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CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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H Ö R E N & S E H E N<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Dominik Wörner<br />

Kontemplativ und verinnerlicht<br />

Bach ist der Größte, das steht für den Kirchenmusiker und Bassbariton<br />

Dominik Wörner außer Frage. Davon zeugt auch sein neues<br />

Album, für das Wörner mit dem Ensemble Zefiro unter Leitung des<br />

Oboisten Alfredo Bernardini verschiedene Bass-Kantaten aufgenommen<br />

hat. Mit Ich habe genug BWV 82, Der Friede sei mit dir BWV<br />

158 und Ich will den Kreuzstab gerne tragen BWV 56 sind drei Meisterwerke<br />

Bachs zu erleben, die von den Musikern gleich musikalischen<br />

Gebeten interpretiert werden. Hoch konzentriert und getragen<br />

im Vortrag, überzeugen die Musiker mit einem innigen, wenngleich<br />

relativ gleichförmigen und sehr direkt aufgenommenen<br />

Zusammenspiel. Demut, menschlicher Schmerz und gläubige Ergriffenheit<br />

stehen im Zentrum der kunstvoll<br />

vertonten Texte, die von Wörner hervorragend<br />

artikuliert dargeboten werden. Ein insgesamt<br />

zurückhaltendes Bach-Album, kontemplativ<br />

und verinnerlicht. DW<br />

GESANG<br />

Johann Sebastian Bach: „Cantatas and Arias for Bass“,<br />

Dominik Wörner, Zefiro, Alfredo Bernardini (Arcana)<br />

Ildar Abdrazakov<br />

Suggestive Gestaltung<br />

Von „des Basses Grundgewalt“ ist bereits in Goethes Faust die Rede und<br />

davon, dass diese das Gewölbe widerschallen lasse. Ein Phänomen, das<br />

auch dem neuen Verdi-Rezital des russischen Bassisten Ildar Abdrazakov<br />

innewohnt. Dieser gehört zu jenen Sängern, die ihre Karriere, stets ein<br />

wenig unter dem massenmedialen Radar fliegend, verfolgten und doch<br />

ohne Hype den Weg an die Weltspitze ihres Stimmfachs gefunden haben.<br />

Warum, das beweist der Sänger in jedem Takt dieser gut 70 Minuten:<br />

eine Bassstimme zum Schwärmen, herrlich dunkel und voll, aber immer<br />

sauber auf Linie gesungen und nie wabernd, individuell und attraktiv im<br />

Timbre und jeden der neun hier präsentierten Charaktere suggestiv<br />

gestaltend; auch wenn für die Hassprediger wie Silva oder Fiesco vielleicht<br />

noch das allerletzte Quäntchen kaltherziger<br />

Härte fehlen mag. Befeuert und getragen wird er<br />

vom Orchestre Métropolitain de Montréal unter<br />

keinem Geringeren als Yannick Nézet-Séguin. FS<br />

Ildar Abdrazakov: „Verdi“, Orchestre Métropolitain de<br />

Montréal, Yannick Nézet-Séguin (DG)<br />

FOTO: ILDAR ABDRAZAKOV<br />

Wiener Symphoniker<br />

Erregte Künstlerseele<br />

Pünktlich zum 150. Geburtstag von Hector Berlioz legen Philippe Jordan<br />

und die Wiener Symphoniker zwei Werke des notorischen Klangexzentrikers<br />

und Orchesterzauberers vor, die zwar innerhalb kurzer Zeit geschrieben<br />

wurden, stilistisch aber kaum unterschiedlicher hätten ausfallen können:<br />

die allseits bekannte Symphonie Fantastique und der nahezu vergessene<br />

Lélio. Die Kombination macht dramaturgisch und inhaltlich Sinn, in beiden<br />

Stücken geht es um die psychisch erregte Seele des Künstlers mit ihren<br />

bizarren Imaginationen und Selbstbespiegelungen, im Falle von Lélio auch<br />

mit einem dezent esoterischen Touch versehen. Als knapp einstündiger<br />

gesprochener Monolog mit einigen Lied- und Choreinschüben konzipiert,<br />

setzt Lélio stilistisch einen klaren Kontrast zu den überbordenden Klangfluten<br />

der Fantastique. Von den Solisten ist vor allem<br />

der Bassbariton Jean-Philippe Lafont in der Rolle<br />

des Erzählers hervorzuheben. FS<br />

Hector Berlioz: „Symphonie fantastique op. 14“, „Lélio ou Le<br />

retour à la vie“, Cyrille Dubois, Florian Sempey, Ingrid Marsoner<br />

u. a., Wiener Symphoniker, Philippe Jordan (Wiener Symphoniker)<br />

Ivo Pogorelich<br />

Kompromisslos eigenwillig<br />

Frische Höreindrücke von Ivo Pogorelich konnte man sich lange Zeit nur im<br />

Konzertsaal verschaffen. Nach mehr als 20 Jahren Pause ist nun wieder eine CD<br />

des Pianisten mit Sonaten von Beethoven und Rachmaninow herausgekommen.<br />

Der kroatische Virtuose gilt als einer der eigenwilligsten Musiker und wird diesem<br />

Ruf auch auf seinem neuen Studioalbum gerecht. Pogorelich nähert sich den<br />

Werken mit unverkennbarer Kompromisslosigkeit. Sein Spiel klingt stellenweise<br />

rau und kantig. Mit teils exzessiven Rubati setzt er Akzente, die manieriert wirken<br />

können. Auffällig langsam, mit Effekt suchenden Verzögerungen beginnt er<br />

beispielsweise das Allegro vivace in Beethovens Sonate Nr. 24 op. 78, die der<br />

ungarischen Gräfin Therese von Brunsvik gewidmet ist. Authentisch wirkt<br />

Pogorelich vor allem dann, wenn er perkussive Passagen angeht und einen kraftvollen,<br />

ausladenden Klang zelebriert. Insofern kann man<br />

Sergei Rachmaninows höchst anspruchsvolle Zweite<br />

Klaviersonate in der überarbeiteten Fassung von <strong>19</strong>31 als<br />

Pogorelichs eigentliches Paradestück auf diesem Album<br />

betrachten. CK<br />

Ludwig van Beethoven, Sergej Rachmaninoff: „Piano Sonatas“,<br />

Ivo Pogorelich (Sony)<br />

Vanessa<br />

Spiegelkabinett der Gefühle<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

Mit Samuel Barbers Oper Vanessa hat die Glyndebourne Festival Opera ein<br />

Stück ins Programm genommen, das perfekt in das englische Landgut passt.<br />

Die Protagonistin Vanessa sitzt mit ihrer Nichte und ihrer Mutter in einem<br />

Geisterhaus und wartet seit 20 Jahren auf die Rückkehr ihres Geliebten<br />

Anatol. Als überraschend dessen Sohn gleichen Namens auftaucht, zerfällt<br />

die eingespielte Starrheit der Familie. Leere Liebesschwüre und tiefe Zweifel<br />

entfalten in der graubraunen Kulisse ihre volle beklemmende Wirkung.<br />

In Spiegeln und hinter Schirmen werden die Figuren mit der Vergangenheit<br />

und sich selbst konfrontiert. Emma Bell brilliert in der Titelrolle und verkörpert<br />

die an Wahnsinn grenzende Sehnsucht Vanessas gesanglich und<br />

schauspielerisch intensiv. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt<br />

und sorgen für eine dichte, ungebrochene Fiktion. Jakub Hrůša am Pult des<br />

London Philharmonic Orchestra nutzt das Potenzial der<br />

mal hochdramatischen, mal lyrisch verspielten Partitur<br />

und schlägt das Publikum in den Bann dieser psychologischen<br />

Achterbahnfahrt. LXR<br />

SOLO<br />

Samuel Barber: „Vanessa“, Glyndebourne, Emma Bell, Virginie Verrez,<br />

Edgaras Montvidas u. a., The Glyndeborne Chorus, London Philharmonic<br />

Orchestra, Jakub Hrůša, Keith Warner (Opus Arte)<br />

OPER<br />

34 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>

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