CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.
CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.
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H Ö R E N & S E H E N<br />
JAZZ<br />
<strong>19</strong>-jährig begann sie ihre Laufbahn als professionelle Sängerin.<br />
Mit 21 ging ihr Traum mit einem Auftritt in Ronnie Scott’s<br />
legendärem Londoner Jazz Club in Erfüllung. <strong>19</strong>90 bekam sie<br />
einen Vertrag beim Glasgower Label Linn Records. Seither<br />
hat Claire Martin über 20 Alben veröffentlicht, zuletzt<br />
Believin’ it: Zusammen mit Niklas Fernqvist am Bass, Daniel<br />
Fredriksson an den Drums und dem Pianisten Martin Sjöstedt,<br />
der zwölf der 13 Songs arrangiert hat, interpretiert sie<br />
Claire Martin<br />
Einfühlsam<br />
Stücke quer durch die (Jazz-)Musikgeschichte genauso wie<br />
solche befreundeter Musiker. Lässig intoniert Claire Martin<br />
mit einfühlsamer, reifer Stimme P.S. I love You aus den<br />
<strong>19</strong>30er-Jahren oder Eric Stewarts Popsong I’m Not In Love,<br />
der <strong>19</strong>75 entstand. Genauso gut lässt sie aber auch in Timeline<br />
oder Believn’ it lebendig perlen. Unüberhörbar ist der harmonische<br />
Klang des Quartetts, bei dem alle Mitglieder brillieren,<br />
sich aber nie in den Vordergrund spielen. ASK<br />
Claire Martin: „Believin’ it“,<br />
Martin Sjöstedt, Niklas<br />
Fernqvist, Daniel<br />
Fredriksson (LINN)<br />
FOTO: LISA WORMSLEY<br />
Keith Jarrett<br />
Bachs Denkprozess<br />
Als man den berühmten Jazz-Pianisten Keith Jarrett einmal fragte,<br />
ob er sich vorstellen könne, in einem Konzert Jazz und Klassik zu<br />
kombinieren, sagte er: „Nein, ich glaube, das wäre Wahnsinn [...],<br />
praktisch nicht machbar. [...] Dein System baut für beide Richtungen<br />
auf unterschiedliche Schaltkreise.“ Trotzdem spielt der mittlerweile<br />
74-Jährige gerne mit den Genres. Er jazzte auf einer Kirchenorgel<br />
in Ottobeuren und am Clavichord. Für Johann Sebastian<br />
Bachs Goldberg-Variationen und dessen Wohltemperiertes Clavier wiederum<br />
nahm er das dafür vorgesehene Cembalo beziehungsweise<br />
das Klavier. So auch auf dieser Aufnahme von <strong>19</strong>87, ein Live-Konzert-Mitschnitt<br />
aus New York. Jarretts Ehrfurcht vor dem Thomaskantor<br />
ist groß, so groß, dass er kaum<br />
wagt, seiner Interpretation eine eigene<br />
Note zu geben. „Ich höre Bachs Denkprozess“,<br />
sagt Jarrett. TPR<br />
Abdullah Ibrahim<br />
Innig nachspürend<br />
Da ist er wieder, der Dollar-Band-Groove des legendären Titelstücks<br />
African Marketplace vom gleichnamigen Album aus dem Jahre <strong>19</strong>79.<br />
40 Jahre ist das her, und der Meister firmiert längst unter dem Namen<br />
Abdullah Ibrahim. Großartiger Cape Jazz, das ist mehr als Jazz, mehr als<br />
„modern creative“ wie Ibrahims Spielstil genannt wurde. Es ist reinste<br />
Musik aus langlebigen Sphären, die alles gibt in dem „Streben nach Perfektion“,<br />
wie es im Covertext heißt. Damit ist kein Perfektionismus<br />
gemeint, sondern ein „weniger ist mehr“. Sorgsam vorsichtig, innig<br />
nachspürend, intuitiv, schlicht meisterhaft gereift ist Ibrahims Spiel, brillant<br />
seine auserwählten Zutaten, ob im Bandarrangement exzellenter<br />
Mitstreiter oder solo improvisiert, alles so, als wollte der inzwischen<br />
85-jährige Pianist aus Kapstadt in weiser<br />
Gelassenheit die Essenz seines außergewöhnlichen<br />
Lebenswerkes noch einmal verewigen.<br />
Ans Herz empfohlen! SELL<br />
SOLO<br />
Johann Sebastian Bach: „The Well-Tempered Clavier.<br />
Book I“, Keith Jarrett (ECM)<br />
Abdullah Ibrahim: „The Balance“, Aka Dollar Band<br />
(Gearbox Records)<br />
36 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>