CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen. CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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HTOI PT E LTZREIIFLFET Daniel-Hope-Kolumne „DIE MÖGLICHKEITEN SIND ENDLOS“ Die französische Pianistin Lise de la Salle wirft mit Daniel Hope einen Blick auf die Zukunft des Klaviers. Und freut sich auf die Herausforderung eines Perspektivenwechsels. Daniel Hope: Lise, wolltest du eigentlich schon immer Pianistin werden? Lise de la Salle: Ich hatte keine Wahl. Wir hatten ein Klavier zu Hause. Meine Mutter war Sängerin, keine professionelle zwar, aber sie liebte es zu singen. Und meine Großmutter war Klavierlehrerin! Ich wuchs also in einer sehr musikalischen Umgebung auf. Mein erstes Erlebnis mit dem Instrument hatte ich mit drei oder vier Jahren. Und seitdem habe ich nie wieder aufgehört zu spielen. Ich kann mich nicht an ein Leben ohne Klavier erinnern – es war einfach immer da. Was ist denn eigentlich so faszinierend am Klavier? Vor allem auf Kinder wirken die Tasten einladend. Einerseits ist das Klavier ein sehr kraftvolles Instrument. Es ist schön, es ist nobel, es ist elegant, es ist groß. Vor allem auf Kinder wirkt es wirklich riesig! Auch ich war als Kind sehr beeindruckt vom Klavier. Andererseits ist es – im Vergleich zur Geige etwa – relativ einfach zu spielen. Wenn man sich ans Klavier setzt, muss man nicht einmal wissen, wie es geht. Man kann etwas produzieren – und dabei etwas fühlen. Es ist reizvoll, weil man schnell etwas zustande bringt, was halbwegs anständig klingt. Später ist man dann fasziniert, was man alles mit einem Klavier anstellen kann. Es klingt sehr einfach, was ich sage: Wir haben zehn Finger. Und allein mit diesen zehn Fingern erzeugt man Klänge. Und manchmal sieht das so irreal aus, wenn man einen Pianisten beobachtet. Auch ich staune immer noch Bauklötze, wenn ich meine Kollegen spielen sehe, und denke „wow!“. Das ist unglaublich, denn man kann wirklich sehen, was passiert. Das ist anders als bei anderen Instrumenten ... Lise de la Salle mit Daniel Hope Du spielst überall auf der Welt und bist bekannt für dein großes Repertoire. Und du machst Dinge, die ziemlich außergewöhnlich sind, spielst etwa alle Rachmaninow-Konzerte in einem Zyklus. Das ist phänomenal. Du benutzt das Klavier, um dich selbst in neue Sphären zu pushen. An Bach arbeitest du zum Beispiel mit einem Jazzpianisten zusammen. Wie siehst du die Flexibilität des Klaviers in der Zukunft? Meinst du, dass das Instrument die Möglichkeit hat, verschiedene Felder zu beackern? Ja! Absolut! Gerade heutzutage brauchen wir Projekte, die andere Dinge zutage fördern und dem Publikum mehr bieten. Ich liebe es, mich neuen Herausforderungen zu stellen. Manchmal spielt man wunderbare Programme, hat aber nur zehn Zuhörer. Du wirst keine Säle nur mit Beethoven-Sonaten füllen! Ich wünschte, es wäre so – aber die Realität sieht anders aus! Wir sind gezwungen, über einen anderen Filter zu denken! Das verändert die Perspektive! Wir müssen darüber nachdenken, welche neuen Geschichten wir mit unserem Publikum teilen wollen. Das ist faszinierend. Und ja, es macht die Sache auch schwerer, denn es zwingt uns, über den Tellerrand hinauszuschauen. Es ist eine große Herausforderung – doch mit dem Klavier kann man so viele Klänge produzieren und hat so viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit! Grundsätzlich ist man zwar allein – doch jenseits dieser Tatsache sind die Möglichkeiten endlos. Das reicht vom Duo bis hin zu einer Zusammenarbeit mit 70 Leuten! Am wichtigsten ist, dass ich meine Geschichte mit dem Publikum teilen möchte, dass ich Gefühle preisgebe. Als Pianist kann man sein Klavier nicht mitnehmen – da haben wir Geiger es schon leichter. Du bist dem ausgeliefert, was für ein Instrument in einem Saal steht. Ist das eine Sache, die bei der Vorbereitung eine Rolle spielt? Früher habe ich das gehasst! Heute habe ich gelernt, auch diesen Teil zu genießen. Ich bin natürlich heute in der glücklichen Lage, in Sälen zu spielen, in denen meistens sehr gute Instrumente stehen. Die Frage „Welche Entdeckung werde ich machen?“ finde ich sehr spannend! Manchmal hast du eine sofortige Verbindung zum Instrument. Es läuft, es ist schön, es ist perfekt. Und manchmal spielt man auf Instrumenten, bei denen die Verbindung nicht ganz so einfach ist. Dann musst du versuchen zu verstehen, wie dieses spezielle Klavier tickt und welche Verbindung du schaffen musst. Wie viel Energie muss ich hineinstecken, um meinen spezifischen Klang zu erreichen? Einige Klaviere erfordern dies und andere verlangen etwas völlig anderes. Es ist niemals der gleiche Weg. Eine Herausforderung, ja, aber es bringt meist viel Freude – weil manchmal die Chemie einfach perfekt stimmt. n ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ FOTO: FRANK STEWART 82 w w w . c r e s c e n d o . d e — SeptemberOktober 2019

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HTOI PT E LTZREIIFLFET<br />

Daniel-Hope-Kolumne<br />

„DIE MÖGLICHKEITEN SIND ENDLOS“<br />

Die französische Pianistin Lise de la Salle wirft mit Daniel Hope einen Blick auf die Zukunft<br />

des Klaviers. Und freut sich auf die Herausforderung eines Perspektivenwechsels.<br />

Daniel Hope: Lise, wolltest du eigentlich<br />

schon immer Pianistin werden?<br />

Lise de la Salle: Ich hatte keine Wahl. Wir<br />

hatten ein Klavier zu Hause. Meine<br />

Mutter war Sängerin, keine professionelle<br />

zwar, aber sie liebte es zu singen. Und<br />

meine Großmutter war Klavierlehrerin!<br />

Ich wuchs also in einer sehr musikalischen<br />

Umgebung auf. Mein erstes Erlebnis<br />

mit dem Instrument hatte ich mit drei<br />

oder vier Jahren. Und seitdem habe ich nie<br />

wieder aufgehört zu spielen. Ich kann<br />

mich nicht an ein Leben ohne Klavier<br />

erinnern – es war einfach immer da.<br />

Was ist denn eigentlich so faszinierend<br />

am Klavier? Vor allem auf Kinder<br />

wirken die Tasten einladend.<br />

Einerseits ist das Klavier ein sehr kraftvolles<br />

Instrument. Es ist schön, es ist nobel,<br />

es ist elegant, es ist groß. Vor allem auf<br />

Kinder wirkt es wirklich riesig! Auch ich<br />

war als Kind sehr beeindruckt vom<br />

Klavier. Andererseits ist es – im Vergleich<br />

zur Geige etwa – relativ einfach zu spielen.<br />

Wenn man sich ans Klavier setzt, muss<br />

man nicht einmal wissen, wie es geht.<br />

Man kann etwas produzieren – und dabei<br />

etwas fühlen. Es ist reizvoll, weil man<br />

schnell etwas zustande bringt, was<br />

halbwegs anständig klingt.<br />

Später ist man dann fasziniert, was man<br />

alles mit einem Klavier anstellen kann. Es<br />

klingt sehr einfach, was ich sage: Wir<br />

haben zehn Finger. Und allein mit diesen<br />

zehn Fingern erzeugt man Klänge. Und<br />

manchmal sieht das so irreal aus, wenn<br />

man einen Pianisten beobachtet. Auch ich<br />

staune immer noch Bauklötze, wenn ich<br />

meine Kollegen spielen sehe, und denke<br />

„wow!“. Das ist unglaublich, denn man<br />

kann wirklich sehen, was passiert. Das ist<br />

anders als bei anderen Instrumenten ...<br />

Lise de la Salle mit Daniel Hope<br />

Du spielst überall auf der Welt und bist<br />

bekannt für dein großes Repertoire.<br />

Und du machst Dinge, die ziemlich<br />

außergewöhnlich sind, spielst etwa alle<br />

Rachmaninow-Konzerte in einem<br />

Zyklus. Das ist phänomenal. Du benutzt<br />

das Klavier, um dich selbst in neue<br />

Sphären zu pushen. An Bach arbeitest<br />

du zum Beispiel mit einem Jazzpianisten<br />

zusammen. Wie siehst du die Flexibilität<br />

des Klaviers in der Zukunft? Meinst du,<br />

dass das Instrument die Möglichkeit hat,<br />

verschiedene Felder zu beackern?<br />

Ja! Absolut! Gerade heutzutage brauchen<br />

wir Projekte, die andere Dinge zutage<br />

fördern und dem Publikum mehr bieten.<br />

Ich liebe es, mich neuen Herausforderungen<br />

zu stellen. Manchmal spielt man<br />

wunderbare Programme, hat aber nur<br />

zehn Zuhörer. Du wirst keine Säle nur mit<br />

Beethoven-Sonaten füllen! Ich wünschte,<br />

es wäre so – aber die Realität sieht anders<br />

aus! Wir sind gezwungen, über einen<br />

anderen Filter zu denken! Das verändert<br />

die Perspektive! Wir müssen darüber<br />

nachdenken, welche neuen Geschichten<br />

wir mit unserem Publikum teilen wollen.<br />

Das ist faszinierend. Und ja, es macht die<br />

Sache auch schwerer, denn es zwingt uns,<br />

über den Tellerrand hinauszuschauen. Es<br />

ist eine große Herausforderung – doch mit<br />

dem Klavier kann man so viele Klänge<br />

produzieren und hat so viele Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit! Grundsätzlich<br />

ist man zwar allein – doch jenseits dieser<br />

Tatsache sind die Möglichkeiten endlos.<br />

Das reicht vom Duo bis hin zu einer<br />

Zusammenarbeit mit 70 Leuten! Am<br />

wichtigsten ist, dass ich meine Geschichte<br />

mit dem Publikum teilen möchte, dass ich<br />

Gefühle preisgebe.<br />

Als Pianist kann man sein Klavier nicht<br />

mitnehmen – da haben wir Geiger es<br />

schon leichter. Du bist dem ausgeliefert,<br />

was für ein Instrument in einem Saal<br />

steht. Ist das eine Sache, die bei der<br />

Vorbereitung eine Rolle spielt?<br />

Früher habe ich das gehasst! Heute habe<br />

ich gelernt, auch diesen Teil zu genießen.<br />

Ich bin natürlich heute in der glücklichen<br />

Lage, in Sälen zu spielen, in denen<br />

meistens sehr gute Instrumente stehen.<br />

Die Frage „Welche Entdeckung werde ich<br />

machen?“ finde ich sehr spannend!<br />

Manchmal hast du eine sofortige Verbindung<br />

zum Instrument. Es läuft, es ist<br />

schön, es ist perfekt. Und manchmal spielt<br />

man auf Instrumenten, bei denen die<br />

Verbindung nicht ganz so einfach ist.<br />

Dann musst du versuchen zu verstehen,<br />

wie dieses spezielle Klavier tickt und<br />

welche Verbindung du schaffen musst.<br />

Wie viel Energie muss ich hineinstecken,<br />

um meinen spezifischen Klang zu<br />

erreichen? Einige Klaviere erfordern dies<br />

und andere verlangen etwas völlig<br />

anderes. Es ist niemals der gleiche Weg.<br />

Eine Herausforderung, ja, aber es bringt<br />

meist viel Freude – weil manchmal die<br />

Chemie einfach perfekt stimmt. n<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: FRANK STEWART<br />

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w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>

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