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CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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ZUGEGEBEN: DER BLICK AUF UNGARN SOLLTE<br />

DERZEIT KRITISCH SEIN. DOCH IRGENDWIE WIRKT<br />

SEINE HAUPTSTADT WIE DAS BERÜHMTE KLEINE<br />

GALLISCHE DORF – EINFACH ANDERS …<br />

Budapest<br />

Was Paris kann, kann Budapest schon lange: die Liebe. Ihretwegen lebt die Pianistin Mariam<br />

Batsashvili in Budapest. Eine zweifache Liebe: die zu ihrem Freund, aber auch die zu dem<br />

Komponisten Franz Liszt, der ihr die Stadt an der Donau zur zweiten Heimat gemacht hat.<br />

VON ANTOINETTE SCHMELTER-KAISER<br />

FOTO: ANTOINETTE SCHMELTER-KAISER<br />

Mariam Batsashvili auf der<br />

Terrasse des Aria Hotels<br />

Es gibt viele Gründe, Budapest zu besuchen.<br />

Eigentlich aber ist es nur einer:<br />

Budapest ist ganz großes Kino! Und<br />

zwar in jeglicher Hinsicht: Kunst, Kultur,<br />

Architektur. Die Bäder, die Parks,<br />

die Traditionen. Essen, Trinken und ein Hauch von<br />

Piazza-Flair. Für die georgische Pianistin Mariam<br />

Batsashvili gibt es noch einen: die Liebe. Hier wohnt<br />

und arbeitet ihr ungarischer Freund, den sie an der<br />

Hochschule für Musik in Weimar kennengelernt hat. Doch auch die<br />

Tatsache, dass die Hauptstadt Ungarns eine wichtige Lebensstation<br />

des Komponisten Franz Liszt war, machte ihr die Entscheidung<br />

dazubleiben leicht. Denn ihn verehrt diese junge, lebhafte Frau wie<br />

keinen anderen. Womit sie nicht allein ist: Der Flughafen, von dem<br />

aus die 26-Jährige viele ihrer Konzertreisen antritt, ist ebenso nach<br />

ihm benannt wie die Musikakademie und der parkähnliche Platz<br />

davor zwischen Villen aus der Habsburger Zeit, lebendig, jung, fast<br />

mediterran und deshalb: gern überfüllt. Statuen und Büsten mit seinem<br />

Konterfei finden sich überall in der Donau-Metropole – überall<br />

Zeugnisse wahrer Lisztomania, die Stationen unseres Spaziergangs<br />

auf seinen Spuren sind.<br />

Und so hängt auch im historischen Künstlercafé Müvész Kavéház<br />

an der Prachtstraße Andrássy út ein Porträt von ihm an der mit<br />

gelbem Stoff bespannten Wand. An einem Marmortischchen direkt<br />

darunter verrät mir Mariam Batsashvili bei Espresso und einer Portion<br />

pikanter Bundás Kenyér (Armer Ritter), was sie an Liszt fasziniert.<br />

„Er hat so viele verschiedene Facetten, vereinte<br />

Technik und Emotion“, schwärmt sie. Aus diesem<br />

Grund hat sie fünf seiner Stücke für ihr neues<br />

Album ausgewählt und sie mit drei Etüden von<br />

Frédéric Chopin kombiniert – beide Künstler waren<br />

zeitweilig eng miteinander befreundet; nach Chopins<br />

Tod veröffentliche Liszt zu dessen Gedenken seine<br />

Consolations, die Mariam Batsashvili auf ihrem<br />

Album interpretiert. Technisch brilliert sie dabei<br />

auf höchstem Niveau. Wichtiger sind ihr aber gefühlvoller Tiefgang<br />

und intensives Eintauchen in eine andere musikalische Welt.<br />

Im Liszt Ferenc Memorial Museum, einen kurzen Spaziergang<br />

entfernt, ist ihr das auf besondere Weise möglich: Drei hohe Altbauzimmer<br />

erinnern mit Möbeln, Instrumenten, Noten, Büchern und<br />

Gegenständen aus dem Besitz des Komponisten an die Jahre, die er<br />

von 1881 bis 1886 hier verbrachte. Fast ehrfürchtig führt Mariam<br />

Batsashvili vorbei an Vitrinen mit Devotionalien, von der Reisetasche<br />

bis zu einer weißen Haarsträhne, nostalgischen Chickering-<br />

Klavieren und einem Komponier-Schreibtisch mit ausziehbarer<br />

Klaviatur. Überhaupt hat sie ein Faible für Ambiente von anno<br />

dazumal: „In New York könnte ich nicht leben. Hier in Budapest<br />

spricht die Architektur zu mir – so wie in Weimar, wo ich seit 2011<br />

bei Grigory Gruzman studiere und jetzt meinen Master mache“,<br />

erklärt sie draußen auf dem Andrássy út, an dem auch ihre Wohnung<br />

liegt. Mit opulenten Jahrhundertwendebauten, in deren Erdgeschoss<br />

sich schicke Geschäfte und Lokale eingemietet haben, gehört<br />

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