CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.
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Mariam Batsashvili<br />
Claire Huangci<br />
Anna Gabler<br />
Valentin Uryupin<br />
FOTOS: MILENA SCHLOESSER; JOSEF FISCHNALLER; EVGENY EVTYUKHOV; GREGOR HOHENBERG<br />
„Ich bin in der besten Gesellschaft eingeführt, sitze zwischen Botschaftern,<br />
Fürsten, Ministern“, schrieb er 1833 an seinen Jugendfreund.<br />
Mariusz Kłubczuk, der an der Frédéric-Chopin-Musikuniversität<br />
in Warschau studierte, als Solorepetitor an der Frankfurter<br />
Oper tätig ist und als Solist, Liedbegleiter und Kammermusikpartner<br />
durch Europa tourt, widmet sich Chopins Etüden-Zyklus.<br />
Chopin brachte es in Paris zu Ruhm und Reichtum. Aber die<br />
Sehnsucht nach der polnischen Heimat und die Tuberkulose vollzogen<br />
ihr schmerzvolles Zerstörungswerk an ihm. Nach der Niederschlagung<br />
des Warschauer Aufstands und der Russifizierung des<br />
sogenannten Kongress-Polens unter Zar Nikolaus I. sah er sich vor<br />
die Entscheidung gestellt, ob er sich als loyaler Untertan des Zaren<br />
erweisen und in der Botschaft des Zaren eine Verlängerung seines<br />
polnischen Passes beantragen solle. Sein Vater beschwor ihn, dies<br />
zu tun. „Versäume das nicht, ich bitte dich“, schrieb er 1834 in einem<br />
Brief. Er wünsche nicht, dass sein Sohn „zu der Zahl der Flüchtlinge“<br />
gerechnet werde. Chopin aber hatte bereits anders entschieden.<br />
Damit erhielt er den Status eines Emigranten, und der Rückweg<br />
in die polnische Heimat war ihm verwehrt. Mariam Batsashvili aus<br />
Georgien, die 2014 den Franz Liszt Klavierwettbewerb in Utrecht<br />
gewann und seit 2017/18 BBC New Generation Artist ist, zeigt ihre<br />
Meisterschaft mit der Grande Polonaise brillante op. 22. Ihre ausgedehnten,<br />
rasenden Läufe und drängenden Tanzrhythmen ließen<br />
diese Polonaise zu den anspruchsvollsten Klavierwerken Chopins<br />
werden. Ebenfalls auf dem Programm hat Batsashvili Sechs polnische<br />
Lieder op. 24, arrangiert von Franz Liszt, die<br />
Chopin, inspiriert von volksliedhaften Motiven,<br />
noch in Warschau komponierte.<br />
1842 trat Chopin in eine neue Schaffensphase<br />
ein, die gekennzeichnet war von einer besonderen<br />
ästhetischen Aura und Ausdruckskraft. Mélodie<br />
ERNTEDANK IN ERL<br />
4. bis 6. <strong>Oktober</strong><br />
Informationen und Kartenservice:<br />
karten@tiroler-festspiele.at<br />
www.tiroler-festspiele.at/erntedank<br />
Zhao aus der Schweiz, die bereits mit 13 Jahren ihr erstes Album<br />
dem Werk Chopins widmete, wendet sich den Kompositionen dieses<br />
stilistischen Übergangs zu. Sie spielt das Scherzo Nr. 2 op. 31 und<br />
die Ballade Nr. 3 op. 47, die eine Vielfalt an glanzvollen Farben und<br />
Gefühlen aufweisen, sowie die Ballade Nr. 4 op. 52 und die Sonate<br />
Nr. 3 op. 58, die gekennzeichnet sind von jener neuen Tiefgründigkeit<br />
und Erhabenheit. Musik zu spielen, an die man sich erinnere,<br />
weil „sie so berührend war“, ist das Anliegen von Claire Huangci.<br />
Die Pianistin aus den USA, die schon als Kind mit außergewöhnlicher<br />
Virtuosität beeindruckte und 2011 als jüngste Teilnehmerin<br />
den zweiten Preis beim ARD-Musikwettbewerb gewann, legte 2017<br />
eine Einspielung mit Chopins Nocturnes vor. Neben den Drei<br />
Nocturnes op. 9 bringt sie nach Erl auch die 24 Préludes op. 28, die<br />
Chopin auf Mallorca komponierte. Verbunden durch ein Grundmotiv,<br />
stellen sie mit ihrem breitgefächerten Spektrum an Gefühlen<br />
und psychischen Zuständen musikalische Erkundungen der<br />
menschlichen Seele dar.<br />
Zum Ausklang des Erntedankfests singt in einer sonntäglichen<br />
Matinee, begleitet vom Festspielorchester unter Lothar Koenigs, die<br />
Sopranistin Anna Gabler Ausschnitte aus Richard Strauss’ letzter<br />
Oper Capriccio. Über die weitgeschwungenen Melodien der Orchesterlieder<br />
von Joseph Marx schlägt das Programm einen Bogen zu<br />
Arnold Schönbergs Pelleas und Melisande. Richard Strauss hatte<br />
Schönberg dazu angeregt, eine sinfonische Dichtung zu komponieren.<br />
Schönberg verwendet das gewaltige Orchester der Spätromantik.<br />
Er steht noch unter dem Einfluss Richard Wagners.<br />
Doch kündigen sich in ihm bereits die<br />
Moderne und der Weg in die Neue Musik des 20.<br />
Jahrhunderts an, und der Kreislauf setzt sich fort.<br />
Auf die Ernte folgt die Saat, die wiederum neue<br />
Frucht hervorbringt.<br />
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