hungs maß nah men. Quo ten<br />

zum Bei spiel.<br />

Was hören Sie selbst?<br />

Tags über den Radio sen der Ö1! Am Abend Jazz. Und wenn ich<br />

allein bin, ver su che ich, bei neu en Alben auf dem Lau fen den zu<br />

blei ben. Dann arbei te ich mei ne Shazam-Lis te ab! [Musi k er kennungs-App,<br />

Anm.] Metal und heftigs ten Hip-Hop brau che ich<br />

weni ger, ansons ten höre ich quer durch, wenn auch eher in die<br />

Alter na ti ve-Rich tung. Das ein oder ande re Lied von Beyon cé fin de<br />

ich aber trotz dem geil. <br />

■<br />

Am 7. März lief im Kino „Kirsch blü ten & Dämo nen“ mit Bir git Minich mayr an.<br />

13


K Ü N S T L E R<br />

FOTOS: LOIS LAMMERHUBER<br />

14 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


EINER DER GRÖSSTEN DIRIGENTEN UNSERER ZEIT<br />

SUCHT NACH WAHRHAFTIGKEIT IN DER MUSIK<br />

„ICH BIN<br />

AVANTGARDE,<br />

MEIN LIEBER!“<br />

Christian Thielemann wird am 1. <strong>April</strong> 60 Jahre alt.<br />

Hier spricht er über die frühen Fehler,<br />

die Vorteile des Alters und Dinge, die er<br />

nicht mehr nötig hat.<br />

DAS GESPRÄCH FÜHRTE<br />

AXEL BRÜGGEMANN<br />

Herr Thielemann, Sie werden am 1. <strong>April</strong> 60 Jahre.<br />

Hadern Sie mit dem Alter, oder ist es mit einem Dirigenten<br />

wie mit dem Wein: Er wird besser, je älter er wird?<br />

Ein Geburtstag ist immer schön! Klar, das Dirigieren entwickelt<br />

sich, und mit der Erfahrung wird man auch besser. Das Besserwerden<br />

lässt das Alter zu einer bedeutungslosen Zahl werden.<br />

Genauso klar ist, dass wir alle sterben. Ich will auch gar nicht<br />

mehr jünger sein, weil ich die alten Fehler nicht noch einmal<br />

machen will.<br />

Was waren das für Fehler?<br />

Als junger Mensch fehlt einem der Überblick. Heute habe ich<br />

eine andere Tempo-Regie und muss nicht mehr so viel gestikulieren.<br />

Im Privaten ist das aber doch auch so: Hier macht man<br />

Fehler menschlicher Art, sieht, was auf einen zukommt, und<br />

vermeidet diese Fehler für den Rest seines Lebens.<br />

Älter zu werden bedeutet also, Fehler zu vermeiden?<br />

15


K Ü N S T L E R<br />

Jemand, der die heiße Herdplatte mit 60 Jahren noch immer<br />

anfasst, ist vielleicht nicht ganz so intelligent. Wenn man sie<br />

allerdings als Kind nicht angefasst hat, ist das auch blöde.<br />

Hat sich die Rolle der Musik in Ihrem Leben verändert, seit Sie<br />

begonnen haben, Klavier und Bratsche zu spielen?<br />

Damals gab es schon dieses Feuer, und ich glaube, dass es noch<br />

größer geworden ist. Heute kann ich es gezielter einsetzen. Ich<br />

verbrenne mich nicht mehr gleich. Früher habe ich gern gezündelt,<br />

das lasse ich heute oft bewusst bleiben, weil ich so Energie<br />

verschwenden würde, auf die ich später angewiesen bin. Ich<br />

glaube, man musiziert bewusster, wenn man älter wird. Und<br />

vielleicht genießt man es auch mehr.<br />

Sie sind mit <strong>19</strong> Jahren als<br />

Korrepetitor an die Deutsche<br />

Oper in Berlin gegangen und<br />

wurden Assistent bei Herbert<br />

von Karajan. Wie haben Sie<br />

das erlebt?<br />

Bei Karajan war alles so<br />

entspannt. Ich habe mir das viel hektischer vorgestellt. Aber<br />

schon bei der ersten persönlichen Begegnung spürte ich diese<br />

Gelassenheit, mit der er alles aus einem Orchester herausholen<br />

konnte. Bereits damals war mir klar, dass das mit dem Alter zu<br />

tun haben muss und mit der Erfahrung – Karajan war damals ja<br />

schon über 70. Diese Souveränität war auch für die Musiker<br />

greifbar. Außerdem kannte Karajan die Musiker und die Sänger,<br />

mit denen er gearbeitet hat, sehr gut. Ich kann mich an keinen<br />

Streit, an keine erregte Situation bei einer Probe mit ihm<br />

erinnern.<br />

Auch Sie arbeiten heute mit wenigen Orchestern sehr intensiv<br />

zusammen ...<br />

Das ist vielleicht eine unterbewusste Entwicklung. Am Anfang<br />

habe ich alles gemacht, was möglich war: Ich bin durch die USA<br />

gedüst und habe die großen Orchester dirigiert: in San Francisco,<br />

an der Met, in Europa in Rom, Bologna, Venedig, London – überall.<br />

Aber schon durch meine ersten festen Jobs wurde meine<br />

Anwesenheit vor Ort wichtig. Es folgte die Zusammenarbeit mit<br />

den Berliner und den Wiener Philharmonikern, das Sommerloch<br />

wurde mit Bayreuth aufgefüllt. Und so hat sich von selbst ein<br />

Gerüst aufgebaut, in dem ich mich seither bewege. Heute würde<br />

ich allerdings gern wieder mehr Neues kennenlernen, zum<br />

Beispiel nach Israel fahren. Ich freue mich, dass ich nun auch<br />

wieder nach München zum Bayerischen Rundfunk und in das<br />

Concertgebouw zurückkehren werde. Aber ich bin eben auch ein<br />

Anhänger davon, mir das private Leben nicht vollkommen aus<br />

der Hand nehmen zu lassen.<br />

Was wahrscheinlich in einem Jetset-Job wie Ihrem schwer ist.<br />

Na ja, es muss ja keiner immer alles machen. Ich habe für mich<br />

festgestellt, dass ich allmählich geistig verkümmere. Es wäre<br />

arrogant zu sagen, dass Beethoven, Wagner oder Schönberg mich<br />

unterfordern, aber auf anderen Feldern fühle ich mich durchaus<br />

unterfordert und unzufrieden. Ich hatte ja keine Zeit mehr, gute<br />

Bücher zu lesen oder schöne Ausflüge zu machen. Und ich finde,<br />

dass ich das Recht habe, diese Sehnsucht zu stillen. Ich habe keine<br />

Lust mehr auf das Warten in Konzertzimmern, auf die Proben,<br />

auf die Veranstaltung, auf Flughäfen. Natürlich kann Reisen Spaß<br />

machen, wenn man in Japan in einem schönen Ryokan liegt oder<br />

in warmen Quellen, wenn man tollen Fisch isst ... Aber man<br />

braucht auch Zeit zwischen den einzelnen Abenden. Ich genieße<br />

es heute, auch mal zwei Wochen freizuhaben, spazierenzugehen,<br />

und wenn man dann am Abend eine halbe Flasche Wein trinkt,<br />

darf es auch ruhig ein guter Burgunder sein. Nur, wer sich auch<br />

jenseits der Musik auf Dinge einlässt, kann mit neuer Inspiration<br />

vor das Orchester treten. Denn all diese Eindrücke formen sich<br />

für mich wieder in Musik um.<br />

Düsseldorf, Nürnberg, Berlin – bei Ihren ersten drei Opernstationen<br />

hatte man den Eindruck, dass Sie, entgegen der<br />

öffentlichen Meinung, immer auch für das Traditionelle, das<br />

Pathos gekämpft haben ...<br />

Pathos heißt ja „erleben“ oder „erleiden“. Da geht es nicht, wie<br />

viele glauben, um Musik mit dicker Soße. So gesehen ging es mir<br />

tatsächlich um das Wahrhaftige und Echte in der Musik. Es gibt<br />

Stellen, die genau dieses Pathos verlangen, und genauso gibt es<br />

eben Stellen, die man auf keinen Fall mit falschem Zucker-Pathos<br />

übergießen darf! Aber ist das<br />

schon eine Ideologie? Nein! Ich<br />

WER KEINE TOLERANZ HAT, INTERESSIERT bin nun einmal so. Ich habe<br />

MICH NICHT, EGAL MIT WELCHER IDEOLOGIE Knappertsbusch, Karajan und<br />

Mengelberg gehört – und dieser<br />

amalgamierte Orchesterklang,<br />

der den Mut zum Wahren,<br />

Großen und Schönen hat, der Klang, der jede Gefühlswelt<br />

durchschreiten kann, gefällt mir. Wenn andere das anders<br />

empfinden: bitte schön!<br />

Zuweilen wurden Sie als „reaktionär“, „konservativ“ oder<br />

„ewig gestrig“ beschrieben.<br />

Ach, das sind doch alles Schlagworte. Fragen Sie die Leute, die<br />

diese Schlagworte verwenden, was sie bedeuten sollen. Eine Lehre<br />

des Älterwerdens ist, dass ich nicht mehr alles kommentieren<br />

muss. Die Politisierung der Musik hat mir nie gefallen. Ich bin in<br />

einem unpolitischen Haushalt aufgewachsen ...<br />

Ihr Vater war Apotheker ...<br />

Ja, und bei uns wurde Musik nie mit Politik in Verbindung<br />

gebracht. Natürlich weiß ich, dass Musik überall als gesellschaftliches,<br />

politisches oder kapitalistisches Mittel eingesetzt wird:<br />

vom Parteitag bis zur Kaufhausmusik. Aber letztlich hat eine<br />

Beethoven-Sinfonie für mich mit Politik nichts zu tun. Ich finde,<br />

dass ich gerade in politisch aufgeladenen Zeiten als Künstler auch<br />

die Aufgabe habe, die Kunst zu entpolitisieren und den Leuten zu<br />

sagen: „Eure politische Meinung ist mir egal, wir spielen euch<br />

jetzt einfach Schumann vor.“ Ich will am Pult keine politische<br />

Interpretation der C-Dur-Sinfonie, abgesehen davon, dass ich gar<br />

nicht wüsste, wie die aussehen sollte. Das wäre doch auch<br />

vermessen!<br />

Aber Sie haben sich immer wieder als Anti-68er positioniert.<br />

Das würde ich heute so nicht mehr tun. Auch, wenn ich noch<br />

dasselbe denke, würde ich es anders formulieren. Ich habe nie<br />

eine Partei öffentlich unterstützt. Mir ging es immer um das<br />

Grundthema der Toleranz. Und so würde ich das auch heute<br />

formulieren: Wer keine Toleranz hat, interessiert mich nicht,<br />

egal mit welcher Ideologie. Das Wesentliche ist, dass mich<br />

etwas überzeugt. Das ist wie beim Essen: egal, ob es aus<br />

Timbuktu kommt oder sonstwoher. Wenn es überzeugt, mag<br />

ich es. Nicht anders verhält es sich mit einem Lohengrin: Ich<br />

frage doch nicht, woher der Sänger kommt oder was er wählt.<br />

Wenn seine Stimme passt, freue ich mich!<br />

Aber Sie haben schon Politik gemacht, als Sie Berlin und<br />

München verlassen haben, weil Sie mit der Ausstattung der<br />

Orchester unzufrieden waren.<br />

Das ist für mich keine Politik, da ging es um Arbeitsbedingungen.<br />

In Berlin hatten wir es mit einer Ungleichberechtigung der<br />

Berliner Opernhäuser zu tun. Damals sind mir 16 Musiker<br />

davongelaufen, sie haben anderswo mehr verdient. Ich finde bis<br />

heute, dass die Deutsche Oper nicht jene Mittel bekommt, die sie<br />

16 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Neuerscheinungen und Klassiker zum Geburtstag<br />

Von links nach rechts: 7. Symphonie von Anton Bruckner und Das Liebesmahl der Apostel von Richard Wagner; Messa da<br />

Requiem von Verdi; Werke von Ferruccio Busoni, Hans Pfitzner und Max Richter mit Tzimon Barto (Piano); die<br />

Romantische von Anton Bruckner; Symphonie Nr. 8 von Anton Bruckner; Konzert für Horn und Orchester von Richard Strauss<br />

(alle Alben mit der Staatskapelle Dresden und ggf. dem Sächsischen Staatsopernchor Dresden, erschienen bei Profil,<br />

Hänssler). Und das gibt’s ganz neu zum Geburtstag: eine umfangreiche und schön bebilderte Dokumentation unter dem Titel<br />

„Christian Thielemann, Dirigieren/Conducting“ (Edition Lammerhuber); wegweisende Aufnahmen für die Deutsche<br />

Grammophon in einer Box mit 21 CDs; Schumann Sinfonien mit der Staatskapelle Dresden (Sony)<br />

benötigen würde. Manchmal ist es aber auch so, dass vieles von<br />

ganz allein passiert. Wir hatten in München einen Termin, um<br />

wieder zusammenzukommen. Dann bin ich an der Staatskapelle<br />

in Dresden eingesprungen und konnte nicht ahnen, dass ich nach<br />

Bruckners Achter ein Angebot bekommen würde. Da musste ich<br />

nicht lange überlegen. Ich habe den Münchnern gesagt, dass ich<br />

keinen Termin mehr brauche, weil ich in Dresden wieder Opern<br />

dirigieren kann.<br />

Ihr Abgang von der Deutschen Oper scheint dennoch besonders<br />

zu schmerzen …<br />

Es tut mir heute noch weh, wenn ich an der Deutschen Oper<br />

vorbeifahre. Dann spüre ich einen Stich in meinem Herzen! Ich<br />

habe mich hier wohlgefühlt. Es ist ja das Haus, dem ich alles<br />

verdanke: Ich habe hier meine ersten Opern gehört, lernte<br />

Wagner kennen, wurde mit <strong>19</strong> Jahren Korrepetitor und dann<br />

Generalmusikdirektor. Das war vorher und wird auch so schnell<br />

nicht mehr passieren. Ich bin ein Berliner, habe da angefangen,<br />

und natürlich hänge ich an diesem Haus. Bis heute.<br />

Wenn Sie vor Ihrem inneren<br />

Ohr eine Beethoven-Sinfonie<br />

von Christian Thielemann vor<br />

30 Jahren hören und mit einer<br />

Aufführung von heute<br />

vergleichen – wie hat sich der<br />

Dirigent verändert?<br />

Das, was ich damals so ungeschliffen rausgehauen habe, was ich<br />

einfach gemacht habe, das habe ich inzwischen einer Sichtung<br />

unterzogen. Dabei bin ich zuweilen zu dem Ergebnis gekommen,<br />

dass einiges schon gar nicht so schlecht war. Anderes hingegen<br />

schon. Und so bediene ich mich auch heute noch manchmal<br />

eigener Versatzstücke. Und natürlich höre ich mir Kollegen an<br />

und stelle mitunter fest, dass es sich durchaus lohnen kann,<br />

anderen zuzuhören ...<br />

DIE POLITISIERUNG DER MUSIK<br />

HAT MIR NIE GEFALLEN<br />

Sie sagten einmal: „Lieber gut geklaut als schlecht erfunden.“<br />

Das ist ja auch so! Jeder Schauspieler hört sich vor seinem ersten<br />

Hamlet die legendären Hamlet-Schauspieler an und orientiert<br />

sich an den Vorbildern …<br />

Um dann alles ganz neu und anders zu machen?<br />

Nein, so einer war ich ja nie! Ich habe diese Protestphase nicht<br />

gehabt. Bin ich deshalb reaktionär? Nein, ich bin in Wahrheit<br />

weder „re“ noch „aktionär“, vielleicht bin ich einfach nur<br />

langweilig. Aber ich glaube eben, dass man nicht auf Teufel<br />

komm raus gegen alle Traditionen ankämpfen muss. Vielleicht<br />

steht das ein bisschen für meine Generation, wir sind ja so etwas<br />

wie die „verlorene Generation“ – wir haben das Revolutionäre<br />

verloren. Wir wollten kein Haus besetzen …<br />

Aber Sie wollten ein Haus besitzen?<br />

In Berlin stand an irgendeinem Haus: „Ik will och ne Villa!“ Das<br />

ist doch ein legitimer Wunsch. Ich fand es jedenfalls immer<br />

sinnlos, meine Kraft für die Revolution zu verschwenden, ich<br />

habe dann lieber ein bisschen Bach gespielt.<br />

Fühlen Sie sich manchmal wie<br />

jemand, der aus der Zeit<br />

gefallen ist?<br />

Überhaupt nicht! Ich bin ein<br />

Rollenmodell, mein Lieber! Ich<br />

bin Avantgarde! Ich finde<br />

dieses ganze Gedöns und Gelabere auch furchtbar. Ich habe keine<br />

Internetseite, ich habe keine Agentur, ich bin eine Ich-AG. Man<br />

mag das nicht modern finden, aber ich bin so ziemlich zufrieden.<br />

Herr Thielemann, wie werden Sie Ihren 60. Geburtstag feiern?<br />

Ich werde bei sehr guten Freunden abtauchen und einen Ausflug<br />

in die Salzburger Bergwelt unternehmen. Am 2. <strong>April</strong> haben wir<br />

dann Meistersinger-Sitzproben. Das ist das schönste Geschenk,<br />

dass ich nach 2006 in Wien dieses Werk bei den Osterfestspielen<br />

nun endlich wieder machen kann.<br />

n<br />

17


K Ü N S T L E R<br />

18 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


ES IST DIE SACHE DER ANDE REN,<br />

IHR BILD VON MIR ZU ÄNDERN. ICH HABE GENUG<br />

MIT DEM SIN GEN ZU TUN<br />

<strong>19</strong><br />

FOTO: JULIA WESELY


K Ü N S T L E R<br />

„ET KÜTT,<br />

WIE ET KÜTT“<br />

Anna Lucia Richter<br />

stammt aus Köln und lebt<br />

jetzt in Wien.<br />

Die Sopranistin über<br />

die Lyrik von<br />

Schubert-Liedern, ihr<br />

persönliches Heim- und<br />

Hinausweh und die<br />

Spannung, in verschiedene<br />

Rollen zu schlüpfen.<br />

VON VERENA<br />

FISCHER-ZERNIN<br />

FOTO: JULIA WESELY<br />

20 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


C<br />

DIE SUCHE NACH GEBOR GEN HEIT IST EIN<br />

GRO SSER TEIL DES HEIM WEHS<br />

RESCENDO: Sie geben einen Liederabend lang den<br />

Engel mit der glockenreinen Stimme. Und dann kehren<br />

Sie zur Zugabe die Kölnerin heraus und singen das freche Och<br />

Moder isch will en Ding han aus den Brahms’schen Volksliedern.<br />

Wer ist denn nun die echte Anna Lucia Richter?<br />

Anna Lucia Rich ter: Ich glau be, von allem etwas. In zwi schenmensch<br />

li chen Bezie hun gen ver hal ten wir uns ja auch unterschied<br />

lich in Wech sel wir kung mit dem Gegen über: Je nach dem,<br />

was ich sin ge, belich te ich unter schied li che Tei le mei ner selbst.<br />

Fühlen Sie sich „kölsch“?<br />

Das Geer de te, Prag ma ti sche, das habe ich auf jeden Fall. Et kütt,<br />

wie et kütt.<br />

Sie leben mittlerweile in Wien. Spüren Sie denn selbst manchmal<br />

dieses Heimweh, dem Sie Ihr neues Album mit Schubert-Liedern<br />

gewidmet haben?<br />

Es gibt sol che Momen te. Freun de, Fami lie, die ich ver mis se. Und<br />

wenn ich mit dem Auto über den Rhein fah re und den Dom sehe,<br />

dann weiß ich, ich bin zu Hau se. Aber ich könn te nach vier<br />

Jah ren auch Heim weh nach Wien haben.<br />

Mit dem Begriff „Heimweh“ zielen Sie ins Herz der Romantik,<br />

das ist hart am Klischee.<br />

Das Wort eröff net Asso zia ti ons räu me. Im Heim weh schwingt die<br />

Sehn sucht nach der Kind heit mit. Die ses abso lu te Auf ge ho bensein<br />

kann man nie wie der erlan gen, es nimmt immer wei ter ab.<br />

Die Suche nach Gebor gen heit ist ein gro ßer Teil des Heim wehs.<br />

Aber wenn man dann daheim ist, setzt das Fern weh ein, das<br />

Hinausweh.<br />

Im Kern geht es in den Liedern um die eine oder andere Art<br />

von Getrenntsein …<br />

… und viel um Abschied. Der Hirt auf dem Fel sen, eins der<br />

letz ten Wer ke Schu berts, ist ein gro ßer Abschied, aber der letz te<br />

Satz ist schon fast schwe re los. Er erin nert mich an die Arie Ich<br />

freue mich auf mei nen Tod von Bach. Trau er kann glück lich<br />

machen. Die ser klei ne Schmerz kann sehr befrei end sein.<br />

Kann sich auf dem kleinen Platz, den ein Lied bietet, eigentlich<br />

eine Dramaturgie entfalten?<br />

Neh men Sie den Zwerg. Das Lied nimmt unglaub lich an Fahrt<br />

auf. Jeder Cha rak ter hat eine Far be. Der ers te Ver lust dage gen ist<br />

ein klei nes Gemäl de, die Atmo sphä re ändert sich inner halb des<br />

Stü ckes nicht.<br />

Schubert war längst nicht so wählerisch mit den Gedichten wie<br />

etwa Schumann. Wie finden Sie die Qualität der Lyrik?<br />

Er hat nicht aus schließ lich Goe the und die Gro ßen ver tont,<br />

trotz dem: gar nicht so schlecht. Das ist wahr schein lich das<br />

Stock holm-Syn drom, weil man sich so inten siv damit befasst.<br />

Aber ich habe es bis lang immer nach voll zie hen kön nen, war um<br />

Schu bert einen Text aus ge wählt hat. Natür lich sind da wel che<br />

dabei, die ohne die Ver to nung nie mand mehr ken nen wür de.<br />

Eine Liedvertonung ist ja selbst schon eine Interpretation.<br />

Mich inter es siert, wie Schu bert an die Ver to nung geht. Er nimmt<br />

ein fach den Affekt, manch mal schein bar ohne Ana ly se. Das<br />

Span nen de bei ihm ist, man baut eine per sön li che Bezie hung zu<br />

den Figu ren auf.<br />

Was lieben Sie überhaupt am Lied?<br />

Oh! (holt Luft) Dass man inner halb eines Lie der abends in so vie le<br />

ver schie de ne Rol len schlüpft. Die se Gegen sät ze: Ich bin ein<br />

Toten grä ber, ein zwölfj äh ri ges Mäd chen, eine jun ge Lie ben de.<br />

Was für eine Fall hö he! Dann das Kam mer mu si ka li sche. Wir<br />

kön nen selbst bestim men, wie lan ge wir pro ben, kön nen dis kutie<br />

ren. Das ist eine gro ße Frei heit.<br />

… also das Gegenteil einer Opernproduktion. Wie viel Oper<br />

singen Sie?<br />

So ein, zwei Pro duk tio nen pro Jahr. Es ist schön, mit den Kol le gen<br />

län ger zusam men zu ar bei ten. Sechs Wochen mal an einem Ort zu<br />

sein. Auf der Büh ne zu spie len, mit Mas ke, mit der Regie etwas zu<br />

ent wi ckeln.<br />

Ihr Stimmvolumen ist nicht riesig. Kommen Sie über den<br />

Graben?<br />

Ich wür de jetzt kei nen Wag ner oder Ver di sin gen. Aber in der<br />

letzten Zeit singe ich beispielsweise oft Mahlers Wunderhorn-Lieder,<br />

das geht wun der bar, sowohl mit Hai tink als auch Cur r ent zis.<br />

Meine Stimme ist glücklicherweise sehr obertonreich und trägt gut.<br />

Ich kom me aus der Mäd chen chor-Tra di ti on. Da habe ich gelernt,<br />

sehr gera de und sehr sau ber zu sin gen. Da muss man ler nen zu<br />

unter schei den, wie viel davon ist gemacht, und wie viel gehört<br />

wirk lich zu mei ner Stim me? Mei ne Stim me gewinnt momen tan an<br />

Tie fe, die wie der anders an die Höhe ange bun den ist.<br />

Wenn die Stimme sich lebenslang verändert, ändern sich auch<br />

die Partien. Was würden Sie denn gerne mal singen?<br />

Ich woll te immer die schöns te Musik machen, ohne limi tiert zu<br />

sein. Aber das war nie aufs Reper toire bezo gen. Wobei – Susan na!<br />

Susan na möch te ich gern sin gen. Oder Che ru bi no? Mit tel la ge und<br />

Tie fe machen viel Spaß. Das wäre neu es Ter rain.<br />

Da wechseln Sie ja munter die Fächer, wenn Sie beides machen.<br />

Die ses Schub la den den ken geht mir auf die Ner ven: „Du darfst<br />

kei nen Che ru bi no sin gen, sonst wirst du nie wie der für Pami na<br />

gefragt!“ Für man che Ver an stal ter ist das natür lich ein fa cher.<br />

Frü her war es durch aus üblich, an einem Abend Car men und am<br />

nächs ten Abend eine lyri sche Mozart-Sopran-Rol le zu sin gen.<br />

Sie müssen bestimmt immer wieder Überzeugungsarbeit<br />

leisten, Sie sind ja die Inkarnation des jugendlich-lyrischen<br />

Soprans. Stört Sie das Etikett „die junge Anna Lucia Richter“?<br />

Bes ser als „die alte …“! (lacht) Durch das Reper toire ergibt sich<br />

ein Image. Vie les hat man nicht in der Hand. Wenn Sie mei ne<br />

Fotos neh men: Eines ist zehn Jah re alt, das wird stän dig gedruckt,<br />

und da sehe ich halt äthe risch drauf aus. Ich mache das, was<br />

gera de zu mir passt. Es ist die Sache der ande ren, ihr Bild von mir<br />

zu ändern. Ich habe genug mit dem Sin gen zu tun. Die Zeit, auch<br />

noch bewusst mit Haar far be und Klei dern Images zu bas teln,<br />

habe ich nicht.<br />

Schon mal Stimmkrisen gehabt?<br />

Es gibt immer wie der Momen te. Aber mei ne Ams ter da mer<br />

Leh re rin Mar greet Honig kann oft sogar am Tele fon hel fen.<br />

Dann singen Sie ins Telefon?<br />

(lacht) Das nicht. Aber, wie mal eine Sopra nis tin im Inter view<br />

gesagt hat, stel len Sie sich vor, Sie sind Gei ger. Und Sie müs sen<br />

mit Ihrer Gei ge staub saugen und abspü len. Wir Sän ger müs sen<br />

mit unse rem Instru ment eben auch noch den All tag bewäl ti gen.<br />

Da muss man sich mal gön nen zu sagen, heu te geht es mir<br />

emo tio nal eben nicht so gut. Natür lich kann man sol che Del len<br />

mit Tech nik glät ten. Aber es ist wich tig, sie sich selbst ein zuge<br />

ste hen. Je mehr man mit sei ner Stim me schimpft, des to<br />

belei dig ter ist sie.<br />

n<br />

Schubert: „Heimweh“, Anna Lucia Richter, Gerold Huber, Matthias<br />

Schorn (Pentatone)<br />

Track 3 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Lied der Mignon. Heiß mich<br />

nicht reden D 877/2<br />

21


TKI ÜT NE LS ZT EL IE LRE<br />

MUSIKALISCHER<br />

MASKENSPIELER<br />

Der Countertenor Philippe Jaroussky widmet sich auf seinem neuen Album<br />

dem italienischen Frühbarock-Komponisten Francesco Cavalli.<br />

VON DOROTHEA WALCHSHÄUSL<br />

22<br />

2018_Bildunterschrift<br />

Philippe Jarousskys Spiel mit Parodie und<br />

Ironie in der venezianischen Oper<br />

BILD CREDIT 5PT


FOTO: PARLOPHONE RECORDS LTD<br />

Philippe Jaroussky hat sich mit seiner warmen Countertenor-Stimme<br />

ganz nach oben gesungen. Auf seinem neuen Album widmet sich<br />

der 41-jährige Künstler nun dem italienischen Frühbarock-<br />

Komponisten Francesco Cavalli und fasziniert mit einer aufregenden<br />

musikalischen Maskerade. Ein Gespräch über den kreativen<br />

Klangschöpfer, neue Formen der Männlichkeit und den Karneval<br />

in Venedig.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Sie haben das Fach des Countertenors einmal<br />

als neue Form der Männlichkeit bezeichnet. Was meinen Sie<br />

damit?<br />

Phil ip pe Jarouss ky: Ich glau be tat säch lich, dass der Coun ter te nor<br />

für eine neue Form steht – oder bes ser gesagt für eine neue alte<br />

Form (lacht). Die Ein tei lung der Stim men in die weib li chen und<br />

die männ li chen Fächer ent springt<br />

ALS ICH BEGON NEN<br />

HABE ZU SIN GEN, HABE ICH MICH<br />

REGEL RECHT NACKT GEFÜHLT<br />

der roman ti schen Kate go ri sie rung.<br />

Die Kas tra ten stim me stach dabei<br />

immer als beson de re Art der Stim me<br />

her vor. Aller dings haben die<br />

Kas tra ten durch aus auch sehr star ke<br />

Cha rak te re inter pre tiert. Sie hat ten<br />

zwar hohe Stim men, aber das hat<br />

nicht bedeu tet, dass sie nicht auch männ li che Parts über nom men<br />

hät ten. Es ist sicher kein Zufall, dass nach Ende des Zwei ten<br />

Welt kriegs auf ein mal die Coun ter te nö re wie der eine Rol le<br />

spiel ten. Der Krieg war so furcht bar gewe sen, dass die Men schen<br />

die se star ren Rol len bil der des Man nes, der in den Krieg zieht,<br />

und der Frau, die sich zu Hau se um die Kin der küm mert, nicht<br />

mehr woll ten. Die Wie der ent de ckung des Coun ter te nors und<br />

über haupt der hohen Stim men in der Musik war ein Weg zu<br />

sagen: Auch Frau en kön nen stark sein und Män ner dür fen ihre<br />

sen si ble Sei te zei gen. Ein Mann kann wei nen und eine Frau kann<br />

kämpfen.<br />

Sie haben Ihre Stimme erst relativ spät als Ihr Instrument<br />

entdeckt. Wie hat sich das angefühlt?<br />

Als ich begon nen habe zu sin gen, habe ich auf ein mal eine gro ße<br />

Frei heit gespürt. Ich muss te viel weni ger kämp fen als an der<br />

Gei ge, aller dings habe ich mich am Anfang auch regel recht nackt<br />

gefühlt. Man kann sich schließ lich nicht hin ter sei nem Instrument<br />

ver ste cken. Aber ich habe hart dar an gear bei tet und eine<br />

gro ße Erfül lung im Gesang gefun den. Dabei woll te ich nie sein<br />

und sin gen wie eine Frau. Der Coun ter te nor ist ein fach die<br />

Stim me, in der ich mich zu Hau se füh le.<br />

Als Opernsänger taucht man immer wieder in neue Charaktere<br />

ein. Wie geht es Ihnen damit?<br />

Wir Opern sän ger sind manch mal fast ein biss chen zu sehr damit<br />

beschäftigt, ganz mit einer Rol le zu ver schmel zen. Für mich ist es<br />

das Wich tigs te, die Ver bin dung zur Musik zu bekom men. Die<br />

Musik soll te beein flus sen, wie ich sin ge, und nicht umge kehrt.<br />

Wenn ich eine neue Rol le ler ne, begin ne ich mit der Par ti tur und<br />

las se die Gefüh le, die die se Musik in mir aus löst, in mei ne<br />

Stim me über ge hen. Das ist ein sehr intui ti ver Pro zess und<br />

manch mal ent ste hen dabei span nen de neue Din ge: Dann<br />

bekommt eine eigent lich sehr schnel le Arie eine gewis se Süße<br />

oder eine lang sa me Arie bekommt etwas sehr Domi nan tes.<br />

Auf Ihrem neuen Album widmen Sie sich verschiedenen Arien<br />

und Duetten von Francesco Cavalli, außerdem sind reich<br />

instrumentierte Orchesterwerke zu hören. Wie sind Sie auf<br />

diesen Komponisten gestoßen?<br />

Mein ers ter Kon takt mit Barock mu sik in der Oper war Mon tever<br />

di. Kurz dar auf ent deck te ich Caval lis Musik und war von<br />

Beginn an fas zi niert von den viel fäl ti gen Klang far ben, Kon trasten<br />

und Stim mun gen. Dabei war auch die Zusam men ar beit mit<br />

Gabri el Gar ri do und René Jacobs ganz ent schei dend für mich. Bei<br />

ihnen habe ich unglaub lich viel gelernt und ent deckt, wie reich<br />

Caval lis Musik ist. Mit nur weni gen Noten schafft er wun der ba re<br />

Melo di en vol ler Charme. Die Opern von Caval li haben gro ßes<br />

dra ma ti sches Poten zi al, und mit gutem Grund wer den sie seit<br />

eini gen Jah ren an vie len Opern häu sern wie der inten siv gespielt.<br />

Die Opern von Cavalli standen vor allem zur Karnevalszeit auf<br />

den Spielplänen in Venedig. Haben Sie den venezianischen<br />

Karneval selbst schon einmal erlebt?<br />

Ich war oft in Vene dig, aber nie wäh rend des Kar ne vals. Und ich<br />

bin mir auch nicht sicher, ob er heu te noch wirk lich das repräsen<br />

tiert, was er ein mal war. Aber ich woll te auf dem Album die<br />

Kon tras te die ser Zeit zei gen. Der<br />

Kar ne val war einer seits ja ein<br />

Moment des Über flus ses und des<br />

Luxus, gleich zei tig gab es aber auch<br />

dunk le Sei ten: Schließ lich gab es<br />

damals viel Krank heit, auch hefti ge<br />

Epi de mi en wie die Pest. Umso mehr<br />

woll ten die Leu te das Leben im<br />

Moment genie ßen, weil sie nicht wuss ten, ob sie das nächs te Jahr<br />

erle ben wür den. Caval lis Musik spie gelt genau das wider. Bei de<br />

Sei ten, die hel le und die dunk le Mas ke, der Reich tum, die Armut<br />

und der Tod, fin den sich in sei nen Opern. Die ses Yin und Yang<br />

woll te ich auf dem Album haben. Der Kar ne val war jene Zeit im<br />

Jahr, in der die Men schen hin ter ihren Mas ken alle auf einer<br />

Ebe ne waren. Des we gen hat te er auch eine gro ße gesell schaft liche<br />

Bedeu tung. Die Rei chen konn ten uner kannt blei ben, die<br />

Armen waren ein biss chen weni ger arm und alle fei er ten<br />

zusam men.<br />

Cavalli war ein Schüler von Monteverdi. Wie eigenständig ist<br />

seine Musik?<br />

Erst ein mal kann man klar fest stel len: Mon te ver di hat einen Stil<br />

geschaffen. Caval li ändert die sen Stil nicht, son dern er bleibt der<br />

Schu le Mon te ver dis treu. Gleich zei tig hat unter Caval li aber eine<br />

ganz ent schei den de Ver än de rung statt ge fun den: Die ers ten<br />

öffent li chen Thea ter wur den auf ge macht! Bis lang war Oper nur<br />

etwas für die rei chen Leu te gewe sen. Caval li mach te sie nun für<br />

jeden zugäng lich, und das ist wohl auch der Grund, war um der<br />

Humor und die Komik in sei ner Musik eine so gro ße Rol le<br />

spie len. Caval li woll te nicht nur Köni ge und Fürs ten por trä tie ren,<br />

er woll te den All tag der Men schen zei gen und das Volk und<br />

des sen Leben reprä sen tie ren. In sei nen Opern kom men ver schiedens<br />

te Cha rak te re vor, und man kann die vene zia ni sche Gesellschaft<br />

förm lich spü ren. Inso fern hat Caval li den Stil von Mon tever<br />

di erst rich tig popu lär gemacht, und sei ne ein gän gi gen<br />

Melo di en könn ten manch mal fast die Pop mu sik von heu te sein.<br />

Wenn man Caval lis Opern hört, staunt man, wie frei und mutig<br />

die se Stoffe sind. Bei aller Tra gik sind sie immer auch vol ler<br />

Humor und übri gens auch sexu ell sehr frei zü gig – an einer Stel le<br />

in einem Lie bes du ett geht es unmiss ver ständ lich um Sex (lacht).<br />

Das heißt, die Musik ist fast 400 Jah re alt, aber manch mal<br />

herrscht da mehr Frei heit als in unse rer heu ti gen Zeit. Das ist<br />

unglaub lich span nend. Manch mal habe ich das Gefühl, wir<br />

wer den immer unfrei er. Eine Leh re von Caval li<br />

könn te sein: Wir soll ten viel frei er und muti ger<br />

sein, uns weni ger beschwe ren und bekla gen. n<br />

Francesco Cavalli: „Ombra mai fu“, Philippe Jaroussky (Erato)<br />

23


K Ü N S T L E R<br />

DER MAGISCHE<br />

MOMENT<br />

Der Pianist Alexander Krichel über die Schönheit seines Berufs<br />

und sein neues Album „An die ferne Geliebte“ nach dem gleichnamigen<br />

Liederzyklus von Ludwig van Beethoven. VON MARIO VOGT<br />

Der Hamburger Alexander Krichel gehört zu den<br />

beliebtesten Pianisten auf den deutschen Bühnen. Jetzt<br />

hat er ein Album veröffentlicht, das sich um die sehr selten gespielte<br />

Liszt’sche Klavierfassung von Beethovens Liederzyklus An die ferne<br />

Geliebte dreht.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Alexander, Sie haben ja schon in jungen Jahren<br />

sehr viele verschiedene Dinge parallel gemacht, alle auf einem<br />

sehr hohen Niveau. Sie waren mit 15 Jungstudent an der<br />

Musikhochschule in Hannover, haben zur selben Zeit an der<br />

Universität Kurse in Mathematik belegt und auch einen Preis<br />

Liebt die Synergie mit dem<br />

Publikum: Alexander Krichel<br />

für Fremdsprachen gewonnen. Warum haben Sie sich letztlich<br />

für die Musik entschieden?<br />

Alex an der Kri chel: Das war eine Ent schei dung zwi schen Kopf<br />

und Herz. Alles, was Sie genannt haben, habe ich sehr inten siv<br />

betrieben, insbesondere die Mathematik. Allerdings hat mich<br />

– bis auf die Musik – nichts davon emo tio nal bewegt. Ich hat te<br />

einen Deal mit mei ner Fami lie: Ich woll te unbe dingt bei dem<br />

rus si schen Pro fes sor Vla di mir Krai nev in Han no ver stu die ren.<br />

Nimmt er mich also nicht in sei ne Klas se auf, dann stu die re ich<br />

Medi zin. Zum Glück hat er mich genom men.<br />

FOTO: OLIVER MARK<br />

24 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Krainev gehört ja zu den großen<br />

russischen Pianisten und<br />

Pädagogen. Wie war denn der<br />

Unterricht bei ihm im Vergleich<br />

zum Unterricht bei Ihren<br />

vorherigen Lehrern?<br />

Meine allererste Lehrerin war<br />

Rus sin, auch mein aktu el ler<br />

Men tor, bei dem ich nach<br />

Krai nevs Tod 2011 ange fan gen<br />

habe, ist Rus se. Aller dings sind<br />

bezie hungs wei se waren das drei<br />

völ lig unter schied li che Men schen,<br />

und ich den ke, dass ich nicht nur als Pia nist, son dern auch als<br />

Mensch sehr viel von allen drei en gelernt habe. Bei Krai nev war<br />

das so, dass er mir zu Beginn – meta pho risch gespro chen – alle<br />

Kno chen gebro chen hat. Ich hat te ein sehr gesun des Ego, als ich<br />

in Han no ver mit dem Stu di um anfing. Im Nach hin ein muss ich<br />

zuge ben, dass die ses Ego gebro chen wer den muss te. Sei ne Absicht<br />

war, dass man aus der Asche wie der auf er steht. Das war genau<br />

das, was ich gebraucht habe.<br />

Ihr aktuelles Album heißt „An die ferne Geliebte“. Wie kamen<br />

Sie dazu, ein Klavieralbum mit diesem Titel aufzunehmen?<br />

Ich habe Beet ho vens gleich na mi gen Lie der zy klus in der Kla vierfas<br />

sung von Franz Liszt ent deckt, er wird so gut wie nie gespielt,<br />

obwohl er wun der schön ist. Ich woll te das Stück sehr ger ne<br />

auf neh men, und es pass te auch zu mei ner dama li gen Situa ti on, da<br />

in jener Zeit mei ne Groß mutter ver stor ben war. Mein Leben auf<br />

der Büh ne war sehr stark mit ihr ver bun den, da ich 20 Minu ten<br />

vor jedem Auftritt – wo auch immer in der Welt ich mich gera de<br />

befand – mit ihr gespro chen habe. Dadurch hat te ich über all das<br />

Das ganze Interview finden Sie live unter<br />

www.crescendo.de/kuenstler/crescendo-tv<br />

Gefühl, zu Hau se zu sein, weil ich<br />

wuss te, dass sie gera de an mich<br />

denkt. Auch bei Beet ho vens „fer ner<br />

Gelieb ten“ han delt es sich um eine<br />

Ver stor be ne, und zwar um die Frau<br />

sei nes Gön ners Joseph von<br />

Lob ko witz. Um die sen Zyklus<br />

her um habe ich das Album erstellt,<br />

auf dem ich Liszts Kla vier fas sung<br />

der Beet ho ven-Lie der mit sei ner<br />

Tran skrip ti on von Richard<br />

Wagners Isol dens Lie bes tod<br />

ver glei che. Das Haupt werk der CD<br />

sind jedoch sicher lich Schu manns Sym pho ni sche Etü den.<br />

Sehen Sie die Möglichkeit, mithilfe von Transkriptionen<br />

das gängige pianistische Repertoire zu erweitern?<br />

Ich den ke schon. Was ich aber vor allen Din gen an den Transkrip<br />

tio nen schön fin de, ist, dass der Flü gel dabei nicht so<br />

per kus siv klingt wie sonst nur all zu oft. In vie len Tran skrip tio nen<br />

sind wir Pia nis ten zugleich Sän ger und Beglei tung.<br />

Was ist für Sie das Schönste am Beruf des Konzertpianisten?<br />

Das ist natür lich der Moment auf der Büh ne, wegen der gro ßen<br />

Syn er gie, die ich mit dem Publi kum erle be. Wenn mir die Balan ce<br />

gelingt zwi schen mei nem Allein sein mit der Kunst auf der Büh ne<br />

und der Kom mu ni ka ti on mit dem Publi kum, dem ich etwas<br />

wei ter ge be, das ist ein wirk lich magi scher<br />

Moment – wenn ich das Gefühl habe, dass jetzt<br />

gera de in die sem Saal nichts ande res pas siert als<br />

das, was man dem Publi kum sagt.<br />

n<br />

„An die ferne Geliebte“, Alexander Krichel (Sony)<br />

D O P P L E R D I S C O V E R I E S<br />

ANDRÁS ADORJÁN & EMMANUEL PAHUD<br />

Unveröffentlichte Flötenkompositionen<br />

und Ersteinspielungen von Franz und Carl Doppler.<br />

D O P P L E R D I S C O V E R I E S<br />

ANDRÁS ADORJÁN & EMMANUEL PAHUD<br />

Jan Philip Schulze<br />

Arcis Hornquartett<br />

B 108104<br />

www.farao-classics.de<br />

CD im Fachhandel sowie als Download erhältlich.<br />

www.farao-classics.de<br />

Telefon 089 14330080<br />

„Spritzig, frech, farbenreich und mit viel Charme! …<br />

Ein kleines Juwel…“<br />

BR<br />

„Beste Unterhaltung auf hohem Niveau…“<br />

NDR<br />

„… Wenige Alben hört man so gerne durch wie dieses.<br />

Ein charmanter Gedanke jagt den nächsten…“<br />

WDR


26<br />

K Ü N S T L E R


ICH MACHE,<br />

WAS ICH WILL!<br />

Der junge Finne Santtu-Matias Rouvali sieht aus wie ein Hipster. Dabei<br />

liebt er das Land und die Stille. Als Chefdirigent der Göteborger<br />

Symphoniker will er das komplette sinfonische Werk seines Landsmanns<br />

Sibelius aufnehmen. Mit der 1. Sinfonie ist ein Anfang gemacht.<br />

VON ANNA NOVÁK<br />

27<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE


K Ü N S T L E R<br />

W<br />

enn er einen Arti kel über sich selbst schrei ben müss te,<br />

dann wäre der ers te Satz: „Ich bin Jäger und Fischer.“ Erst<br />

danach käme der Beruf als Diri gent, sagt Sant tu-Mati as Rou va li. Er<br />

sitzt auf einem Leder so fa in einem Ham bur ger Hotel, dun kel ro ter<br />

Swea ter, schwar zes T-Shirt, läs si ge blon de Locken. Er ist wahr scheinlich<br />

der auf re gends te jun ge Diri gent Finn lands und wirkt dabei tiefenent<br />

spannt. Als hät te er mit dem Tru bel um sei ne Per son am aller wenigs<br />

ten zu tun. Er mag es unkom pli ziert. Kein Chi chi, kei ne Allü ren.<br />

Er phi lo so phiert nicht über<br />

Musik, benutzt kei ne Bil der, wird<br />

nicht zu emotional.<br />

Da wun dert es nicht, dass<br />

sich schon das ein oder ande re Orches<br />

ter frag te: „Was macht der<br />

Skate boar der denn da vor ne?“, wenn Rou va li mit der Par ti tur unterm<br />

Arm aufs Dirigentenpult zumarschierte. Auch als cooler australischer<br />

Surferboy könnte der 33-Jährige, der seine musikalische Karriere einst<br />

als Per kus sio nist begann, rein optisch locker durch ge hen – zumin dest,<br />

bis er den Stab hebt. Denn musi ka lisch ist mit Rou va li nicht zu spaßen.<br />

Musi ka lisch hat er eine ganz kla re Vor stel lung – er will, dass die<br />

Musi ker, so beschreibt er es selbst, sein „Mind Map“ eines Stücks verstehen.<br />

Sein Spezialgebiet: Jean Sibelius.<br />

„Alle sagen, Sibe li us sei ein Natur bur sche gewe sen – dabei war<br />

er ein Dan dy und, ehr lich gesagt, ein nicht sehr net ter Mensch. Er<br />

konn te ziem lich grob sein und hat te ein Pro blem mit dem Alko hol“,<br />

erklärt der Fin ne. „Manch mal gibt es in den Par ti tu ren Gene ral pausen<br />

über vier Tak te. Man mun kelt, über die sen Noten sei Sibe li us<br />

abends ein ge schla fen, nach dem er zu viel getrun ken hat te. Ihm ist der<br />

Kopf auf die Par ti tur gefal len und am nächs ten Mor gen hat er dann<br />

ausgeschlafen genau an der Stelle weiterkomponiert …“<br />

Wenn nun schon Jean Sibe li us aber kein Natur bur sche war, dann<br />

ist es Sant tu-Mati as Rou va li umso mehr. Nicht weit von dem Ört chen,<br />

in dem der Kom po nist selbst leb te, wohnt Rou va li auf einer Farm. Die<br />

Fel der drum her um habe er an<br />

Bau ern ver pach tet, sagt er, aber<br />

ansons ten genieße er alle Vortei<br />

le des Land le bens. Vor allem<br />

die Stil le. Und den Platz. „Ehrlich<br />

gesagt, mag ich kei ne Städ te. Ich bin gern mal für einen Tag da,<br />

aber auch immer froh, wenn ich wie der gehen kann.“ Dass aber ein<br />

Musi ker wie er zu Hau se noch nicht mal Laut spre cher hat, mag man<br />

kaum glau ben. Doch Rou va li winkt ab: „Ich höre zu Hau se ein fach<br />

kei ne Musik. Die meis te Zeit ver brin ge ich in der Sau na. Das ist so<br />

eine Holz sau na, und das dau ert ziem lich lan ge, bis man sie auf ge heizt<br />

hat. Wäh rend des sen trin ke ich dann ein paar Bier. Sau nen ist ein<br />

Lifestyle.“<br />

Viel leicht nimmt er sogar mal eine Par ti tur mit zum Auf guss?<br />

Neue Stü cke jeden falls lernt er aus schließ lich mit Kla vier und Noten.<br />

Er will sein eige nes Ding machen. Das ist das, was ihn am Musik machen<br />

reizt: Er will über ra schen. „Ich mache, was ich will. Ich sche re<br />

mich nicht um Tra di tio nen.“ Des we gen tüftelt er mit den Orches tern<br />

an Klang far ben und beson ders gern an den kom ple xen Rhyth men in<br />

Sibelius’ Werk.<br />

Seit 2017 ist Santtu-Matias Rouvali Chefdirigent der Göteborger<br />

Symphoniker. Eine spannende Kombination: der finnische Wirbelwind<br />

als Kopf eines ausgesprochen traditionsreichen Klangkörpers,<br />

der gerade in der Sibelius-Interpretation jahrzehntelange Erfahrung<br />

vor wei sen kann. „Es ist span nend, die se Musik gemein sam neu zu<br />

ICH HÖRE ZU HAU SE KEI NE MUSIK. DIE MEIS TE<br />

ZEIT VER BRIN GE ICH IN DER SAU NA<br />

ICH SCHE RE MICH NICHT UM TRADITIONEN<br />

ent de cken. Das ist gar nicht so ein fach, denn die Art, wie das Orchester<br />

Sibe li us spielt, ist tief ver wur zelt. Aber die Musi ker wol len mit ziehen:<br />

Das gro ße Schiff dreht sich lang sam, aber sicher in mei ne<br />

Geschmacksrichtung.“ Rouvali lobt die Göteborger Konzerthalle, einen<br />

Bau aus den <strong>19</strong>30ern, der für eine aus ge spro chen gute Akus tik bekannt<br />

ist – und in dem auch Sibe li us selbst schon am Pult stand. Dass Rouvali<br />

seine Klangvorstellungen mit denen des Orchesters zusammenbrin<br />

gen kann und will, bewei sen er und die Göte bor ger jetzt in einer<br />

neuen Aufnahmereihe: In den<br />

kommenden Jahren wollen sie<br />

das komplette sinfonische Werk<br />

von Sibelius auf CD aufnehmen.<br />

Zu Beginn haben sie sich der 1.<br />

Sinfonie gewid met: einer Komposition<br />

voll politischer Zwischentöne, mit Naturmotiven und mit viel<br />

finnischem Kolorit. Auch unabhängig von der Verbindung zu seinem<br />

Heimatland ist die 1. Sinfonie für den fin ni schen Maes tro ein Her zensstück:<br />

„Ich mag die se Sin fo nie am liebs ten. Sibe li us war selbst noch<br />

ein jun ger Kerl, als er sie geschrie ben hat. Er hat in die sem Stück wahnsin<br />

nig viel aus pro biert – und natür lich hat nichts davon so rich tig<br />

funk tio niert. Und doch sieht man schon vie le The men, die einem in<br />

spä te ren Sin fo ni en begeg nen. Viel leicht hat te er das alles schon im<br />

Kopf.“ Dass die Skan di na vi er Sibe li us und sei nem Werk in der Interpretation<br />

instinktiv näherstünden, sei ganz natürlich.<br />

Genau deswegen findet Santtu-Matias Rouvali es spannend, Sibelius<br />

auf verschiedenen Konzertpodien in ganz Europa und auch in<br />

Ame ri ka oder Asi en zu spie len: So kann er den Zuhö rern und auch<br />

den Orchestern zeigen, wie Sibelius aus nordischer Perspektive klingen<br />

kann. Das ist wahr schein lich Rou va lis größ tes Dilem ma: Er liebt<br />

es, ver schie de ne Musi ker und Men schen mit die sen Klän gen zu konfron<br />

tie ren, aber er hasst das Rei sen. „Wenn ich unter wegs bin, mache<br />

ich nichts. Ich sit ze und den ke. Ich brau che kei nen Fern se her in den<br />

Hotels, ich schaue kei ne Fil me. Ich bin lang wei lig.“ Da muss man dem<br />

Finnen direkt widersprechen.<br />

Musi ka lisch ist er alles ande re als<br />

das, im Gegen teil. Kürz lich hat<br />

er bei den Münch ner Phil har moni<br />

kern debü tiert und beim Deutschen<br />

Sym pho nie-Orches ter Ber lin. Auf ihn war ten neben dem Sibelius-Zyklus<br />

mit den Göteborgern spannende Projekte mit dem Tampere<br />

Phil har mo nic Orches tra nahe sei ner Hei mat in Finn land, das er seit<br />

2013 als Chef lei tet. Und regel mä ßig ist er in Lon don zu erle ben, als<br />

Erster Gastdirigent des Philharmonia Orchestra. Eine Gemeinsamkeit<br />

zwi schen ihm und Jean Sibe li us, dem Kom po nis ten, der ihn so fas ziniert,<br />

ver rät Sant tu-Mati as Rou va li zum Schluss noch: „Wir ver schwinden<br />

bei de manch mal – und kei ner weiß, wo wir sind.“ In den sozia len<br />

Netz wer ken muss man den Diri gen ten jeden falls nicht suchen. „Ich<br />

weiß nicht, wie Face book funk tio niert, was soll ich da?“ Er sei eben<br />

der simp le Typ. Jemand, der sich nicht in die Zukunft träu me, son dern<br />

sehr dank bar und zufrie den im Hier und Jetzt sei. Mit unkom pli zierten<br />

Men schen um sich her um und am liebs ten mit bei den Bei nen fest<br />

auf dem Boden. Wahr schein lich also wird man Sant tu-Mati as Rou va li<br />

drau ßen fin den, auf sei nen Fel dern. Beim Jagen oder<br />

Fischen. Oder mit einem Bier in der Sau na. n<br />

Sibelius: „Symphony No. 1“, Gothenburg Symphonic Orchestra,<br />

Santtu-Matias Rouvali (Alpha);<br />

siehe auch „Empfehlungen von Attila Csampai“, Seite 32<br />

28 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


29<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE


K Ü N S T L E R<br />

Der Himmel voller Harfen<br />

Die französische Harfenistin Anaïs Gaudemard hat eine sehr innige<br />

und körperliche Beziehung zu ihrem Instrument. Und immer entfacht sie ein<br />

wahres Feuerwerk – egal, ob mit Alter und Neuer Musik.<br />

VON STEFAN SELL<br />

FOTO: NICOLAS MIGNANI<br />

Mit einem Gewicht von 39 Kilo, einer Höhe von<br />

1,85 Metern, 47 Saiten, 7 Pedalen und einer Zugkraft<br />

von bis zu 2 Tonnen ist die Harfe ein Schwergewicht.<br />

Obwohl sie ein biblisches Instrument ist – weiß<br />

Gott, sie ist älter als die Bibel selbst –, ist sie in ihrer heutigen Form<br />

eines der jüngsten Soloinstrumente im Konzertsaal. Mit Anaïs Gaudemard<br />

leuchtet ihr ein neuer Stern. Hatte die himmlische Harfe bisher<br />

Töne verborgen – Anaïs Gaudemard lockt sie hervor. Sie zählt<br />

jetzt schon zu den besten und gefragtesten Harfenistinnen der Welt.<br />

„Ich bin von der Harfe richtig begeistert!“, schwärmt die Französin.<br />

„Ich will ihr Klangspektrum erweitern wie auch ihr Repertoire.<br />

Ich spüre die Vibrationen, ihren Klang in meinem Körper. Dieser<br />

intime Kontakt ist der Grund, weshalb ich die Harfe gewählt habe.“<br />

Gaudemard scheut keine Herausforderungen, sei es bezüglich des<br />

Schwierigkeitsgrads oder der Divergenz ihres Repertoires. „Wir müssen<br />

uns verschiedenen Stilen nähern, da wir keine markanten Schaffensperioden<br />

haben, auf die wir uns spezialisieren können.“<br />

So arbeitet sie mit zeitgenössischen Komponisten wie Camille<br />

Pépin, Tristan Murail und Philippe Hersant zusammen, dessen Werk<br />

Bamyan als letzter Track auf ihrer Solo-CD eine Offenbarung ist. Die<br />

Harfe imaginiert hier ein verschwundenes Afghanistan: Klänge orientaler<br />

Ornamentik wie von Tambur, Tabla, Glockentönen, Klavier oder<br />

Gitarre – Gaudemard parliert bravourös in allen Farbnuancen.<br />

Mit acht Jahren begann sie, keltische Harfe zu spielen, die kleiner<br />

ist und weniger Saiten hat. Bereits mit elf zupfte sie die Doppelpedalharfe.<br />

Mit 20 erhielt die heute 27-Jährige den ersten Preis des<br />

„Internationalen Harfenwettbewerbs“ in Israel und ist für die aktuelle<br />

Saison 2018/<strong>19</strong> als „ECHO Rising Star“ ausgelobt. Das bedeutet: Weltweit<br />

bieten ihr die großen Konzerthäuser und Orchester ein Podium.<br />

Auch Carl Philipp Emmanuel Bach steht auf ihrem Programm. „Ich<br />

liebe dieses Solo für die Harfe von Bach sehr! Es ist tatsächlich das<br />

einzige Stück der Bachfamilie für Soloharfe – ein wunderschönes<br />

Geschenk und wahrscheinlich das erste Werk für Soloharfe.“<br />

Newcomer<br />

AnaÏs<br />

Gaudemard<br />

Eine ganz eigene Besonderheit hält Murray Schafers<br />

The Crown of Ariadne bereit: Neben der Harfe muss ein ganzes<br />

Schlagwerk bedient werden: „Ja, ich habe das Stück gespielt<br />

und damals in Israel neben dem anderen Preis 2012 den ‚Spezialpreis<br />

für die beste Interpretation‘ dafür bekommen. Ein sehr guter<br />

Freund hat mir geholfen, Percussion zu lernen. Man hat einen Tisch<br />

zur Rechten und einen zur Linken, eine Menge Schlaginstrumente<br />

und muss beides gleichzeitig spielen. Dieses Stück werde ich auf<br />

jeden Fall auch für CD einspielen.“<br />

Und wie hat sich ihr Auftritt im Januar in der Elbphilharmonie<br />

angefühlt? „Einfach unglaublich! Es geht dort enorm professionell<br />

zu, das Publikum ist den Musikern gegenüber so respektvoll, so<br />

wertschätzend. Mich hat nicht nur die Klangqualität der beiden<br />

Konzertsäle begeistert – ich war beeindruckt vom ganzen Ablauf,<br />

dem Backstage-Bereich, den erstaunlich jungen, engagierten Mitarbeitern<br />

und dachte, die Deutschen verstehen einfach viel von<br />

klassischer Musik. Es hat etwas Natürliches, etwas Selbstverständliches,<br />

so wie in ein gutes Restaurant zu gehen. Das gefällt mir.“<br />

Selbst eine Legende, die ebenso früh wie Gaudemard anfing<br />

Harfe zu spielen, ist Henriette Renié. Ihr Werk Légende pour harpe,<br />

nach einem Elfengedicht von Leconte de Lisle, eröffnet Gaudemards<br />

Soloalbum filmmusikreif. „Ladies first!“, lacht Gaudemard. „Sie ist<br />

eine absolute Größe des Harfenspiels – die beste Harfenistin, die<br />

beste Komponistin und beste Lehrerin in ihren Reihen. Doch durfte<br />

sie, weil sie eine Frau war, nicht am Konservatorium unterrichten.<br />

Das ist einfach beschämend.“<br />

Ihre Wünsche für die Zukunft? „Eine Menge Aufträge, viele<br />

neue Alben und …“ – sie lacht – „… diese ‚ECHO-<br />

Rising-Star‘-Geschichte jedes Jahr fortsetzen zu<br />

können. Ich liebe es, als Solistin auf großer Bühne<br />

zu sein!“<br />

■<br />

Bach, Fauré u. a.: „Solo“, Anaïs Gaudemard (harmonia mundi)<br />

30 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


HÖREN & SEHEN<br />

Die besten CDs, DVDs & Vinylplatten des Monats von Oper über Jazz bis Tanz<br />

Attila Csampais Auswahl (Seite 32)<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Empfehlungen lesen und direkt kostenlos dabei anhören?<br />

Kein Problem: Auf www.crescendo.de finden Sie unsere Rezensionen mit direktem Link zum Anhören!<br />

Andreas Ottensamer<br />

Wunderbare Schwerelosigkeit<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

Das Cover von Andreas Ottensamers neu er CD ver rät nicht viel dar über, was sich dar auf ver birgt. Nur<br />

dass er groß ar ti ge Musi ker an sei ner Sei te hat: die Ber li ner Phil har mo ni ker unter Mariss Jan sons und die<br />

Pia nis tin Yuja Wang. „Blue Hour“, so ist es beti telt, und eben jene „blaue Stun de“, die beson de re Zeit<br />

zwi schen Son nen un ter gang und dem Ein bruch der nächt li chen Fins ter nis, inspi riert schon seit Ewig kei ten<br />

Sehn süch ti ge und Krea ti ve jeder Art. Die se Atmo sphä re scheint tat säch lich greif bar, der Titel offen sichtlich,<br />

wenn man Otten sa mers war men, gefühl voll gestal te ten Phra sen lauscht. Die Kla ri net te war Carl<br />

Maria von Webers Lieb lings in stru ment. Sei nem berühm ten Ers ten Kla ri net ten kon zert und dem Grand<br />

Duo con cer tant für Kla ri net te und Kla vier hat Otten sa mer teils von ihm selbst arran gier te Wer ke von<br />

Brahms und Men dels sohn zur Sei te gestellt. Mit wun der ba rer Schwe re lo sig keit und gro ßer Natür lich keit<br />

„gesun gen“ ist jedes ein zel ne Werk die ser Auf nah me ein Genuss. SK<br />

Weber, Brahms, Mendelssohn: „Blue Hour“,<br />

Andreas Ottensamer, Yuja Wang, Berliner<br />

Philharmoniker, Mariss Jansons (DG)<br />

FOTO: STEFAN HÖDERATH<br />

31


H Ö R E N & S E H E N<br />

Empfehlungen von Attila Csampai<br />

LEIDENSCHAFTLICHE JUNGE MUSIKER<br />

... sind für unseren Chefrezensenten die Vorboten des Frühlings.<br />

MOZART: KLAVIERSONATEN VOL.1,<br />

KV 332, 281, 331, 570<br />

Jean Muller (Hänssler)<br />

Track 2 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Allegro assai.<br />

Aus: Klaviersonate Nr. 12 F-Dur KV 332<br />

Der Luxemburger Pianist Jean Muller hat<br />

Mozarts Sonaten mehrfach öffentlich aufgeführt,<br />

bevor er seinen CD-Zyklus startete. Der 33-Jährige ist ein<br />

penibler, intelligenter Interpret, der zuletzt durch seine spannende<br />

Einspielung der Bachschen Goldberg-Variationen weltweit für Aufsehen<br />

sorgte. Mit ähnlicher Detailgenauigkeit und auflärerischer<br />

Klarheit durchleuchtet er auch Mozarts komplexe Sonatenwelt in<br />

zwei mittleren, einer frühen und einer späten Arbeit und stellt sie<br />

mit flotten Tempi und prägnanter Artikulation auf eine Stufe mit<br />

den Klavierkonzerten. Seine glasklare, lebendig pulsierende Stimmführung<br />

lässt zwar das hohe dramatische und gesangliche Potenzial<br />

von Mozarts diskontinuierlicher Kompositionstechnik durchscheinen,<br />

doch unterwirft er alle Theatralik einer klassizistischen, rationalen<br />

Kontrolle. Mullers Mozart ist hellwach, frisch und heiter,<br />

kennt keine Wehleidigkeit und keine falsche Gefühligkeit: So entfesselt<br />

er in der F-Dur-Sonate KV 332 Mozarts sprühenden Einfallsreichtum,<br />

während er in der berühmten A-Dur-Sonate KV 331 den<br />

einleitenden Variationensatz als Folge beseelter Charakterbilder<br />

ausweist. Lediglich die hochdramatische, bereits von dunklen<br />

Impulsen getrübte späte B-Dur-Sonate gerät ihm etwas zu neckisch.<br />

Trotzdem ist es ein äußerst profilierter, über weite Strecken fesselnder<br />

Einstieg in Mozarts Sonatenkosmos.<br />

MOZART, SAINT-SAENS, TSCHAIKOWSKY:<br />

WERKE FÜR 2 KLAVIERE<br />

Klavierduo Glemser (organo phon)<br />

Obwohl Mozart mit seinen Schülerinnen gern<br />

vierhändig und an zwei Flügeln spielte, komponierte<br />

er nur eine Sonate für zwei Klaviere KV<br />

448 und schuf damit ein Gipfelwerk der Gattung.<br />

Das 2010 in Würzburg gegründete Klavierduo Glemser hat<br />

sein Debütalbum mit dieser „Oper in der Glaskugel“ eingeleitet<br />

und damit eindringlich seine Sensibilität und Kompetenz für<br />

Mozarts theateraffine Kompositionstechnik unterstrichen. Das<br />

junge Ehepaar Franziska und Florian Glemser agiert auf zwei Steingräber-Flügeln<br />

wie ein quicklebendiges Wesen mit vier Händen.<br />

Selten klangen Mozarts orchestrale Strukturen so jugendlich frisch,<br />

drängend, impulsreich und präzis wie bei diesem traumwandlerisch<br />

harmonierenden Duo. Mit derselben rhythmischen Perfektion,<br />

Klarheit und virtuosen Brillanz meistern die beiden auch Saint-<br />

Saëns’ selten gespielte Variationen über ein Thema aus Beethovens<br />

Klaviersonate op. 31, 1. Und zum guten Ende gibt’s noch die märchenhaft-sensible<br />

Duo-Version von Tschaikowskys Nussknacker­<br />

Suite in der Bearbeitung von Nicolas Economou.<br />

VIVALDI: LE QUATTRO STAGIONI OP. 8, 1–4<br />

I Solisti Aquilani, Daniele Orlando (muso)<br />

Von Vivaldis Konzertzyklus Die Vier Jahreszeiten<br />

gibt es unzählige gute Einspielungen, und<br />

doch gelingt es hochmotivierten jungen Ensembles<br />

immer wieder, neue Akzente zu setzen. Seit<br />

dem Siegeszug der historischen Aufführungspraxis<br />

geht es auch immer weniger um vordergründige Streichervirtuosität,<br />

sondern um das suggestive Umsetzen des einzigartigen<br />

Reichtums an neuen Ideen und Klangfarben in diesem fantastischen<br />

Bilderbogen. Das renommierte italienische Kammerensemble I<br />

Solisti Aquilani hat unter der Leitung seines jungen Konzertmeisters<br />

Daniele Orlando Vivaldis Naturspektakel in einer hochdramatischen,<br />

die wechselnden Stimmungen extrem ausreizenden Version<br />

wiederbelebt und dabei radikalhistorische Klarheit mit dem rhythmischen<br />

Drive des 21. Jahrhunderts zu einem aufregenden, zwischen<br />

Vulkanismus und spiritueller Schönheit wechselnden Hörfilm verdichtet.<br />

Da das 16-köpfige Solistenkollektiv den Zyklus als Naturschauspiel<br />

quasi im Zeitraffer durchmisst, hat der Produzent gleich<br />

zwei komplette Aufführungen des Viererpacks auf die CD gepackt,<br />

wobei der zweite Durchgang noch wilder und energischer gerät: ein<br />

referenzverdächtiger Doppelpack in audiophiler Transparenz.<br />

JEAN SIBELIUS: SYMPHONIE NO 1, EN SAGA<br />

Gothenburg Symphony, Santtu-Matias Rouvali<br />

(Alpha)<br />

Jean Sibelius wird bis heute unter Wert gehandelt.<br />

Das mag an Adornos abschätzigem Urteil<br />

liegen, aber gewiss auch seiner eigenwilligen<br />

Musiksprache, die sich der deutsch-österreichischen<br />

Tradition weitgehend verweigert. Ein Musterbeispiel für Sibelius’<br />

„finnische“ Ästhetik bildet seine Erste Sinfonie, die trotz Einflüssen<br />

von Tschaikowsky und Borodin sein eigenes sinfonisches<br />

Profil energisch unterstreicht: Der junge finnische Dirigent Santtu-<br />

Matias Rouvali hat sie mit den traditionsreichen Göteborger Symphonikern,<br />

die er seit Kurzem als Chef leitet, in einer hochdrama-<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

32 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


IMPRESSUM<br />

tischen, geradezu vulkanisch brodelnden Interpretation eingespielt<br />

und sich so mit Nachdruck als neuer Hoffnungsträger der finnischen<br />

Dirigentenschule positioniert. Obwohl Sibelius selbst in diesem<br />

bildmächtigen Werk jeglichen programmatischen Bezug abgewiesen<br />

hatte, entfesselt der 33-jährige Rouvali ein elektrisierendes Wechselspiel<br />

von Ruhe und emotionalen Schüben, die eine opernhafte,<br />

vor Energie berstende Szenerie ohne eigentliche Handlung evozieren,<br />

also ein genuin „sinfonisches“ Drama von archaisch-elementarer<br />

Kraft. Damit aber übertrifft er sogar die alten Referenzen wie<br />

Bernstein, Jansons oder Maazel an Intensität, Präzision und finnischem<br />

Lebensgefühl. Ähnlich detailgenau und spannungsgeladen<br />

dirigiert er auch die frühe sinfonische Dichtung En Saga, die ebenfalls<br />

aus alten finnischen Mythen schöpft.<br />

JACQUES OFFENBACH: COLORATURE<br />

Jodie Devos, Münchner Rundfunkorchester,<br />

Laurent Campellone (Alpha)<br />

Track 12 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Cachons l’ennui<br />

de mon ame. Aus: Fantasio<br />

Von über 100 Bühnenwerken Jacques Offenbachs,<br />

des Königs der französischen Operette,<br />

werden heute nur noch wenige gespielt. Allein seine späte Oper<br />

Hoffmanns Erzählungen konnte sich dauerhaft im Repertoire halten.<br />

Dieser missliche Umstand brachte die belgische Sopranistin Jodie<br />

Devos auf die Idee, mithilfe des akademischen Forums Palazzetto<br />

Bru Zane eine Auswahl von 15 Koloraturarien aus zwölf weitgehend<br />

vergessenen Operetten Offenbachs zu einem höchst unterhaltsamen<br />

und virtuosen Höhenflug zu bündeln und so den verführerischen<br />

Charme dieser Preziosen neu zu beleben. Mit ihrem glockenreinen,<br />

hellen und fein fokussierten Sopran hat der 30-jährige Rising Star<br />

die idealen Voraussetzungen für diesen stets leichtfüßigen, schwebenden,<br />

virtuos-luftigen Gesangsstil, der auch nach 150 Jahren<br />

nichts eingebüßt hat von seiner prickelnden Eleganz und seiner<br />

unwiderstehlichen Anziehungskraft. Den Höhepunkt des Albums<br />

bildet das weltberühmte Couplet der Puppe Olympia aus der unvollendeten<br />

Hoffmann-Oper, in dem Offenbach bereits den trügerischen<br />

Zauber dieser „mechanischen“ Kunstform spöttisch karikiert. Hier<br />

würzt die hinreißende Mme Devos die vorgegebenen Koloraturen<br />

noch mit eigenen Zutaten. Das Münchner Rundfunkorchester unter<br />

Laurent Campellone sekundiert grandios, trocken und spritzig.<br />

WESTERN MOODS<br />

Ensemble Esperanza (ARS)<br />

Das erst vor drei Jahren gegründete, in Liechtenstein<br />

ansässige Ensemble Esperanza erntete<br />

bereits mit seinen ersten beiden, dem Süden und<br />

dem Norden Europas gewidmeten Alben großen<br />

Zuspruch. Das international mit jungen Talenten<br />

besetzte Streicherensemble bestach auf Anhieb durch seine plastisch-warme,<br />

sinnliche Klangkultur und durch sein homogenes,<br />

stets ausdrucksstarkes Spiel. Unter der Leitung der französischen<br />

Topgeigerin Chouchane Siranossian hat es jetzt den Blick nach Westen,<br />

über den Atlantik, gerichtet und wieder ein extravagantes elfteiliges<br />

Programm mit Werken des 20. Jahrhunderts aufgelegt, die<br />

das heterogene Kulturklima der USA eher meditativ und nachdenklich<br />

verarbeiten, so etwa in Aaron Jay Kernis’ neoromantischer<br />

Musica Celestis, die das 18-köpfige Ensemble mit herzzerreißender<br />

Intensität beschwört, oder auch das wunderbar innige Adagio for<br />

Strings von Samuel Barber zum Schluss. Dazwischen aber lässt es<br />

seine elektrisierende Virtuosität in Rockklassikern wie Hendrix’<br />

Purple Haze oder dem dämonischen Stones-Song Sympathy for the<br />

Devil aufblitzen, die der Schweizer Saxofonist Daniel Schnyder spektakulär<br />

für Streicher arrangiert und mit jazzigen Improvisationen<br />

angereichert hat. Da die Tonmeister wieder eine hautnahe und großformatige<br />

Klangbühne gezaubert haben, kann man sich dem geballten<br />

Klangfuror dieser Wundertruppe kaum entziehen.<br />

VERLAG<br />

Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München<br />

Telefon: +49-(0)89-74 15 09-0, Fax: -11, info@crescendo.de, www.crescendo.de<br />

Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger<br />

und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring<br />

HERAUSGEBER<br />

Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de<br />

VERLAGSLEITUNG<br />

Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de<br />

ART DIRECTOR<br />

Stefan Steitz | steitz@crescendo.de<br />

LEITENDE REDAKTEURIN<br />

Barbara Schulz | schulz@crescendo.de<br />

RESSORT „SCHWERPUNKT“<br />

Dr. Maria Goeth | goeth@crescendo.de<br />

RESSORT „HÖREN & SEHEN“ UND „ERLEBEN“<br />

Ruth Renée Reif | reif@crescendo.de<br />

RESSORT „STANDARDS”<br />

Klaus Härtel | haertel@crescendo.de<br />

RESSORT „KÜNSTLER“ UND „LEBENSART“<br />

Barbara Schulz | schulz@crescendo.de<br />

SCHLUSSREDAKTION<br />

<strong>Mai</strong>ke Zürcher<br />

KOLUMNISTEN<br />

Axel Brüggemann, Paula Bosch, Attila Csampai (AC), Ioan Holender,<br />

Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Florian Amort (FA), Roland H. Dippel (DIP), Alexander Fischerauer (AF),<br />

Verena Fischer-Zernin, Julia Hartel (JH), Klaus Kalchschmid (KLK), Sina Kleinedler (SK),<br />

Katherina Knees (KK), Corina Kolbe (CK), Guido Krawinkel (GK), Jens F. Laurson (JFL),<br />

Anna Novák, Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Fabian Stallknecht (FS),<br />

Mario-Felix Vogt (MV), Dorothea Walchshäusl (DW), Walter Weidringer (WW)<br />

VERLAGSREPRÄSENTANTEN<br />

Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de<br />

Kulturbetriebe: Dr. Cornelia Engelhard | engelhard@crescendo.de<br />

Touristik & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de<br />

Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de<br />

AUFTRAGSMANAGEMENT<br />

Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de<br />

GÜLTIGE ANZEIGENPREISLISTE<br />

Nr. 22 vom 09.09.2018<br />

DRUCK<br />

Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig<br />

VERTRIEB<br />

PressUp GmbH, Wandsbeker Allee 1, 22041 Hamburg, www.pressup.de<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

<strong>CRESCENDO</strong> ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert häusern, im<br />

Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei träge<br />

bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des<br />

Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung,<br />

auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.<br />

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Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende Premium-CDs und kostet<br />

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Verbreitete Auflage:<br />

69.680 (lt. IVW-Meldung 1V/2018)<br />

ISSN: 1436-5529<br />

(TEIL-)BEILAGEN / BEIHEFTER:<br />

CLASS, Messe München, Bayerischer Rundfunk<br />

DAS NÄCHSTE <strong>CRESCENDO</strong><br />

ERSCHEINT AM 15. APRIL 20<strong>19</strong>.<br />

<strong>CRESCENDO</strong><br />

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33


H Ö R E N & S E H E N<br />

SOLO<br />

Fazil Say<br />

Alle Schattierungen<br />

des Klavierspiels<br />

Fazil Say, der auch als Bür ger recht ler aktiv ist und<br />

sich für Men schen rech te ein setzt, schenkt sei ner<br />

Musik the ma ti sche Hin ter grün de, aus denen sie dann<br />

her vorzupul sen scheint. Die Tro ja-Sona te, das Herzstück<br />

die ser CD, hat Say für die tür ki sche Pro vinz<br />

Çan ak ka le, in der Tro ja einst lag, im Rah men des<br />

„Tro ja ni schen Jah res“ geschrie ben. Sie zeigt in zehn<br />

Sät zen, einem Kalei do skop glei chend, die dra ma tische<br />

Legen de des Tro ja ni schen Krie ges als Pola ri sati<br />

on dop pel bre chen der Kris tal le. Say don nert, jagt,<br />

wir belt, rockt, als säße Keith Emer son am Flü gel,<br />

schwebt mit sanft zar ten Berüh run gen über die Tasten,<br />

ja, reißt den Him mel auf und lässt das ein fallen<br />

de Licht alle Far ben und Schat tie rungen des Klavier<br />

spiels offen ba ren: ein wah rer Meis ter sei nes<br />

Fachs, der eben so zu kom po nie ren weiß. Sein neu estes<br />

Werk ist mit rei ßend, auf wüh lend und bewegt<br />

zugleich ganz tief. SELL<br />

„Troy Sonata“, Fazil Say plays Say (Warner)<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE<br />

Ratas del viejo Mundo<br />

Wunderliche Stimmen<br />

aus dem Mittelalter<br />

Die ori gi nal in stru men tier ten „Rat ten aus der Alten<br />

Welt“ huschen auf ihrem zwei ten Album „Osses so“<br />

(Obses si on) durch eine Rei he von ita lie ni schen<br />

Motet ten und Volks mu sik der Renais sance. Der<br />

Ansatz der Grup pe um Flo ris de Rycker ist modern<br />

(Gesu al do wird im holp rig über setz ten Book let u. a.<br />

mit Sid Vicious von den Sex Pis tols gleich ge setzt)<br />

und das Resul tat dadurch para do xer wei se his to rischer<br />

bzw. wei ter von unse rer Welt ent fernt, als wir<br />

das von irgend wel chen bra ven Ori gi nal klan g-Ensembles<br />

gewöhnt sind. Die Instru men te – u. a. Psalte<br />

ri um, Kan klės und mit tel al ter li che Lau te – sind<br />

dem Ohr nicht so geläu fig, und die indi vi dua lis tischen,<br />

durch aus etwas eige nen Inter pre ta tio nen<br />

loten voka le und har mo ni sche Grenz be rei che aus.<br />

Gera de zu ara bisch und afri ka nisch kom men einem<br />

man che Pas sa gen zum Bei spiel fri au li scher Volks musik<br />

vor. Der hal li ge Klang in der goti schen Kir che des<br />

Ört chens Mon tréal-du-Gers, tief in den Wein ber gen<br />

des Arma gnac gele ge n, umschwelgt das Ohr atmosphä<br />

risch, als säße das Ensem ble auf dem Grund<br />

einer Zis ter ne. Aber das passt: So exo tisch hat man<br />

Orlan do di Las so, Vin cen zo Gali lei u. a. noch nie<br />

gehört. JFL<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

„Ossesso“, Ratas del viejo Mundo,<br />

Floris de Rycker (Ramée)<br />

Track 7 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Giunto alla tomba von Giaches<br />

de Wert<br />

Hans-Christoph Rademann<br />

Sinnesfreude<br />

Die se Hoch zeits mu si ken sind ein „Who is<br />

Who“ der Resi den zen zwi schen Els ter und<br />

Elbe. Feu da le Paa re wie Mag da le na Sibyl la von<br />

Sach sen und Fried rich Wil helm von Sach sen-<br />

Alten burg gehör ten zu den Adres sa ten wie<br />

auch Schütz’ Bru der Georg und des sen Braut<br />

Anna Gro ße in Leip zig. In Kür ze voll endet<br />

sich die auf 21 CDs pro jek tier te Edi ti on von<br />

Hein rich Schütz’ Gesamt werk, in der Hans-<br />

Chris toph Rade mann den Kom po nis ten an<br />

der Schwel le zum Barock von sei nem pompös-<br />

düs te ren Image befrei en will. Das gelingt<br />

ihm mit den glän zen den Inter pre ten, weil er<br />

die kur zen Stü cke und Madri ga le wie Ach, wie<br />

soll ich doch in Freu den leben mit Genau ig keit<br />

und dabei fle xi bler Trans pa renz zum Klin gen<br />

bringt. Zügig geat me te Bewe gung und wache<br />

Klar heit revi die ren das Bild von Hein rich<br />

Schütz tat säch lich: Aus den Wer ken spricht<br />

eine gegen die Kata stro phen des Drei ßig jähri<br />

gen Krie ges gerich te te Daseins- und Sin nenfreu<br />

de. DIP<br />

Track 10 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Saget den Gästen SWV 459<br />

Heinrich Schütz: „Madrigale<br />

& Hochzeitsmusiken“,<br />

Dorothee Mields, Isabel<br />

Schicketanz, David Erler<br />

u. a., Dresdner Kammerchor<br />

und Instrumentalisten,<br />

Hans-Christoph Rademann<br />

(Carus)<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

Beethoven Orchester Bonn<br />

Kraft ohne Pathos<br />

Keine Hörspielkurzfassung, sondern eher<br />

eine neue, freier assoziierende Verbindung<br />

von Beethovens Schauspielmusik mit<br />

Goethes Freiheitsdrama „Egmont“ ist hier<br />

zu erleben – und trotz Studiobedingungen<br />

stellt sich so etwas wie Theateratmosphäre<br />

ein. Dirk Kaftan verschießt mit<br />

dem historisch informiert spielenden<br />

Beethoven Orchester Bonn nicht alles<br />

Pulver schon in der Ouvertüre, sondern<br />

spannt einen Bogen: in nie verschleppten<br />

Tempi, mit guter Klangbalance und lebendigen,<br />

dynamisch differenzierten Details.<br />

Olga Bezsmertna verleiht dem Klärchen<br />

kämpferischen Mut, und Matthias Brandt<br />

lässt das Heldenpathos hinter sich, das<br />

anno dazumal ein Klausjürgen Wussow<br />

(unter Szell) donnern ließ: Er bewegt<br />

stattdessen als intellektueller und zugleich<br />

menschlich nahbarer Egmont – wobei die<br />

kluge Textauswahl über dessen Partie hinausgeht:<br />

„Ein Volk wird nicht alt, nicht<br />

klug, ein Volk bleibt immer kindisch.“ WW<br />

Ludwig van Beethoven: „Egmont“, Matthias Brandt,<br />

Olga Bezsmertna,<br />

Beethoven Orchester<br />

Bonn, Dirk Kaftan (MDG)<br />

Track 4 & 5 auf der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Egmont op. 84. Nr. 8<br />

Melodram & Ich hab<br />

geträumt!<br />

34 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Emöke Baráth<br />

Ahnfrau aller Maestre<br />

Sie ist erstaun li cher wei se noch immer ein Geheim tipp: Die 16<strong>19</strong> in<br />

Vene dig gebo re ne Bar ba ra Stroz zi hat te nicht nur eine bei na he hol lywoodkom<br />

pa ti ble Vita, sie war auch die ers te Berufs mu si ke rin der<br />

Geschich te, die Ahn frau also aller Maes t re, die seit dem kom po nie rend<br />

oder diri gie rend ins Ram pen licht getre ten sind. Ihre Musik ist vol ler<br />

Emo ti on, Aus druck und Far ben und trotz der hör ba ren Ein flüs se von<br />

Clau dio Mon te ver di und ihres Leh rers Fran ces co Caval li von star ker<br />

künst le ri scher Eigen stän dig keit geprägt. Die unga ri sche Sopra nis tin<br />

Emö ke Baráth wid met ihr und eini gen männ li chen Zeit ge nos sen die ses<br />

rund her um geglück te Debüt al bum. Der Titel „Voglio Cantar“ könn te<br />

kaum pas sen der gewählt sein. Die pure Lust am Sin gen über setzt sich in<br />

jedem Ton. Die sam tig-sinn li che Stimm far be, der<br />

kul ti vier te Vor trag und die leben di ge Text behand<br />

lung fes seln und begeis tern. FS<br />

Brabara Strozzi, Biagio Marini, Antonio Cesti u. a.: „Voglio<br />

Cantar“, Emöke Baráth, Il Pomo d’Oro, Francesco Corti<br />

(Erato)<br />

GESANG<br />

Ruth Willemse<br />

Natur als Spiegel der Seele<br />

Edward Elgars Sea Pic tures, Gus tav Mah lers Rück ert-Lie der und Richard<br />

Wag ners Wesen donck-Lie der – all die se gro ßen Lied wer ke ver bin det ein<br />

über ge ord ne tes Sujet: die Natur als Spie gel bild mensch li cher Emp findun<br />

gen. Angst und kal te Stür me, ein tosen des Meer, kar ge Land schaften,<br />

Son nen strah len als fer ne Hoff nungs schim mer. Mit die ser schier<br />

end lo sen Palet te von Gefüh len beschäf tigt sich die hol län di sche Mez zoso<br />

pra nis tin Ruth Wil lem se auf ihrem Album „Whe re Corals Lie“. Mit<br />

einem strah len den, aber kraft vol len Klang ver mag sie es, dem Hörer<br />

die Gefühl sach ter bahn der drei Kom po nis ten näher zu brin gen. Vital Stahie<br />

vitch, der seit 2005 ihr Duopart ner ist, zeigt sich als groß ar ti ger<br />

Lied be glei ter. Bei de ver mö gen gro ße Span nungs bö gen zu zeich nen und<br />

den indi vi du el len Eigen hei ten der doch sehr<br />

unter schied li chen Kom po nis ten gerecht zu werden.<br />

Das Ergeb nis ist ein wun der ba res Wech selbad<br />

der Gefüh le. SK<br />

Edward Elgar, Gustav Mahler, Richard Wagner: „Where Corals<br />

Lie“, Ruth Willemse, Vital Stahievitch (Etcetera)<br />

OPER<br />

Xavier Sabata<br />

Prunk<br />

und Sanftmut<br />

Alex an der der Gro ße war eine belieb te<br />

his to ri sche Figur der Barock oper: nicht<br />

nur als küh ner Feld herr, son dern auch in<br />

der Rol le des Lieb ha bers. Xavier Saba ta<br />

zeigt alle die se Facet ten – und wech selt<br />

aus Stimm la ge grün den auch mal zu einer<br />

ande ren Figur in die sem schö nen, anregen<br />

den Quer schnitt durch Alex an der-<br />

Opern von Hän del, Fran ces co Man ci ni,<br />

Leo nar do Vin ci, Leo nar do Leo u. a. Den<br />

legen dä ren gor di schen Kno ten wür de<br />

Saba ta gewiss nie mals mit schar fer<br />

Stimm klin ge zu durch schla gen ver suchen,<br />

son dern trotz sei ner vir tuo sen<br />

Kolo ra tur ge läu fig keit viel lie ber in Sanftmut<br />

und Wohl klang aufl ö sen wol len.<br />

Den außer or dent lich direkt auf ge nomme<br />

nen, aber den noch nicht künst lich<br />

ver grö ßert wir ken den Coun ter te nor<br />

des Kata la nen bet ten Dani Espa sa und<br />

sein Ensem ble Ves p res d’Arnadí hier auf<br />

forsch-fröh lich auf ge schüt tel te, dort hinge<br />

gen zärt lich glatt gestri che ne Kis sen<br />

und prun ken zuletzt in Nico la Por po ras<br />

Poro mit Saba ta<br />

um die Wet te.<br />

WW<br />

„L’Alessandro amanto“,<br />

Xavier Sabata, Vespres<br />

d’Arnadí, Dani Espasa<br />

(Aparte)<br />

Track 11 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Chiare faci al<br />

di cui lume. Aus: L’Euleo festeggiante von Giovanni<br />

Battista Bononcini<br />

KAMMER-<br />

MUSIK<br />

Friedrich Kleinhapl<br />

Großmeisterlicher Humor<br />

Es war ein kal ku lier ter Tabu bruch: das Kon zert für Vio lon cel lo und Blas or ches ter von Fried rich<br />

Gul da. Um Kon ven ti on und Tra di ti on scher te sich der Musi ker einen feuch ten Keh richt und<br />

ver meng te mun ter das, was nach Mei nung des Estab lish ments nicht zusam men ge hört: U- und<br />

E-Musik, Gen res und Sti le jeg li cher Cou leur. Her aus ge kom men ist dabei ein wun der sa mer Mix,<br />

ein höchst ver gnüg li cher oben drein. Der Cel list Fried rich Klein hapl spielt die se offen sicht li che<br />

Pro vo ka ti on mit größ ter Lust, der Wie ner Con cert-Ver ein sekun diert mit eben sol cher. Famos!<br />

Auch die für die Kom bi na ti on Blas or ches ter und Cel lo arran gier ten Stü cke aus diver sen Sui ten<br />

Dmi tri Schosta ko witschs machen unge mein Lau ne. Fabel haft! Der subver<br />

si ve Humor die ser Stü cke und die Revo luz zer at ti tü de Gul das – die se<br />

„Begeg nung zwei er Groß meis ter des musi ka li schen Humors“, so Kleinhapl,<br />

macht Lust auf mehr. Gran di os! GK<br />

Friedrich Gulda, Dmitri Schostakowitsch: „Gulda meets Shostakovitch“, Friedrich Kleinhapl,<br />

Wiener Concert-Verein, Rudolf Piehlmayer (Ars)<br />

FOTO: GABRIELE MOSER<br />

35


H Ö R E N & S E H E N<br />

SOLO<br />

Hauschka<br />

Naturerkundungen<br />

„In ,A Diffe rent Forest‘ beschäf ti ge ich mich mit dem Wald als Natur raum und Kontrast<br />

zum städ ti schen All tag; zu mei nem Lebens raum“, erklärt der Düs sel dor fer Pianist<br />

Hausch ka den pro gram ma ti schen Hin ter grund sei nes aktu el len Albums. Erst mals<br />

hat der vor zwei Jah ren für den Oscar nomi nier te Künst ler bei die ser CD auf die Präpa<br />

ra ti on sei nes Flü gels ver zich tet und nutzt den natür li chen Kla vier klang für sei ne<br />

neo ro man ti schen Natur er kun dun gen; die klin gen mal nach Mini mal Music und mal<br />

nach den schwe ben den Klang ge bil den islän di scher Pop künst ler wie Björk oder Sigur<br />

Rós. „A Diffe rent Forest“ bie tet eine klang lich ver füh re ri sche Traum welt, um dem<br />

All tag zu ent flie hen, aller dings klin gen vie le Stü cke auf Dau er recht ähn lich. Ein bisschen<br />

mehr Sper rig keit und Wag nis hät te das Album durch aus ver tra gen kön nen. MV<br />

Hauschka:<br />

„A Different<br />

Forest“<br />

(Sony)<br />

FOTO: GREGOR HOHENBERG<br />

Hermine Haselböck<br />

Vergessene<br />

Komponistinnen<br />

LIED<br />

Die Musik: Für ihn ein Beruf, für sie „stets nur Zierde,<br />

nie mals Grund bass“ ihres „Seins und Tuns“ – das<br />

bekam Fan ny Men dels sohn Bar thol dy vom Vater zu<br />

hören – viel leicht auch die hier gewür dig ten Kom ponis<br />

tin nen Val ly Weigl (1894–<strong>19</strong>82), Char lot te Schlesin<br />

ger (<strong>19</strong>09–<strong>19</strong>76), Vítězsla va Kaprál o vá (<strong>19</strong>15–<br />

<strong>19</strong>40) und Hen riët te Bos mans (1895–<strong>19</strong>52). „Ver bote<br />

ne Klän ge“, wie es im Titel des Book lets heißt,<br />

schu fen sie nicht, auch wenn ihr Leben von Exil und<br />

Flucht geprägt war. Ihr Lied- und Kam mer mu sikschaffen<br />

ist rück wärts ge wandt, mit Blick auf die<br />

Roman tik und die Jahr hun dert wen de. Nur Kaprálo<br />

vá, die von Bohus lav Mar tinů geför dert wur de,<br />

gelingt in ihrem kur zen Leben eine eige ne Ton sprache,<br />

die tsche chi sche und fran zö si sche Ein flüs se verschmilzt.<br />

Wäh rend Män ner sich der Durch set zung<br />

ihrer Wer ke gewid met hät ten, wand ten sich Schlesin<br />

ger und Weigl der Päd ago gik und Musik the ra pie zu;<br />

ein Grund wohl, wes halb kaum jemand ihre Werke<br />

kennt. TPR<br />

Henriëtte Bosmans, Vally Weigl u. a.:<br />

„Kammermusik & Lieder“, Hermine<br />

Haselböck, Franz Bartolomey,<br />

Clemens Zeilinger (Gramola)<br />

TANZ<br />

Wayne McGregor<br />

Literatur im Tanz<br />

Ein „Mons ter“ nennt Max Rich ter sei ne<br />

Bal lett mu sik Woolf Works, die auf den<br />

Roma nen „Mrs. Dal lo way“, „Orlan do“ und<br />

„The Waves“ von Vir gi nia Woolf basiert.<br />

Fast 700 Sei ten Lite ra tur: eine Rei se in die<br />

fik ti ven Wel ten und das Bewusst sein der<br />

manisch-depres si ven Autorin. In der Highspeed-Cho<br />

reo gra fie von Way ne McGre gor<br />

dre hen und ver ren ken sich die Tän zer in<br />

ihren eli sa be tha ni schen Kos tü men in irr witzi<br />

ger Geschwin dig keit – inmit ten eines<br />

monu men ta len Tri pty chon-Sets aus drei<br />

sich bewe gen den Holz rah men. Dazu Richters<br />

wuch ti ge und zar te Sounds: Mini mal<br />

Music, Ambi ent Pop, Tech no und ein –<br />

elek tro nisch ver frem de tes – spa ni sches<br />

Lied aus dem 16. Jahr hun dert, pas send zu<br />

Wool fs Klas si ker „Orlan do“, jenem androgy<br />

nen Ade li gen, des sen Leben im 16. Jahrhun<br />

dert beginnt und <strong>19</strong>28 endet. Besonders<br />

berüh rend der Moment, als Gil li an<br />

Ander son aus dem Brief liest, den Vir gi nia<br />

kurz vor ihrem Sui zid an ihren Mann<br />

schrieb. TPR<br />

Max Richter: „Woolf<br />

Works“, The Royal Ballet,<br />

Wayne McGregor,<br />

Orchestra of The Royal<br />

Opera House, Koen Kessels<br />

(Opus Arte)<br />

KAMMER-<br />

MUSIK<br />

Maria Sournatcheva<br />

Früchte einer<br />

Dreiecksbeziehung<br />

Als jun ger Kla vier vir tuo se lern te Johan nes Brahms<br />

1853 Robert und Cla ra Schu mann ken nen. Aus<br />

der Begeg nung ent wi ckel te sich eine tie fe Künstler<br />

freund schaft mit lei den schaft li chen Unter tönen.<br />

Denn Brahms ver lieb te sich hef tig in Cla ra,<br />

deren Fami lie er nach dem psy chi schen Zusammen<br />

bruch Roberts auf op fernd unter stütz te. Welche<br />

musi ka li schen Früch te die se Drei ecks be ziehung<br />

her vor brach te, kann man auf dem Kam mermu<br />

si kal bum „Wid mung“ hören. In der Tra di ti on<br />

der roman ti schen Haus kon zer te bei den Schumanns<br />

spie len die Obo is tin Maria Sour nat che va<br />

und der Pia nist Alek san dr Shai kin inti me Minia turen<br />

der drei Kom po nis ten. Ein fühl sam inter pretiert<br />

das Duo etwa das Lied Wid mung aus dem<br />

Zyklus Myr t hen, den Robert Schu mann sei ner<br />

Braut wid me te. Cla ra schrieb spä ter die Drei<br />

Roman zen op. 22, bei denen die Oboe den<br />

ursprüng li chen Vio lin part über nimmt. Der Freund<br />

des Hau ses steu ert auf die ser CD berüh ren de<br />

Stü cke wie Regen lied op. 59,3, Von ewi ger Lie be und<br />

Ver za gen bei. CK<br />

Johannes Brahms, Clara und<br />

Robert Schumann: „Widmung“,<br />

Maria Sournatcheva, Aleksandr<br />

Shaikin (MDG)<br />

Track 6 auf der <strong>CRESCENDO</strong><br />

Abo-CD: Stille Tränen op. 35, 10<br />

von Robert Schumann<br />

Eleni Karaindrou<br />

Liebe<br />

und Vergebung<br />

SOLO<br />

Die Musik beginnt betö rend sphä risch mit<br />

einem Kla ge ruf in eine unhör ba re Stil le aus<br />

lang atmen den Strei chern hin ein, ein zig aus<br />

dem Inter vall einer klei nen Sekun de bestehend,<br />

der über den bor dun ar ti gen Streicherklän<br />

gen, jen seitsver haf tet, in d-Moll<br />

schwebt, einem Kla ge ruf, dem nur sein Echo<br />

Ant wort zu geben scheint. Klas si sches Streicheren<br />

sem ble ver bün det sich mit tra di tio nell<br />

grie chisch-ori en ta li schem Instru men ta ri um.<br />

Die zen tra len The men der ursprüng lich für<br />

Büh ne und Film geschrie be nen Wer ke sind,<br />

wie die grie chi sche Kom po nis tin Ele ni<br />

Karaind rou sagt, „Lie be, Iden ti tät, Gren zen<br />

und die Dimen sio nen der Ver ge bung“. Als<br />

rei nes Hör erleb nis bedarf ihre Musik kei nes<br />

ande ren Podi ums als das der inne ren Bil der.<br />

Denn das ist die gro ße Kunst Karaind rous,<br />

Musik für Kon tex te zu schaffen, die die<br />

Eigen stän dig keit bekommt, in ein zig ar ti ger<br />

Klang spra che tief grün dig Wesen und Essenz<br />

der Gescheh nis se hör bar wer den zu las sen.<br />

Über alle Gren zen<br />

hin weg ist dies die<br />

Musik der Stun de. SELL<br />

Eleni Karaindrou: „Tous des<br />

oiseaux“ (ECM)<br />

36 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


KAMMER-<br />

MUSIK<br />

FOTO: JULIA WESELY<br />

Felix Klieser<br />

Geteiltes Glück<br />

Mit der Ein spie lung von Mozarts Hornkon<br />

zer ten hat sich Felix Klie ser einen Kindheits<br />

traum erfüllt. Ver schmitzt lächelnd,<br />

joggt er durchs Cover bild sei ner CD –<br />

pas send zum Esprit der Kom po si tio nen, um<br />

die sich man che Anek do te rankt: Mozart<br />

soll haar sträu ben de Spä ße mit sei nem Hornis<br />

ten Joseph Leut geb getrie ben haben.<br />

Schwer zu glau ben ist das nicht. Im Ron do<br />

des Es-Dur-Kon zerts KV 417 hört man die<br />

Gei gen den Solis ten „aus la chen“! Und dann<br />

sind da ande rer seits die se himm li schen,<br />

über zeit lich schö nen lang sa men Sät ze wie<br />

die Romance aus dem Es-Dur-Kon zert KV<br />

447. Klie ser, das spürt man, hat sich all diese<br />

Abstu fun gen des Aus drucks erschlos sen:<br />

die gute Lau ne, die Melan cho lie, den Witz,<br />

die Tie fe, die Trau er und die Freu de.<br />

Gemein sam mit der Came ra ta Salz burg als<br />

dem Ensem ble von Mozartex per ten stellt<br />

er sei ne eige ne Inter pre ta ti on der Wer ke<br />

vor – und teilt das Glück hier über mit seinen<br />

Hörern. JH<br />

Wolfgang Amadeus Mozart: „Konzerte für<br />

Horn und Orchester 1-4“, Felix Klieser,<br />

Camerata Salzburg (Berlin Classics)<br />

Track 1 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Allegro. Aus: Konzert für Horn und<br />

Orchester Es-Dur KV 447<br />

VINYL<br />

Vladimir Horowitz<br />

Abschied mit Mozart<br />

In sei ner lan gen, sechs Jahr zehn te wäh ren den Kar rie re ver wandel<br />

te sich der Jahr hun dert pia nist Vla di mir Horo witz vom auftrump<br />

fen den Vir tuo sen der frü hen Jah re zu einem Klang far ben magi<br />

er und Lyri ker. Im März <strong>19</strong>87, dem Jahr sei nes Abschieds, ging er<br />

in <strong>Mai</strong> land ein letz tes Mal ins Stu dio, um dort mit dem Sca la-<br />

Orches ter und Car lo Maria Giu li ni das berühm te A-Dur-Konzert<br />

Mozarts (KV 488) für die Nach welt zu ver ewi gen. Die ses unge mein<br />

fri sche, jugend lich-leben di ge Mozart-Mani fest des 83-Jäh ri gen ist<br />

jetzt gemein sam mit der Linzer-Sonate KV 333 in einer digi tal<br />

restau rier ten LP-Ver si on wie der ver öffent licht wor den, und es<br />

unter streicht nach drück lich sein nicht nach las sen des emo tio na les<br />

Feu er, sei ne auf klä re ri sche Klar heit, sei nen berü cken den Far benreich<br />

tum. Am meis ten ver blüff te er durch sein unglaub lich beredtes,<br />

ges ten rei ches Spiel, das im Wech sel von Zärt lich keit und<br />

Prä gnanz die inne re Dra ma tik und die enor men Lebens en er gi en<br />

von Mozarts Kla vier mu sik frei leg te und jeden Anflug von fal scher<br />

Gefüh lig keit aus schloss.<br />

Horo witz’ See le war bis<br />

zuletzt jung geblie ben.<br />

AC<br />

TCHAIKOVSKY<br />

THE COMPLETE SYMPHONIES<br />

Philippe Jordan Pariser Opernorchester<br />

+ EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

mit dem Dirigenten<br />

zu Tchaikovskys Oeuvre und<br />

54-seitigem Softcoverbuch<br />

„Horowitz plays Mozart“,<br />

Vladimir Horowitz, Orchestra<br />

del Teatro alla Scala, Carlo<br />

Maria Giulini (DG)<br />

ERHÄLTLICH BEI JPC<br />

UND IM<br />

FACHHANDEL<br />

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37


H Ö R E N & S E H E N<br />

FOTO: GREGOR HOHENBERG / SONY<br />

OPER<br />

Simone Kermes<br />

Liebeserklärung<br />

an Händel<br />

Ein Koloraturen ausstoßender Vulkan beschenkt<br />

uns mit einer sehr persönlichen, intimen Hommage<br />

an Händel. Von Simone Kermes kommen<br />

ganz wunderbar weiche Töne, und mit einer sphärischen<br />

Wiedergabe des Largo erobert die Sopranistin<br />

das inzwischen fast gänzlich von hohen Männerstimmen<br />

okkupierte Stück den Sängerinnen<br />

zurück. In einer der Neun Deutschen Arien, Szenen<br />

aus Oratorien, Opern und dem in vielen ihrer<br />

Konzerte als Schlusspunkt gesetzten, betörenden<br />

Lascia ch’io pianga aus Rinaldo schreitet Simone<br />

Kermes ihre von Händel wie mit einem breiten<br />

roten Band von den Anfängen bis zu den Konzeptprogrammen<br />

durchzogenen künstlerischen Entwicklung<br />

nach. Die von ihr 2017 gegründeten<br />

Amici Veneziani geleiten sie mit edler Delikatesse.<br />

Dabei gelingen die Leiden der Langobarden-Königin<br />

Rodelinda und der<br />

Trennungsschmerz der Magierin Alcina<br />

weitaus bewegender als das vokale<br />

Dynamit Medeas aus Teseo. DIP<br />

Simone Kermes: „Mio Caro Händel“, Amici<br />

Veneziani, Boris Begelman (Sony)<br />

NEUE<br />

MUSIK<br />

Eldbjørg Hemsing<br />

Friedensvisionen<br />

und<br />

Kriegsbilder<br />

Tan Dun diri giert auf die ser CD sei ne eige nen<br />

Kom po si tio nen, ein Umstand, der die se Einspie<br />

lung zu einem Ereig nis macht. Eldbjørg<br />

Hem sing inter pre tiert die bei den Vio lin konzer<br />

te Rhaps o dy and Fan ta sia sowie Fire Ritu al<br />

mit allen ihr zur Ver fü gung ste hen den Mit teln:<br />

Ihr gelingt ein gran dio ser Brü cken schlag zwischen<br />

Öst li chem und West li chem, sanft-lyrischen<br />

Frie dens vi sio nen und schmerz haft-aufbrau<br />

sen den Kriegs bil dern. Uner schöpfl i cher<br />

Aus drucks wil le und höchs te tech ni sche Prä zisi<br />

on ver lei hen der Musik Tan Duns jenen<br />

typisch ritu al haf ten Cha rak ter, den man auch<br />

von vie len ande ren sei ner Kom po si tio nen<br />

kennt. In Fire Ritu al regen groß ange leg te<br />

Medi ta tio nen zum Nach den ken über den<br />

Zustand einer von krie ge ri schen Aus ein an derset<br />

zun gen gepräg ten Welt an. Mit die sem<br />

Werk setzt Tan Dun ein star kes Zei chen für<br />

all jene zahl lo sen Men schen, die Krieg und<br />

Zer stö rung als tra gische<br />

Lebens rea li tät<br />

erfah ren müs sen. AF<br />

Tan Dun: „Fire Ritual“,<br />

Eldbjørg Hemsing, Oslo<br />

Philharmonic Orchestra,<br />

Tan Dun (BIS)<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Sonatori de la Gioiosa Marca<br />

Ausdrucksvolle<br />

Stimmen für<br />

ein sterbendes Herz<br />

Erst mals stell te das nord ita lie ni sche Ori gi nalklang-Ensem<br />

ble Sona to ri de la Gioio sa Mar ca<br />

den Kom po nis ten Gio van ni Legren zi im Jahr<br />

<strong>19</strong>96 durch die Gesamt auf nah me sei nes vor<br />

1675 geschrie be nen Ora to ri ums La mor te del<br />

cor peni ten te (Der Tod des büßen den Her zens)<br />

einem brei te ren Publi kum vor. Der Ver tre ter<br />

des vene zia ni schen Spät ba rocks hebt sich von<br />

sei nen Zeit ge nos sen ab, inte griert er die Bassstim<br />

me doch in die moti vi sche Ver ar bei tung,<br />

statt auf einen ein fa chen Stütz bass zurück zugrei<br />

fen. Selbst Bach ver wen det ein „The ma<br />

Legren zia num“ in sei ner Fuge BWV 574. In der<br />

mus ter gül ti gen wie klang schö nen Ein spie lung<br />

der Sona to ri wird Legren zis ra f inier te Harmo<br />

nik und expres si ve Melo dik deut lich. Sie<br />

legen damit den Grund stein einer bis heu te<br />

andau ern den, abseits des <strong>Mai</strong>n streams stattfin<br />

den den Wie der ent de ckung des Kom po nisten.<br />

Jetzt wur de die ver griffe ne Auf nah me neu<br />

auf ge legt. FA<br />

Giovanni Lorenzi: „La morte<br />

del cor penitente“, Sonatori<br />

de la Gioiosa Marca (Divox)<br />

Track 9 auf der <strong>CRESCENDO</strong><br />

Abo-CD: Venite alme dolente.<br />

Aus: La morte del cor<br />

penitente<br />

Franz Liszt<br />

Spektakuläre<br />

Uraufführung<br />

Mit der Gat tung Oper wür de man Franz Liszt<br />

nicht unbe dingt in Ver bin dung brin gen. Dabei<br />

heg te der umtrie bi ge Kom po nist und Kla viervir<br />

tuo se durch aus Ambi tio nen in die se Richtung.<br />

Die meis ten Plä ne blie ben aber schon im<br />

Anfangs sta di um ste cken. In sei ner rei fen Schaffens<br />

zeit voll ende te er immer hin einen Akt seiner<br />

ita lie ni schen Oper Sar d a na pa lo nach einem<br />

Dra ma von Lord Byron. War um er die Arbeit<br />

1852 abbrach, ist nicht genau bekannt. Nach<br />

über 150 Jah ren ent deck te der Musik wis senschaft<br />

ler David Trip pett das ver ges se ne Manuskript,<br />

erst kürz lich wur de es orches triert und<br />

edi tiert. Liszts eige ne Hand schrift ist zu erkennen,<br />

eben so der Ein fluss Vin cen zo Bel li nis, Giaco<br />

mo Mey er beers und von Liszts Schwie gersohn,<br />

Richard Wag ner. 2018 brach ten Gesangsso<br />

lis ten und die Staats ka pel le Wei mar unter<br />

Kirill Kara bits Sar d a na pa lo zur Urauffüh rung.<br />

Jetzt ist der Mit schnitt als Ersteinspie lung<br />

beim Label Audi te erschie nen. Eine inter es sante<br />

Trou vail le, die dem Liszt-Bild eine neue<br />

Facet te hin zu fügt. CK<br />

Franz Liszt: „Sardanapalo,<br />

Mazeppa“, Joyce El-Khoury,<br />

Airam Hernández, Oleksandr<br />

Pushniak, Staatskapelle<br />

Weimar, Kirill Karabits<br />

(Audite)<br />

OPER<br />

38 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Inga Fiolia<br />

Faszinierende Entdeckung<br />

SOLO<br />

Schon mal was von Sulk han Tsint s ad ze gehört? Nein? Dann ist man in<br />

guter Gesell schaft. Den geor gi schen Kom po nis ten dürf te hier zu lan de<br />

kaum jemand ken nen, doch wenn man sei ne 24 Pre ludes für Kla vier hört,<br />

muss man sich unwei ger lich fra gen: War um eigent lich? Die se fas zi nieren<br />

de Musik ist eine ech te Ent de ckung! Tsint s ad ze hat die reich hal ti ge<br />

Musik tra di ti on sei nes Hei mat lan des mit der Musik des 20. Jahr hun derts<br />

ver schmol zen: geor gi sche Tän ze etwa mit jaz zig ange hauch ter Har monik,<br />

die typi sche Melo dik sei nes Hei mat lan des mit kom ple xen moder nen<br />

Rhyth men. Her aus ge kom men ist ein viel fäl ti ger und elek tri sie ren der<br />

Stil. Die deutsch-geor gi sche Pia nis tin Inga Fio lia spielt die se fes seln de<br />

Musik mit Hin ga be und groß ar ti gem Eifer. Sie haut mit Wumms in die<br />

Tas ten, frie melt aber auch kleins te rhyth mi sche<br />

Zise lie run gen mit bemer kens wer ter Exakt heit<br />

aus ein an der. Das macht sie mit einer Mühe lo sigkeit,<br />

die ein fach ein neh mend ist. GK<br />

Sulkhan Tsintsadze: „24 Preludes for Piano“, Inga Fiolia<br />

(Grand Piano)<br />

Sarah McCoy<br />

Lebensbeichte einer<br />

Schlangenfrau<br />

Blood Siren nennt die ame ri ka ni sche Sän ge rin Sarah McCoy ihr ers tes in<br />

Euro pa pro du zier tes Album, in dem sie die dunk len Jah re ihres Vagabun<br />

den da seins auf den Stra ßen und in den klei nen Clubs von New<br />

Orleans scho nungs los und selbst kri tisch Revue pas sie ren lässt. Mit<br />

ihrer lei sen, rau chi gen Stim me und spär li cher Kla vier be glei tung gibt sie<br />

in zwölf eige nen blue si gen Songs authen ti sche Ein bli cke in die nächt liche<br />

Exis tenz einer Aus stei ge rin, die in der bro deln den Sub kul tur der<br />

Jazz-Metro po le zur Musik und zu sich selbst fand. Ende 2017 lock te sie<br />

Talent-Pro du cer Chil ly Gon za les nach Paris und unter leg te ihre schlichten,<br />

aber ergrei fend sug ges ti ven Bal la den mit dosier ten Syn thie-Sounds,<br />

die den inti men Zau ber ihrer ein sa men Mono lo ge noch ver dich ten. Als<br />

sän ge sie in einem lee ren, von den Gäs ten<br />

bereits ver las se nen Nacht club für sich selbst,<br />

ganz offen, schutz los, in alten Träu men und<br />

Gedan ken ver lo ren. Die se Schlan gen frau erzählt<br />

uns vom rich ti gen Leben. AC<br />

Aktuelle<br />

NEUHEITEN<br />

bei Sony Music<br />

www.khatiabuniatishvili.com<br />

Khatia Buniatishvili Schubert<br />

Khatia Buniatishvili spielt Musik von Franz Schubert.<br />

Mit den 4 Impromptus Op. 90 D 899 und der<br />

Klaviersonate Nr. 21 in B-Dur D 960.<br />

www.olgascheps.com<br />

Olga Scheps Melody<br />

Olga Scheps präsentiert auf ihrem neuen Album Werke von<br />

Brahms, Chopin, Mussorgsky, Marcello, Grieg u. a.<br />

Sarah McCoy: „Blood Siren“ (Blue Note)<br />

BartolomeyBittmann<br />

Vulkanische Kraft<br />

JAZZ<br />

Das öster rei chi sche Duo Mat thi as Bar to lo mey (Cel lo) und Kle mens<br />

Bitt mann (Vio li ne & Man da la) erschließt mit sei nen klas si schen Streichin<br />

stru men ten neue, auf re gen de Klang wel ten. Mit ent fes sel ter Musi zierlust<br />

und exzes si ver rhyth mi scher Power kre ieren die bei den Ber ser ker<br />

auf ihrem neu en Album „Dyna mo“ einen welt offe nen, hoch vir tuo sen<br />

Mix aus Kam mer mu sik, Rock und Jazz mit Anklän gen von Folk, Metal<br />

und Mini mal Music und drin gen in spi ri tu el le Sphä ren vor, die man einer<br />

sol chen inti men Duofor ma ti on nicht zuge traut hät te. In elf eige nen, mit<br />

rät sel haf ten lite ra ri schen Titeln ver se he nen Kom po si tio nen errich ten<br />

sie orches tra le Archi tek tu ren von einer vul ka ni schen Kraft und einer<br />

lyri schen Inten si tät, die über wäl ti gen, ver zau bern und die archai sche<br />

Natur kraft mit High tech-Kom ple xi tät zu grooven<br />

den Bewe gungs mus tern von magi scher Aura<br />

ver dich ten. Bar to lo mey Bitt mann sind ein von<br />

tie fer Lebens lust und altem Wis sen gespeis tes<br />

Kraft werk zwei er gleich ge stim mer See len. AC<br />

Matthias Bartolomey und Klemens Bittmann: „Dynamo“ (ACT)<br />

39<br />

www.dorotheeoberlinger.de<br />

Dorothee Oberlinger Night Music<br />

Eine faszinierende musikalische Reise durch die Nacht mit<br />

Dorothee Oberlinger und den Sonatori de la Gioiosa Marca.<br />

Mit Musik von Vivaldi, Hotteterre, Biber, u. a. und dem<br />

berühmten ‘Round Midnight. Erhältlich ab 5.4.<br />

WWW.SONYCLASSICAL.DE<br />

facebook.com/sonyclassical · facebook.com/deutscheharmoniamundi<br />

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Interessantes aus der Klassikwelt.


H Ö R E N & S E H E N<br />

Unerhörtes & neu Entdecktes<br />

von Christoph Schlüren<br />

HEILIGER ZORN UND<br />

VERLORENE UNSCHULD<br />

Die Komponisten Arnold Rosner und Juan Crisóstomo de Arriaga.<br />

Musikgeschichte ist eine hochkomplexe Angelegenheit,<br />

die für Schulbuchzwecke vereinfacht wird. Bewegungen<br />

erzeugen Gegenbewegungen, extreme Haltungen<br />

erzeugen extreme Gegenpositionen. Wir können uns<br />

heute schwer vorstellen, wie es für junge Komponisten<br />

in den <strong>19</strong>60er- und <strong>19</strong>70er-Jahren war, wenn sie ihr Innerstes<br />

ausdrücken wollten und auf das trockene Dogma des Serialismus<br />

ihrer Lehrer stießen wie ein Schiff, das auf eine Sandbank aufläuft.<br />

Die Generation der in den <strong>19</strong>40er-Jahren Geborenen stellt sich<br />

mittlerweile als die kreativ ergiebigste eines ganzen Jahrhunderts<br />

heraus, obwohl gerade hier die großen Namen selten, kaum Ikonen<br />

der Moderne oder des Konservatismus zu finden sind. Doch Komponisten<br />

wie Anders Eliasson, Pehr Henrik Nordgren, Tristan<br />

Keuris, Yevgeni Stankovich oder Peter Lieberson erweisen sich als<br />

Entdeckungen mit einem Tiefgang, einer Originalität und Meisterschaft,<br />

die noch lange nicht überblickbar und nie einzuordnen<br />

sein werden.<br />

Auch der jüdische New Yorker Arnold Rosner (<strong>19</strong>45 –2013)<br />

fand sich als junger Mann im Irrsinn des Dogmas wieder und orientierte<br />

sich als vom Establishment Abgelehnter zunächst an der<br />

archaisierend reinen Schönheit der Musik seines armenischstämmigen<br />

Landsmanns Alan Hovhaness. Doch Rosners Ausdruckspotenzial<br />

erwies sich als weit vielschichtiger. Und man hört in seiner<br />

Musik bis in die letzten Jahre nicht nur die Suche nach der Schönheit<br />

und verlorenen Unschuld, sondern auch den heiligen Zorn eines<br />

Künstlers, der sich kompromisslos gegen den<br />

herrschenden Zeitgeist verwahrte. Rosner schuf<br />

Werke, in welchen sich Elemente mittelalterlichen<br />

Tonsatzes und von Renaissance-Polyfonie, archaisch-höfischer<br />

Tanzmusik, expressionistischer<br />

Explosivität in ostinaten Tanzrhythmen und kollidierender<br />

Dreiklangsgebilde, organische Entwicklungen<br />

und abrupte Umbrüche begegnen.<br />

Eigentlich müsste ein derartiges Kreuzfeuer unterschiedlichster<br />

stilistischer Ingredienzien chaotische<br />

Collagen erzeugen, doch bei Rosner ist all dies<br />

– kraft eines unbändigen Willens zur eigenen<br />

Formung – zu erstaunlich kongruenter Gestalt<br />

geformt. Der Hörer wird mitgenommen in eine<br />

abenteuerliche Welt, die zwar intensiv berührt,<br />

jedoch keinen Seelentrost spendet, sondern eher wie der Blick in<br />

ein kosmisches Drama anmutet.<br />

Bei Toccata Classics ist jetzt die dritte Folge seiner Orchesterwerke<br />

erschienen, mit einem wunderbar mysteriösen, schleierhaft<br />

farbenreichen Nocturne, der ritualhaft auf antike metrische Strukturen<br />

zurückgreifenden Ouvertüre Tempus perfectum und der zum<br />

Bersten gespannten, dreisätzigen Sechsten Sinfonie von <strong>19</strong>76, die<br />

sozusagen das ganze Spektrum von Josquin des Prés bis zur lavaartig<br />

herausgeschleuderten Expressivität Allan Petterssons umspannt.<br />

Vielleicht den besten Einstieg in die gegensätzlichen Facetten von<br />

Rosners Welt bieten die Fünf Koans auf der Vorgänger-CD an, wo in<br />

fünf Sätzen erstaunlich einander ergänzende fremde Welten sich<br />

eröffnen und jeweils einen atemberaubend zusammenhängenden<br />

Bogen errichten. Großartig auch die späten Unraveling Dances und<br />

die multimetrische Metamusik in Gematria von <strong>19</strong>91. Herrlich ist<br />

eine weitere Toccata-CD mit Kammermusik. Und auf Naxos sind<br />

seine Sinfonien Nummer fünf und sieben erhältlich, jeweils gekoppelt<br />

mit Sinfonien des italo-amerikanischen Originalgenies Nicolas Flagello.<br />

Das alles ist unbedingt die Hörerfahrung wert.<br />

Rosner mag in seinem unstillbaren Zorn nur phasenweise die<br />

verlorene Unschuld gefunden haben, die er so verzweifelt einsam<br />

ersehnte. Diese Unschuld findet in schönster Weise, wer Juanjo<br />

Menas Neuaufnahme von Juan Crisóstomo de Arriagas (1806–1826)<br />

herrlicher Sinfonie von 1824 mit dem BBC Philharmonic hört<br />

(Chandos). Arriaga, die einzige ganz große Hoffnung der spanischen<br />

Musik zwischen dem Renaissance-Zeitalter und dem Impressionismus,<br />

starb mit <strong>19</strong> Jahren. Cherubini liebte seine Musik, und heutige<br />

Streichquartette lieben seine drei wunderbaren Quartette.<br />

Doch die Sinfonie in d-Moll, die zwischen Schubert<br />

und Mendelssohn ihren Zauber entfaltet, ist wohl<br />

sein größtes Werk. Nun ist sie erstmals auf feinstem<br />

Niveau zu hören. <br />

n<br />

Arnold Rosner: „Orchestral Music“, Vol. 1, London Philharmonic Orchestra,<br />

David Amos, Vol. 2 und 3, London Philharmonic Orchestra, Nick Palmer<br />

(Toccata Classics); Arnold Rosner: „Chamber Music“, Curtis Macomber,<br />

Maxine Neuman, David Richmond, Margaret Kampmeier, Carson Cooman<br />

(Toccata Classics)<br />

Juan Crisóstomo de Arriaga: „Overture to ‚Los esclavos felices‘, Herminie,<br />

Symphony in D minor, Air from ‚Médée‘, Overture in D major“, Berit<br />

Nordbacken Solset, BBC Philharmonic, Zoë Beyers, Juanjo Mena (Chandos)<br />

40 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Johann Jacob Bach<br />

Musiker in<br />

turbulenten Zeiten<br />

Die Bachs waren über Generationen eine Musikerfamilie.<br />

Johann Sebastian Bach, ihr heute bekanntester Spross, war<br />

bereits in der vierten Generation Musiker, und auch sein<br />

um drei Jahre älterer Bruder Johann Jacob begann nach dem<br />

Tod der Eltern bei Johann Heinrich Halle, dem Nachfolger<br />

seines Vaters als Stadtpfeifer, eine Musikerlehre. Doch hielt<br />

es ihn nicht in der Heimat. Als der schwedische König Karl<br />

XII. mit seinem Heer Sachsen eroberte, trat<br />

er als Regimentsmusiker in dessen Leibgarde<br />

und wurde mitgerissen in das Weltgeschehen<br />

und den Großen Nordischen Krieg. Olaf<br />

Schmidt forscht in seinem historischen<br />

Roman „Der Oboist des Königs“ dem<br />

Schicksal des Musikers nach. Er erzählt vom<br />

gemeinsamen Aufwachsen der verwaisten<br />

Brüder, der Wanderschaft Johann Jacobs, der<br />

als Musikant durch die Lande zog, Händel<br />

und Telemann traf und, nachdem das Kriegsglück<br />

Karls XII. sich gewendet hatte, bis nach<br />

Konstantinopel an den osmanischen Hof<br />

gelangte. Die historischen Figuren und Ereignisse<br />

sind recherchiert, die Lebendigkeit<br />

ihrer Darstellung verdankt sich der schriftstellerischen<br />

Fantasie. RRR<br />

Olaf Schmidt: „Der Oboist des Königs. Das abenteuerliche<br />

Leben des Johann Jacob Bach“ (Galiani)<br />

BUCH<br />

Sarah Baxter<br />

Auf den Spuren Leopold<br />

Blooms und anderer<br />

„Wer schreibt, schafft Orte“, befin det die bri ti sche Jour na lis tin<br />

Sarah Bax ter. 25 Roma ne, in denen Orte nicht allein der lite ra rischen<br />

Fan ta sie ent sprun gen sind und auch nicht<br />

nur eine pas si ve Kulis se bil den, hat sie aus gewählt<br />

und sich hin be ge ben. Mit Arund ha ti Roys<br />

Roman „Der Gott der klei nen Din ge“ über die<br />

Tra gik des uner bitt li chen Kas ten sys tems, der als<br />

lite ra ri sche Sen sa ti on des Jah res <strong>19</strong>97 gefei ert<br />

wur de, reist sie zu den Reis fel dern ins süd in dische<br />

Kera la. Und mit Kha led Hoss ei nis „Drachen<br />

läu fer“ bricht sie auf zu den mäch ti gen Gipfeln<br />

des afgha ni schen Hin du kusch. Vic tor Hugos<br />

„Die Elen den“ lässt ihren Paris auf ent halt zur<br />

Zeit rei se wer den, wenn sie im Vier tel Marais<br />

noch etwas von den alten ver win kel ten Gässchen<br />

ent deckt. Ledig lich eine Tafel fin det sie<br />

dage gen im heu ti gen Sankt Peters burg von Raskol<br />

ni kows Her um zie hen durch Hin ter zim mer,<br />

Bor del le und dre cki ge Knei pen. Brei ten Raum<br />

wid met sie den Roma nen ihrer bri ti schen Heimat.<br />

Es fehlt aber auch nicht Alfred Döblins „Ber lin Alex an derplatz“,<br />

der bedeu tends te deut sche Groß stadt ro man des 20. Jahrhun<br />

derts. Illus triert hat den zum Wie der le sen inspi rie ren den kleinen<br />

Streif zug durch die Welt li te ra tur Amy Gri mes, deren<br />

far ben fro he, nai ve Bil der einen reiz vol len Gegen satz zu den tris ten<br />

Elends schil de run gen der Roma ne bil den. RRR<br />

Sarah Baxter: „Atlas der literarischen Orte. Entdeckungsreise zu den Schauplätzen der<br />

Weltliteratur“ (Brandstätter)<br />

Klavierkonzert Nr. 2<br />

Sinfonie Nr. 1<br />

Bezuidenhout<br />

Heras-Casado<br />

Freiburger Barockorchester<br />

HMM 902369<br />

Mendelssohns Sinfonie in c-Moll ist seine erste in<br />

großer Besetzung und bereitet damit den Weg für die<br />

bedeutenden sinfonischen Werke, die auf sie folgen<br />

sollten. Die Melusine-Ouvertüre und das von hellen<br />

Klängen geprägte Klavierkonzert Nr. 2 weisen eine<br />

Instrumentierung und eine Harmonik auf, die eine<br />

Interpretation auf historischen Instrumenten vorzüglich<br />

zur Geltung zu bringen vermag. In diesen Werken der<br />

Romantik gibt es nichts Morbides, im Gegenteil: Überall<br />

entlädt sich eine überschwängliche Lebensfreude, die<br />

so voller ungestümer und leidenschaftlicher Ungeduld<br />

ist wie die Jugend selbst.<br />

41<br />

Fotos © Fernando Sancho, © Annelies van der Vegt


R Ä T S E L<br />

& R E A K T I O N E N<br />

GEWINNSPIEL<br />

Wer verbirgt sich hinter diesem Text?<br />

HINTER<br />

DEN KULISSEN<br />

Aus der <strong>CRESCENDO</strong> Redaktion:<br />

„Brüggemanns Klassik-Woche“,<br />

der neue Newsletter<br />

„Bernstein hatte großen Einfluss auf meinen Kompositionsstil und gilt<br />

gleichzeitig als der beste Dirigent meiner Werke“<br />

Ich wurde als jüngster Sohn einer eingewanderten konservativjüdischen<br />

Familie aus Litauen geboren. Mit meiner Schwester und<br />

Mutter, die selbst sangen, Klavier spielten und Musikunterricht<br />

für Kinder organisierten, tauchte ich schon als kleines Kind in<br />

zauberhafte musikalische Welten ein. Meine ersten Bühnenerfahrungen<br />

sammelte ich mit Auftritten auf jüdischen Festen und<br />

Hochzeiten und genoss schon bald die Lehre vieler hervorragender<br />

Musiker am Konservatorium.<br />

Meine expressionistischen Frühwerke standen unter dem Einfluss<br />

des Jazz und wurden von Publikum und Presse zunächst<br />

äußerst skeptisch aufgenommen. Über eine meiner Kompositionen<br />

wurde einmal gesagt: „Wer solch eine Musik schreibt, wird wohl<br />

später einen Mord begehen.“ Doch Jazz war zu dieser Zeit für mich<br />

die Form der amerikanischen Ausdrucksweise schlechthin. Mein<br />

Kompositionsstil entwickelte sich aber immer weiter, und so wurden<br />

auch meine Werke zugänglicher. Ich begann, Ballette, Filmmusiken<br />

und leichtere Orchesterwerke zu schreiben, die neben gesellschaftlichem<br />

Erfolg auch finanzielle Anerkennung einbrachten.<br />

Mit meiner Musik stand ich stolz für Amerika und galt als<br />

Komponist mit starkem patriotischen Bezug. Trotzdem ermittelte<br />

das FBI mehrere Jahrzehnte wegen vermeintlicher kommunistischer<br />

Beziehungen, die aber nie offiziell bestätigt wurden und meiner<br />

wachsenden Reputation nahezu nicht schadeten.<br />

Ich bin nicht nur Komponist, Dirigent, Pianist und Musikschriftsteller,<br />

sondern auch Namensgeber für ein Softwareprojekt,<br />

einen Berg in der Antarktis und einen Asteroiden und zähle zu den<br />

wichtigsten Musikerpersönlichkeiten des letzten Jahrhunderts. AM<br />

RÄTSEL LÖSEN<br />

UND EINE CD-BOX<br />

GEWINNEN!<br />

Wer ist hier gesucht? Wenn<br />

Sie die Antwort kennen, dann nehmen<br />

Sie an der Verlosung teil unter www.crescendo.de/mitmachen.<br />

Diese DVD-Box können Sie gewinnen: „Tchaikovsky. The Complete<br />

Symphonies“ (Arthaus). Einsendeschluss ist der 28.03.20<strong>19</strong>. Gewinner<br />

unseres letzten Gewinnspiels ist Willonah Akol aus Essen.<br />

Die Lösung war Giacinto Scelsi.<br />

FOTO: MARION S. TRIKOSKO<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Autor und<br />

Kolumnist Axel Brüggemann<br />

fasst jeden Montag die Klassik-Woche<br />

zusammen. Wir<br />

haben Nachrichten, bevor sie<br />

woanders stehen, führen<br />

Debatten, die anderswo nicht<br />

geführt werden, und berichten<br />

über das, was ist, was war<br />

und was lohnt.<br />

Den Newsletter können<br />

Sie kostenlos auf der <strong>CRESCENDO</strong> Homepage abonnieren:<br />

www.crescendo.de/newsletteranmeldung<br />

Reaktionen auf die ersten Newsletter<br />

„Brüggemanns Klassik-Woche“<br />

„Danke, dass Sie mich zum Lachen gebracht haben.“<br />

(Franz Welser-Möst)<br />

„Ein großartiger Newsletter, sehr lesenswert.“ (Ioan Holender)<br />

„Wieder ein ausgesprochen hübscher und in jeder Hinsicht<br />

informativer, aber auch sehr unterhaltsamer Rückblick!“<br />

(Dr. Ingrid Bodsch, Schumann Netzwerk)<br />

„Ich habe Ihren Newsletter und einige der Links gelesen und<br />

mich sowohl gut unterhalten als auch informiert und werde ihn<br />

gern weiterempfehlen.“ (Angelika Ruge, Tiroler Festspiele)<br />

„Endlich mal ein Newsletter, der Interesse weckt, weiterzulesen,<br />

zu entdecken und auch noch gute Laune macht!“<br />

(Christiane Meininger)<br />

„Meinungsstark wie immer.“ (Daniela Majer)<br />

Zum Newsletter-Satz: „Wäre Anna Netrebko die<br />

Frau von Heino, würde der in der kommenden Saison<br />

an der Semperoper im Don Carlo singen.“ auf Twitter:<br />

„Dafür singt Hannelore an Ostern in Salzburg.“ (Manuel Brug)<br />

„Könnte schlimmer sein: Wäre Heino mit Garanča verheiratet,<br />

würde er Don Carlo dirigieren.“ (Capriccio)<br />

Zur Newsletter-Exklusivmeldung, dass der Wiener<br />

Musikverein mit Stephan Pauly verhandelt<br />

„Guter Riecher, Kompliment.“ (Dr. Andreas B.)<br />

Zum Newsletter-Gespräch über die Nichtverlängerung<br />

von Florian Lutz in Halle auf Facebook<br />

„Intrigen allüberall. Wie dumm kann man sein?“ (Brigitta H.)<br />

Zur Newsletter-Meldung über Gustavo Dudamels<br />

Indifferenz in der Venezuela-Frage auf Facebook<br />

„Ein Musiker muss nicht mutig sein oder einen starken Charakter<br />

haben und wer kennt schon seine Überzeugungen. Ein Mann<br />

jedoch, der weltweit tätig ist, vom freien System profitiert und<br />

reich wird, sollte für Freiheit eintreten können.“ (Wolfram H.)<br />

42 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


präsentiert:<br />

ERLEBEN<br />

Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen von März bis <strong>Mai</strong> im Überblick (ab Seite 44)<br />

Komponist Moritz Eggert setzt Fritz Langs Kultfilm M musikalisch in einer Oper um (Seite 46)<br />

Die 10. Internationalen Schostakowitsch Tage in Gohrisch (Seite 50)<br />

10. <strong>April</strong>, München<br />

PERCUSSION TIME!<br />

<strong>CRESCENDO</strong> präsentiert in Kooperation mit dem Münchner<br />

Rundfunkorchester den Perkussionisten Simone Rubino in der Reihe<br />

„Mittwochs um halb acht“. <strong>CRESCENDO</strong> Leser erhalten exklusiv Karten<br />

in der besten Kategorie sowie eine Backstage-Führung vorab und<br />

sind zu Künstlergesprächen in der <strong>CRESCENDO</strong> Lounge im Gartensaal<br />

herzlich willkommen. „Ich finde es spannend, was Schlagzeug kann“, sagt<br />

Simone Rubino. Der vielseitige Schlagzeuger, der für eine Saison als Artist<br />

in Residence zum Münchner Rundfunkorchester berufen ist, spielt u. a.<br />

Marimba, Röhrenglocken, Trommeln und Gongs sowie Schellen und Becken.<br />

Als Schlagzeuger habe man kein so großes Repertoire, erläutert er.<br />

Darum liebe er zeitgenössische Musik. Sie ermögliche es, mit Komponisten<br />

an neuen Werken zu arbeiten. Für „Percussion Time!“ mit<br />

dem Münchner Rundfunkorchester, geleitet von Ariel Zuckermann,<br />

wählt er Werke von Tan Dun, der japanischen Komponistin<br />

Keiko Abe und Astor Piazzolla.<br />

München, Prinzregententheater, das <strong>CRESCENDO</strong><br />

Exklusivpaket für 45 Euro nur unter:<br />

www.crescendo.de/live<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE<br />

43


E R L E B E N<br />

<strong>April</strong> / <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong><br />

DIE WICHTIGSTEN<br />

VERANSTALTUNGEN AUF<br />

EINEN BLICK<br />

Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals<br />

PREMIEREN<br />

16.2. FRANKFURT AM MAIN OPER<br />

Der ferne Klang / Franz Schreker<br />

16.3. BERLIN KOMISCHE OPER<br />

Poros / Georg Friedrich Händel<br />

16.3. FLENSBURG SCHLESWIG-<br />

HOLSTEINISCHES LANDESTHEATER<br />

Manon Lescaut / Giacomo Puccini<br />

16.3. MÜNCHEN NATIONALTHEATER<br />

La fanciulla del West / Giacomo Puccini<br />

16.3. WIEN (AT) THEATER A. D. WIEN<br />

Die Jungfrau v. Orleans / P. Tschaikowsky<br />

23.3. DARMSTADT STAATSTHEATER<br />

Rusalka / Antonín Dvořák<br />

23.3. ERFURT THEATER<br />

Dead Man Walking / Jake Heggie<br />

23.3. ESSEN AALTO-MUSIKTHEATER<br />

Medea / Aribert Reimann<br />

23.3. KARLSRUHE BADISCHES<br />

STAATSTHEATER<br />

Roberto Devereux / Gaetano Donizetti<br />

23.3. MÖNCHENGLADBACH THEATER<br />

Boris Godunow / M. Mussorgski<br />

23.3. MAINZ STAATSTHEATER<br />

Simon Boccanegra / Giuseppe Verdi<br />

23.3. NÜRNBERG STAATSTHEATER<br />

Madame Butterfly / Giacomo Puccini<br />

23.3. OSNABRÜCK THEATER<br />

The Producers / Mel Brook<br />

24.3. AUGSBURG THEATER<br />

JFK / David T. Little<br />

24.3. BERLIN DEUTSCHE OPER<br />

Der Zwerg / Alexander von Zemlinsky<br />

24.3. MANNHEIM NATIONAL-<br />

THEATER Francesca da Rimini /<br />

Sergej Rachmaninow<br />

28.3. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZ-<br />

THEATER La Bohème / Giacomo Puccini<br />

29.3. HANNOVER STAATSOPER<br />

Iphis / Elena Kats-Chernin<br />

30.3. BASEL (CH) THEATER<br />

Madame Butterfly / Giacomo Puccini<br />

30.3 LEIPZIG OPER<br />

Der fliegende Holländer / R. Wagner<br />

31.3. AACHEN THEATER<br />

La Grande-Duchesse de Gérolstein /<br />

Jacques Offenbach<br />

31.3. GELSENKIRCHEN MUSIKTHEATER<br />

IM REVIER Ein Sommernachtstraum /<br />

Bridget Breiner<br />

31.3. KÖLN OPER<br />

La scuola de‘ gelosi / Antonio Salieri<br />

31.3. WIEN (AT) STAATSOPER<br />

Orest / Manfred Trojahn<br />

13. bis 22. <strong>April</strong>, Osterfestspiele Salzburg<br />

DAS DUMPFE WIRKEN DER<br />

LEIDENSCHAFTEN<br />

Die Sopranistin<br />

Marisol Montalvo ist<br />

eine der gefragtesten<br />

Protagonistinnen zeitgenössischer<br />

Musik<br />

Während im Großen Festspielhaus Wagners Meistersinger mit dem<br />

Künstlerischen Leiter Christian Thielemann am Pult über die Bühne<br />

gehen, gibt es in der Großen Universitätsaula die Uraufführung<br />

von Philipp <strong>Mai</strong>ntz’ Kammeroper Thérèse zu sehen. „Mich fasziniert<br />

Musiktheater“, wusste <strong>Mai</strong>ntz bereits, bevor bei der Münchener<br />

Biennale 2010 seine erste Oper Maldoror zur Aufführung<br />

kam. Otto Katzameier übernahm damals die Titelrolle. Diesmal<br />

verfasst er auch das Libretto nach dem Roman und Drama von<br />

Émile Zola, der seinen Text als wissenschaftliche Analyse verstand.<br />

Das „dumpfe Wirken der Leidenschaften, das Drängen des Naturtriebs“<br />

habe er zu verfolgen versucht. Georges Delnon setzt das<br />

Werk mit Nicolas André am Pult in Szene. Die Partie von Laurent<br />

verkörpert Katzameier. Thérèse ist Marisol Montalvo (Foto). Als<br />

zweite Uraufführung steht das Orchesterwerk Der Zorn Gottes von<br />

Sofia Gubaidulina auf dem Programm. Tobias Moretti ist der Sprecher<br />

in der Ode an Napoleon Buonaparte, Schönbergs Auseinandersetzung<br />

mit der politischen Situation der <strong>19</strong>40er-Jahre und seine<br />

Stellungnahme gegen die Tyrannei. Mit dem Herbert-von-Karajan-<br />

Preis 20<strong>19</strong> wird Mariss Jansons geehrt, der als Gastdirigent mit der<br />

Sopranistin Regula Mühlemann die Vierte Sinfonie Mahlers zur Aufführung<br />

bringt.<br />

Salzburg, verschiedene Spielorte, www.osterfestspiele-salzburg.at<br />

FOTO: MARISOL MONTALVO<br />

5.4. DESSAU ANHALTISCHES<br />

THEATER Manon Lescaut / G. Puccini<br />

5.4. LUDWIGSHAFEN THEATER IM<br />

PFALZBAU Jenufa / Leoš Janáček<br />

6.4. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER Die Passagierin / Mieczysław<br />

Weinberg<br />

6.4. DRESDEN SEMPEROPER<br />

Platée / Jean-Philippe Rameau<br />

6.4. HANNOVER STAATSOPER<br />

Die Gezeichneten / Franz Schreker<br />

6.4. KAISERSLAUTERN PFALZ-<br />

THEATER Cabaret / John Kander<br />

6.4. MÜNSTER THEATER<br />

Die Liebe zu den drei Orangen /<br />

Sergej Prokofjew<br />

6.4. WIEN (AT) VOLKSOPER<br />

Meine Schwester und ich / R. Benatzky<br />

7.4. BONN THEATER<br />

Die Sache Makropulos / Leoš Janáček<br />

7.4. STUTTGART STAATSOPER<br />

Nixon in China / John Adams<br />

7.4. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Manon Lescaut / Jules Massenet<br />

10.4. HAMBURG STAATSOPER<br />

Lessons in Love and Violence /<br />

George Benjamin<br />

12.4. FREIBURG THEATER<br />

Don Giovanni / W. A. Mozart<br />

12.4. KREFELD THEATER<br />

Nabucco / Giuseppe Verdi<br />

12.4. MANNHEIM NATIONALTHEATER<br />

House of Usher / Claude Debussy<br />

13.4. BERLIN STAATSOPER<br />

Die Verlobung im Kloster /<br />

Sergej Prokofjew<br />

18.4. DORTMUND THEATER<br />

Quartett / Luca Francesconi<br />

20.4. HILDESHEIM THEATER<br />

Tod in Venedig / Benjamin Britten<br />

26.4. DARMSTADT STAATSTHEATER<br />

Ariadne auf Naxos / Richard Strauss<br />

26.4. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZ-<br />

THEATER On the Town / L. Bernstein<br />

27.4. BONN THEATER<br />

Callas / Reinhild Hoffmann<br />

27.4. ERFURT THEATER<br />

Aida / Giuseppe Verdi<br />

27.4. HANNOVER STAATSOPER<br />

Oedipus Rex / Igor Strawinsky<br />

27.4. HOF THEATER<br />

Kiss Me, Kate! / Cole Porter<br />

27.4. KASSEL STAATSTHEATER<br />

Ares / Johannes Wieland<br />

27.4. KIEL THEATER<br />

Die Stumme von Portici /<br />

Daniel-François-Esprit Auber<br />

44 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: HANS JÖRG MICHEL; NINA KARMON; MONIKA RITTERSHAUS; GERT WEIGELT; THOMAS JAUCK; SONY MUSIC; MENG PHU; SHIRLEY SUAREZ; BLACKIE BOUFFANT; JÖRN KIPPING; GILBERT FRANÇOIS; PAAVO BLAFIELD<br />

NACH BAUBEGINN 1863<br />

25. <strong>Mai</strong><br />

150 JAHRE HAUS AM RING<br />

Die Wiener Staatsoper feiert das 150-jährige<br />

Bestehen ihres Hauses am Ring. 1857 ordnete<br />

Kaiser Franz Joseph I. die Schleifung des Befestigungsgürtels<br />

an, um an seiner Stelle eine Ringstraße<br />

errichten zu lassen. Als erstes ofzielles<br />

Gebäude entstand die Hofoper nach Plänen der<br />

Architekten Eduard van der Nüll und August<br />

Sicard von Sicardsburg. Die Eröffnung am 25. <strong>Mai</strong> 1869 erlebten die beiden<br />

allerdings nicht. Die Oper wirke wie im Boden eingesunken, kritisierte<br />

der Kaiser, worauf van der Nüll sich umbrachte und von Sicardsburg<br />

aus Gram verstarb. Erster Intendant wurde Franz von Dingelstedt,<br />

der zwar nichts von Musik verstand und für den die Oper bloß ein „notwendiges<br />

Übel“ war, der aber durch langjährige Tätigkeit in München und<br />

Weimar Erfahrung hatte. Den Geburtstag ihres Hauses feiert die Staatsoper<br />

mit einer Matinee, einer Neuinszenierung der Oper Die Frau ohne<br />

Schatten von Richard Strauss, der von <strong>19</strong><strong>19</strong> bis <strong>19</strong>24 Opernintendant in<br />

Wien war, und einem „Fest für alle“. In einem gemeinsamen Jubiläumskonzert<br />

bespielen Ensemblesänger, Gäste, das Wiener Staatsballett, das<br />

Staats opernorchester, das Bühnenorchester und der Staatsopernchor<br />

den öffentlichen Raum rund um das Haus.<br />

Wien, Staatsoper, www.wiener-staatsoper.at<br />

10. bis 26. <strong>Mai</strong><br />

HANNOVER<br />

KUNSTFESTSPIELE HERRENHAUSEN<br />

Frank Zappa (Foto) ging als Ikone des Undergrounds<br />

in die Geschichte der Rockmusik ein.<br />

Tatsächlich aber komponierte er seit seinem<br />

15. Lebensjahr auch für Sinfonieorchester. Er sah<br />

darin das „ultimative Instrument“ und interessierte<br />

sich leidenschaftlich für Neue Musik.<br />

<strong>19</strong>93, im Jahr seines frühen Todes, veröffentlichte<br />

er mit dem Ensemble Modern sein letztes Album „The Yellow Shark“.<br />

Im Rahmen der KunstFestSpiele Herrenhausen, die ihr zehntes Jubiläum<br />

feiern, bringt das Ensemble Modern unter der Leitung von Festspielintendant<br />

Ingo Metzmacher das Werk wieder zur Aufführung, zusammen<br />

mit Greggery Peccary & Other Persuasions. Die überbordenden Kompositionen<br />

aus Zappas Archiven wurden von seinen Mitarbeitern Todd Yvega<br />

und Ali N. Askin in orchestrale Sprache übertragen und 2000 als Album<br />

herausgebracht. Rund 90 genreübergreifende Veranstaltungen stehen auf<br />

dem Jubiläumsprogramm der Festspiele, darunter die deutsche Erstaufführung<br />

von Claude Viviers „Opéra-rituel du mort“ Kopernikus.<br />

Hannover, verschiedene Spielorte, www.kunstfestspiele.de<br />

26. bis 28. <strong>April</strong><br />

BURG SCHAUBECK<br />

KAMMERMUSIK FESTIVAL<br />

„Vinum et musica laetificant cor“ (Wein und<br />

Musik erfreuen das Herz) ist der Leitgedanke<br />

des Kammermusik Festivals auf Burg Schaubeck,<br />

dem Sitz des Weinguts Graf Adelmann. Die Geigerin<br />

Nina Karmon (Foto) rief es ins Leben und<br />

lädt Kollegen zum gemeinsamen Musizieren auf<br />

die Burg. Zum Auftakt erklingt Mozarts Hornquintett<br />

KV 407, das durch die Besetzung mit zwei Bratschen die dunklen<br />

weichen Töne des Horns besonders schön hervorhebt. Hornist ist<br />

Szabolcs Zempléni. Nach einem Ausflug in mediterrane Klangwelten mit<br />

den italienischen Meistern Luigi Boccherini und Achille Simonetti sowie<br />

den Spaniern Gaspar Cassadó, Enrique Granados und Joaquin Turina entführt<br />

eine Matinee mit der Geigerin Elisabeth Kufferath, dem Bratschisten<br />

Diyang Mei, dem Cellisten Trey Lee und Oliver Triendl am Klavier ins<br />

französische Repertoire. Zum romantischen Ausklang gibt es Schumann,<br />

Brahms und Beethoven.<br />

Ludwigsburg, Burg Schaubeck, www.festival-schaubeck.de<br />

28. <strong>April</strong><br />

BERLIN OCEANE<br />

„Der Tag ging, ein anderer kam, Oceane war<br />

fort.“ Mit knappen Worten lässt Theodor<br />

Fontane in Oceane von Parceval seine Titelfigur<br />

aus dem Leben verschwinden. Zum 200. Geburtstag<br />

des Dichters nimmt Detlev Glanert<br />

das Romanfragment zur Vorlage einer Oper. In<br />

der vergeblichen Sehnsucht des mythischen<br />

Naturwesens nach Nähe zu den Menschen sieht er eine psychologische<br />

Anlage der Figur. Mit Hans-Ulrich Treichel entwirft er ein Libretto, das<br />

die Leer- und Bruchstellen des Textes in Klang verwandelt. Ein Chor vertritt<br />

die Stimme des Meeres und die Gesellschaft. In der Inszenierung von<br />

Robert Carsen und mit Maria Bengtsson (Foto) als Oceane kommt das<br />

„Sommerstück für Musik“ unter Donald Runnicles zur Uraufführung.<br />

Berlin, Deutsche Oper, 28.4. (Premiere) sowie 3., 15., 17. und 24.5.,<br />

www.deutscheoperberlin.de<br />

14. bis 22. <strong>April</strong><br />

HANNOVER OSTER-TANZ-TAGE<br />

Internationale Gäste kommen zu den Tanz-<br />

Tagen nach Hannover. Shaun Parker und seine<br />

Kompanie aus Australien ergründen mit der farbenfrohen<br />

Tanzshow Happy as Larry die flüchtige<br />

Natur menschlichen Glücks. Der Choreograf<br />

Johan Inger und seine Kompanie Aterballetto<br />

aus Italien erinnern sich an die Golden Days, als<br />

Tom Waits, Patti Smith und Keith Jarrett den Freiheitsdrang einer Generation<br />

verkörperten. Die Grupo Corpo aus Brasilien blickt mit Dança<br />

Sinfônica zurück auf ihre 40-jährige Geschichte. Und das gastgebende Ballett<br />

der Staatsoper zeigt mit Inferno (Foto) eine Satire auf Politik und Kirche.<br />

Hannover, Staatsoper, www.staatstheater-hannover.de<br />

26. <strong>April</strong><br />

DRESDEN 4.48 PSYCHOSE<br />

Um 4:48 Uhr, wenn die Wirkung der Medikamente<br />

nachlässt, offenbart die klirrende Schlaflosigkeit<br />

den inneren Krieg. Im letzten Drama<br />

der britischen Schriftstellerin Sarah Kane, die<br />

sich <strong>19</strong>99 das Leben nahm, werden Wahn,<br />

Erkenntnis und künstlerische Reflexion eins.<br />

Philip Venables hat das Drama veropert. Seine<br />

Partitur gibt die seelische Finsternis in hoher Tonlage wieder. Wilde<br />

Trommelwirbel mischen sich mit schmeichelndem Radioklang. Venables<br />

bringt Streicher, Saxofone, Akkordeon und Synthesizer zum Einsatz. Die<br />

Vokalstimme wechselt zwischen monotonem Gesang und schmerzvollem<br />

Kreischen. Unter der Leitung von Max Renne und mit Sarah Maria<br />

Sun (Foto) als Gwen setzt Tobias Heyder die Kammeroper in Szene.<br />

Dresden, Semperoper, 26. (Premiere) und 29.4. sowie 3., 4., 6., 8. und 10.5.,<br />

www.semperoper.de<br />

13. bis 18. <strong>April</strong><br />

ACHENKIRCH EVA LIND MUSIK AKADEMIE<br />

Die Ruhe und Abgeschiedenheit der Tiroler<br />

Bergwelt ermöglicht es, sich ganz der Musik hinzugeben.<br />

2015 gründete die Sopranistin Eva Lind<br />

in Achenkirch ihre Musik Akademie, um mit<br />

ihren Freunden aus der Musikwelt Wissen und<br />

Erfahrung weiterzugeben. Abendliche Konzerte<br />

und ein öffentliches Schlusskonzert bieten die<br />

Chance, Erlerntes zu erproben. Vor Ostern finden neue Meisterklassen<br />

mit Angelika Kirchschlager (Foto) im Fach Gesang, Mirjam Tschopp im<br />

Fach Geige und Bratsche, Julius Berger und Hyun-Jung Berger im Fach<br />

Cello, Enjott Schneider im Fach Komposition und Danièle Florence<br />

Perrin im Fach Schauspiel statt. Anmeldeschluss ist der 31. März.<br />

Achenkirch, Hotel Kronthaler, www.musikakademie.tirol<br />

45


E R L E B E N<br />

5. <strong>Mai</strong>, Berlin<br />

„VIELLEICHT AUCH EINE WARNUNG“<br />

Der Komponist Moritz Eggert<br />

FOTO: KATHARINA DUBNO<br />

Fritz Langs Film „M“ aus dem Jahr <strong>19</strong>31 bildet die Grundlage für Moritz<br />

Eggerts neues Musiktheaterprojekt „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“.<br />

Lang, der den Stoff seines Films Polizeiberichten entnahm, warf darin<br />

eine soziale Problematik auf und löste eine Diskussion darüber aus, ob<br />

ein psychisch kranker Triebtäter zum Verbrecher erklärt werden dürfe.<br />

Wie der Filmhistoriker Jerzy Toeplitz anmerkte, habe Langs Film<br />

Jahre angekündigt, „in denen die Moral eine Krise erlebt“. Er sei ihr<br />

Vorbote und „vielleicht auch eine Warnung“ gewesen. Diesen Aspekt,<br />

wie angesichts einer alle Bevölkerungsschichten erfassenden Hetzjagd<br />

der Täter immer mehr zum Opfer wird, hebt Moritz Eggert (Foto) in<br />

seiner Umsetzung hervor. So verwenden Barrie Kosky und Ulrich Lenz<br />

für ihr Libretto das originale Drehbuch, erweitert um Kinderlieder<br />

und Gedichte des 1896 in Berlin geborenen deutsch-jüdischen Schriftstellers<br />

Walter Mehring. Kosky setzt das Werk mit Ainārs Rubiķis am<br />

Pult in Szene, wobei Moritz Eggert mit seiner Komposition die traditionelle<br />

Opernästhetik aufbricht, indem er alle Klänge, auch den Gesang<br />

und die Musik, elektronisch verstärken lässt, damit das Publikum<br />

davon umhüllt wird und in das Geschehen eintaucht. Eine besondere<br />

Herausforderung kommt auf den Kinderchor zu, der das ganze Werk<br />

über zu singen hat. M, den Mörder, verkörpert Scott Hendricks.<br />

Berlin, Komische Oper, 5. (Premiere), 11. und 25.5. sowie 9., 22. und 26.6.,<br />

www.komische-oper-berlin.de<br />

23. <strong>April</strong><br />

BERLIN WORDS AND MUSIC<br />

Samuel Beckett und Morton Feldman verband<br />

eine lange Freundschaft. Als Beckett <strong>19</strong>87 im<br />

Berliner Schillertheater die deutsche Erstaufführung<br />

von „Footfalls“ inszenierte, kam Feldman<br />

auf die Probe und bat ihn um einen Operntext.<br />

Beckett schrieb ihm Neither. Die gemeinsame<br />

Arbeit daran veranlasste Beckett dazu,<br />

Feldman um eine Musik zu dem Radiohörspiel „Words and Music“ zu bitten,<br />

das er <strong>19</strong>61 für BBC Radio geschrieben hatte. Für Feldman war es<br />

„ein riesiger Spaß, etwas für Beckett zu machen, sozusagen ihm zu Ehren,<br />

der seit den <strong>19</strong>50er-Jahren Teil meines Lebens war (...) es war gewissermaßen<br />

ein Liebesdienst, den ich ihm voller Freude leistete“. <strong>19</strong>87, im Todesjahr<br />

Feldmans, erfolgte beim American Beckett Hörspielfestival die<br />

erste Aufführung. Beckett lässt die Worte und die Musik einander gegenübertreten.<br />

Beide versuchen, den alten, einsamen Croak zu trösten, indem<br />

sie auf dessen Stichworte „Liebe“, „Alter“ und „Das Gesicht“ reagieren.<br />

Der Dirigent Maxime Pascal (Foto) lässt sich auf Becketts und<br />

Feldmans Verständnis der Theatralik von Musik, Sprache und Raum ein<br />

und entwickelt mit zwei Sprechern und der Orchesterakademie der<br />

Staatskapelle Berlin aus Words and Music ein Live-Hörspiel.<br />

Berlin, Staatsoper Unter den Linden, 23. (Premiere), 24. und 27.4.,<br />

www.staatsoper-berlin.de<br />

22. bis 31. März<br />

BERLIN MAERZMUSIK<br />

Als „Glücksfall“ bezeichnet die Komponistin<br />

Jennifer Walshe (Foto) ihre Zusammenarbeit<br />

mit dem Philosophen Timothy Morton. In ihrer<br />

multimedialen Performance „Time Time Time“<br />

setzen sich die beiden mit den vielfältigen<br />

Zeitlichkeiten auseinander, die das Menschsein<br />

prägen. „Über das Leben zu sprechen, bedeutet,<br />

über Zeit zu sprechen“, erklärt Walshe. Das „Festival für Zeitfragen“<br />

stellt ihre musikalische Reflexion über die multiplen Schichten von Zeit<br />

vor. Die Musik entwickelt Walshe mit Áine O’Dwyer, Lee Patterson,<br />

M. C. Schmidt, Streifenjunko und Vilde & Inga, die an akustischen sowie<br />

elektronischen Instrumenten auch die Ausführung übernehmen. Zehn<br />

Tage lang widmet sich das Festival „MaerzMusik“ dem Phänomen der<br />

Zeitlichkeit. Im Konzert „Clocks without Hands“ setzt sich Olga Neuwirth,<br />

ausgehend von ihrer Familiengeschichte, mit dem Wesen von Zeit<br />

und dem Verblassen von Erinnerung auseinander. Die Ausstellung „A<br />

Utopian Stage“, kuratiert von Vali Mahlouji, erinnert an das „Festival of<br />

Arts“, das zwischen <strong>19</strong>67 und <strong>19</strong>77 als Festival für Avantgarde-Kunst im<br />

Iran stattfand. Und zum Abschluss versammelt „The Long Now“ Konzerte,<br />

Performances und elektronische Live-Acts mit Klang- und Videoinstallationen<br />

zu einer 30-stündigen Komposition in Zeit und Raum.<br />

Berlin, verschiedene Spielorte, www.maerzmusik.de<br />

46 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: HANS JÖRG MICHEL; NINA KARMON; MONIKA RITTERSHAUS; GERT WEIGELT; THOMAS JAUCK; SONY MUSIC; MENG PHU; SHIRLEY SUAREZ; BLACKIE BOUFFANT; JÖRN KIPPING; GILBERT FRANÇOIS; PAAVO BLAFIELD<br />

28.4. KÖLN OPER<br />

Street Scene / Kurt Weill<br />

28.4. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZ-<br />

THEATER L‘heure espagnole / M. Ravel<br />

28.4. STUTTGART STAATSOPER<br />

Iphigénie en Tauride / Chr. W. Gluck<br />

28.4. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Il turco in Italia / Gioachino Rossini<br />

3.5. BERN (CH) KONZERTTHEATER<br />

Paul Klee / Etienne Béchard<br />

3.5. GERA LANDESTHEATER ALTEN-<br />

BURG Forever Lennon / Silv. Schröder<br />

4.5. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER Winterreise / Gregor Zöllig<br />

4.5. COTTBUS STAATSTHEATER<br />

Der fliegende Holländer / R. Wagner<br />

4.5. FLENSBURG SCHLESWIG-<br />

HOLSTEINISCHES LANDESTHEATER<br />

Vanessa / Samuel Barber<br />

4.5. GERA LANDESTHEATER ALTENB.<br />

Der Kaiser von Atlantis / Viktor Ullmann<br />

4.5. GIESSEN STAATSTHEATER<br />

Alp Arslan / Richard van Schoor<br />

FOTO: NIL YALTER<br />

Bis 2. Juni, Köln<br />

4.5. KAISERSLAUTERN PFALZ-<br />

THEATER Rienzi / Richard Wagner<br />

4.5. OSNABRÜCK THEATER<br />

Orlando / Georg Friedrich Händel<br />

11.5. GELSENKIRCHEN MUSIK-<br />

THEATER IM REVIER<br />

Das Rheingold / Richard Wagner<br />

11.5. KOBLENZ THEATER<br />

Albert Herring / Benjamin Britten<br />

12.5. BREMEN THEATER<br />

Die tote Stadt / Erich Wolfgang Korngold<br />

12.5. FRANKFURT AM MAIN OPER<br />

Rodelinda / Georg Friedrich Händel<br />

12.5. KREFELD THEATER<br />

Der goldene Drache / Peter Eötvös<br />

12.5. NÜRNBERG STAATSTHEATER<br />

Lohengrin / Richard Wagner<br />

13.5. WIEN (AT) THEATER AN DER<br />

WIEN Oberon / Carl Maria von Weber<br />

15.5. LÜBECK THEATER<br />

Don Giovanni / W. A. Mozart<br />

15.5. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Il barbiere di Siviglia / Gioachino Rossini<br />

EXIL IST HARTE ARBEIT<br />

Nil Yalter: „Exile Is a Hard Job / Walls“, 2018<br />

Acryl auf Offset-Druck im öffentlichen Raum<br />

Die Beziehung zwischen Menschen und Orten ist das große Thema<br />

von Nil Yalters künstlerischem Schaffen. Dabei schöpft sie auch aus<br />

ihrem eigenen Leben, das von Migration geprägt war. <strong>19</strong>38 wurde sie<br />

als Tochter türkischer Eltern in Kairo geboren. Als sie vier Jahre alt<br />

war, zog die Familie nach Istanbul, wo Yalter ohne formale Ausbildung<br />

ihre künstlerische Arbeit begann. <strong>19</strong>65 ging sie nach Paris und<br />

befasste sich mit dem Leben türkischer Migranten, ihren Wohnverhältnissen<br />

und ihren Arbeitsplätzen. Ihre orientalisch umrahmten<br />

Fotocollagen „Garment Workers“ zeigen Näherinnen in winzigen<br />

Wohnungen. „Anderer Leute Häuser werden zu Dächern der Sklaverei;<br />

die Mutigen werden zu Knechten“, setzt sie als Zitat der türkischen<br />

Schriftstellerin Hasan Hüseyin dazu. Im Museum Ludwig findet<br />

die erste große Überblicksausstellung der Künstlerin statt. Zudem<br />

führt Yalter ihre Posterserie „Exile Is a Hard Job / Walls“ (Foto)<br />

im Stadtraum von Köln fort. Zeichnungen und Fotos von türkischen<br />

Einwanderern aus ihrer Arbeit „Turkish Immigrants“ von <strong>19</strong>77 werden<br />

ohne Autorisierung in verschiedenen Stadtvierteln aufgehängt.<br />

Den Slogan „Exil ist harte Arbeit“ schreiben die Künstlerin oder die<br />

Bewohner auf die Poster, und zwar in der Sprache, die im jeweiligen<br />

Viertel vorrangig gesprochen wird: Deutsch, Türkisch, Arabisch,<br />

Russisch, Polnisch. Die Arbeit ist von und für Migranten, deren Existenz<br />

gleichzeitig so offensichtlich und doch abwesend ist.<br />

Köln, Museum Ludwig, www.museum-ludwig.de<br />

31. MAI – 16. JUNI 20<strong>19</strong><br />

IN HALLE (SAALE)<br />

an authentischen Orten in der Geburtsstadt<br />

von Georg Friedrich Händel<br />

ERLEBEN SIE<br />

OPERN<br />

Il Pastor fido (HWV 8a)<br />

Atalanta (HWV 35)<br />

ORATORIEN<br />

Messiah (HWV 56) // Susanna (HWV 66)<br />

FESTKONZERTE<br />

Karina Gauvin // Valer Sabadus //<br />

Carolyn Sampson // Vivica Genaux<br />

und Lawrence Zazzo<br />

u. v. a. m.<br />

JETZT DIE TICKETS SICHERN!<br />

www.haendelfestspiele-halle.de,<br />

+49 (0) 345 565 27 06 und<br />

bundesweit an allen<br />

CTS-Eventim-<br />

Vorverkaufsstellen<br />

Stiftung Händel-Haus<br />

Große Nikolaistr 5 // 06108 Halle (Saale)<br />

<strong>19</strong>. <strong>April</strong> bis<br />

ANZ_HFSP_20<strong>19</strong>_crecendo_92x126_DU_25.02.20<strong>19</strong>.indd 1 <strong>19</strong>.02.<strong>19</strong> 20:29<br />

1. <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong><br />

MIT<br />

Eröffnungskonzert,<br />

Matineen, Orgelkonzert,<br />

Jazz-Night, Festivalbrunch<br />

& Jubiläumskonzert<br />

WEITERE INFORMATIONEN UNTER<br />

www.osterfestival.de<br />

Tickets bei den örtlichen<br />

Vorverkaufsstellen und online<br />

unter www.eventim.de<br />

Freitag, 26. <strong>April</strong>, 20 Uhr<br />

Stadtkirche Bayreuth<br />

TROMPETENSCHALL<br />

& ORGENKLANG<br />

25.<br />

Mit dem Blechbläserensemble<br />

Bavarian Brass &<br />

Christoph Krückl, Orgel<br />

BAYREUTHER<br />

OSTERFESTIVAL<br />

BAYREUTHER<br />

OSTERFESTIVAL<br />

InternationaleGluckFestspiele<br />

Nürnberg Bayreuth Berching Erlangen Fürth Lauf Neumarkt<br />

Neue Klänge für Europa 27. Juni – 14. Juli 20<strong>19</strong><br />

www.gluck-festspiele.de<br />

47


E R L E B E N<br />

18.5. DARMSTADT STAATSTHEATER<br />

Orlando / Georg Friedrich Händel<br />

18.5. ERFURT THEATER<br />

The Fairy Queen / Henry Purcell<br />

18.5. STUTTGART STAATSOPER<br />

Mayerling / Kenneth MacMillan<br />

<strong>19</strong>.5. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Hippolyte et Aricie / J.-Ph. Rameau<br />

23.5. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZ-<br />

THEATER Der junge Lord / H. W. Henze<br />

24.5. DORTMUND THEATER<br />

Echnaton / Philip Glass<br />

24.5. GERA LANDESTHEATER ALTEN-<br />

BURG Der Vogelhändler / Carl Zeller<br />

24.5. HEIDELBERG THEATER<br />

Katja Kabanowa / Leoš Janáček<br />

25.5. AUGSBURG THEATER<br />

Don Pasquale / Gaetano Donizetti<br />

25.5. BERN (CH) KONZERTTHEATER<br />

Tristan und Isolde / Richard Wagner<br />

25.5. BONN THEATER<br />

Die sizilianische Vesper / Giuseppe Verdi<br />

Davide Cabassi<br />

12. bis 14. <strong>April</strong>, Erl<br />

25.5. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER L‘Invisible / Aribert Reimann<br />

25.5. CHEMNITZ DIE THEATER<br />

Fidelio / Ludwig van Beethoven<br />

25.5. DESSAU ANHALTISCHES<br />

THEATER<br />

Katja und der Teufel / Antonín Dvořák<br />

25.5. DRESDEN SEMPEROPER<br />

Nabucco / Giuseppe Verdi<br />

25.5. FREIBURG THEATER<br />

Pelléas et Mélisande / Claude Debussy<br />

25.5. KASSEL STAATSTHEATER<br />

Der Wildschütz / Albert Lortzing<br />

25.5. MANNHEIM NATIONAL-<br />

THEATER<br />

Pelléas et Mélisande / Claude Debussy<br />

26.5. MÜNCHEN NATIONALTHEATER<br />

Alceste / Christoph Willibald Gluck<br />

29.5. BONN THEATER<br />

Figures of Speach / Alonzo King<br />

31.5. HALLE OPER<br />

Julius Cäsar in Ägypten / G. F. Händel<br />

NEUE UND ALTE<br />

KLAVIERMUSIK IM DIALOG<br />

Die Klaviertage in Tirol bringen selten gehörte zeitgenössische<br />

Klaviermusik in einen Dialog mit klassischen Werken. Im Eröffnungskonzert,<br />

dessen Programm der Pianist Davide Cabassi (Foto) zusammenstellt,<br />

kommen neben Kompositionen von Schostakowitsch<br />

und Rachmaninow auch zwei Stücke von Thomas Adès zur Aufführung.<br />

Zu Blanca Variations ließ Adès sich von den sehnsüchtigtraurigen<br />

Klängen eines Ladino-Volksliedes inspirieren, und für<br />

Darkness Visible nahm er John Dowlands Lautenlied In Darkness Let<br />

Me Dwell aus dem Jahr 1610 zur Vorlage, das er von innen her erleuchtet,<br />

indem er verborgene Klangmuster hervorholt und sie in<br />

neue Zusammenhänge bringt. Nachts gibt es dann noch ein „Piano<br />

Battle“, in dem Luca Buratto auf dem Klavier und Michele Benuzzi<br />

auf dem Cembalo Werke von Bach spielen. Der Pianist Alfonso<br />

Alberti stellt unter dem Motto „Beethoven-Kontraste“ die letzten<br />

Klaviersonaten des erblindeten Beethoven in Bezug zu den rafnierten<br />

Klavierkompositionen aufregender Pracht und Schönheit<br />

Gérard Pessons sowie Werken von Ivan Fidèle und Philip Glass. In<br />

der „Late Night“ widmet sich Mélodie Zhao den Klavierkompositionen<br />

Franz Liszts. Und zur abschließenden „Benefiz-Matinee“<br />

dirigiert Friedrich Haider das Festspiel-Orchester bei Rossinis Petite<br />

Messe solonnelle und Beethovens Fünftem Klavierkonzert, womit er an<br />

die kuriose Begegnung der beiden Komponisten 1822 erinnert.<br />

Erl, Festspielhaus, www.tiroler-festspiele.at<br />

FOTO: DAVIDE CABASSI<br />

5. <strong>April</strong><br />

MÜNCHEN DANIEL BEHLE<br />

Die schöne Müllerin steht auf dem Programm von<br />

„Liederleben“. Die Pianistin und Liedbegleiterin<br />

Akemi Murakami (Foto), die die Reihe ins Leben<br />

rief und leitet, begleitet den lyrischen Tenor<br />

Daniel Behle bei Schuberts Vertonung von Wilhelm<br />

Müllers Versen. Der Zyklus über Liebe<br />

und Leid des jungen Müllergesellen gehört zu<br />

den Kernstücken des Liedrepertoires von Behle, der bekannt ist für seine<br />

überaus eindrucksvollen Liedinterpretationen. Weiter geht es mit<br />

„Liederleben“ am 2. Juni auf Schloss Nymphenburg, wenn Marie-Sophie<br />

Pollak in einem Konzert Schubert und Liszt einander gegenüberstellt.<br />

München, Max-Joseph-Saal der Residenz, www.lied-er-leben.com<br />

2. <strong>Mai</strong><br />

HAMBURG DIE NACHT DER SEEIGEL<br />

Ein Mann auf der Flucht, eine schwangere Frau<br />

und ein alter Wissenschaftler – drei einsame<br />

Menschen, getrieben von der Sehnsucht nach<br />

„Verschmelzung“. Das ist das Szenario des Musiktheaterprojekts<br />

„Die Nacht der Seeigel“ der<br />

Komponisten Huihui Cheng, Diana Syrse und<br />

Mischa Tangian. Die Verschmelzung schaffen die<br />

Seeigel, über die der Wissenschaftler eine Theorie aufgestellt hat. Es<br />

wird Nacht, das Meer steigt und überflutet die Stadt. Die Seeigel bevölkern<br />

den Raum und verändern alles. Sie „vereinen, trennen, löschen, befruchten“.<br />

In der Reihe „opera stabile“ kommt das Projekt zur Uraufführung.<br />

Die drei Protagonisten verkörpern Hiroshi Amako (Mann), Na’ama<br />

Shulman (Frau) und Gabriele Rossmanith (Foto, Wissenschaftler).<br />

Hamburg, Staatsoper, 2. (Premiere), 4., 5., 7., 9. und 11.5.,<br />

www.staatsoper-hamburg.de<br />

24. <strong>April</strong> bis 26. <strong>Mai</strong><br />

INTERNATIONALE MUSIKFESTSPIELE SAAR<br />

„New Generation“ lautet das Motto der Musikfestspiele<br />

Saar. Die Festspiele feiern ihr 30-jähriges<br />

Jubiläum und haben sich unter ihrem<br />

künstlerischen Leiter, dem Organisten Bernhard<br />

Leonardy, zum Ziel gesetzt, junge Menschen<br />

für klassische Musik zu begeistern. Gast<br />

in der Jubiläumssaison, die vom European Youth<br />

Orchestra eröffnet wird, ist die Pianistin Valentina Lisitsa (Foto). Sie ist<br />

der erste Youtube-Star der klassischen Musik, dem es zudem gelang, den<br />

Interneterfolg in eine weltweite Konzertkarriere zu verwandeln. 2007<br />

stellte sie mit einer Rachmaninow-Etüde ihr erstes Video ins Netz. Im<br />

Jahr darauf spielte sie bereits in der Royal Albert Hall in London. An die<br />

Saar kommt sie mit Tschaikowsky.<br />

Saarbrücken, verschiedene Spielorte, www.musikfestspielesaar.de<br />

10. bis 25. <strong>Mai</strong><br />

BERLIN <strong>CRESCENDO</strong>-FESTIVAL DER UDK<br />

Die Fakultät der Musik der Universität der<br />

Künste Berlin feiert ihr 150-jähriges Bestehen.<br />

Sie geht zurück auf die 1869 unter der Ägide des<br />

Geigers Joseph Joachim (Radierung von Gustav<br />

Eilers) gegründete Königliche Akademische<br />

Hochschule für Musik. Das crescendo-Festival<br />

der UdK feiert das Jubiläum mit einem vielfältigen<br />

Programm. Im Festkonzert dirigiert Stefan Sanderling das Symphonieorchester<br />

der UdK Berlin bei Werken von Joseph Joachim und Franz<br />

Schreker. Die UdK-Professoren finden sich zum Streichsextett zusammen,<br />

und die neuen Professoren, der Pianist Christian Petersen und der<br />

Cellist Danjulo Ishizaka, stellen sich in Soloabenden vor. Den Festivalausklang<br />

gestaltet Mirijam Contzen mit den Studierenden der Violinklassen.<br />

Berlin, UdK, www.udk-berlin.de/crescendo<br />

48 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: HANS JÖRG MICHEL; NINA KARMON; MONIKA RITTERSHAUS; GERT WEIGELT; THOMAS JAUCK; SONY MUSIC; MENG PHU; SHIRLEY SUAREZ; BLACKIE BOUFFANT; JÖRN KIPPING; GILBERT FRANÇOIS; PAAVO BLAFIELD<br />

KÜNSTLER<br />

ANAÏS GAUDEMARD<br />

30.3. Dortmund, Konzerthaus<br />

6.4. Wien (AT), Konzerthaus<br />

6. und 7.5. Hamburg, Elbphilharmonie<br />

HAUSCHKA<br />

24.4. Berlin, Konzerthaus<br />

2.5. Köln, Gürzenich<br />

20.5. Frankfurt, Künstlerhaus<br />

Mousonturm<br />

29.5. Recklinghausen, Ruhrfestspielhaus<br />

FRIEDRICH KLEINHAPL<br />

18.3. Graz (AT), Musikverein<br />

21.4. Graz (AT), Landhaushof<br />

21.5. Fürstenfeld, Stadthalle<br />

FELIX KLIESER<br />

18.3. Hannover, Jugendkirche<br />

31.3. und 1.4. Saarbrücken,<br />

Congresshalle<br />

18.5. Hochstädt, Schloss<br />

25.5. Düsseldorf, Tonhalle<br />

ALEXANDER KRICHEL<br />

<strong>19</strong>.3. Zürich (CH), Kaufleuten<br />

20.3. Bern (CH), Le CAP<br />

30.3. Ulm, Stadthaus<br />

1.4. Wiesbaden, Kurhaus<br />

4.4. Nordenham, Aula Gymnasium<br />

7.4. Bad Mergentheim, Deutschordensmuseum<br />

ANDREAS OTTENSAMER<br />

17.3. München, Prinzregententheater<br />

6.4. Zug (CH), Theater Casino<br />

7.4. Düsseldorf, Museum Kunstpalast<br />

8.4. Berlin, Kammermusiksaal der<br />

Philharmonie<br />

10.4. Schweinfurt, Theater<br />

<strong>19</strong>.5. Wien (AT), Musikverein<br />

ANNA LUCIA RICHTER<br />

4.4. Frankfurt, Alte Oper<br />

10.4. Stuttgart, Liederhalle<br />

11.4. Berlin, Kammermusiksaal der<br />

Philharmonie<br />

12.4. Freiburg, Konzerthaus<br />

14.4. Duisburg, Mercatorhalle<br />

der Philharmonie<br />

16.4. Berlin, Konzerthaus<br />

4.5. Hohenems (AT), Markus-<br />

Sittikus-Saal<br />

14.5. Wien (AT), Konzerthaus<br />

FAZIL SAY<br />

<strong>19</strong>.3. Ludwigshafen, Feierabendhaus<br />

20.3. Düsseldorf, Tonhalle<br />

21.3. Ingelheim, Kongresshalle<br />

22.3. Zug (CH), Theater Casino<br />

24.3. Frankfurt, Alte Oper<br />

25.4. Dresden, Kunstpalast<br />

4. und 5.5. Bern (CH), Konzert Theater<br />

28.5. Salzburg (AT), Mozarteum<br />

YUJA WANG<br />

6.5. Wien (AT), Konzerthaus<br />

14.5. Frankfurt, Alte Oper<br />

15.5. Dortmund, Konzerthaus<br />

16.5. Stuttgart, Liederhalle<br />

17.5. Dresden, Kulturpalast<br />

<strong>19</strong>.5. Köln, Philharmonie<br />

25.5. Innsbruck (AT), Congress<br />

26.5. Zürich (CH), Tonhalle Maag<br />

27.5. Genf (CH), Migros<br />

28.5. München, Philharmonie<br />

„Wie wenn man durch die<br />

Straßen von Berlin läuft –<br />

wo alle Gebäude gleich aussehen,<br />

auch wenn sie es<br />

nicht sind“, beschrieb Morton<br />

Feldman seine Triadic<br />

Memories. Nach einer „musikalischen<br />

Midlife-Crisis“<br />

entwickelte er in seinen<br />

späten Kompositionen<br />

Strategien, um die Zuhörer<br />

systematisch zu desorientieren.<br />

Eine Ausstellung<br />

seines langjährigen Freundes,<br />

des Künstlers Philip<br />

Guston, der plötzlich wieder<br />

gegenständliche Arbei-<br />

Pedja Muzijevic und Cesc Gelabert<br />

ten zeigte, schockierte ihn zwar zunächst, veranlasste ihn dann aber,<br />

seinem Weg zu folgen: „Er hat aufgehört, Fragen zu stellen“, erkannte<br />

er als Grund für Gustons Wandel. Und da wurde ihm deutlich, dass<br />

auch er keine Fragen mehr stellen wollte. „Ich wollte keine Fragen, von<br />

niemandem, mich selbst eingeschlossen. Ich wollte anfangen, ohne mich<br />

10. und 11. <strong>Mai</strong>, Leverkusen<br />

EIN MASKENBALL Oper<br />

GIUSEPPE VERDI<br />

12. Juli bis 22. August<br />

KISS ME, KATE Musical<br />

COLE PORTER (Musik)<br />

26. Juni bis 24. August<br />

Tickets: www.eutiner-festspiele.de<br />

oder per Telefon: 04521-8001-0<br />

WIEDERHOLUNG UND VERÄNDERUNG<br />

Natur erleben<br />

Kultur genießen<br />

OPER AUF DER SEEBÜHNE EUTIN<br />

ABU HASSAN KinderOper<br />

CARL MARIA VON WEBER<br />

03. Juli bis 17. Juli<br />

VIVA LA MUSICA Gala<br />

DOMINIQUE CARON (Director)<br />

31. August<br />

im Vorhinein schon festlegen<br />

zu müssen, wie ich<br />

vorgehe.“ Inspiriert von<br />

den anatolischen Knüpfteppichen<br />

und deren<br />

Symmetrien, variiert er<br />

die Klangmuster in einem<br />

feinen Wechselspiel aus<br />

Wiederholung und Veränderung,<br />

wobei die Wiederholungen<br />

niemals identisch<br />

ausfallen. Framing Time bindet<br />

das Werk ein in eine<br />

Performance. Während der<br />

Pianist Pedja Muzijevic sich<br />

der Musik zuwendet, lässt<br />

der Tänzer und Choreograf<br />

Cesc Gelabert, der als eine der einflussreichsten Figuren im modernen<br />

Tanz Spaniens gilt, die Klänge tänzerisch skulptural im Raum sichtbar<br />

werden. Der Lichtdesigner und Bühnenbildner Burke Brown unterzieht<br />

die Szene mit Licht und Farben fortwährenden Veränderungen.<br />

Leverkusen, Erholungshaus, www.kultur.bayer.de<br />

FOTO: RAMO´N EGUIGUREN / TEATRO PEDJA<br />

49


E R L E B E N<br />

Beliebte Gäste in Gohrisch: Marc Danel, Gilles Millet, Vlad Bogdanas und Yovan Markovitch vom Quatuor Danel<br />

FOTOS: OLIVER KILLIG<br />

EIN SYMBOL DER<br />

WAHRHEIT<br />

Die 10. Internationalen Schostakowitsch Tage in Gohrisch erschließen<br />

in ihrem Jubiläumsprogramm Schostakowitschs Bezug zu anderen russischen<br />

Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

„Ich schrieb ein Quar tett, das für nie man den einen Nut zen hat und<br />

ein ide el ler Fehl schlag ist“, teil te Dmi tri Schosta ko witsch <strong>19</strong>60 aus<br />

Gohrisch seinem Komponistenfreund Isaak Glikman mit. Dieses<br />

Achte Quartett, dem Schosta ko witsch sich in dem idyl li schen Kur ort<br />

zuwand te, ist sein per sön lichs tes Werk und das ein zi ge, das er außerhalb<br />

der Sowjetunion komponierte. Die unvermutete Ruhe des landschaft<br />

li chen Para die ses der Säch si schen Schweiz, in der er „schöp feri<br />

sche Arbeits be din gun gen“ fand, reg te ihn an, den Blick zurück auf<br />

INTER NA TIO NA LE SCHOSTA KO WITSCH<br />

TAGE GOH RISCH<br />

20. bis 23. Juni<br />

Informationen und Kartenservice:<br />

tickets@schostakowitsch-tage.de<br />

www.schostakowitsch-tage.de<br />

sein Leben zu rich ten und die Schre cken<br />

der Stalinzeit kompositorisch aufzuarbeiten.<br />

Beginnend mit seinem musikalischen<br />

Mono gramm D-Es-C-H, schuf er ein<br />

Werk voller biografischer Bezüge und Zitate<br />

und verfasste damit ein musikalisches<br />

Epi taph auf sich selbst. „Dem Kom po nisten<br />

die ses Werks zum Gedächt nis, so könn te man auf das Deck blatt<br />

schrei ben“, schlug er denn auch vor.<br />

50 Jahre später kam das Werk einzigartiger Ausdruckskraft bei<br />

den ers ten Schosta ko witsch Tagen genau an jenem Ort zur Aufführung,<br />

an dem es ent stand. Zehn Jah re spä ter erklingt es erneut, wenn<br />

das Fes ti val sein Jubi lä um fei ert. Das Qua tu or Danel, in des sen Repertoire<br />

russische Komponisten einen herausragenden Platz einnehmen,<br />

spielt es im Eröff nungs kon zert mit Wer ken der bei den ande ren gro ßen<br />

russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts,<br />

Igor Stra win sky, den Schosta kowitsch<br />

hym nisch lob te, und Ser gei Pro kofjew,<br />

den er mit kri ti scher Iro nie betrachtete.<br />

2010 riefen der damalige Dramaturg<br />

der Sächsischen Staatskapelle Dresden,<br />

Tobias Niederschlag, und begeisterte Mit-<br />

50 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Ioan-Holender-Kolumne<br />

REISENDE<br />

BÜHNENBILDER<br />

Gohrisch in der Sächsischen Schweiz: Anziehungsort für<br />

Schostakowitsch-Liebhaber aus aller Welt<br />

streiter aus Gohrisch und Dresden in einem landwirtschaftlichen<br />

Bergeraum, vor dessen Toren aufgeschichtete Heuballen ein Freiluft-<br />

Ves ti bül bil de ten, das Fes ti val ins Leben. Und schon nach der ers ten<br />

Ausgabe, bei der Schostakowitschs Freund, Biograf und Komponistenkollege<br />

Krzysztof Meyer einen bewegenden Vortrag hielt, stand<br />

der Ent schluss fest, dass es wei ter ge hen müs se. Schosta ko witsch verkör<br />

pert das Gewis sen der Genera ti on, die in der Höl le des Sta li nis mus<br />

leb te. In Zei ten, in denen die Men schen wür de mit Füßen getre ten<br />

wurde und die Kriegstragödie Russland überflutete, stellten seine<br />

Wer ke ein Sym bol der Wahr heit dar. Das Dra ma des schöp fe ri schen<br />

Genies im Zeitalter des Totalitarismus nicht in Vergessenheit geraten<br />

zu las sen und die gran dio se Musik, die dar in wur zelt, zu fei ern, ist das<br />

Verdienst dieses in Deutschland einmaligen Festivals.<br />

„Das Groß ar ti ge ist“, erklärt Nie der schlag, „dass die Musik von<br />

Schosta ko witsch für uns ein Kom pass gewor den ist, um auch ande re<br />

Wer ke und Kom po nis ten des 20. und 21. Jahr hun derts zu ord nen und<br />

zu hören.“ So gelan gen in einem Kam mer kon zert zwei kürz lich aufgetauchte<br />

Lieder ohne Worte für Vio li ne und Kla vier des pol ni schen<br />

Schostakowitsch-Freundes Mieczysław Weinberg zur Uraufführung,<br />

des sen durch die jüdi sche Folk lo re inspi rier te Musik erst seit weni gen<br />

Jah ren ent deckt wird. Und in der Kam mer ma ti nee gibt es das Grand<br />

Duet für Cel lo und Kla vier von Gali na Ust wol ska ja, der Schü le rin und<br />

rätselhaften Geliebten Schostakowitschs. Weltweite Anerkennung<br />

pro phe zei te er ihrer Musik, die sie aller dings erst nach dem Tod ihrer<br />

Schöp fe rin fand. Auch an die Kin der ist gedacht. Die Schau spie le rin<br />

Isabel Karajan erarbeitet mit der aus Mitgliedern der Sächsischen<br />

Staats ka pel le Dres den bestehen den Kapel le 21 und dem Raschèr Saxopho<br />

ne Quar tet, das in die sem Jahr sein 50. Jubi lä um fei ert, einen Aufführungsabend<br />

mit Prokofj ews sinfonischem Märchen Peter und der<br />

Wolf. Der internationale Schostakowitsch Preis Gohrisch geht im<br />

Jubiläumsjahr an den lettischen Dirigenten Andris Nelsons, der ein<br />

ambitioniertes Einspielungsprojekt aller 15 Schostakowitsch-Sinfoni<br />

en in Angriff genom men hat.<br />

■<br />

Ende des <strong>19</strong>. Jahr hun derts bis in die <strong>19</strong>20er-Jah re wurden<br />

die Namen der Regis seu re zumeis t gar nicht<br />

genannt. Enri co Caru so schick te bei sei nem Debüt an<br />

der Wie ner Staats oper <strong>19</strong>06 sei nen Sekre tär zur Büh nenpro<br />

be, der ihm nach her über das sze ni sche Gesche hen<br />

berich te te. Noch Her bert von Kara jan prob te bis zur Fertig<br />

stel lung des sze ni schen Arran ge ments mit Sta tis ten,<br />

wäh rend das Orches ter per Ton band ein ge spielt wur de.<br />

Erst bei Konstantin Stanislawski, Wladimir Nemirowitsch-<br />

Dant schen ko und spä ter bei Fran co Zeffirel li, Gior gio<br />

Strehler, Jean-Pierre Ponnelle u. a. wurde das Regiekonzept<br />

inten siv mit den sin gen den Inter pre ten erar bei tet.<br />

Heu te soll te der Regis seur – neben dem Diri gen ten<br />

und den Sän gern – ein gleich wer ti ger Bestand teil einer<br />

Opern pro duk ti on sein. Manch mal ist er jedoch der pri mus<br />

inter pares, was sich ungut aus wirkt. Das Übel der theaterfremden<br />

Koproduktionen macht sich immer breiter.<br />

Man erar bei tet eine Insze nie rung mit dem Regis seur, und<br />

nach her geht das Büh nen bild samt den Kos tü men auf Reisen<br />

in ande re Thea ter. In die sen wird das sze ni sche Geschehen<br />

mit ande ren Sän gern und Diri gen ten von einem Regieas<br />

sis ten ten, sel ten vom ursprüng li chen Regis seur ein studiert.<br />

Die Inter pre ten werden gezwun gen, genau so zu<br />

agie ren wie jene der ers ten Ein stu die rung. Die Ende März<br />

im Sul ta nat Oman ent ste hen de Insze nie rung von Léo De -<br />

libes’ Lak mé etwa geht anschlie ßend in Kopro duk ti on an<br />

die Los Ange les Ope ra, das Tea tro dell’Opera di Roma, die<br />

Fon da zio ne Are na di Vero na, das Tea tro Car lo Feli ce di<br />

Geno va, das Cai ro Ope ra House, die Asta na Ope ra in<br />

Kasach stan, das Natio nal Cent re for Per forming Arts of<br />

Bei jing und die Ope ra Aus tra lia, und zwar in jeweils anderen<br />

Besetzungen. Natürlich sparen solche Koproduktionen<br />

Geld. Künstlerisch gesehen beschränkt sich die Operation<br />

jedoch auf rei sen de Deko ra tio nen.<br />

„kulTOUR mit Holender“ auf<br />

ServusTV Deutschland:<br />

14. und 17.3. „Stutt gart – Inno va ti on hat Tra di ti on“ |<br />

24.3. „Alex an der Perei ras Wir ken an der <strong>Mai</strong> län der<br />

Sca la“ | 31.3. „Sot schi – Die rus si sche Rivie ra“ |<br />

7.4. „Inns bru cker Fest wo chen der Alten Musik“ |<br />

14.4. „Die Schmie de der <strong>Mai</strong> län der Sca la“ | 28.4. „Prag –<br />

Gol de ne Musik stadt“ | 5.5. „Brüs sel und Liège – Kul tur<br />

in der Mit te Euro pas“ | 12.5. „Chris ti an Ger ha her“ |<br />

<strong>19</strong>.5. „Vene dig – Opern stadt und Kunst stät te“ |<br />

26.5. „Böh mens Well ness für Köni ge und Künst ler“<br />

Die wei te ren Don ners tag-Sen de ter mi ne stan den bei<br />

Redak ti ons schluss noch nicht fest.<br />

51


T I T E L Z E I L E<br />

8. <strong>Mai</strong>, München, Prinzregententheater<br />

Info und Service: www.crescendo.de/live<br />

<strong>CRESCENDO</strong> LÄDT<br />

ZUM KONZERT<br />

<strong>CRESCENDO</strong> bietet Exklusivleistungen für seine Leser: Karten in der besten Kategorie,<br />

eine Backstage-Führung vorab sowie Künstlergespräche in der <strong>CRESCENDO</strong> Lounge.<br />

Das Ensemble Quadro Nuevo<br />

und der Pianist Chris Gall<br />

FOTO: QUADRO NUEVO<br />

Gehen Sie mit uns ins Konzert! Gemeinsam mit dem Münchner Rundfunkorchester präsentiert <strong>CRESCENDO</strong><br />

am 8. <strong>Mai</strong> „Volkslied Reloaded“. Das Ensemble Quadro Nuevo und der Pianist Chris Gall nehmen uns in der<br />

Reihe „Mittwochs um halb acht“ im Münchner Prinzregententheater mit auf eine musikalische Entdeckungsreise<br />

durch die faszinierende Welt der Volkslieder. Als <strong>CRESCENDO</strong> Leser erhalten Sie Karten der besten<br />

Kategorie und sind eingeladen, vorab an einer Führung durch den Backstage-Bereich teilzunehmen. Im<br />

Anschluss an das Konzert erwarten wir Sie zu entspannten Gesprächen mit den Mitgliedern von Quadro<br />

Nuevo in der <strong>CRESCENDO</strong> Lounge. Die Musiker stellen ihr neues Album vor, das sie gern für Sie signieren.<br />

Und wir freuen uns, Sie kennenzulernen. (Exklusivpaket für 45 Euro nur unter: www.crescendo.de/live)<br />

Volkslieder erzählen von Liebe und Tod, Sehnsucht, Freiheit und Fernweh. Das Ensemble Quadro<br />

Nuevo, dem der Saxofonist Mulo Francel, der Kontrabassist D. D. Lowka, der Akkordeonist Andreas Hinterseher<br />

und die Harfenistin Evelyn Huber angehören, und der Pianist Chris Gall bringen diesen Schatz an<br />

Melodien neu zum Klingen. Mit Melodien wie Sah ein Knab ein Röslein stehn und Kein schöner Land lassen<br />

sie Kindheitserinnerungen lebendig werden. Ihre einfühlsamen Arrangements loten die emotionale Tiefe<br />

der Volksweisen aus und geben der Lebensfreude ebenso Raum wie der melancholischen<br />

Rückschau in Liedern wie Am Brunnen vor dem Tore, Hoch auf dem gelben<br />

Wagen oder In einem kühlen Grunde. Seit <strong>19</strong>96 tourt das mehrfach prämierte Ensemble,<br />

das 2018 mit der Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde, um die Welt.<br />

Geprägt von vielfältigen musikkulturellen Einflüssen und einer Liebe zur nostalgisch-akustischen<br />

Musik, hat es seine eigene Tonpoesie entwickelt. Der Auftritt mit<br />

dem Münchner Rundfunkorchester steht unter der Leitung von Elisabeth Fuchs.<br />

Quadro Nuevo & Münchner Rundfunkorchester: „Volkslied Reloaded“ (Sony Classical)<br />

Als neuer Abonnent erhalten Sie diese CD als Begrüßungsgeschenk (siehe S. 70)<br />

52 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


SCHWERPUNKT<br />

ZENSUR<br />

Religion, Kunst, Politik: Wo Macht ist, ist auch Angst. Eine Geschichte der Musikzensur (Seite 56)<br />

Regie führen aus weiter Ferne: der Fall Serebrennikow (Seite 61)<br />

Das darf doch nicht (wahr) sein!<br />

VON STEFAN SELL<br />

Unglaublich Verfolgt Verboten<br />

Frauen<br />

Vor 100 Jahren war es Frauen<br />

verboten zu wählen. In diesem<br />

Jahr feiert Deutschland 100 Jahre<br />

Frauenwahlrecht. Bürgerinnen<br />

und Bürgern des Schweizer<br />

Kantons Appenzell Innerrhoden<br />

bleibt noch genügend Zeit für die<br />

Vorbereitung ihres Jubiläums –<br />

100 Jahre Frauenwahlrecht wird<br />

hier erst 2090 gefeiert.<br />

2011 rebellierte<br />

die russische<br />

Punkrock-Band<br />

Pussy Riot<br />

gegen Putin. Sie zelebrierte ihr<br />

„Punk-Gebet“ in einer Moskauer<br />

Kirche. Dokumentiert wurde ihre<br />

Aktion vom Filmkollektiv<br />

„Gogol’s Wives“. Ihre darauffolgende<br />

Verhaftung und Verurteilung zu<br />

zwei Jahren Haft löste weltweit eine<br />

Protestwelle aus.<br />

<strong>19</strong>39 nahm Lale Andersen<br />

„Lili Marleen“ auf. Erst zwei Jahre<br />

später machte das Lied Furore,<br />

sogar weltweit. Briefe an den von<br />

den Nazis entlassenen, in Zürich<br />

engagierten Theatermacher<br />

Kurt Hirschfeld wurden der Sängerin<br />

zum Verhängnis. Es hieß:<br />

„Ab sofort Auftrittsverbot!“ Sie<br />

wurde verhaftet.<br />

Männer<br />

Sie lebten zusammen in einer<br />

WG, waren befreundet und<br />

arbeiteten zusammen. 47 Texte<br />

hat Franz Schubert von Johann<br />

Mayrhofer vertont. Der Dichter<br />

Mayrhofer, der auch zwei Libretti<br />

für Schubert schrieb, war im<br />

Brotberuf beim „K. K. Bücher-<br />

Revisionsamt“ für die staatliche<br />

Zensur zuständig.<br />

Der Hochschullehrer und Dichter<br />

der deutschen Nationalhymne,<br />

Hoffmann von Fallersleben,<br />

wurde seinerzeit „als Feind der<br />

bestehenden Ruhe und Ordnung“<br />

mit Berufsverbot belegt und<br />

steckbrieflich verfolgt.<br />

Seine Gedichtsammlung<br />

„Unpolitische Lieder“<br />

war verboten.<br />

Seit der bayerische Liederrebell<br />

Hans Söllner wegen seines Liedes<br />

Politessen eine Strafandrohung<br />

von zunächst bis zu 500.000 DM<br />

per Gerichtsbeschluss erhielt,<br />

lässt er den betroffenen Refrain<br />

vom Publikum<br />

singen und konnte<br />

nach eigenen Angaben<br />

so schon viele<br />

Ordnungsgelder<br />

sparen.<br />

Bräuche &<br />

Gesetze<br />

Nachts nochmals auf die Toilette<br />

zu gehen, kann in der Schweiz<br />

teuer werden. Zwischen 22 und<br />

7 Uhr ist es verboten, in einer<br />

Etagenwohnung die Klospülung<br />

zu benutzen. Sollte zudem<br />

jemand dabei ein Paar hochhackige<br />

Schuhe<br />

tragen, ist ein<br />

weiteres Bußgeld<br />

fällig.<br />

1647 hatten in England die Puritaner<br />

das Sagen und stellten nicht<br />

zu Unrecht fest, dass Weihnachten<br />

eigentlich die Wintersonnenwende<br />

ist und auf heidnische<br />

Bräuche zurückgeht. Sie<br />

verhängten kurzerhand einen<br />

Erlass, der Weihnachten verbot.<br />

Keine Feier, keine Völlerei, nur<br />

Arbeit und offene Geschäfte.<br />

Ob gewählt oder nicht gewählt,<br />

wer das britische Parlament im<br />

Westminster Palace betritt, tut<br />

gut daran, vorher einen Gesundheitscheck<br />

zu machen, denn<br />

Sterben ist hier verboten. Das entsprechende<br />

Gesetz hierzu soll den<br />

Anspruch auf ein Staatsbegräbnis<br />

verhindern.<br />

FOTOS: DENIS BOCHKAREV; STEFAN BRENDING<br />

53


Z E N S U R<br />

54 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


55<br />

FOTO: WILFRIED HOESL


Z E N S U R<br />

TANNHÄUSER AN DER BAYERISCHEN STAATSOPER<br />

Ein Jahr lang war ein Video des Tannhäuser-Vorspiels aus der aktuellen Inszenierung<br />

von Romeo Castelucci an der Bayerischen Staatsoper online, da<br />

wurde es plötzlich von Facebook gelöscht und der Account für 24 Stunden<br />

gesperrt. Grund: Im Video sind nackte weibliche Brustwarzen zu sehen – ein<br />

Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook. Dort ist das Video<br />

nun nur in der zensierten „Free-the-Nipples“-Edition zu finden – in der<br />

Mediathek der Bayerischen Staatsoper ist weiterhin das Original zu sehen.<br />

Ein Krokodil,<br />

das Köpfe abreißt<br />

Machthaber auf Kunstauslesekurs – eine kurze Geschichte der Musikzensur.<br />

VON TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL<br />

Tonkunst, dich preis ich vor allen, Höchstes Los ist dir gefallen,<br />

Aus der Schwesterkünste drei, Du die freiste, einzig<br />

frei!“, dichtete Franz Grillparzer 1826. Und irrte. Denn<br />

seit jeher ließen sich die Mächtigen mit harmonischen<br />

Klängen huldigen und verbannten rigoros die Musik, deren Texte<br />

weniger huldvoll waren. Bereits Kaiser Wu (140–87 v. Chr.) ließ die<br />

Musiker in seinem Reich kontrollieren, ganz im Sinne von Konfuzius,<br />

der meinte, dass man an der Musik erkenne, ob ein Land „wohl<br />

regiert und gut gesittet sei“. Für Platon gab es gute und weniger gute<br />

Tonarten, solche die aus Männern Krieger machten, und solche, die<br />

sie „verweichlichten“. Saiteninstrumente hielt er für „staatspolitisch<br />

brauchbar“; Harfen, Zimbeln, „weiche“ Flöten nicht. Was er über den<br />

Dudelsack gesagt hätte, der im Dreißigjährigen Krieg als Waffe galt?<br />

Bei den alten Griechen ging es um Krieg, im aufommenden<br />

Christentum um Gottes Wort. Heiliges Ideal war der einstimmige<br />

gregorianische Gesang, dessen „Worte von jedermann klar verstanden<br />

werden“ sollten. Bereits Augustinus (354–430 n. Chr.) hatte vor<br />

„zu schöner“ Musik gewarnt, die von der Buße ablenke. Im Laufe<br />

der Jahrzehnte hatten sich weltliche Melodien, oft deftige Liebeslieder,<br />

deren Inhalt jedem Geistlichen bekannt (!) waren, ins liturgische<br />

Repertoire geschlichen. Dem „sündhaften Lärm“ und „üblen<br />

Durcheinander“ der Polyfonie, das die Textverständlichkeit behin-<br />

56 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


IN PARIS KONNTE EINE OPER<br />

ZENSIERT WERDEN, WENN DAS<br />

WORT FREIHEIT NICHT VORKAM<br />

dere und die pia gravitas verletze, sagte das katholische Konzil von<br />

Trient (1545–1563) den Kampf an. Mit einem Trick stimmte<br />

Giovanni Pierluigi da Palestrina, der bis zu seinem Tod 1594 am<br />

Petersdom wirkte, die Konzilsväter gnädig: Die dogmatischen Sätze<br />

seiner Missa Papae Marcelli (um 1562) setzte er homofon, die anderen<br />

polyfon. Sein Stil wurde schließlich zum Inbegriff der katholischen<br />

Kirchenmusik.<br />

1564 starb in Genf Johannes Calvin. Ein protestantischer Eiferer,<br />

der „anständige“ Lieder forderte und abgründige Gedanken<br />

hegte. Ja, jede schlechte Rede verderbe „die guten Sitten“. Doch eine<br />

Melodie dazu sei wie Wein, der „Gift und Verderben auf den Grund<br />

des Herzens“ bringe. Ganz anders war die Haltung von Calvins<br />

Lehrmeister Martin Luther. Der freute sich des Lebens und an der<br />

Musik. Sie verjage den Teufel, sei ein Mittel gegen „Zorn, Zank,<br />

Hass, Neid, Geiz, Sorge, Traurigkeit und Mord“, wie er in der Vorrede<br />

zu seinen Gesangbüchern schrieb. „Wittenbergische Nachtigall“<br />

nannte man ihn, weil er gerne sang, die Laute spielte und<br />

komponierte. Ihm verdanken wir nicht nur das Lied Ein feste Burg<br />

ist unser Gott, das Heinrich Heine die „Marseillaise der Reformation“<br />

nannte, sondern auch viele durch ihn inspirierte Werke von<br />

Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach.<br />

Letzterer wird 1706 in Arnstadt vom Superintendent Orearius<br />

zur Rede gestellt. „Halthen Ihm vor, dass er bisher in dem Choral<br />

viele wunderlichen variationes gemachet, viele fremde Thone mit<br />

eingemischet, dass die Gemeinde darüber confundiret worden“,<br />

heißt es in der Kirchenakte. Doch Bach verbittet sich jegliche<br />

Einmischung.<br />

Nur Frauen durfte auch er in seiner Kirchenmusik nicht einsetzen,<br />

galt zu seiner Zeit der von Apostel Paulus formulierte Grundsatz:<br />

„mulier tacet in ecclesia“ – „Die Frau schweige in der Kirche“.<br />

Für „WEIBER“ sei „hier kein Platz“ wird es das Provinzialkonzil<br />

der Erzdiözese Köln 1862 drastisch auf den Punkt bringen. Denn<br />

„alles, was im Kirchengesange an Weiblichkeit grenzt, der Heiligkeit<br />

des Ortes und der Majestät des Gottesdienstes widerspricht“.<br />

Auf den überirdischen „Angelus Klang“ wollte man im bis heute<br />

männlichen päpstlichen Chor der Sixtinischen Kapelle allerdings<br />

nicht verzichten. Und so übernahmen dies bis zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts die Kastraten.<br />

Ungeachtet dessen gab es aber Frauen im Chor, wie etwa in der<br />

Berliner Singakademie. Gegründet wurde sie 1791, zwei Jahre nach<br />

der Französischen Revolution. Drei Jahre zuvor hatte Mozart noch<br />

mit seiner subversiven Hochzeit des Figaro, in der Diener rebellieren<br />

und den Herrn überlisten, seine Mühe gehabt. „Revolution in<br />

Aktion“ beschrieb sie Napoleon.<br />

Die Zensur trieb bunte Blüten, je nach politischer Situation.<br />

Im revolutionären Paris konnte eine Oper bereits zensiert werden,<br />

wenn das Wort Freiheit nicht vorkam. Im kaiserlichen Wien wiederum<br />

gängelte man Verdi, weil man den Gefangenenchor aus<br />

Nabucco (1842) als eine Art italienischer Revolte gegen die Donaumonarchie<br />

verstand.<br />

Neben Religion-Doktrinen und politischen Machtinteressen<br />

bestimmte auch der Geschmack des Herrschers, der oft auch Mäzen<br />

war, die Auftragslage der Komponisten. Monteverdi musste 1612<br />

Mantua verlassen, weil man nach dem Tod seines Dienstherrn die<br />

Oper nicht mehr schätzte. Im Frankreich des 17. und frühen 18.<br />

Jahrhundert musste laut Dekret (!) jede Oper ein Ballett haben, weil<br />

der König so gerne tanzte. Im sogenannten Buffonistenstreit von<br />

1752, einer Auseinandersetzung um die Vorherrschaft der französischen<br />

oder der italienischen Oper, ging es wieder um Politik.<br />

In Russland durfte ein Zar nicht auf der Bühne dargestellt<br />

werden – schon gar nicht als Dummkopf wie in Der goldene Hahn<br />

(<strong>19</strong>09) von Rimski-Korsakow. Opern wurden vom Zaren höchstpersönlich<br />

umbenannt, Libretti umgetextet, Szenen gestrichen. Fast<br />

schon harmlos gegenüber dem, was im 20. Jahrhundert auf Musiker<br />

zukommen sollte.<br />

„Ein Zensor ist ein menschgewordener Bleistift oder ein bleistiftgewordener<br />

Mensch ... ein Krokodil, das an den Ufern des Ideenstromes<br />

lagert und den darin schwimmenden Literaten die Köpf’<br />

abbeißt“, witzelte Johann Nestroy. Wie wahr. Egal ob Nazi oder<br />

Kommunist: Beide lehnten die Atonalität und die Dodekafonie ab.<br />

Nach der Oktoberrevolution <strong>19</strong>17 hatte Nadeshda Krupskaja, die<br />

Witwe Lenins, die Leitung des Volkskommissariats für Bildung<br />

übernommen. Anfangs eher liberal, änderte sich allmählich die<br />

Stimmung. Die Musikzensur wurde zur Musikdiktatur. Bestes Beispiel:<br />

Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk. <strong>19</strong>34 uraufgeführt,<br />

feierte sie große Erfolge bis zum 26. Januar <strong>19</strong>36, als Stalin<br />

zu einer Aufführung kam. Am nächsten Tag sprach die „Prawda“<br />

von „linker Monstrosität“, „formalistischer Perversion“ und „pathologischem<br />

Naturalismus und Erotizismus“. Schostakowitsch geriet<br />

in Panik. Er wusste um die Schauprozesse, die sich hinter der fröhlichen<br />

Fassade propagierter Lebensfreude abspielten. Wie Prokofew<br />

„bekannte“ er sich zu seinen „atonalen Sünden“ und gelobte, im<br />

Sinne des Zentralkomitees der KPdSU zu komponieren: Lieder für<br />

die Rote Armee, Festpoeme und Ergebenheitsadressen.<br />

Ein Parteifunktionär wird Schostakowitsch und Prokofew<br />

<strong>19</strong>48 erklären, wie man „melodische Musik“ komponiert. <strong>19</strong>53 starb<br />

Stalin, am selben Tag übrigens auch Prokofew. Der stalinistische<br />

Personenkult verschwand, die staatliche Kunstregulierung blieb.<br />

308 Seiten umfasste das Handbuch mit erlaubtem Repertoire. Weder<br />

Jazz, der „spätimperialistische Giftanschlag der amerikanischen<br />

Gangster“ noch die „Monotonie des Je-Je-Je“, dieser „Dreck aus dem<br />

Westen“, wie Walter Ulbricht die Beatles nannte, gehörten dazu.<br />

IN RUSSLAND ZENSIERTE DER ZAR<br />

HÖCHSTPERSÖNLICH<br />

Daran änderte nichts, dass Nikita Chruschtschow <strong>19</strong>62 den „Ideologen<br />

der imperialistischen Bourgeoisie“ Strawinsky empfing.<br />

Zensur, Berufsverbot, antisemitische Diffamierung. Analog<br />

zur Bücherverbrennung forderten die Nazis „einen Scheiterhaufen<br />

für Musik“ – so ein Aufsatz von <strong>19</strong>33. Es waren Zeiten, in denen<br />

sogar der Thomaskantor – Karl Straube – ein NSDAP-Mitglied war.<br />

Die Liste der Verfemten war lang: von Mendelssohn Bartholdy,<br />

Hindemith, Weill bis hin zum „Brunnenvergifter der deutschen<br />

Musik“ Alban Berg. Auch der ambivalente Richard Strauss, von<br />

<strong>19</strong>33 bis <strong>19</strong>35 Präsident der Reichsmusikkammer, hatte in jungen<br />

Jahren unter der Wilhelminischen Zensur in Berlin und der<br />

K.-u.-k.-Hofzensur in Wien schwer zu leiden.<br />

Ein Schelm übrigens, wer Böses dabei denkt, wenn er im Jahr<br />

<strong>19</strong>12 in Ariadne auf Naxos eine Figur die – übrigens später entfernten<br />

– Sätze sagen lässt: „Warum führt man solches Zeug auf? Wäre<br />

ich König, ich ließe von Polizei wegen jedes Musikstück verbieten,<br />

das ein Kanarienvogel nicht vom ersten Hören nachsingen kann.<br />

Und den Kerl, der es in die Welt geschafft hat, in Eisen legen, da<br />

wäre bald reiner Tisch.“<br />

n<br />

57


Z E N S U R<br />

Der Axel-Brüggemann-Kommentar<br />

WER MENSCHLICHKEIT ZENSIERT,<br />

ZENSIERT DIE KUNST<br />

Kulturelle Freiheit beginnt nicht mit dem Spielplan, sondern mit den Menschen,<br />

die ihn auf die Bühne bringen, findet Axel Brüggemann.<br />

Nein, Zensur im klassischen Sinne gibt es nicht, wurde mir neulich<br />

in Abu Dhabi versichert, als ich das Gastspiel der Bayreuther Festspiele<br />

mit der Walküre begleitete. Aber natürlich würde die Kulturbehörde<br />

vorab schon mal schauen, was auf die Bühnen des Landes<br />

kommt und was in den Büchern und Zeitungen gedruckt wird – aber<br />

Zensur? Nein.<br />

Es ist für einen Westeuropäer<br />

leicht, bei derartigen Formulierungen<br />

den moralischen Zeigefinger zu heben.<br />

Und ja, das sollte man auch tun! Aber<br />

es gibt auch eine andere Perspektive.<br />

Hinter vorgehaltener Hand wird dem<br />

Kulturtouristen in Abu Dhabi auch<br />

erzählt, dass Musik an sich bereits ein Statement sei, im Kampf gegen<br />

den IS und jede Form des radikalen Islam, der Musik grundsätzlich<br />

verbietet. In den Emiraten steht man zwischen den Welten: zwischen<br />

dem Westen, aus dem die Touristenströme kommen, und Nachbarländern<br />

wie Saudi-Arabien, die wesentlich restriktiver sind, auch was<br />

Kultur und Zensur betrifft.<br />

Bei der konzertanten Aufführung der Walküre im prunkvollen<br />

Emirates Palace hat man sich entschieden, auf eine Übertitelung zu<br />

verzichten, die Wagners Libretto über Inzest, Ehebruch und einen in<br />

Verträgen verstrickten Herrscher detailreich übersetzt hätte. Stattdessen<br />

zeigte man einen unproblematischen, ästhetisch altbackenen Film,<br />

in dem die grobe Handlung umrissen wird. Ein Beispiel, das zeigt:<br />

Zensur, wie wir sie kennen, wird andernorts (gerade in Ländern, deren<br />

Geschichte nur etwas älter als 40 Jahre ist) anders definiert.<br />

Auch in Deutschland tobt derzeit ein Streit um die Bedeutung<br />

des Wortes Zensur. Parteien wie die AfD palavern von einer kulturellen<br />

Meinungsdiktatur in unserem Land, von einer linksideologisch<br />

gesteuerten Kulturszene. „Man wird doch wohl mal sagen dürfen …“<br />

ist längst nicht mehr ein Satz an Stammtischen, sondern eine Floskel<br />

im kulturellen Diskurs der Neuen Rechten. Für sie ist das deutsche<br />

Bühnen- und Orchesterleben wahlweise „einseitig“, „linksversifft“<br />

oder zu „antinational“.<br />

Man kann diesen Standpunkt (und möchte es am liebsten auch)<br />

einfach als Quatsch vom Tisch wischen. Aber wenn es ernsthaft<br />

darum geht, nach der Freiheit der Kunst und der Kultur in Deutschland<br />

zu fragen, muss man sich derartige Vorwürfe – wohl oder übel –<br />

zunächst einmal anhören.<br />

ER IST ZWAR EIN IDIOT,<br />

ABER ER IST LEIDER AUCH EINER<br />

DER BESTEN DIRIGENTEN<br />

Bevor wir uns um Antworten kümmern, ist es vielleicht hilfreich,<br />

das Thema der Zensur zunächst ein wenig einzukochen. Etwa<br />

auf die Frage: Wer hat eigentlich die Macht in unserer Kulturlandschaft?<br />

Die Neue Rechte tut gern so, als seien unsere kulturellen Institutionen<br />

politisch so besetzt, dass die Rechte und das Nationale<br />

keinen Platz hätten. Noch entscheidender<br />

aber scheint die Frage, ob die Strukturen<br />

unserer Kulturlandschaft ihre<br />

Vielfalt – in welche Richtung auch<br />

immer – sogar einschränken.<br />

Auch für diese Frage sei ein kleiner<br />

Umweg erlaubt: Letzten Monat haben<br />

wir eine aufgeregte Debatte um den<br />

Dirigenten Daniel Barenboim mitverfolgt. Das Van-Magazin hat ehemalige<br />

Weggefährten getroffen, die sich über den autoritäten Führungsstil,<br />

über verbale Ausfälle und die ungerechte Behandlung von<br />

Orchestermusikern durch den Dirigenten beschwert haben. Im Feuilleton<br />

begann ein Kampf um die Deutungshoheit: Barenboim-Befürworter<br />

wie die ehemalige FAZ-Kritikerin Eleonore Büning schlugen<br />

sich auf Seiten des Dirigenten, andere hielten das Verhalten, das ihm<br />

vorgeworfen wird, für unentschuldbar und riefen nach Rücktritt.<br />

Viel zentraler ist die Frage nach den Strukturen, die ein derartiges<br />

Verhalten, ob es nun im konkreten Fall stattgefunden hat oder<br />

nicht, zulassen. Strukturen, die wir nicht nur in der Kultur, sondern<br />

auch andernorts finden: Ich kenne mindestens zehn schreiende Chefredakteure,<br />

lese von wild gewordenen Managern, und selbst in Familien<br />

gibt es fürchterliche Tyrannen, die schalten und walten können,<br />

wie sie wollen, weil andere Familienmitglieder pure Angst haben.<br />

Aber warum kann sich ein Orchester aus oft über 80 erwachsenen<br />

Menschen nicht gegen Ausfälle eines Dirigenten wehren? Warum<br />

schreiten Kulturpolitiker nicht ein? Es ist auffällig, dass das Öffentlichwerden<br />

von Fehlverhalten in der Regel nur Künstler trifft, die den<br />

Zenit ihrer Karriere bereits überschritten haben, deren Machtkosmos<br />

so weit geschrumpft ist, dass Opfer keine Repressalien mehr fürchten<br />

müssen oder – noch schlimmer! – dass Opfer erst am Ende ihrer<br />

eigenen Karriere den Mut finden, Missstände zu benennen, da sie<br />

sich im aktiven Kulturleben alleingelassen fühlten.<br />

Fakt ist, dass gerade die Kulturlandschaft für fragwürdiges<br />

menschliches Verhalten anfällig zu sein scheint, das sich frei und<br />

ohne Konsequenzen entfalten kann. Egal, ob Dirigent oder Intendant,<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

58 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Starschauspieler oder Operndiva: Es sollte nicht möglich sein – schon<br />

gar nicht an staatlich subventionierten Einrichtungen–, dass wenige<br />

Despoten die Mehrheit der Künstler tyrannisieren können.<br />

Erfolgreiche Intendanten oder Dirigenten wirken über ihre<br />

jeweiligen Städte hinaus, sind für die lokale Politik oft Aushängeschilder.<br />

Sie verfügen über Netzwerke, mit denen sie den Karrieren<br />

Einzelner, aber auch ganzen Institutionen nachhaltig schaden können.<br />

Gleichzeitig umgibt die Politik sich gern mit Erfolgsmenschen. Sich<br />

von einem internationalen Klassikstar zu trennen oder ihn zu maßregeln,<br />

scheint der Kulturpolitik inzwischen mindestens so schwerzufallen<br />

wie dem FC Bayern, Franck Ribéry zur Rechenschaft zu<br />

ziehen, wenn er Fußballfans kollektiv beleidigt.<br />

Dabei verfügen Kollektive wie ein Orchester qua Masse über<br />

Macht (die sie auch mit jeder Probezeitvereinbarung ausspielen). Um<br />

so interessanter, wie innerhalb der Orchester zuweilen über die Verlängerung<br />

eines Dirigentenvertrags debattiert wird: „Er ist zwar ein<br />

Idiot, aber er ist leider auch einer der besten Dirigenten.“ Oder:<br />

„Wenn wir den gehen lassen, müssen wir wieder von vorne anfangen<br />

– und so schlimm sind seine Wutausbrüche auch nicht.“ Oder: „Für<br />

eine Mahler-Sinfonie mit ihm lasse ich mich auch gern beschimpfen.“<br />

Ich habe viele dieser Entscheidungsfindungen miterlebt, und es ist<br />

schockierend, zu welchen moralischen Zugeständnissen manche<br />

Ensembles fähig sind, um einen Dirigenten zu halten, den sie eigentlich<br />

nicht ausstehen können. So ähnlich argumentiert ja auch Eleonore<br />

Büning in der Causa Barenboim: Für sie ist er „eines der letzten<br />

Genies“ – und ein Genie darf das eben! Das war immer so, und das<br />

wird auch immer so bleiben. Basta.<br />

Genau diese Argumentation ist verstörend – und vielleicht<br />

Anfang des strukturellen Übels. Was hat all das nun mit der Frage<br />

nach Zensur zu tun? Vielleicht dieses: Wenn wir über Macht – und<br />

Zensur ist nichts anderes als Ausdruck von Macht – reden, argumentieren<br />

wir, ohne es zu merken, ähnlich wie Abu Dhabi. Wir berufen<br />

uns auf eine kulturelle Tradition, die ungefähr so lautet: „Genies<br />

dürfen alles, und der künstlerische Erfolg steht über allen menschlichen<br />

Kategorien.“<br />

Damit beschneiden wir uns aber: um ein modernes und aufgeklärtes<br />

Selbstverständnis, um das es in der Musik – von Bach bis<br />

Beethoven – eigentlich geht, um die Entwicklung der Menschlichkeit<br />

und der Mitmenschlichkeit. Nein, es ist nicht okay, dass wir ein System<br />

bestätigen, in dem viele Menschen nicht den Mut haben, Missstände<br />

anzuklagen, ein System, in dem Zensur unter anderem darin<br />

besteht, dass Übergriffe, tyrannisches und egoistisches Verhalten<br />

tabuisiert werden. Und nein, es ist auch nicht okay, dass wir all dem<br />

dann auch noch den Namen „Kulturlandschaft“ geben.<br />

Mit den inhaltlichen Zensurvorwürfen, wie sie von der Neuen<br />

Rechten kommen, hat all das vielleicht wenig zu tun. Ich bin auch<br />

sicher, dass man in Deutschland so ziemlich alles sagen darf, was<br />

man sagen will, solange es sich an der Kategorie der Menschenwürde<br />

orientiert. Dass es irgendwo immer einen Ort für das Rechte und das<br />

Linke, das Gemäßigte und das Demokratische gibt. Und dennoch:<br />

Ein System, dem es nicht einmal gelingt, Strukturen zu schaffen,<br />

durch die ein grundsätzlich menschlicher Umgang miteinander<br />

garantiert ist, macht sich natürlich auch inhaltlich angreifbar.<br />

Immer dort, wo Wutausbrüche, Beleidigungen und Beschimpfungen<br />

tabuisiert werden, hat man kein gutes Gefühl, wenn es um<br />

inhaltliche Macht geht. Wer das Menschsein zensiert, ist auch in der<br />

Lage, die Kunst zu zensieren. Und deshalb ist es eine dringende Aufgabe<br />

der deutschen Kulturpolitik, das eigene System und die Möglichkeiten<br />

des Einzelnen, sich gegen Übergriffe anderer zur Wehr zu<br />

setzen, auf den Prüfstand zu stellen. Vorwürfe von Machtmissbrauch<br />

mit dem Verweis auf romantischen Geniekult abzutun, ist fahrlässig!<br />

Nur eine Kultur, die die Kultur des Mitmenschlichen pflegt, kann<br />

auch als Kultur, die das Mitmenschliche propagiert, glaubwürdig<br />

bleiben – und frei. <br />

n


Z E N S U R<br />

ZENSIERT, VERFOLGT,<br />

GETÖTET –<br />

KUNST(UN)FREIHEIT HEUTE<br />

Die Organisation Freemuse kämpft für die<br />

internationale Freiheit der Kunst. Ist ein Sieg möglich?<br />

VON MARIA GOETH<br />

Sie sind zwölf, bald sogar fünfzehn. Sie kommen aus Dänemark,<br />

sitzen inzwischen auch in Serbien, Marokko und Nigeria.<br />

Unterstützer und Kontaktpersonen haben sie auf der<br />

ganzen Welt. Und sie haben ein großes Ziel: Kunstfreiheit<br />

mit allen Mitteln zu verteidigen und Verstöße gegen sie zu dokumentieren<br />

und öffentlich zu machen. Das<br />

ist Freemuse, eine <strong>19</strong>98 gegründete internationale<br />

Organisation. Geschäftsführer<br />

Srirak Plipat äußert sich zur gegenwärtigen<br />

Lage und beginnt mit einer düsteren<br />

Einschätzung: Weltweit habe sich in den<br />

vergangenen Jahren der Zustand der<br />

Kunstfreiheit verschlechtert. Es gebe eine<br />

regelrechte Kultur des Zum-Schweigen-<br />

Bringens, der globalen Intoleranz gegenüber<br />

Andersdenkenden. Grund dafür<br />

seien konkurrierende Wertesysteme, insbesondere<br />

rechtes Gedankengut, wie das<br />

von Präsident Trump in den USA. Statt mit<br />

Andersdenkenden zu diskutieren, würden<br />

diese scharf verurteilt. In Europa sei mit der Flüchtlingskrise die<br />

Immigrantenfeindlichkeit gewachsen: „Sobald Machthaber Menschen<br />

mit anderer Identität als ‚die anderen‘ diffamieren, Methoden der<br />

Ruhigstellung legitimieren und dies an die breite Gesellschaft, die<br />

Kulturinstitutionen und die unteren Verwaltungsebenen weitergeben,<br />

ist das extrem alarmierend.“<br />

Wann immer die freie Meinungsäußerung<br />

beschnitten wird, trifft es auch die<br />

Musik. Den Untersuchungen von Freemuse<br />

zufolge waren Musiker in den vergangenen<br />

Jahren am stärksten von Zensur<br />

betroffen, gefolgt von Filmemachern und<br />

bildenden Künstlern. „Musik ist ein<br />

mächtiges Kommunikationswerkzeug.<br />

Und sie kommuniziert über die Gefühlsebene.<br />

Sie lässt den Hörer direkt teilhaben,<br />

während man zum Beispiel beim Film als<br />

Betrachter doch etwas außerhalb bleibt“,<br />

beobachtet Pripat. Deshalb gebe Musik so<br />

oft Anlass zur Verfolgung.<br />

Aktuelle Beispiele seien etwa der kurdische<br />

Musiker Ferhat Tunç, der immer<br />

wieder über sein Ideal einer demokratischen Gesellschaft singt. Er ist<br />

Mitglied der Partei DBP, die sich für die Interessen der kurdischen<br />

Minderheit einsetzt. Deshalb wurde er im September in Istanbul wegen<br />

„Terrorpropaganda“ zu einem Jahr und elf Monaten Freiheitsstrafe<br />

GRÜNDE FÜR MUSIKZENSUR<br />

WELTWEIT<br />

48 % POLITISCH<br />

23 % WEGEN<br />

„UNANSTÄNDIGKEIT“<br />

14 % RELIGIÖS<br />

8 % HASSREDE<br />

TOP 5 DER LÄNDER<br />

MIT MUSIKZENSUR 2017<br />

(NACH ANZAHL DER FÄLLE)<br />

1. SPANIEN<br />

2. ÄGYPTEN<br />

3. CHINA<br />

4. MEXIKO<br />

5. IRAN UND USA<br />

verurteilt. „Das ist unvereinbar mit internationalen Menschenrechten!“,<br />

proklamiert Pripat.<br />

Dann wäre da noch der russische Rapper Husky – zu elf Tagen<br />

Haft verurteilt, weil seine Texte angeblich zu Kannibalismus aufrufen.<br />

[Im Rap insgesamt sieht Präsident Vladimir Putin einen<br />

bekämpfungswürdigen Mix aus „Sex,<br />

Drogen und Protest“, Anm. d. Red.]. Oder<br />

der ägyptische Künstler Ramy Essam, der<br />

aus seinem Heimatland fliehen musste<br />

und nun nicht zurückkann, weil er ein<br />

Gedicht für seine Liedtexte benutzte, das<br />

für eine offenere Gesellschaft plädiert.<br />

„Etwa 90 Prozent der Musik wird<br />

wegen ihres Textes zensiert“, analysiert<br />

Pripat. Manchmal reiche aber auch der<br />

reine Gebrauch einer bestimmten Sprache<br />

zur Zensur, so etwa die Verwendung der<br />

Sprache Ndebele in Zimbabwe wegen<br />

Stammeskonflikten, aber auch des Joik-Gesangs<br />

– einer Art Jodler der Samen – in<br />

Norwegen, weil er angeblich Unglück bringt.<br />

Neben diesen offenkundigen Formen von Zensur gibt es etliche<br />

Grauzonen, die Freemuse ebenfalls versucht zu erfassen. „Natürlich<br />

haben Politik und Institutionen das Recht, Kunstprojekte auszuwählen,<br />

die sie finanziell unterstützen wollen, solange nicht nachgewiesen<br />

werden kann, dass Entscheidungen nach Partei-, Rassenoder<br />

Religionszugehörigkeit getroffen<br />

werden“, erklärt Pripat. „In der Vergangenheit<br />

konnte Freemuse aber zum Beispiel<br />

in Osteuropa beobachten, wie Politiker<br />

ihren Einfluss nutzten, um Führungspersonal<br />

in Kulturinstitutionen zu<br />

kündigen und durch Personen auf ihrer<br />

politischen Linie zu ersetzen.“<br />

Und natürlich könne man auch<br />

durch finanzielle Unterstützung beziehungsweise<br />

Nichtunterstützung politisch<br />

unerwünschte Projekte ausbooten – eine<br />

gefährliche Form der Zensur, weil sie<br />

schwer aufzuspüren ist. Auch in Deutschland<br />

herrscht nach Pripats Beobachtungen<br />

bei den Institutionen Zurückhaltung beispielsweise<br />

dabei, regierungskritische Kunst zu unterstützen.<br />

„In vielen Fällen hat Kunstzensur in Deutschland ja etwas mit<br />

Antisemitismus oder Antiisraelismus zu tun, was aufgrund der<br />

Geschichte durchaus nachvollziehbar ist“, erläutert Pripat. So wurde<br />

60 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


eispielsweise im letzten Jahr die schottische Erfolgsband Young<br />

Fathers bei der Ruhrtriennale ausgeladen, da diese sich nicht von<br />

der israelkritischen sogenannten BDS-Kampagne distanzieren<br />

wollte. „Musiker aufgrund ihrer politischen Haltung Auftrittsverbot<br />

zu erteilen, ist gegen internationale Menschenrechtsstandards“,<br />

betont Plipat.<br />

Aber was, wenn beispielsweise antisemitische oder rassistische<br />

Inhalte in der Kunst vermittelt werden? Gibt es tatsächlich auch<br />

positive Formen von Zensur? Plipat definiert die Grenze der Kunstfreiheit<br />

mit der sogenannten „Hassrede“, die drei Komponenten hat:<br />

1. Sie richtet ihren Hass gegen eine ganz bestimmte Gruppe (z. B.<br />

Religion, Rasse, sexuelle Orientierung oder sonstige Minderheit);<br />

2. Diese Gruppe muss gezielt diskriminiert werden; 3. Es wird meist<br />

direkt zu Gewalt ermutigt. „Wenn wir zum Beispiel einen schlechten<br />

Film anschauen und – auch mit wirklich starken Worten – sagen,<br />

wie grauenvoll er war, ist das noch keine Hassrede. Oft singen Menschen<br />

Texte, mit denen wir uneins sind. Aber wir müssen diese<br />

Menschen schützen, auch wenn wir deren Meinung nicht teilen“, so<br />

Plipats Überzeugung.<br />

In Europa, wo die Zensurlage insgesamt etwas besser sei, hapert<br />

es in Sachen Gender-Gleichheit. Plipat präzisiert: „Frauen wird der<br />

Weg zur künstlerischen Freiheit noch immer verwehrt! Sei es durch<br />

Chancenungleichheit oder sexuelle Belästigung. Selbst in der klassischen<br />

Musik: In der 150-jährigen Geschichte der Wiener Philharmoniker<br />

gab es gerade mal eine Dirigentin.“<br />

Und Srirak Plipats Blick in die Zukunft? „Es wird noch schlechter<br />

werden, bevor es besser wird!“ In Nordamerika und in mindestens<br />

13 Ländern Europas sind rechte Gruppierungen im Aufstieg<br />

begriffen, während der Zustand in den traditionell repressiven Ländern<br />

wie Iran, China und Russland unverändert bleibt. In liberalen<br />

Ländern wie Frankreich oder Spanien hat sich die Situation in den<br />

letzten zwei Jahren massiv verschlechtert. Plipat bleibt dennoch<br />

optimistisch: „Wir werden noch viel härter arbeiten müssen, bevor<br />

es wieder besser wird!“<br />

n<br />

Statistiken und Zahlen entstammen dem Bericht „The State of Artistic Freedom 2018“ von<br />

Freemuse. Der Bericht 20<strong>19</strong> ist derzeit im Entstehen und erscheint voraussichtlich im <strong>April</strong><br />

auf www.freemuse.org.<br />

Der Fall Serebrennikow<br />

Wie gehen deutsche Opernhäuser damit um, wenn ihr Regisseur zu Produktionsbeginn<br />

Tausende Kilometer entfernt unter Hausarrest steht? Von Klaus Kalchschmid<br />

Opernregisseur Kirill Serebrennikow<br />

Bis Ende <strong>April</strong> wird der nun schon 15 Monate dauernde Hausarrest<br />

des russischen Theater-, Film- und Opernregisseurs Kirill<br />

Serebrennikow auf jeden Fall noch dauern. Denn sein Prozess<br />

wegen angeblicher Veruntreuung<br />

staatlicher Fördermittel hat gerade<br />

erst begonnen. Es geht um 133 Millionen<br />

Rubel (etwa 1,7 Millionen<br />

Euro), die Serebrennikow und fünf<br />

Mitangeklagte in die eigene Tasche<br />

gewirtschaftet haben sollen, obwohl<br />

mit dem Geld 2011 „Platforma“<br />

gegründet wurde, die ein großes<br />

Theaterzentrum, das Gogol-Center,<br />

ermöglichte und finanzierte – ausdrücklich<br />

gewünscht vom damaligen<br />

Präsidenten Medwedjew.<br />

Doch nun sind andere Zeiten angebrochen,<br />

und mit dem Kultusminister<br />

Wladimir Medinski hat Serebrennikow<br />

einen Gegner, dem der<br />

nicht zuletzt bei der Jugend als Theater-<br />

und Filmschaffender hoch<br />

Geschätzte, ja Verehrte als Freigeist,<br />

Buddhist und Homosexueller ein<br />

Dorn im Auge ist.<br />

Verdis Frühwerk Nabucco und seine<br />

Geschichte von Heimat, Gefangenschaft<br />

und Freiheit, das am 10. März<br />

in Hamburg herauskommen soll,<br />

wird Serebrennikow genauso inszenieren<br />

müssen, wie er das mit<br />

Mozarts Così fan tutte getan hat, die<br />

am 4. November 2018 in Zürich Premiere<br />

feierte. Wer hätte gedacht, dass ein detailliertes Regiebuch<br />

und das vermittelte Regieführen durch den wechselseitigen Austausch<br />

von (Proben-)Videos und entsprechenden Kommentaren<br />

via Regieassistent und Anwalt aus dem Hausarrest heraus – denn<br />

Serebrennikow darf nicht ins Internet – eine so brillante, detailgenaue<br />

Inszenierung hervorbringen würden.<br />

Serebrennikow treibt den zynischen Partnertausch auf die Spitze:<br />

Fiordiligi und Dorabella wird der Tod der Verlobten im Krieg<br />

suggeriert und sie bekommen deren<br />

Urnen in die Hand gedrückt. Statt<br />

verkleideter, sie überkreuz verführender<br />

Partner erscheinen nun wildfremde<br />

sexy Muskelmänner, die auf<br />

zweigeteilter Bühne oft unten die<br />

Frauen sexuell bedrängen, während<br />

Ferrando und Guglielmo in neutrales<br />

Schwarz gekleidetet meist oben<br />

singen und das Geschehen stumm<br />

kommentieren. Diese Brechung geht<br />

erstaunlich gut auf, zumal spielender<br />

Alphamann A und singender Poet B<br />

manchmal fast verschmelzen, sich<br />

dann wieder weit voneinander<br />

entfernen.<br />

Bei Hänsel und Gretel in Stuttgart ein<br />

Jahr zuvor, im Oktober 2017, hatte<br />

man sich noch entschieden, die fertigen<br />

Kostüme und das ebenfalls<br />

weit gediehene Bühnenbild einzulagern.<br />

Gezeigt wurde jedoch ein<br />

von Serebrennikow in Ruanda abgedrehter<br />

– und nun von Assistenten<br />

adaptierter – Film, der parallel zur<br />

Opernhandlung echten Hunger und<br />

exzessives Essen semidokumentarisch<br />

thematisiert. Er spielt sich hinter<br />

dem auf der Bühne sitzenden<br />

Orchester ab, während die auf Stühlen<br />

sitzenden Sänger mal ins Publikum agieren, mal zuschauen.<br />

Obwohl Serebrennikow der semikonzertanten Fassung ausdrücklich<br />

zugestimmt hatte, war das eine etwas halbherzige Angelegenheit.<br />

Sie wurde dem fantasievoll auch für das Kino immer wieder<br />

neue Welten erfindenden Regisseur nicht wirklich gerecht. n<br />

61<br />

FOTO: CIRA POLYARNAYA


Z E N S U R<br />

SATIRE KANN<br />

DICH TÖTEN!<br />

Der Komponist Moritz Eggert und der Journalist Axel Brüggemann<br />

im Gespräch über Zensur, ein neues politisches Umfeld und<br />

dessen Bedeutung für die Kunst.<br />

VON AXEL BRÜGGEMANN<br />

Axel Brüggemann: Moritz, warum wird das Thema Zensur<br />

derzeit zu einem Hauptthema der Neuen Rechten?<br />

Moritz Eggert: Das hat wohl viel mit der Randständigkeit der<br />

Bewegung zu tun. Wenn Leute nicht mehrheitsfähige Meinungen<br />

propagieren, etwa dass die Erde eine Scheibe ist, waren sie früher<br />

einsam. Heute finden sie zahlreiche Gleichgesinnte im Internet.<br />

Genau in diesem Moment beginnt der absurde Kreislauf der<br />

klassischen Verschwörungstheorie. Und irgendwann heißt es: „In<br />

was für einem Land leben wir, wenn wir nicht mal sagen können,<br />

dass die Erde eine Scheibe ist. Unsere Meinung wird unterdrückt!<br />

Es herrscht Zensur!“<br />

Wirkt sich dieses Phänomen auch auf die Kultur aus? Tatsächlich<br />

gibt es ja viel weniger rechte Stücke und Regisseure auf<br />

deutschen Bühnen als linke, oder?<br />

Ich finde, dass unser Opern- und Theatersystem derartige<br />

Haltungen durchaus duldet. Wir zeigen ja nicht nur Frank<br />

Castorf. Im Gegenteil: Ein Großteil<br />

dessen, was in unseren Theatern gezeigt<br />

wird, ist eher konservativ. Es gibt Autoren<br />

wie Houellebecq oder Regisseure wie<br />

Jonathan Meese, die am rechten Rand<br />

wildern. Man könnte auch weitere Namen<br />

nennen, die sich mit rechtskonservativen<br />

Positionen auseinandersetzen (übrigens<br />

fast nur Männer eines bestimmten Alters).<br />

Gleichzeitig muss ich sagen, dass ich noch<br />

nie von einem Opernhaus gebeten wurde, in meinen Werken eine<br />

inhaltliche Richtung einzuhalten oder mich politisch zu<br />

positionieren.<br />

Das ist Teil einer Verschwörungstheorie, die auch uns Journalisten<br />

betrifft. Weder in der Welt am Sonntag oder der FAZ,<br />

noch in der ARD oder im ZDF hat mir jemals ein Redakteur<br />

gesagt, in welche Richtung ein Text oder ein Film gehen soll.<br />

Trotzdem hält sich das Gerücht, dass gerade der öffentlichrechtliche<br />

Rundfunk heimlich von Angela Merkel gelenkt wird.<br />

Es ist eine absurde Situation, es besser zu wissen und zu spüren,<br />

dass es Menschen gibt, die uns nicht glauben ...<br />

Die Antwort ist dann immer: „Natürlich, ihr dürft das ja auch<br />

nicht zugeben, weil ihr Teil des Systems seid!“ Und schon ist die<br />

Verschwörungsfalle zugeschnappt!<br />

Heute behaupten ganz unterschiedliche Gruppen – nicht nur<br />

Stammtischbrüder –, sie dürften ihre Meinung in Deutschland<br />

nicht mehr laut sagen.<br />

Das beobachte ich auch. Als ich frisch nach München kam, sah<br />

ich im Wirtshaus jemanden von der Toilette kommen, der seine<br />

Stammtischbrüder offen mit einem Hitlergruß begrüßte – einfach<br />

nur, um eine Grenze zu überschreiten. In Zeiten des Internets<br />

haben sich diese vereinzelten Verrückten plötzlich vernetzt und<br />

IN ZEITEN DES INTERNETS<br />

HABEN SICH VEREINZELTE<br />

VERRÜCKTE PLÖTZLICH<br />

VERNETZT<br />

bestätigen sich in ihrer eigenen Wahrheit. Es gibt wirklich gut<br />

gemachte Internetseiten, die behaupten, die Erde sei eine Scheibe.<br />

Und plötzlich finden sich Tausende in der ganzen Welt, die sich<br />

nur auf solchen Seiten bewegen und sich andauernd selbst<br />

bestätigen. Und mehr noch: Jeder, der behauptet, die Erde sei<br />

rund, wird mit Posts und Kommentaren in den sozialen Medien<br />

torpediert.<br />

Wie reagierst du auf derartige Kommentare?<br />

Ich beobachte, dass Menschen, die tolerant sind und die bestehenden<br />

Verhältnisse gar nicht so fürchterlich finden, allmählich von<br />

einer Panik befallen werden. Das sollten wir vermeiden! Wir<br />

dürfen nicht aufgrund der Lautstärke der anderen in Hysterie<br />

verfallen. Ich versuche, nicht über jedes Stöckchen zu springen<br />

und mich nicht in die Erregungsspirale, auf die sowohl die AfD<br />

als auch Leute wie Donald Trump setzen, ziehen zu lassen.<br />

Manchmal ist ignorieren die bessere Lösung.<br />

Aber als der Cellist Matthias Moosdorf<br />

vom Leipziger Streichquartett, der ein<br />

Anhänger der AfD ist, ein Konzert in<br />

München gab, haben du und einige<br />

deiner Freunde medienwirksam protestiert.<br />

Widerspricht sich das nicht?<br />

Wir haben lange überlegt, was wir<br />

machen. Unsere Aktion sollte das Konzert<br />

nicht stören, aber Moosdorf mit seiner<br />

Meinung durchaus lächerlich machen.<br />

Also haben wir auf das Mittel der Satire zurückgegriffen und<br />

nicht auf Buh-Rufe oder Parolen wie „Rechte raus!“. Wir wollten<br />

unter keinen Umständen ein Antifa-Programm fahren.<br />

Du meinst, man sollte die Rechte am besten weglachen?<br />

Eine der besten Aktionen für mich war, als bei einer AfD-Demo<br />

das Schlumpflied gesungen wurde.<br />

Letztlich habt ihr aber nur erreicht, dass ihr Moosdorf einen<br />

neuen Anlass gegeben habt, sich als Opfer darzustellen und<br />

euch als Unruhestifter und Kunstverhinderer. Am Ende bleiben<br />

alle Fronten dort, wo sie vorher schon waren. Nur noch<br />

verhärteter.<br />

Ich hatte schon den Eindruck, dass durch die Aktion viele<br />

Gespräche angeregt wurden, die durchaus um die Sache gingen.<br />

Und natürlich hat unsere Aktion eine Reaktion heraufbeschworen,<br />

die selber entlarvend war: Moosdorf hat Sachen gepostet, mit<br />

denen er die Lächerlichkeit, in die wir ihn gezogen haben, nur<br />

bestätigt hat. Uns wurde linke Zensur vorgeworfen. Aber Zensur<br />

war nie unser Ziel! Unser Mittel war die Affirmation als Karikatur.<br />

Das ist ein großer Unterschied.<br />

Der Karikaturist Til Mette hat mir einmal erzählt, dass er lange<br />

nur vor sich hingemalt hat. Erst mit „Charlie Hebdo“ wurde ihm<br />

klar, dass der Beruf des Künstlers wieder gefährlich ist ...<br />

62 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Zensur verändert laufend ihr Gesicht. <strong>19</strong>68 wurde das Cover von<br />

„Unfinished Music No. 1: Two Virgins“, dem ersten gemeinsamen<br />

Album von John Lennon und Yoko Ono, mit braunem Packpapier<br />

verhüllt – es zeigt die beiden nackt<br />

Geschmackszensur? Der Konzeptkünstler Pjotr<br />

Pawlenski nähte sich aus Protest gegen die<br />

Inhaftierung der Band Pussy Riot 2012 den Mund zu.<br />

Ein Bild davon sorgte in der <strong>CRESCENDO</strong><br />

Redaktion für Kontroversen: abdrucken? Oder ist<br />

der Ekelfaktor doch zu groß?<br />

DAS FOTO RECHTS OBEN STAMMT AUS DEM MATERIAL ZUM FILM „PAWLENSKI – DER MENSCH UND DIE MACHT“ VON IRENE LANGENMANN 2017 (C) REUTERS<br />

Ich habe die ermordeten Zeichner von Charly Hebdo als Comic-<br />

Fan sehr geschätzt. Plötzlich war klar: Satire kann dich töten! Ich<br />

wuchs sehr antiautoritär im Umfeld der Neuen Frankfurter<br />

Schule auf und hatte immer das Gefühl, man kann alle Witze<br />

machen. So wie damals den Satz „Ich war eine Dose“ in Verbindung<br />

mit einem Blech-Jesus. Das würde sich das Satiremagazin<br />

Titanic heute über den Islam nicht mehr trauen. Was sich<br />

verändert hat, ist, dass wir heute gezwungen sind, Position zu<br />

beziehen. Man kann nicht mehr unpolitisch sein. Dabei stellen<br />

wir uns die Frage nach dem Risiko. Selbst bei so einer Aktion wie<br />

bei Moosdorf: „Riskiere ich, am Ende kritisiert zu werden, oder<br />

lasse ich es gleich bleiben?“<br />

Beim Schreiben herrscht bei mir weniger die Angst, sondern<br />

der neue Wunsch, möglichst gerecht und fair zu bleiben –<br />

gegenüber allen Parteien. Das führt dazu, dass ich mich mehr<br />

mit den Gegenpositionen auseinandersetze und oft weniger<br />

Schärfe wähle. Die Welt, in der wir leben, verändert meinen<br />

Stil. Geht dir das auch so?<br />

Es gibt die Szene, die mir vorwirft, „linksversifft“ zu sein, weil ich<br />

in einer Kulturszene lebe und von ihr auch leben kann. Mir wird<br />

unterstellt, dass ich ein Agent der<br />

linken Agenda sei. Ich weiß, dass das<br />

nicht stimmt. Dass ich immer Sachen<br />

mache, für die ich brenne. Wie gehe<br />

ich mit so einem Vorwurf um?<br />

Ignoriere ich ihn? Reagiere ich? Auf<br />

der einen Seite wird mir Ignoranz<br />

vorgeworfen, auf der anderen Seite laufe ich Gefahr, dass es zu<br />

einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommt. Das ist eine<br />

Zwickmühle, in der ich mich nicht immer wohlfühle. Die Kunst<br />

hat einen großen Teil ihrer Naivität verloren. Aber vielleicht ist<br />

das auch eine Chance, auf die wir positiv reagieren können. So<br />

wie du das machst, wenn du sagst, dass du dich intensiver mit der<br />

Gegenseite auseinandersetzt.<br />

Für mich ist der ganze Kampf, den wir heute führen, der<br />

Kampf um eine gesellschaftliche Freistelle, um die Rolle des<br />

Bürgertums. Früher war das Bürgertum zwar wertkonservativ,<br />

aber auch liberal. Derzeit scheint es dieses Bildungsbürgertum<br />

gar nicht mehr zu geben, und es wird von beiden Seiten neu<br />

definiert. Das wird besonders offensichtlich, wenn sich die<br />

AfD den Frust des Abo-Publikums auf das Regietheater zu<br />

eigen macht.<br />

DIE KUNST HAT EINEN GROSSEN<br />

TEIL IHRER NAIVITÄT VERLOREN<br />

Das Bürgertum wollte immer Ausgleich und hat eine Mittelposition<br />

eingenommen. Ich glaube, dass es diese alte Mitte durchaus<br />

noch gibt, aber sie kann sich auf kein gesellschaftliches Bild mehr<br />

verständigen. Damals hatten wir das Wort vom „Christlich-Sozialen“.<br />

Aber derartige Koordinaten scheinen für viele ausgedient<br />

zu haben. Dabei finde ich, dass Nächstenliebe ein Wert ist, auf<br />

den sich eine bürgerliche Mehrheit verständigen könnte.<br />

Müssen wir die Naivität zurückgewinnen?<br />

Ich glaube, dass derzeit eine gute Stunde für Leute wie Erich<br />

Kästner, Karl Kraus oder Kurt Tucholsky wäre. Wir bräuchten<br />

wieder starke Stimmen, die wichtige Werte kontrovers debattieren.<br />

Wir müssen letztlich aus der Harmlosigkeit heraustreten.<br />

Aber sind diese Künstler nicht schon in der Weimarer Republik<br />

gescheitert?<br />

Im konkreten historischen Moment vielleicht, aber ihre Werte<br />

haben uns geholfen, Europa nach der Katastrophe<br />

wiederaufzubauen.<br />

Wir befinden uns also nicht in einem Weimar 2.0?<br />

Dafür ist meine Hoffnung auf die junge Generation zu groß. Ich<br />

glaube, dass Freiheiten, die einmal erkämpft wurden, Toleranz<br />

gegenüber Minderheiten, Reisefreiheit<br />

in Europa – wenn all das erst einmal<br />

existiert, kann man es nur noch mit<br />

Waffengewalt unterdrücken. Und das<br />

sehe ich derzeit zum Glück nicht.<br />

Vielleicht ist die neue Mitte der Punk<br />

der Zukunft – als Reaktion auf<br />

reaktionäre und rückständige Politik alter weißer Männer. Diesen<br />

Glauben will ich nicht verlieren.<br />

Jene Jugendlichen, die in England das Brexit-Referendum<br />

verpennt haben? Und was ist mit Ländern wie Österreich, wo<br />

eine neue Regierung mit Beteiligung der Rechten längst in das<br />

System, in die Posten beim Fernsehen und im Staat eingegriffen<br />

hat und Nägel mit Köpfen macht?<br />

… und wenn wir erst nach Polen oder Ungarn schauen. Da<br />

werden Intendanten aus politischen Gründen ausgetauscht, und<br />

es wird Einfluss auf Spielpläne genommen. Veränderungen, die<br />

dazu führen, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, wie es<br />

anders sein könnte. Aber genau das macht für mich den Unterschied<br />

zu Deutschland aus. Ich hoffe, dass sich die Mehrheit der<br />

Bevölkerung bewusst über die kulturellen Werte ist und sie<br />

verteidigen würde.<br />

n<br />

63


Z E N S U R<br />

WOHER KOMMT<br />

EIGENTLICH ...<br />

... die Zensur ?<br />

VON STEFAN SELL<br />

Musik und Cover der Death-Metal-<br />

Band Cannibal Corpse werden häufig<br />

indiziert oder beschlagnahmt. Das<br />

Cover zu „Tomb of the Mutilated“,<br />

auf dem ein Zombie einen anderen oral<br />

befriedigt, musste für den deutschen<br />

Markt ausgetauscht werden<br />

Artikel 5 des Grundgesetzes besagt:<br />

„Eine Zensur findet nicht statt.“ In<br />

einer Verteidigungsrede mahnte<br />

Cicero: „Frei sind unsere Gedanken.“<br />

Das beschwor im 12. Jahrhundert der<br />

Sänger Walther von der Vogelweide und<br />

bestätigte im 16. Jahrhundert Johannes Agricola<br />

mit seinen Sprichwörtern. So singen die<br />

Menschen bis heute: „Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,<br />

das alles sind rein vergebliche Werke; denn meine Gedanken zerreißen<br />

die Schranken und Mauern entzwei: die Gedanken sind frei.“<br />

Konfuzius’ (551–479 v. Chr.) Behauptung „Wenn die Welt im<br />

Chaos versinkt, werden ihre Rituale und ihre Musik zügellos“ lässt<br />

den Umkehrschluss zu: Wenn Musik zügellos wird, wird auch die<br />

Welt chaotisch. Vielleicht ist das die Maxime hinter aller Musikzensur:<br />

die Angst, dass sich das Chaotische nicht mehr führen lässt.<br />

Und etwas Führungslosen kann man sich nicht bemächtigen. Ein<br />

Grund, warum Zensur besonders in autoritären Regimen gedeiht.<br />

100 Jahre nach Konfuzius präzisiert<br />

Plato in „Der Staat“: „Vor Neuerungen der<br />

Musik muss man sich in Acht nehmen, denn<br />

dadurch kommt alles in Gefahr.“ Alles Neue<br />

in der Musik fällt leicht unter den Verdacht,<br />

den herrschenden Verhältnissen gefährlich<br />

zu werden. Neu heißt manchmal einfach nur<br />

anders, den Erwartungen nicht entsprechend.<br />

Das Atonale, der Jazz, der Tango, aber<br />

auch die ursprünglich fremden Töne Bachs<br />

oder das einst Unerhörte Beethovens, selbst<br />

Intervalle, wie das aus drei Ganztönen bestehende<br />

Teufelsintervall „Tritonus“ oder das Fortschreiten in Quintwie<br />

Oktavparallelen, konnten Teil einer Verbotsliste sein.<br />

Es gab eine Zeit, in der das Kastrieren männlicher Jugend sinnvoller<br />

schien, als Frauen am öffentlichen Musikleben teilhaben zu<br />

lassen. Das wirft die Frage auf, ob Zensur nicht viel weitläufiger ist<br />

als das reine Verbot. Jemanden ausschließen, ignorieren, in den<br />

Medien totschweigen kann eine Form der Zensur sein. Ein Künstler,<br />

der nicht erwähnt wird, existiert nicht auf den Brettern, die die Welt<br />

bedeuten. Der Verriss in einer Konzertbesprechung oder Rezension<br />

ist der Versuch, das Voranstreben eines Künstlers zu hemmen.<br />

Lieber wird Musik toter Komponisten gespielt als die der<br />

Avantgarde. Was Tonträger und Aufführung der klassischen Musik<br />

ZENSUR IST EINE<br />

GRATWANDERUNG,<br />

UND WER MAG SCHON<br />

ENTSCHEIDEN,<br />

WANN SIE RICHTIG<br />

ODER FALSCH IST?<br />

betrifft, führen nach wie vor tote Komponisten<br />

die Playlisten an. Das AirPlay der populären<br />

Radiosender ist auch in Deutschland<br />

verdächtig einheitlich, zeigt in der renitenten<br />

Wiederholung immer gleicher Titel, Rotation<br />

genannt, dass – offen hörbar – alle anderen<br />

ausgeschlossen bleiben sollen.<br />

Selbst Förderungen, Stipendien, Wettbewerbe,<br />

adelnde Preisverleihungen werden letztendlich von einer<br />

tonangebenden Elite bestimmt. Wer nicht zu den Glücklichen zählt,<br />

weiß, dass professionelles Musikmachen eine ewige Durststrecke<br />

sein kann. Selbst Bewunderung und Verehrung haben etwas<br />

Ausgrenzendes.<br />

Oft sind es die Texte zur Musik, die Anlass zum Verbot geben.<br />

Doch was soll auf den Index? „Du hast ein Galgengesicht, das ist<br />

genug. Erst geköpft, dann gehangen, dann gespießt auf heiße Stangen,<br />

dann verbrannt, dann gebunden, und getaucht, zuletzt geschunden.“<br />

Oder: „Mit jedem Schwung meines Hammers schlage ich<br />

deinen verdammten Kopf ein, bis Hirn durch<br />

die Risse sickert, Blut raustropft“. Ersteres<br />

stammt aus Mozarts Oper Die Entführung<br />

aus dem Serail und ist Teil einer Arie des<br />

Haremsaufsehers Osmin, Zweites steht auf<br />

dem Index und ist eine Textzeile aus Hammer<br />

Smashed Face der vielfach indizierten Heavy-<br />

Metal-Band Cannibal Corpse. Interessant<br />

noch zu erwähnen, dass diese Band auf ausdrücklichen<br />

Wunsch von Jim Carey in dessen<br />

Hollywood Blockbuster „Ace Ventura“<br />

auftaucht.<br />

Umstritten auch die Performance der Rapper Kollegah und<br />

Farid Bang, die den an Verkaufszahlen orientierten ECHO-Preis zu<br />

Fall brachten. Ihre sexistischen und antisemitischen Parolen waren<br />

bekannt – und dennoch bekamen sie eine Bühne. Warum durfte<br />

statt ihrer nicht die Antilopen Gang mit Songs wie Beate Zschäpe<br />

hört U2 auftreten, die nicht nur explizit und kritisch Stellung zu<br />

dem Fall bezogen, sondern auch Texte gegen rechtsradikales Denken<br />

bieten können? Ist es nicht rechtens, dass die Bundesprüfstelle<br />

rechtsradikales Gedankengut indiziert? Sicherlich, denn dieser Art<br />

Texte sollte nicht einmal für ein Zitat Raum gegeben werden.<br />

Schließlich lautet Artikel 1 des Grundgesetz: Die Würde des Menschen<br />

ist unantastbar.<br />

n<br />

COVER: CANNIBAL CORPSE<br />

64 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


LEBENSART<br />

Proviant-Prozente für Pilger: Paula Bosch hat wunderbare Weine aus Galicien mitgebracht (Seite 66)<br />

Schnecken aus Schweden: Die Sopranistin Camilla Tilling backt für <strong>CRESCENDO</strong> (Seite 68)<br />

Nichts wie hin: Die schönsten Reiseziele in Deutschland, Österreich und der Ukraine für Kunst, Kultur und Kulinarik (Seite 71)<br />

Konkrete Utopie? Unbedingt, denn: Es geht um alle! Und im Sinne von Ernst Bloch wäre das visionäre Ziel der Kunst- und Kulturinstitutionen<br />

deutscher Städte: eine demokratische Gesellschaft. Die Bühnen organisieren sich für die Freiheit der Menschen, des Denkens und vor allem für die<br />

Freiheit der Kunst. Gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung, gegen rechtsnationale Tendenzen. Die Kunst war nie daran interessiert,<br />

auf dem rechten Weg zu sein. Für den <strong>19</strong>. <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong> rufen DIE VIELEN zu bundesweiten Demonstrationen in Berlin und weiteren Städten auf:<br />

für ein Europa der Vielen! Solidarität statt Privilegien! Die Kunst bleibt frei!<br />

65


L E B E N S A R T<br />

Die Paula-Bosch-Kolumne<br />

PILGERN MIT PROZENTEN<br />

Auf den Granit-, Fels- und Schieferböden im Nordwesten Spaniens stehen bis<br />

zu 350 Jahre alte Rebstöcke. Entsprechend viel Tiefe und Charakter steckt<br />

in den durchweg hervorragenden Weinen der Region Galicien.<br />

Es ist völlig egal, wo man die Weinreise entlang des<br />

Jakobsweges beginnt, im äußersten Nordwesten Spaniens<br />

in der Hafenstadt La Coruña oder in der Kapitale<br />

Madrid, es wird so oder so eine spannende Pilgerroute<br />

nach Santiago di Compostela. Eine Entdeckungsreise<br />

vorbei an abgeschiedenen Bergdörfern und Pässen, an vom Granitgestein<br />

geprägten Höhenlagen oder entlang zahlreicher Weingärten,<br />

Tausender kleiner Parzellen und Weinbergterrassen, hin zu vielen<br />

kleinen familiengeführten Winzerbetrieben, die ursprünglich<br />

Wein für den Eigenbedarf produzierten. Mit viel Glück entdeckt<br />

man hier uralte Rebstöcke – Methusalems, die die Reblausplage<br />

überstanden haben und heute noch Trauben tragen –, die uns erstklassige<br />

Weine bescheren.<br />

Die Weinlandschaft Galiciens<br />

umfasst rund 10.000 Hektar Reben, in<br />

erster Linie auf steinigen Granit-, Felsund<br />

Schieferverwitterungsböden. Fünf<br />

Regionen – Rias Baixas, Valdeorras,<br />

Ribeira Sacra, Ribeiro und Monterrei<br />

– bestimmen die unterschiedlichen<br />

weißen wie roten Weine.<br />

Bedeutsam ist das Weißweinparadies RIAS BAIXAS in der<br />

Provinz Pontevedra, südwestlich der atlantischen Küste bis hin zur<br />

portugiesischen Grenze. Das flächenmäßig größte Gebiet ist in fünf<br />

Subzonen gegliedert, von denen das Val do Salnés mit seinen zwei<br />

Drittel Rebgärten die bedeutendste Region darstellt. Die weiße<br />

Albariño dominiert mit 95 Prozent die Weingärten. Sie ist mit ihren<br />

frischen, spritzigen, saftigen, trocken ausgebauten Weinen der Star<br />

in der regenreichen, stets feuchten Rias Baixas, geprägt von schmalen,<br />

tief ins Land reichenden Meeresbuchten. Die hohe Reberziehung<br />

im weniger effizienten Pergolastil auf den allgegenwärtigen<br />

Granitstützpfeilern hat Tradition. Holz hätte in der vom Regen<br />

geprägten Landschaft keine dauerhafte Chance.<br />

Im Weingut Gerardo Méndez in Meaño konnte ich nicht nur<br />

die ältesten Rebstöcke in meinem Weinleben bewundern, nämlich<br />

EIN KLIMA, DAS TRAUBEN<br />

UND WEINEN KRAFT, FÜLLE<br />

UND POTENZ VERLEIHT<br />

Albariños mit 350 plus Jahren, sondern eine ganze Reihe dieser<br />

„Cepas Vellas“ gereifter Jahrgänge aus Magnumflaschen kosten. Ein<br />

unvergessliches Albariño-Erlebnis, auch wenn mich schon die<br />

Reihe der Basisweine begeisterte.<br />

Zu den Pionieren im Rias Baixas zählt in erster Linie, das<br />

Weingut Pazo de Señorans in Pontevedra, dessen Weine mich mit<br />

ihrer Dichte und Finesse überzeugen.<br />

Wer genug Zeit mitbringt, sollte sich in Vinotheken, Tapas-<br />

Bars wie dem Continental in Yayo Daporta oder im Restaurant<br />

Sabino in Sanxenxo, quasi am Strand, verwöhnen lassen.<br />

VALDEORRAS, die östlichste Weinprovinz Galiciens, hat mit<br />

der weißen Rebsorte Godello, die inzwischen wie die Albariño zu<br />

den besten Weißweinen Spaniens<br />

gezählt wird, ein weiteres Ass im<br />

Ärmel. Auch hier bestimmen die relativ<br />

hohen Niederschläge das Klima,<br />

dazu gesellen sich viele heiße Sommertage,<br />

die die Reifezeit verkürzen und<br />

den Trauben wie den Weinen Kraft,<br />

Fülle und Potenz verleihen.<br />

Im Rampenlicht der Region steht<br />

heute Rafael Palacios mit seinem Top-Wein As Sortes, der mit seinem<br />

perfekten Aromenspiel, finessenreicher Eleganz und schier<br />

endloser Mineralität die vielen anderen auch sehr gelungenen<br />

Godellos etwas ins Abseits stellt. Selbst der einfachere Zweitwein<br />

Louro kann mit seiner Brillanz im Duft und am Gaumen begeistern.<br />

RIBEIRA SACRA wurde erst <strong>19</strong>96 als D. O.-Region geschützt.<br />

Die herrliche waldreiche Landschaft wird von drei Flüssen durchzogen,<br />

was den Namen „heiliges Ufer“ erklärt. Die Rebberge stehen<br />

auf sehr steilen, terrassierten Parzellen auf Granit und Schieferböden.<br />

Die rote Mencia hat auf den 1.200 Hektar Rebflächen die Oberhand.<br />

Bei den weißen Sorten kommt neben Albariño und Godello<br />

auch Loureiro mit ins Spiel.<br />

2006 wurde das Weingut Dominio do Bibei, mit den großartigen<br />

Önologen Sahra Pérez und René Barbier, gegründet. Schon die<br />

FOTOS: JÖRG LEHMANN; PRIVAT<br />

66 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


Ja, diese Charakterwurzeln tragen noch Reben. Und was für welche!<br />

Weine aus dem ersten Jahrgang haben mich mit ihrem Qualitäts-<br />

Leistungs-Verhältnis mehr als überzeugen können, und der sortenreine<br />

Mencia Lacima ist meiner Meinung nach besser denn je. Eindrucksvolle<br />

rotbeerige Fruchtaromatik, mediterrane Würze, ein<br />

Kraftwerk im Mund mit nachhaltiger, beeindruckender Länge. Ein<br />

Paradebeispiel für Ribeira Sacra.<br />

RIBEIRO Das Aushängeschild der nur knapp 50 Kilometer<br />

vom Meer entfernten Region ist die spätreifende weiße Treixadura.<br />

Sie trotzt sämtlichen Wetterkapriolen und der enorm hohen Luftfeuchtigkeit,<br />

die den Pilzbefall fördert. Auch im Dreiklang mit ihren<br />

heimischen Schwestern, Loureiro und Albariño, bringt sie allerfeinste<br />

Ergebnisse. Am eindrucksvollsten und ebenso rar wie teuer<br />

präsentiert sich das Emilio Rojo mit seinen Weinen, die ohne Zweifel<br />

zu den feinsten und besten des Landes gezählt werden dürfen.<br />

Entsprechend genießt Emilio Rojo mit seinem Betrieb eine Sonderstellung.<br />

Mit den Weinen aus dem Weingut El Paraguas, das erst 2011<br />

gegründet wurde, kann der erste Durst stets mit dem köstlichen<br />

Atlántico überbrückt werden, und das sicher nicht nur als Lückenbüßer.<br />

Die kleinste Region, MONTERREI, hatte es in all den letzten<br />

Jahren schwer, mit ihren etwas weniger gefälligen Weinen den<br />

Geschmack der Weinfreunde zu treffen. Die Anbauflächen sind<br />

rückläufig, versprechen daher mit den noch verbliebenen 650 Hektar<br />

weniger Zukunft.<br />

Das landschaftlich reizvolle und immergrüne Galicien bleibt<br />

nicht nur für die von der Sonne verwöhnten Spanier ein willkommenes<br />

Reiseziel. Auch die zahllosen Pilger auf dem Jakobsweg, die<br />

Kunstfreunde der Burgen, Klöster und Kirchen und nicht zuletzt die<br />

vielen Genussmenschen, die sich für die Esskultur, für die Fischund<br />

Muschelspezialitäten aus dem nahen Atlantik interessieren,<br />

kommen auf ihre Kosten. <br />

n<br />

Bezug: www.bodeboca.de | www.hispavinus.de | www.vinos.de | www.garibaldi.de<br />

67


L E B E N S A R T<br />

Lieblingsessen!<br />

HIER VERRATEN DIE STARS IHRE BESTEN REZEPTE.<br />

UND MANCHMAL AUCH KLEINE GESCHICHTEN,<br />

DIE DAZUGEHÖREN ...<br />

„MIT DEM ZIMTSCHNECKEN-TRICK LASSEN SICH<br />

SOGAR WOHNUNGEN VERKAUFEN!“<br />

CAMILLA TILLING<br />

FOTO: PRIVAT<br />

68 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


CAMILLA TILLING<br />

SOPRANISTIN<br />

„Schweden hat unendlich viele Cafés – und alle servieren<br />

Zimtschnecken. Falls Sie Ihre Wohnung verkaufen wollen:<br />

Backen Sie Zimtschnecken! Der Duft der frisch<br />

gebackenen Hefeteilchen verbreitet pures Wohlgefühl!<br />

Ich selbst lebe in einem kleinen Dorf in der Schweiz,<br />

und meine Kinder laden Freunde gerne zu „Fika“ ein,<br />

dem traditionellen schwedischen Kaffeekränzchen,<br />

wenn wir gebacken haben.<br />

Als ich klein war, durfte ich meiner Mutter, die gern<br />

gebacken hat, immer helfen. Ich bekam ein wenig Teig<br />

zum Selberbacken und durfte experimentieren, während<br />

meine Mutter das Körbchen nach und nach mit den<br />

kleinen Schnecken füllte. Irgendwann übergab sie die<br />

Verantwortung, die Schnecken zu backen, an mich. Eine<br />

Aufgabe, die etwa zwei Stunden dauert und viel Geduld<br />

und Gespür erfordert. Und es kam der Tag, als mein Vater<br />

feststellte: ‚Millas Brötchen sind besser als die von Mama!!!‘<br />

Tatsächlich aber sind diese Zimtschnecken ein gutes<br />

Sinnbild: Ich liebe diese Schnecken. Und ich liebe es zu<br />

singen. Meine Mutter wusste, wie man backt, und war<br />

bereit, mich darin zu unterrichten. Das zeigt: Wissen zu<br />

teilen führt letztlich zu etwas Besserem – das Neue<br />

verdoppelt in diesem Fall das Gute. Der Mensch verschmilzt<br />

in seiner Persönlichkeit mit den alten Erfahrungen.<br />

Und da schließt sich der Kreis: Ich lehre heute meine<br />

Kinder, feine Zimtbrötchen herzustellen. Und genau so<br />

möchte ich meine Erfahrungen als Sängerin teilen –<br />

damit die Sänger immer besser werden.“<br />

Die schwedische Sopranistin Camilla Tilling ist<br />

bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreich<br />

auf allen großen Bühnen der Welt zu Hause. Zu<br />

den Höhepunkten ihrer Konzerte zählen Haydns<br />

Nelsonmesse, Peter Sellars Inszenierung von Bachs<br />

Johannes-Passion unter Sir Simon Rattle, Brahms’<br />

Ein Deutsches Requiem und Beethovens Sinfonie Nr. 9.<br />

Zu den jüngsten Konzert-Highlights zählen<br />

Dutilleux’ Correspondances, Mahlers Sinfonie Nr. 4,<br />

Schumanns Faustszenen und Bachs Messe in h-Moll.<br />

FOTO: MARIA OSTLIN<br />

•<br />

SCHWEDISCHE ZIMTSCHNECKEN<br />

50 g Hefe, 500 ml Milch, 200 g Butter, ca. 125 g Zucker, ½ Teelöffel Salz, ca. 900 g Mehl,<br />

nach Belieben 1 EL Kardamom, 2 TL Zimt, 1 Ei, nach Belieben Hagelzucker<br />

•<br />

1. Hefe in etwas Milch auflösen. 150 g Butter zerlassen und zur Milch geben. Zucker, Salz, Mehl und nach<br />

Belieben Kardamom hinzufügen und den Teig 10 –15 Minuten durchkneten. Teig zugedeckt 30 Minuten bei<br />

Zimmertemperatur gehen lassen.<br />

2. Etwa 3 mm dick auf eine Breite von ca. 30 cm ausrollen. Mit der restlichen zimmerwarmen Butter bestreichen.<br />

Zimt über den Teig streuen. Zu einer langen Rolle aufrollen, in etwa 45 Scheiben schneiden. Scheiben<br />

mit der Schnittfläche nach oben auf einem mit Backpapier belegten Backblech zugedeckt ca. 60 Minuten oder<br />

bis zur doppelten Größe gehen lassen.<br />

3. Ei mit 2 EL Wasser vermischen, die Schnecken vorsichtig damit bepinseln und nach Belieben mit<br />

Hagelzucker bestreuen. Bei 250 Grad im Ofen ca. 5 bis 8 Minuten backen, abkühlen lassen.<br />

Gluck- und Mozart-Arien: „loves me ... loves me not ...“,<br />

Camilla Tilling, Philipp von Steinaecker (BIS)<br />

69


Abonnieren Sie die schönsten Seiten<br />

der Klassik für nur 55 EUR*:<br />

❚ sechs Ausgaben <strong>CRESCENDO</strong><br />

❚ Festspiel-Guide ❚ Geschenk-CD<br />

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Ihnen<br />

Quadro Nuevo &<br />

Münchner Rundfunkorchester:<br />

„Volkslied Reloaded“<br />

(Sony Classical)<br />

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*) Abo-Preis Inland bei Zahlung per Bankeinzug. Sollten Sie Bezahlung per Rechnung wünschen, fallen zusätzlich 5 EUR Bearbeitungsgebühr an. Versand ins Ausland gegen Gebühr. Das Abo läuft zunächst für ein Jahr und kann dann gekündigt<br />

werden. Das Angebot ist nur in Deutschland, der Schweiz und im EU-Ausland verfügbar und nicht wiederholbar. Geschenk-CD und Prämien: solange der Vorrat reicht. Widerrufsrecht: Die Bestellung kann ich innerhalb der folgenden<br />

zwei Wochen ohne Begründung bei Abo-Service <strong>CRESCENDO</strong> in Textform (z. B. per <strong>Mai</strong>l oder Brief) oder durch Rücksendung der Zeitschrift widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.<br />

Abb.: Portmedia Verlag; Strezhnev Pavel / fotolia.com<br />

70 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


REISE & KULTUR<br />

themenspecial 10. Jahrgang | Frühjahr & Sommer 20<strong>19</strong><br />

JETZT<br />

GEHT’S<br />

RUND<br />

MUSIK, KUNST UND<br />

KULTUR AN DEN<br />

SCHÖNSTEN<br />

ORTEN DER WELT<br />

SALZBURG<br />

Vom Klosterhof in<br />

Bayerisch Gmain zu<br />

den Festspielen<br />

RHEINGAU<br />

Kulturelle Delikatessen<br />

ODESSA<br />

Große Namen vor<br />

malerischer Kulisse<br />

FOTO: DER KLOSTERHOF<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 71


R E I S E & K U L T U R<br />

Schloss Vollrads Schloss Johannisberg Kloster Eberbach<br />

HARMONISCHER<br />

DREIKLANG<br />

Landschaft, Musik und Kultur: Im Rheingau lässt sich das Leben bei Wanderungen in den<br />

Weinbergen, während Konzerten und in Kulturdenkmälern genießen.<br />

FOTOS: WOODY T. HERNER WOODWORKS; ROBBIE LAWRENCE, ANSGAR KLOSTERMANN<br />

Ob Musikgenuss oder Wandererlebnis, ob beeindruckende<br />

Architektur oder Weinverkostung:<br />

Im zauberhaften Rheingau lässt sich das Leben<br />

mit allen Sinnen genießen. Mit seinen malerischen Weinbergen<br />

und historischen Baudenkmälern ist der Rheingau<br />

eine ungemein vielfältige Kulturlandschaft, die sich von<br />

Flörsheim über Wiesbaden bis nach Lorch erstreckt. Für<br />

Naturfreunde und Sportler präsentiert sich ein attraktives<br />

Angebot, das vom Klettern, Radfahren und Rudern<br />

bis hin zum Stand-up-Paddeln reicht. Ausgesprochen reizvoll<br />

sind auch die ausgezeichneten Wanderwege durch<br />

die Region, darunter der Rheinsteig, der Rheingauer<br />

Rieslingspfad oder der Rheingauer Klostersteig, der auf<br />

30 Kilometern sechs Klöster miteinander verbindet.<br />

Auch kulturell bietet der Rheingau beglückenden Hochgenuss<br />

zu jeder Jahreszeit.<br />

Neben vielen charmanten Weinfesten und anderen<br />

Veranstaltungen ist der alljährliche kulturelle Höhepunkt<br />

das Rheingau Musik Festival, das bereits seit über 30 Jahren<br />

veranstaltet wird. Über 150 Konzerte ziehen zwischen<br />

Juni und September Musikbegeisterte aus aller Welt an.<br />

Dabei reicht das breite Spektrum von großen Sinfoniekonzerten<br />

über intime Kammermusikabende bis hin zu<br />

Jazz- und Kabarettveranstaltungen. Das diesjährige Festivalprogramm<br />

durchzieht der Leitgedanke „Courage“. Der<br />

Pianist Daniil Trifonov, die Sopranistin Christiane Karg<br />

und der Saxofonist und Sänger Curtis Stigers stehen als<br />

Fokus-Künstler im Zentrum des Festivalgeschehens.<br />

Eine der schönsten Spielstätten ist das geschichtsträchtige<br />

Kloster Eberbach, das sich spätestens<br />

seit dem Film „Der Name der Rose“ international großer<br />

Bekanntheit erfreut. Die ehemalige Zisterzienserabtei gehört<br />

mit ihren romanischen und frühgotischen Bauten zu<br />

den großartigsten Denkmälern der Klosterbaukunst und<br />

gilt zugleich als die am besten erhaltene mittelalterliche<br />

Klosteranlage Europas. Jenseits der Konzerte und Kulturveranstaltungen<br />

lässt sich das Kloster über vielfältige<br />

Führungen entdecken – auch kombiniert mit hochkarätigen<br />

Weinverköstigungen. Die fast 900 Jahre alte Anlage<br />

ist darüber hinaus edler Weinkeller und stilvolles Hotel<br />

und damit der ideale Ausgangspunkt für genuss- und kulturreiche<br />

Tage im Rheingau.<br />

RHEINGAU MUSIK FESTIVAL<br />

+49-(0)6723-60 21 70 | info@rheingau-musik-festival.de | www.rheingau-musik-festival.de<br />

RHEINGAU-TAUNUS KULTUR UND TOURISMUS GMBH<br />

+49-(0)6723-60 27 20 | info@rheingau.com | www.rheingau.com<br />

KLOSTER EBERBACH<br />

+49-(0)6723-917 81 00 | info@kloster-eberbach.de | www.kloster-eberbach.de<br />

72 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


»Melodie des Frühlings«<br />

89 € *<br />

Blumen berühren, knüpfen erste Bande, sie können um Verzeihung bitten oder Aufmerksamkeit wecken.<br />

Seit 111 Jahren liefert Fleurop die schönsten Meisterwerke für Menschen, die ihren Lieben eine Freude<br />

machen wollen. Jeder Strauß wird von regionalen Floristen in Handarbeit gefertigt und persönlich überreicht.<br />

Mit dem Gutscheincode CRESFLEU15 erhalten Sie 15 % Rabatt auf www.fleurop.de (bis zum 15.04.20<strong>19</strong>).<br />

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Produktpreis inkl. MwSt. zzgl. Lieferkosten.<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 73


R E I S E & K U L T U R<br />

FRÜHLING IN SALZBURG<br />

Wenn das erste zarte Grün des Mönchsbergs mit den kupfernen Dächern und Kuppeln der Häuser<br />

und Kirchen wetteifert, erwacht die Stadt an der Salzach zu aufregendem kulturellen Leben.<br />

Im Frühling zeigt sich Salzburg in seinen schönsten Facetten.<br />

An jeder Ecke der romantischen Altstadt gibt<br />

es kulturelle Glanzlichter zu bestaunen. Weit über Europa<br />

hinaus strahlen die Osterfestspiele mit Opernaufführungen<br />

im Großen Festspielhaus. Intendant Christian<br />

Thielemann steht am Pult der Sächsischen Staatskapelle<br />

Dresden, wenn Georg Zeppenfeld sein Rollendebüt als<br />

Hans Sachs in Richard Wagners Mittelalter-Oper<br />

Die Meistersinger von Nürnberg gibt. Jens-Daniel Herzog<br />

fragt mit seiner Inszenierung nach der Rolle der Kunst<br />

und wie traditionsverhaftet sie sein müsse. Ihre eigene<br />

Antwort darauf finden die von der Choreografin Helene<br />

Weinzierl ins Leben gerufenen und geleiteten Ostertanztage.<br />

Immer wieder neu suchen sie nach Bewegungsmustern,<br />

erproben Verbindungen von Tanz und Schauspiel<br />

und setzen sich mit außereuropäischen Tanzkulturen auseinander.<br />

Parallel dazu laden die Performance Tage<br />

per.form>d


FESTLICHES<br />

FULDA<br />

Zum Stadtjubiläum erstrahlt Fulda in mittelalterlichen<br />

Traditionen und barockem Glanz.<br />

Der Mirabellgarten mit Blick auf die Salzburger<br />

Altstadt und Festung Hohensalzburg<br />

grafischen und künstlerischen Verbindungen von Alfred<br />

Kubin zu Salzburg, während im Museum der Moderne<br />

Salzburg – Rupertinum unter dem Titel Der fotografierte<br />

Mensch Neuerwerbungen der Fotosammlung des Bundes<br />

zu sehen sind.<br />

Im Juni erinnert Cecilia Bartoli, die Künstlerische<br />

Leiterin der Pfingstfestspiele, mit Voci celesti – Himmlische<br />

Stimmen an die Kastraten und die außergewöhnlichen<br />

künstlerischen Erlebnisse, die diese bescherten, aber auch<br />

an die Opfer, die daraus erwuchsen. Als Alcina in Georg<br />

Friedrich Händels gleichnamiger Oper steht ihr der<br />

Countertenor Philippe Jaroussky in der Rolle des Ruggiero<br />

zur Seite, die Händel einst für den Star-Kastraten Giovanni<br />

Carestini schrieb. Mit Händel verbindet Bartoli<br />

eine besondere Liebe. Er schaffe es, so betont sie, seine<br />

„Zuhörer in eine andere, magische Welt zu führen“.<br />

Fulda kann 20<strong>19</strong> auf ein 1275-jähriges Bestehen zurückblicken<br />

und nimmt das Jubiläum zum Anlass,<br />

mit einer Fülle von kulturellen Events das Dasein<br />

als osthessische Residenzstadt zu zelebrieren. Höhepunkte<br />

sind der Musical Sommer Fulda, die Open-Air-Vorstellungen<br />

von Bonifatius auf dem Fuldaer Domplatz, als größte<br />

Musical-Inszenierung Deutschlands in diesem Jahr, das<br />

Stadt- und Bürgerfest, das Genussfestival und Lichterfest<br />

und das neue Wintervarieté.<br />

Das Stadt- und Bürgerfest lädt vom 28. bis 30. Juni<br />

gleich auf zwei Zeitreisen ein. Wer ins Mittelalter eintauchen<br />

möchte, der kann sich mit Backen, Tanzen, Musizieren,<br />

Färben, Handeln, Kochen, Malen, Nähen, Schmieden,<br />

Schnitzen und vielem mehr unzählige Eindrücke<br />

von diesem Lebensgefühl verschaffen.<br />

Im pittoresken Schlossgarten kann man sich zeitgleich<br />

mit dem Barockfestival in die prachtvolle Atmosphäre<br />

des 17. und 18. Jahrhunderts flüchten und wird<br />

von einem charmanten Zeremonienmeister nach allen<br />

Regeln der Kunst mit barocker Musik, faszinierenden<br />

Illuminationen, historischem Tanz und allerlei fürstlichem<br />

Amüsement verwöhnt, sodass man sich nach Versailles<br />

versetzt fühlt.<br />

FOTO: SATISUNDFY AG / MAGISTRAT DER STADT FULDA; LOGO: MAGISTRAT DER STADT FULDA<br />

FESTSPIELE SALZBURG<br />

Osterfestspiele Salzburg<br />

13. bis 22. <strong>April</strong> 20<strong>19</strong><br />

Salzburger Festspiele Pfingsten<br />

7. bis 10. Juni 20<strong>19</strong><br />

Salzburger Festspiele Sommer<br />

20. Juli bis 31. August 20<strong>19</strong><br />

INORMATIONEN<br />

Tourismus und Kongressmanagement Fulda<br />

+49-(0)661-102 18 12<br />

tourismus@fulda.de<br />

www.tourismus-fulda.de<br />

www.stadtjubiläum-fulda.de<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 75


R E I S E & K U L T U R<br />

FESTSPIELE<br />

FÜR<br />

DIE SINNE<br />

Der Klosterhof in Bayerisch Gmain<br />

bietet als ****Superior Hotel<br />

im Berchtesgadener Land<br />

Genuss für Auge, Ohr und Gaumen.<br />

FOTO: DER KLOSTERHOF<br />

Der Blick ist atemberaubend, das kulinarische<br />

Angebot exquisit und das<br />

Spa eine Oase: Der Klosterhof in Bayerisch<br />

Gmain geizt nicht mit seinen Reizen<br />

und verbindet ein einzigartiges Bergerlebnis<br />

mit stilvollem Luxus. Doch das Hotel im<br />

Berchtesgadener Land ist weit mehr als Entspannungsort<br />

und kulinarischer Genusspunkt.<br />

Es ist darüber hinaus ein hervorragender<br />

Wohlfühlort für alle Kulturliebhaber und<br />

legt als Design-Hotel einen ganz besonderen<br />

Wert auf die stilvolle Ästhetik und kreative<br />

Ausgestaltung seiner Räumlichkeiten. So sind<br />

im gesamten Hotel exklusive moderne Kunstwerke<br />

verteilt und laden Inspirationsplätze dazu ein, die<br />

Seele baumeln zu lassen und das besondere Flair dieses<br />

Ortes zu genießen. Ob im Ohrensessel vor dem Kamin in<br />

der hauseigenen Bibliothek oder auf einer Couch direkt<br />

vor den übergroßen Panoramafenstern mit Blick auf die<br />

„Schlafende Hexe“ – verschiedene Rückzugsorte versprechen<br />

Ruhe und Erholung.<br />

Wer nach dem Genuss des preisgekrönten Spa-Bereichs<br />

Lust auf einen geistigen Impuls hat, der stößt auf<br />

ein hochkarätiges Kulturprogramm im Hotel. Dabei finden<br />

im stimmungsvollen Ambiente des Hauses regelmäßig<br />

Konzerte, Vorträge und Lesungen statt, worunter die<br />

intimen Vollmondkonzerte in exklusiver Salonatmosphäre<br />

ein ganz besonderes Highlight darstellen.<br />

Auch wenn es um den Besuch der Salzburger Festspiele<br />

geht, ist das kulturaffine Haus der perfekte Ausgangspunkt.<br />

Als Festspielhotel im Grünen bietet das Hotel<br />

seinen Gästen einen ganz besonderen Service und stellt<br />

für sie ausgewählte Rundum-sorglos-Pakete zusammen.<br />

Die Karten für die Festspiele, der Shuttleservice nach Salzburg,<br />

ein zeitlich perfekt abgestimmtes Festspielmenü<br />

vom Klosterhof-Küchenteam rund um Spitzenkoch Harald<br />

Derfuß sowie ausgewählte Vorträge im Festspielsalon<br />

garantieren Kulturgenuss pur. Selbstverständlich gehört<br />

die persönliche Betreuung der Festspielgäste zum Credo<br />

des Hauses und so gibt es nach Besuch der Festspiele<br />

reichlich Gelegenheit, um in der herrlich ruhigen Idylle<br />

das Erlebte zu reflektieren oder aber an der Bar mit anderen<br />

Gästen darüber ins Gespräch zu kommen.<br />

„Begeisterung Leben“ lautet das inspirierte Motto<br />

dieses außergewöhnlichen Hotels, das seine Inhaber Henrike<br />

Färber und Dr. Andreas Färber seit 2016 mit viel Liebe<br />

zum Detail umsetzen. Vielfältige Kunst, reichhaltige<br />

Kultur und der anspruchsvoll geführte Klosterhof finden<br />

so zu einem wohlklingenden Dreiklang zusammen und<br />

begeistern auch 20<strong>19</strong>.<br />

INFORMATION<br />

Klosterhof<br />

Premium Hotel & Health Resort<br />

Steilhofweg <strong>19</strong> | 83457 Bayerisch Gmain<br />

+49-(0)8651-982 50<br />

info@klosterhof.de<br />

www.klosterhof.de<br />

DIE WOHLFÜHL-PAUSCHALEN<br />

Alles für einen perfekten Urlaub<br />

Ob eine Romantikauszeit, ein Wellness-Wochenende<br />

für Freundinnen in<br />

Bayern oder der beliebte Babymoon –<br />

hier finden Sie Rundum-sorglos-Pakete<br />

zu besten Preisen.<br />

76 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


National<br />

Academic<br />

Opera<br />

KLINGENDE<br />

STADT<br />

AM WASSER<br />

Das belgische Brügge lockt auch 20<strong>19</strong> mit spannenden<br />

Konzertprogrammen und reichlich Flair.<br />

OH, ODESSA!<br />

Das Odessa Classics Music Festival lockt mit<br />

großen Namen und einem spannenden Programm.<br />

Wem der Sinn nach einer exquisiten Musikauswahl<br />

steht, der sollte Anfang Juni über einen<br />

Ausflug in die Ukraine nachdenken. Vom 1. bis<br />

9. Juni 20<strong>19</strong> tummeln sich auf den Altstadt-Boulevards von<br />

Odessa am Schwarzen Meer internationale Künstler, um<br />

dem ambitionierten Festival Odessa Classics zum fünften<br />

Mal an verschiedenen Orten der Stadt Leben einzuhauchen.<br />

Ob im Opernhaus, in der Philharmonie oder unter<br />

freiem Himmel auf der pompösen Potemkinschen Treppe:<br />

Odessa strotzt vor Schönheit und Kultur. Die Hotels Bristol<br />

und Il Decameron bieten den Besuchern nicht nur eine<br />

luxuriöse Unterkunft, sondern sind als Sponsoren auch<br />

unmittelbar mit dem Festival verbunden. Igor Shavruk eröffnet<br />

das Festival am Pult des Opernorchesters gemeinsam<br />

mit dem Pianisten Cyprien Katsaris und Klavierkonzerten<br />

von Mozart und Beethoven. Zwei Abende später rückt er<br />

mit dem Odessa Philharmonic Chamber Orchestra das<br />

Schaffen des georgischen Komponisten Giya Kancheli in<br />

den Fokus. Ein Trioabend mit Mischa <strong>Mai</strong>sky, ein Besuch<br />

des Zürcher Kammerorchesters mit Daniel Hope, dem Artist<br />

in Residence, sowie das Tango-Sensationsprojekt von<br />

Michael Guttman versprechen, Highlights der diesjährigen<br />

Festivalausgabe zu werden.<br />

FOTO: ODESSA CLASSICS<br />

Bruges? Sounds Great!“ – „Brügge? Klingt großartig!“<br />

lautet auch in diesem Jahr das Motto der pulsierenden<br />

Kulturstadt und es verspricht wahrlich<br />

nicht zu viel. So bietet die Stadt der Grachten ein faszinierend<br />

reiches Angebot auf engstem Raum und lässt die<br />

Herzen all jener höherschlagen, die Spitzenkultur vor malerischer<br />

Kulisse schätzen. Das idyllische Brügge ist immer<br />

eine Reise wert und präsentiert das ganze Jahr über<br />

eine bunte Vielfalt an hochkarätigen Konzerten und Veranstaltungen.<br />

Seit 2003 ist Brügge Sitz des international<br />

renommierten Ensembles Anima Eterna Brugge, das unter<br />

der Leitung von Jos van Immerseel auf historischen<br />

Instrumenten immer wieder zu neuen Gipfelstürmen ansetzt.<br />

20<strong>19</strong> ergründet der Klangkörper in seinen spannenden<br />

Konzertprogrammen unter anderem Schuberts<br />

Unvoll endete, die Ballett-Suite Nr. 2 von Sergei Prokofjew<br />

und Beethovens Chorfantasie. Als architektonisches Herzstück<br />

begeistert seit 2002 das spektakuläre Concertgebouw,<br />

in dem unter anderem die Bach-Akademie stattfindet,<br />

die einen erfrischend anderen Blick auf den barocken<br />

Meister wirft. Ebenfalls im Concertgebouw beheimatet,<br />

lockt zudem das MAfestival (2. bis 11. August), das<br />

attraktive Alte-Musik-Programme vereint. So lohnt sich<br />

auch 20<strong>19</strong> der Besuch im klingenden Brügge.<br />

FOTO: JAN D‘HONDT<br />

INFORMATIONEN<br />

Odessa Classics International<br />

Music Festival | 1. bis 9. Juni 20<strong>19</strong><br />

+38-(0)48-704 07 33<br />

odessaclassics@gmail.com<br />

en.odessaclassics.com<br />

INFORMATIONEN<br />

www.visitbruges.be<br />

www.concertgebouw.be<br />

www.animaeterna.be<br />

www.mafestival.be<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 77


R E I S E & K U L T U R<br />

STADT<br />

DES GUTEN LEBENS<br />

In Baden-Baden trifft moderner Lifestyle auf exklusive Hochkultur<br />

und altbewährte Traditionen.<br />

Schon vor über 2.000 Jahren war Baden-Baden ein Ort, an dem man<br />

Leib und Seele verwöhnen lassen konnte. Als kleinster Stadtkreis<br />

Baden-Württembergs hat das schmucke Örtchen sich längst nicht<br />

nur als Kurstadt, sondern auch als internationale Medien-, Kunst- und<br />

Festspielstadt etabliert – und so hält auch das Jahr 20<strong>19</strong> viele freudige<br />

Ereignisse für Kulturfreunde und Genießer bereit. Zwischen den Prachtbauten<br />

der Belle Époque lustwandeln längst nicht mehr nur Architekturliebhaber,<br />

sondern Baden-Baden lockt mit seinem vielseitigen Veranstaltungskalender<br />

mittlerweile auch ein hippes, junges Publikum an, das<br />

den zeitlosen Reiz von Galopprennen, Oldtimertreffen und großen klassischen<br />

Konzerten für sich entdeckt hat.<br />

Wenn im Rahmen des SWR3 New Pop Festivals internationale Stars<br />

auftreten, die besten Orchester der Welt im Festspielhaus spielen<br />

oder sich eine Schuhmacherwerkstatt in eine Pop-up-Galerie<br />

verwandelt, dann präsentiert Baden-Baden sich in jeder Hinsicht<br />

als exklusive Weltstadt, die es auch mit den Ansprüchen<br />

von Gästen aus Berlin oder New York aufnehmen kann.<br />

Konkret sieht das so aus: Vom 13. bis 22. <strong>April</strong> 20<strong>19</strong><br />

erfüllen die Berliner Philharmoniker während der Osterfestspiele<br />

das Festspielhaus sowie die ganze Stadt mit<br />

Musik und haben die Weltstars der klassischen Musik zu<br />

Gast. Am 28. und 29. Juni 20<strong>19</strong> bringen die Philharmonischen<br />

Schlosskonzerte den Innenhof von Schloss Neuweier<br />

zum Leuchten.<br />

Mit dem „Frühjahrsmeeting“, das vom 30. <strong>Mai</strong><br />

bis 2. Juni 20<strong>19</strong> stattfindet, bis hin zum Ausklang der<br />

Rennsaison am 18. und 20. Oktober 20<strong>19</strong> mit dem<br />

„Sales & Racing Festival“ sorgt die Galopprennbahn<br />

mit vielen sportlichen und gesellschaftlichen<br />

Ereignissen für eine prickelnde Atmosphäre und<br />

aufregenden Nervenkitzel. Darüber hinaus kann<br />

man vom 12. bis 14. Juli 20<strong>19</strong> beim Internationalen<br />

Oldtimer-Meeting im Kurgarten Fahrzeugklassiker<br />

aller Marken bewundern und dabei in die faszinierende<br />

Automobilgeschichte eintauchen.<br />

Entsprechend exklusiv klingt das Jahr in Baden- Baden schließlich<br />

aus. Vom 28. November 20<strong>19</strong> bis 6. Januar 2020 verbreitet der Baden-Badener<br />

Christkindelsmarkt eine märchenhafte Atmosphäre im Stadtzentrum,<br />

und am letzten Tag im Jahr lässt ein festlicher Silvester Dinner Ball<br />

kulinarisch und musikalisch im Kurhaus noch einmal die Funken fliegen.<br />

BADEN-BADEN<br />

The good-good life.<br />

INFORMATION<br />

Baden-Baden<br />

Kur & Tourismus GmbH<br />

+49-(0)7221-27 52 00<br />

info@baden-baden.com<br />

www.baden-baden.com<br />

VERANSTALTUNGEN (AUSWAHL)<br />

Osterfestspiele<br />

13. bis 22. <strong>April</strong> 20<strong>19</strong><br />

Int. Galopprennen „Große Woche“<br />

24. August bis 1. September 20<strong>19</strong><br />

Christkindelsmarkt<br />

28. November 20<strong>19</strong> bis 06. Januar 2020<br />

78 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


KLANGVOLLE REISEN<br />

FÜR MUSIKLIEBHABER<br />

Die „Reisen für Musikfreunde“ des ADAC bringen die Gäste zu erstklassigen<br />

Opern, Konzert- und Ballettaufführungen an die schönsten Orte der Welt.<br />

Anna Netrebko ist in Andrea Chenier im Rahmen einer Wien-<br />

Reise vom 18. bis 21. <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong> an der Staatsoper zu erleben<br />

Eine Reise nach Valencia vom 20. bis 23. Juni 20<strong>19</strong> führt in das<br />

Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofia<br />

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was<br />

erzählen – erst recht, wenn der Höhepunkt<br />

dieser Reise ein musikalischer Genuss der<br />

Spitzenklasse ist! Unter dem Motto „Reisen für Musikfreunde“<br />

präsentiert der ADAC seit über 35 Jahren auch<br />

für Nichtmitglieder jedes Vierteljahr ein vielseitiges Programm,<br />

das die Herzen der Klassikliebhaber höherschlagen<br />

lässt. Mit Leidenschaft zusammengestellt, bietet sich<br />

dem Kunden eine reiche Auswahl an erstkarätigen Aufführungen<br />

an den schönsten Orten der Welt, eingebunden<br />

in perfekt geplante Reisen, bei denen Muße und Genuss<br />

an erster Stelle stehen. So erleben die Gäste nicht nur<br />

begeisternde Opern- und Ballettaufführungen, sondern<br />

kommen darüber hinaus in den Genuss von Spitzengastronomie,<br />

übernachten in ausgesuchten Luxus hotels und<br />

werden von versierten ADAC-Reiseleitern begleitet.<br />

Nur das Beste ist gut genug bei der Zusammenstellung<br />

der zahlreichen musikalischen Highlights: Da ist<br />

zum Beispiel eine Darbietung von Pergolesis Stabat Mater,<br />

aufgeführt zum Osterfest von dem Ensemble Le Poème<br />

Harmonique unter der Leitung von Vincent Dumestre in<br />

der Königlichen Kapelle von Schloss Versailles. Dann ist<br />

da Verdis imposante Oper Aida mit Roberta Mantegna<br />

und Francesco Meli unter der Leitung von Riccardo Frizza<br />

im Teatro La Fenice in Venedig. Oder aber der Weg<br />

führt nach Salzburg, wo bei den Pfingstfestspielen unter<br />

dem Motto „Voci celesti – Himmlische Stimmen“ herausragende<br />

Countertenöre wie Christophe Dumaux und<br />

Philippe Jaroussky auftreten werden.<br />

Ein ganz besonderes Erlebnis sind darüber hinaus<br />

die Musikkreuzfahrten auf den schönsten Flüssen Europas<br />

oder im Mittelmeer. Erstklassige Konzerte in den an<br />

den Strecken liegenden Theatern, ausgewählte Sonderkonzerte,<br />

spannende Rundgänge und kulinarische Genüsse<br />

garantieren hier eine ebenso eindrucks- wie klangvolle<br />

Reise. Aktuell wird eine Musikkreuzfahrt auf der<br />

Amadeus Diamond von Paris in die Normandie angeboten.<br />

Wandeln Sie auf den Spuren von Van Gogh, Cézanne<br />

und Monet entlang der Seine bis nach Le Havre an der<br />

Atlantikküste und kehren Sie zurück nach Paris, ins Zentrum<br />

der französischen Kunst.<br />

Ganz gleich ob man die Gesellschaft schätzt und<br />

gerne in der Gruppe reist oder lieber individuell unterwegs<br />

ist – die „Reisen für Musikfreunde“ bieten Angebote<br />

für jeden Geschmack und werden sowohl als Individual-<br />

wie auch als geführte Gruppenreisen angeboten, bei<br />

denen Musik, Kunst und Kultur eine vollendete Symbiose<br />

eingehen.<br />

FOTOS: DARIO ACOSTA; DAVID ILIFF; PIXABAY<br />

INORMATIONEN<br />

Beratung & Buchung<br />

+49-(0)69-66 07 83 04<br />

info@adac-musikreisen.de<br />

www.adac-musikreisen.de<br />

REISEANGEBOTE<br />

Neben Gruppenreisen, die eine<br />

Betreuung durch versierte Reiseleiter<br />

beinhalten, werden Individualreisen,<br />

die Hotel und Eintrittskarten<br />

beinhalten, angeboten.<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 79


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L E B E N S A R T<br />

DER KÜNSTLER GEORG STEIDINGER<br />

GESTALTETE DAS COVER UNSERER PREMIUM-CD<br />

Das erlebte Material<br />

FOTOS: PRIVAT<br />

Der Künstler Georg Steidinger bei seiner Ausstellung „Fake Your Self“<br />

Der <strong>19</strong>63 geborene Georg Steidinger startete ursprünglich<br />

eine ganz andere Karriere, nämlich als Musiker<br />

und Radio-DJ. Erst in den späten 90er-Jahren machte<br />

er sich auf den Weg zur bildenden Kunst: „Mein Start<br />

in die Kunstwelt waren großformatige, abstrakte Bilder in Acryl.<br />

Viel Farbe auf möglichst großen Leinwänden. Alles war riesig, großformatig,<br />

einfach viel Farbe und Symbolik auf der Leinwand. Ich<br />

war stolz, so etwas großes als Autodidakt geschaffen zu haben.“<br />

Die ersten gestischen Malaktionen wurden schnell erweitert<br />

durch Pigmente, Öl, Erde und Sand auf Leinwand, Papier, Pappe<br />

oder Metall. Der Tradition des abstrakten Expressionismus folgend,<br />

legt Georg Steidinger die Impulse des Unbewussten offen. In seinen<br />

Bildern werden Bildgrund und Farbe so zum erlebten Material und<br />

vereinigen sich zum eigentlichen Ausdruck. Oft ergänzt durch Textfragmente<br />

oder spontane Wortassoziationen.<br />

„4 letter words“ ist sowohl Malerei als auch Installation. Aus<br />

Symbolen wurden Typografien und Worte. Mit seiner „4letterart“ gibt<br />

der Künstler mit Bildinhalten und Worten Impulse und Inspirationen<br />

zu den Themen unserer Zeit. Gerade die englischen „4 letter words“<br />

sind kompakt und reduziert – aber die eigentliche Geschichte entsteht<br />

ja im Kopf des Betrachters: individuell und immer wieder anders. Ob<br />

als Collage, in verschiedenen Drucktechniken oder in Videosequenzen<br />

– Georg Steidinger variiert Themen, Materialien und Techniken und<br />

rückt so Dinge in einen neuen Kontext. Zuletzt mit übermalten Plattencovern,<br />

aus denen Indie-Songs der frühen 80er-Jahre mit Songtiteln<br />

auf schwarzer Ölfarbe zu neuem Leben erweckt wurden (hang the DJ,<br />

2018). Er mixt Models mit Song- und Filmzitaten („FAKE YOUR<br />

SELF“, 2017, „HELL YEAH“, 2017, siehe Bild oben) oder Insignien des<br />

Kalten Krieges („American Sector“, 20<strong>19</strong>) mit Collagen aus Fashion-<br />

Magazinen. Mehr über den Künstler auf www.steidinger.net<br />

81


HTOI PT E LTZREIIFLFET<br />

Daniel-Hope-Kolumne<br />

„KEINE ZUKUNFT OHNE GESCHICHTE“<br />

Der Kampf gegen das Vergessen darf nicht enden. Das richtige Instrument dafür ist nicht<br />

Selbstanklage, sondern Verantwortung. Daniel Hope im Gespräch mit Katja Schaefer,<br />

Generalsekretärin der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.<br />

Daniel Hope: Katja, begegnet sind wir<br />

uns bei „Lied und Lyrik“, deinem Festival<br />

in Oberfranken. In Coburg habe ich mit<br />

Anne Sofie von Otter unser Theresienstadt-Projekt<br />

aufgeführt. Wie wichtig ist<br />

dir die Bewahrung der Geschichte?<br />

Kat ja Schae fer: Auf einen Satz gebracht:<br />

Es gibt kei ne Zukunft ohne Geschich te!<br />

Dass die Aus ein an der set zung mit der<br />

Geschich te, ganz beson ders auch mit der<br />

deut schen Geschich te, wich tig ist, zeigt<br />

die Tat sa che, dass die Rechts po pu lis ten<br />

über all auf dem Vor marsch sind. Ich bin<br />

dabei durch aus der Mei nung, dass man<br />

die Schuld unse rer Vor fah ren nicht zur<br />

Schuld ihrer Nach kom men dekla rie ren<br />

darf, aber: Die Ver ant wor tung eines „Nie<br />

wie der!“ – die bleibt. Über all! Die ser<br />

Appell ist Anne Sofie und dir wun der bar<br />

gelungen. Eure Moderationen waren<br />

ein dring li che Beschrei bun gen der<br />

Künst ler aus The re si en stadt – sie fei er ten<br />

die Krea ti vi tät und die Stär ke die ser<br />

Men schen. Die Kom bi na ti on aus außer gewöhn<br />

li cher Kunst und ihrer sub ti len, aber<br />

so ein dring li chen Ver mitt lung hat mich<br />

sehr beein druckt. Daher war ja auch mei ne<br />

ganz spon ta ne Reak ti on: „Dar aus müsst<br />

Ihr einen Film machen“! Als Ihr erzählt<br />

habt, wie schwie rig es sei, einen Pro du zenten<br />

zu fin den, haben wir uns – etwas<br />

wag hal sig – auf die ses Aben teu er ein ge lassen.<br />

Aber es hat ja wun der bar geklappt!<br />

In dem Film hatten wir das Glück, zwei<br />

überlebende Musiker zu befragen, Alice<br />

Herz-Sommer und Coco Schumann –<br />

beide inzwischen verstorben. Laut einer<br />

Umfrage von CNN 2018 wissen 40 Prozent<br />

der deutschen Erwachsenen zwischen 18<br />

und 34 Jahren wenig bis nichts über den<br />

Katja Schaefer mit Daniel Hope<br />

Holocaust. Beunruhigt dich das?<br />

Die Mög lich keit, die se bei den Zeit zeu gen<br />

ken nen zu ler nen, war ein gro ßes Glück,<br />

für unse re Pro duk ti on und für das eige ne<br />

Leben. So viel Lebens mut, Weis heit, Lie be<br />

zu den Men schen, trotz allem, was sie<br />

durch ge macht haben: Als Vor bil der sind<br />

sie unsterblich. Natürlich beunruhigt mich<br />

das Umfra ge er geb nis von CNN, auch wenn<br />

ich es anzweifle. Denn noch ist die Nazi zeit<br />

ver pflich ten der Teil des Geschichts un terrichts<br />

an deut schen Schu len, und laut einer<br />

aktu el len Umfra ge anläss lich des dies jähri<br />

gen Holo caust-Gedenk ta ges, haben alle<br />

KZ-Gedenk stät ten in Deutsch land gestei<br />

ger ten Zulauf. Kei nes falls aber soll ten<br />

wir uns auf ver meint lich guten Zah len<br />

aus ru hen. Den Kampf gegen das Ver gessen<br />

müs sen wir wei ter füh ren, nicht mit<br />

Selbst an kla ge, aber: mit Ver ant wor tung!<br />

Dank der Unterstützung der Bayerischen<br />

Akademie der Schönen Künste kam der<br />

Film überhaupt zustande. Welche Rolle<br />

spielt die Akademie in der Förderung<br />

der Kultur derzeit in Deutschland?<br />

Die Mit glie der sind in vie len Gre mi en und<br />

Jurys. Sie ent schei den über Prei se, Sti pen -<br />

di en und Unter stüt zun gen von Kunst projek<br />

ten. Auch ich tumm le mich in etli chen<br />

nationalen und internationalen Ehrenämtern.<br />

Dane ben machen wir jähr lich an die<br />

85 Ver an stal tun gen bei frei em Ein tritt mit<br />

Pro gram men jen seits des Markt üb li chen.<br />

Unse re Tere zin-DVD ist von der deut schen<br />

Kul tus mi nis ter kon fe renz in die Emp fehlungs<br />

lis te für den Geschichts- und Musikun<br />

ter richt an allen deut schen Schu len<br />

aufgenommen worden. Das ist wahrscheinlich<br />

wichtiger als die vielen internationalen<br />

Prei se, die die Produk ti on gewon nen hat.<br />

Was fasziniert dich an „Verbotener<br />

Musik”?<br />

Mich beein druckt vor allem der Mut, der<br />

dahin ter steck te, der Witz, die Iro nie, der<br />

man oft begeg net. Tex te, die kein Blatt vor<br />

den Mund neh men, Kom po si tio nen, die<br />

Trost spen de ten und Angst lin der ten, im<br />

Fal le von Ilse Weber sogar bis fast zur<br />

letz ten Minu te in der Gas kam mer. Das<br />

alles sind bered te Zeug nis se abso lut außerge<br />

wöhn li cher Men schen. Wir soll ten Coco<br />

Schu manns Wunsch fol gen, sie nicht nur<br />

als Opfer zu betrau ern, son dern auch ihrer<br />

kreativen und menschlichen Größe höchsten<br />

Respekt zu zol len. Welch ein Tri umph,<br />

dass die se Wer ke die je ni gen, die sie ver -<br />

nichten sollten, auf ewig überleben werden!<br />

Neulich wurde unser Film in Hollywood<br />

bei der Academy of Motion Pictures<br />

gezeigt. Danach gab es ein Q &A mit über<br />

500 Studenten. Ich glaube, vor allem die<br />

Jugend von heute muss davon erfahren.<br />

Hier schließt sich der Kreis: kei ne Zukunft<br />

ohne Geschich te! Die Jugend von heu te<br />

muss die Geschich te wei ter tra gen, auf<br />

allen fünf Kon ti nen ten; nur so besteht die<br />

Chan ce, aus ihr zu ler nen.<br />

n<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: DANIEL HOPE, PRIVAT<br />

82 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>April</strong> – <strong>Mai</strong> 20<strong>19</strong>


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