CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen. CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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15.05.2020 Aufrufe

K L A V I E R Ralf Schmid arbeitet mit Datenhandschuhen FOTO: NEUMEISTER CRESCENDO: Herr Professor Schmid, was fasziniert Sie am Klavier? Ralf Schmid: Das Klavier ist seit Kindertagen mein Instrument. Ich habe mit fünf Jahren angefangen, es zu spielen, und seither hat es mich durch mein Leben begleitet. Ihm gilt meine Faszination. Es ist ein besonderes Instrument vieler musikalischer Sphären. Auch wenn ich als Komponist, Dirigent, Arrangeur oder Produzent tätig bin, bleibt meine Basis bei allem immer das Klavier. Das 20. Jahrhundert arbeitete sich am pianistischen Erbe ab. Piano Activities von Philip Corner wurde 1962 in Form der mehrtägigen Zerlegung eines Flügels aufgeführt, dessen Teile an das Publikum versteigert wurden. Brachten solche Aktionen wie diese Fluxus-Performance die erhoffte Befreiung? Eine Befreiung erfolgte nur in bestimmten Szenen, im Mainstream ist sie kaum zu spüren. An Musikhochschulen konzentriert sich die pianistische Ausbildung nach wie vor auf ein Spektum von Bach bis Bartók, mit Fokus auf dem 19. Jahrhundert. Und wir bilden hier die nächste Generation von Musikern aus, die demnächst ins Konzertleben tritt oder wieder unterrichtet. Empfinden Sie das pianistische Erbe als Bürde oder als Herausforderung? Eine Bürde ist es, wenn man die Epoche nicht verlässt. Das 19. Jahrhundert war eine Blüte für das Klavier, für die Komponisten, die dafür schrieben, und für die Interpreten, die virtuos darauf spielten. Liszt, Chopin und all die Koryphäen von damals komponierten und improvisierten mit den Mitteln ihrer Zeit großartige Musik. Wir können so viel von ihnen lernen. Gegenwärtig aber findet die Pflege ihrer Werke oft verkürzt statt. Wir interpretieren diese gut 100 Jahre alten Kompositionen – ließe man sich darüber hinaus auf den freien improvisatorischen Geist dieser Meister ein, könnte das Erbe eine weitaus größere Inspiration sein. Ein Komponist, der sich immer wieder mit dem Erbe herumschlug und sich intensiv mit dem Klavier auseinandersetzte, war John Cage … Cage ist eine der größten Inspirationsquellen für mein Projekt PYANOOK. Seine Schriften las ich bereits Jahre davor, und mit seiner Musik begann ich meine Klangreise. Ich suchte im Flügel nach neuen Klangfarben, und diese Suche setzte damit ein, dass ich Cage kopierte und ausprobierte – wie es klingt, wenn man Nylonschrauben und Gummis an die Saiten heftet. Allerdings ging ich in der Folge zu zeitgenössischen elektronischen Techniken über und jagte die John-Cage-Klänge durch Effektschleifen. Karlheinz Stockhausen betrachtete den Synthesizer als Weiterführung des Klaviers. Wie beurteilen Sie seine Einschätzung? In vielen Bereichen der Musik gab es diese Anfangsbegeisterung für den Synthesizer sowie elektronische und später auch digitale Varianten von Klavier. Ich möchte das Klavier erhalten. Mit seiner Aura empfinde ich es als ideale Basis für ein elektronisches Projekt wie PYANOOK, das die Gegenwart aufnimmt und zugleich in die Zukunft denkt. Ich liebe das Holz und die Klangästhetik, die mit elektronischen Mitteln nicht nachzuahmen ist. Die Elektronik hat andere Stärken. Sie arbeiten mit den Datenhandschuhen, die die Londoner Gruppe mi.mu. entwickelte, um den Klang des Flügels zu verändern. Ist das für Sie der Weg, die Pianistik ins 21. Jahrhundert zu bringen? Es ist ein Weg – mein Weg, im 21. Jahrhundert neue Klänge zu finden, neue Strukturen zu generieren und neue Musik zu komponieren, zu improvisieren und mit Einbeziehung der elektronischen Ebene eine Art digitale Poesie zu kreieren. Entgrenzung ist für mich ein wichtiges Thema. Ich überwinde Grenzen und suche nach Schnittstellen zwischen der analogen und digitalen Performance, zwischen der analogen und digitalen Klangwelt und zwischen stilistischen Sphären. Wie bringen Sie diese Datenhandschuhe in PYANOOK zum Einsatz? Ich spiele auf zwei Flügeln, die ich mikrofoniere. Den Klang des einen belasse ich unverändert. Die Saiten des anderen präpariere ich à la Cage oder verändere dessen Klänge elektronisch. Die Handschuhe ermöglichen es mir, die Klänge in Echtzeit mit Effekten auszustatten. Das können Hallräume sein, Echos, Modulationen oder digitale Filter, mit denen sich Höhen oder Bässe dazusetzen lassen. Während ich spiele, vermag ich durch Arm- oder Fingerbewegungen die Klänge meines Flügels durch Effektschleifen zu schicken und diese live zu steuern. Ich kann mit meinem Flügelklang Kathedralen öffnen und wieder schließen oder durch das Ballen einer Faust den Klang in eine Verzerrung schicken. Durch die Armbewegungen beziehen Sie auch den Raum in Ihre Musik ein. Der Komponist Marco Stroppa nannte den Raum das größte Rätsel der Musik … Die Hände im Raum zu bewegen und damit einen Klang zu formen, ist unglaublich faszinierend. Es eröffnet eine andere Dimension und lässt etwas mitschwingen. Für mich war es ein logischer Schritt, von der Klavierbank aufzustehen. Wenn sich mein Klang in einem langen Kathedralenhall befindet, kann ich den im Raum stehenden Klavierakkord formen. Damit ergibt sich eine neue Ästhetik. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Lichtkünstler Pietro Cardarelli? Als der Raum in meine Musik einbezogen war, wollte ich ihn auch künstlerisch gestalten und die Szenerie nicht dem Zufall überlassen. Pietro Cardarelli ist in vielen Bereichen der digitalen Kunst und der Videokunst tätig und arbeitet als Bühnenbildner am Theater. Er entwarf für die Aufführungen von PYANOOK eine Szenerie und eine visuelle Umsetzung. Derzeit arbeiten wir daran, dass meine Bewegungen, mit denen ich die Klänge verändere, auch seine visuellen Projektionen verändern. Der meditative Charakter Ihres Projekts lässt erneut an John Cage denken. Ist Ihnen das Meditative ein Anliegen? Das Meditative und das Versenken in den Klang sind für mich ein wichtiger Aspekt. Ich möchte mit meiner Musik Menschen erreichen und ihnen etwas mitgeben. Wir leben in einer immer schneller werdenden Welt. Die Musik kann diese rasende Zeit aufheben und in meditative Momente überführen. Am 8. November erscheint auch ein Album von PYANOOK … Das Label Neue Meister trat an mich heran und schlug die Produktion eines Albums vor. Die Aufnahmen erfolgten im restaurierten Operntheater der italienischen Stadt Ascoli Piceno. Cardarelli stammt daher, und er organisierte, dass wir in diesem traumhaften Setting eine Woche lang aufnehmen und konzertieren konnten. ■ 68 w w w . c r e s c e n d o . d e — SeptemberOktober 2019

DER KLAVIERVERSTEHER „Wer ausschließlich mit dem Gerät stimmt, verlässt sich auf seine Augen, nicht auf seine Ohren“, sagt Klavierstimmer Stefan Knüpfer. Als solcher hat er einiges erlebt. VON TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL Sänger, vorwiegend Primadonnen, haben seit jeher die Schriftsteller zu Romanen inspiriert. Aber ein Klavierstimmer? In Pascal Merciers Der Klavierstimmer jedenfalls erschießt ein stadtbekannter Klavierstimmer und Meister seines Fachs, der bereits in Karajans Diensten stand, einen berühmten italienischen Tenor. Als Stefan Knüpfer die Story hört, lacht er laut und kontert: „Eigentlich müsste es doch heißen, wann bringe ich mich um?!“ Schließlich habe er als Cheftechniker von Steinway in Wien einiges erlebt im Umgang mit weltberühmten Klienten. Etwa wenn der von Lampenfieber und Versagensängsten gepeinigte Konzertpianist kurz vor dem Auftritt meint, dass der Ton „nicht atme“, obwohl Knüpfer tagelang am Instrument getüftelt, gewerkelt und alle Schrauben und Keile justiert hatte. Da gilt es, Nerven und Ruhe zu behalten. Denn nur zufriedene Pianisten seien eben auch gute Pianisten, weiß Knüpfer. „Was ist physikalisch das Problem, und wie kann man es physikalisch lösen?“ Das sind die Fragen, die er sich dann stellt, um, wie ein Techniker der Formel 1, das oft auch nur vermeintliche Problem anzugehen. Dabei scheut er nicht vor unkonventionellen Methoden zurück, wie die Geschichte mit einem Tennisball zeigt. „Wir hatten da ein Instrument, das war lange nicht gespielt worden. Das stand da wie ein Oldtimer, der lange nicht gefahren worden war. Hätte man da einen Rennfahrer hineingesetzt, wäre das Auto dahingewesen. So kam ich auf die Idee, mithilfe eines Tennisballs den Flügel schön weich zu klopfen. Und: Er klang wieder!“ Zu Knüpfers Klientel zählt die erste Garde der Konzertpianisten. Und dennoch könnten nur wenige ihre Klangvorstellung beschreiben, sagt er. „Es geht ja nicht um die ganz einfachen dynamischen Kategorien wie laut und leise, hart oder weich. Es geht um das Dazwischen, um Emotionen. Einige sagen mir: ‚Der Ton soll reich sein.‘ Aber was bedeutet denn ein reicher Ton? Ein Ton hat Hand angelegt: Stefan Knüpfer bei der Arbeit FOTO: STEFAN OLAH doch kein Konto.“ Alfred Brendel etwa wollte einen in allen Lagen ebenmäßigen Ton, Pierre-Laurent Aimard wiederum wünschte sich für jede Bach-Fuge die ganze Klangpalette, aufgefächert wie ein Regenbogen. Pflegeleicht hingegen war Lang Lang, der einen „Instinkt für Töne“ hatte, egal auf welchem Instrument. „Der brauchte eher einen stabilen Stuhl, der seinem Temperament standhält.“ Knüpfer könnte es sich leichter machen und mit einem Stroboskop oder anderen Geräten die Tonfrequenzen messen, um quasi auf Knopfdruck den richtigen Ton zu erreichen. Er lehnt das ab. Er begreift den Ton wie eine Farbe, innerhalb derer allerlei Schattierungen und Abstufungen und Nuancen möglich sind. „Wer ausschließlich mit dem Gerät stimmt, verlässt sich auf seine Augen, nicht auf seine Ohren“, sagt er. Einen Großteil seiner Arbeit habe er deshalb unterhalb des Instruments verbracht und den Pianisten unter die Finger geschaut: um zu sehen „mit welchem Impuls, mit welcher Geschwindigkeit, welchem Gewicht er auf die Tasten drückt“. Eine zwar nicht devote, aber doch demütige Haltung für einen Mann, der einst selbst Pianist werden wollte. 1967 in Hamburg geboren, weiß er heute selbst nicht mehr so genau, wie er auf die Idee kam, Klavierstimmer zu werden. Nur: Er war 15 Jahre alt, und es war an einem Samstag. „Ich hatte mal wieder eine Matheklausur verpatzt. Da dachte ich mir: Jetzt habe ich genug. Ich werde Klavierstimmer. Dann habe ich mich bei Steinway beworben.“ Das Handwerk wollte er in jedem Fall dort erlernen. „Immer, wenn ich im Schaufenster die Instrumente sah, war das für mich wie pure Magie. Allein schon die Klappe mit dem Emblem darauf. Diese Welt übte einen unglaublichen Sog auf mich aus. Bis heute.“ Ein Roman wurde noch nicht über ihn geschrieben, dafür aber mit Pianomania (2009) von Robert Cibis und Lilian Frank ein wunderbarer Film gedreht. ■ 69

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Ralf Schmid arbeitet<br />

mit Datenhandschuhen<br />

FOTO: NEUMEISTER<br />

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Schmid, was fasziniert Sie<br />

am Klavier?<br />

Ralf Schmid: Das Klavier ist<br />

seit Kindertagen mein<br />

Instrument. Ich habe mit fünf Jahren<br />

angefangen, es zu spielen, und seither hat<br />

es mich durch mein Leben begleitet. Ihm<br />

gilt meine Faszination. Es ist ein besonderes<br />

Instrument vieler musikalischer<br />

Sphären. Auch wenn ich als Komponist,<br />

Dirigent, Arrangeur oder Produzent tätig<br />

bin, bleibt meine Basis bei allem immer<br />

das Klavier.<br />

Das 20. Jahrhundert arbeitete sich am<br />

pianistischen Erbe ab. Piano Activities von Philip Corner wurde<br />

<strong>19</strong>62 in Form der mehrtägigen Zerlegung eines Flügels aufgeführt,<br />

dessen Teile an das Publikum versteigert wurden.<br />

Brachten solche Aktionen wie diese Fluxus-Performance die<br />

erhoffte Befreiung?<br />

Eine Befreiung erfolgte nur in bestimmten Szenen, im Mainstream<br />

ist sie kaum zu spüren. An Musikhochschulen konzentriert sich die<br />

pianistische Ausbildung nach wie vor auf ein Spektum von Bach<br />

bis Bartók, mit Fokus auf dem <strong>19</strong>. Jahrhundert. Und wir bilden hier<br />

die nächste Generation von Musikern aus, die demnächst ins<br />

Konzertleben tritt oder wieder unterrichtet.<br />

Empfinden Sie das pianistische Erbe als Bürde oder als<br />

Herausforderung?<br />

Eine Bürde ist es, wenn man die Epoche nicht verlässt. Das <strong>19</strong>. Jahrhundert<br />

war eine Blüte für das Klavier, für die Komponisten, die<br />

dafür schrieben, und für die Interpreten, die virtuos darauf<br />

spielten. Liszt, Chopin und all die Koryphäen von damals komponierten<br />

und improvisierten mit den Mitteln ihrer Zeit großartige<br />

Musik. Wir können so viel von ihnen lernen. Gegenwärtig aber<br />

findet die Pflege ihrer Werke oft verkürzt statt. Wir interpretieren<br />

diese gut 100 Jahre alten Kompositionen – ließe man sich darüber<br />

hinaus auf den freien improvisatorischen Geist dieser Meister ein,<br />

könnte das Erbe eine weitaus größere Inspiration sein.<br />

Ein Komponist, der sich immer wieder mit dem Erbe<br />

herumschlug und sich intensiv mit dem Klavier auseinandersetzte,<br />

war John Cage …<br />

Cage ist eine der größten Inspirationsquellen für mein Projekt<br />

PYANOOK. Seine Schriften las ich bereits Jahre davor, und mit<br />

seiner Musik begann ich meine Klangreise. Ich suchte im Flügel<br />

nach neuen Klangfarben, und diese Suche setzte damit ein, dass ich<br />

Cage kopierte und ausprobierte – wie es klingt, wenn man<br />

Nylonschrauben und Gummis an die Saiten heftet. Allerdings ging<br />

ich in der Folge zu zeitgenössischen elektronischen Techniken über<br />

und jagte die John-Cage-Klänge durch Effektschleifen.<br />

Karlheinz Stockhausen betrachtete den Synthesizer als Weiterführung<br />

des Klaviers. Wie beurteilen Sie seine Einschätzung?<br />

In vielen Bereichen der Musik gab es diese Anfangsbegeisterung<br />

für den Synthesizer sowie elektronische und später auch digitale<br />

Varianten von Klavier. Ich möchte das Klavier erhalten. Mit seiner<br />

Aura empfinde ich es als ideale Basis für ein elektronisches Projekt<br />

wie PYANOOK, das die Gegenwart aufnimmt und zugleich in die<br />

Zukunft denkt. Ich liebe das Holz und die Klangästhetik, die mit<br />

elektronischen Mitteln nicht nachzuahmen ist. Die Elektronik hat<br />

andere Stärken.<br />

Sie arbeiten mit den Datenhandschuhen, die die Londoner<br />

Gruppe mi.mu. entwickelte, um den Klang des Flügels zu<br />

verändern. Ist das für Sie der Weg, die<br />

Pianistik ins 21. Jahrhundert zu bringen?<br />

Es ist ein Weg – mein Weg, im 21. Jahrhundert<br />

neue Klänge zu finden, neue<br />

Strukturen zu generieren und neue Musik<br />

zu komponieren, zu improvisieren und mit<br />

Einbeziehung der elektronischen Ebene<br />

eine Art digitale Poesie zu kreieren.<br />

Entgrenzung ist für mich ein wichtiges<br />

Thema. Ich überwinde Grenzen und suche<br />

nach Schnittstellen zwischen der analogen<br />

und digitalen Performance, zwischen der<br />

analogen und digitalen Klangwelt und<br />

zwischen stilistischen Sphären.<br />

Wie bringen Sie diese Datenhandschuhe<br />

in PYANOOK zum Einsatz?<br />

Ich spiele auf zwei Flügeln, die ich mikrofoniere. Den Klang des<br />

einen belasse ich unverändert. Die Saiten des anderen präpariere ich<br />

à la Cage oder verändere dessen Klänge elektronisch. Die Handschuhe<br />

ermöglichen es mir, die Klänge in Echtzeit mit Effekten<br />

auszustatten. Das können Hallräume sein, Echos, Modulationen<br />

oder digitale Filter, mit denen sich Höhen oder Bässe dazusetzen<br />

lassen. Während ich spiele, vermag ich durch Arm- oder Fingerbewegungen<br />

die Klänge meines Flügels durch Effektschleifen zu<br />

schicken und diese live zu steuern. Ich kann mit meinem Flügelklang<br />

Kathedralen öffnen und wieder schließen oder durch das<br />

Ballen einer Faust den Klang in eine Verzerrung schicken.<br />

Durch die Armbewegungen beziehen Sie auch den Raum in Ihre<br />

Musik ein. Der Komponist Marco Stroppa nannte den Raum das<br />

größte Rätsel der Musik …<br />

Die Hände im Raum zu bewegen und damit einen Klang zu<br />

formen, ist unglaublich faszinierend. Es eröffnet eine andere<br />

Dimension und lässt etwas mitschwingen. Für mich war es ein<br />

logischer Schritt, von der Klavierbank aufzustehen. Wenn sich<br />

mein Klang in einem langen Kathedralenhall befindet, kann<br />

ich den im Raum stehenden Klavierakkord formen. Damit ergibt<br />

sich eine neue Ästhetik.<br />

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Lichtkünstler Pietro<br />

Cardarelli?<br />

Als der Raum in meine Musik einbezogen war, wollte ich ihn auch<br />

künstlerisch gestalten und die Szenerie nicht dem Zufall überlassen.<br />

Pietro Cardarelli ist in vielen Bereichen der digitalen Kunst<br />

und der Videokunst tätig und arbeitet als Bühnenbildner am<br />

Theater. Er entwarf für die Aufführungen von PYANOOK eine<br />

Szenerie und eine visuelle Umsetzung. Derzeit arbeiten wir daran,<br />

dass meine Bewegungen, mit denen ich die Klänge verändere, auch<br />

seine visuellen Projektionen verändern.<br />

Der meditative Charakter Ihres Projekts lässt erneut an John<br />

Cage denken. Ist Ihnen das Meditative ein Anliegen?<br />

Das Meditative und das Versenken in den Klang sind für mich ein<br />

wichtiger Aspekt. Ich möchte mit meiner Musik Menschen<br />

erreichen und ihnen etwas mitgeben. Wir leben in einer immer<br />

schneller werdenden Welt. Die Musik kann diese rasende Zeit<br />

aufheben und in meditative Momente überführen.<br />

Am 8. November erscheint auch ein Album von PYANOOK …<br />

Das Label Neue Meister trat an mich heran und schlug die<br />

Produktion eines Albums vor. Die Aufnahmen erfolgten im<br />

restaurierten Operntheater der italienischen Stadt Ascoli Piceno.<br />

Cardarelli stammt daher, und er organisierte, dass wir in diesem<br />

traumhaften Setting eine Woche lang aufnehmen und konzertieren<br />

konnten.<br />

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