15.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

K L A V I E R<br />

Der Axel-Brüggemann-Kommentar<br />

WIE KLANG<br />

GESCHICHTE SCHREIBT<br />

Der Pianist András Schiff hat sich mit der Schubertiade verkracht.<br />

Anlass war die Marke eines Flügels – tatsächlich aber geht es um viel mehr.<br />

DER ANLASS FÜR SCHIFFS WUT: DIE<br />

ANDEREN KÜNSTLER SPIELTEN AUF<br />

STEINWAY-FLÜGELN UND LOBTEN<br />

AUCH NOCH DESSEN KLANG<br />

Für viele war der Streit, der in den letzten Wochen auf ausgesuchten<br />

Seiten des deutschen Feuilletons tobte, so etwas wie eine Freakshow<br />

der Klassik oder „ein abgefahrenes Paralleluniversum“, wie ein Leser<br />

der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Debatten in einem Kommentar<br />

beschrieb. Es ging um Folgendes: Der Pianist András Schiff<br />

hatte sich mit den Machern der<br />

Schubertiade in Vorarlberg überworfen:<br />

mit ihrem Intendanten<br />

Gerd Nachbauer, zahlreichen<br />

Musikerkollegen und nicht zuletzt<br />

mit dem Publikum. Schiff holte<br />

zu einem wütenden Rundumschlag<br />

aus, der Intendant Nachbauer<br />

wiederum veranlasste, Stellung<br />

zu beziehen: Der Pianist<br />

hätte „die Beurteilungskompetenz des Schubertiade-Publikums<br />

infrage“ gestellt, erklärte Nachbauer, und „sich abschließend noch<br />

sehr negativ über eine ganze Gruppe von bei uns regelmäßig auftretenden<br />

Künstlern“ geäußert. Der Anlass für Schiffs Wut: Die<br />

anderen Künstler spielten auf Steinway-Flügeln und lobten auch<br />

noch dessen Klang. Schiff hingegen führt seit Jahren einen erbitterten<br />

Feldzug gegen Steinway und wirbt offensiv für die Konkurrenz:<br />

das Haus Bösendorfer in Wien. Nur bei Bösendorfer sei seiner Meinung<br />

nach der wahre Geist der Wiener Hammerflügel aus der Zeit<br />

Beethovens und Schuberts zu hören. Andere Meinungen lässt er<br />

nicht zu. Basta.<br />

Nun mag es Außenstehenden merkwürdig vorkommen, dass<br />

über derartige Details ein handfester Streit eskaliert, an dessen Ende<br />

eine jahrelange, sehr fruchtbare<br />

musikalische Zusammenarbeit<br />

zerbricht. Tatsächlich aber geht es<br />

bei diesem „Flügel-Streit“ um viel<br />

mehr, wie „FAZ“-Kritiker Jan<br />

Brachmann neulich in einem<br />

Kommentar darlegte, in dem er<br />

Schiff kurzerhand zum Schuldigen<br />

erklärte. „Immer deutlicher<br />

wird nun“, schrieb der Feuilletonist,<br />

„dass András Schiff sich mit alternativen Fakten in einen Wahn<br />

von der Reinheit der österreichisch-ungarischen Kultur des Klavierspiels<br />

hineinsteigert, der nichts mit der geschichtlichen Wirklichkeit<br />

zu tun hat. Auch seine Behauptungen über den Klavierbau werden<br />

durch großartige Pianisten täglich widerlegt. Die Schubertiade tut<br />

gut daran, einem derart ressentimentbesessenen Künstler keine<br />

Träne nachzuweinen.“<br />

Vielleicht ist es sinnvoll, an dieser Stelle zunächst einmal fest-<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

64 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!