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CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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H Ö R E N & S E H E N<br />

Michael Fabiano<br />

Mut zum Pathos<br />

In unseren hochspezialisierten Zeiten ist es für einen<br />

Tenor geradezu mutig, ein Rezital aus späten Arien<br />

Donizettis und teils raren frühen bis mittleren von<br />

Verdi zusammenzustellen. Oder sind es nur unsere<br />

Hörgewohnheiten, die einen trennenden Taktstrich<br />

zwischen den beiden Komponisten ziehen? Der<br />

35-jährige US-Amerikaner Michael Fabiano will diesen<br />

jedenfalls ausradieren: mit einer deutlichen Prise<br />

Corelli und auch Shicoff, sowohl in der Diktion, als<br />

auch im charaktervollen, heldischen Timbre, mit Mut<br />

zum Pathos alter Schule sowie der Fähigkeit zum<br />

Decrescendo am Phrasenende. Seine Höhe mag nicht<br />

immer sofort frei strömen. Die – allerdings enorm<br />

schwierige – Forza-Erstfassungsarie singt er transponiert.<br />

Aber Fabianos Vortrag hakt sich im Ohr fest.<br />

Musikalisch untadelig, philologisch allerdings etwas<br />

sorglos (etwa mit kleinen Strichen nach Gutdünken),<br />

assistiert Enrique Mazzola am Pult des London<br />

Philharmonic Orchestra. WW<br />

Giuseppe Verdi, Gaetano Donizetti: „Arien aus Opern“,<br />

Michael Fabiano, London Voices, London Philharmonic<br />

Orchestra, Enrique Mazzola (Pentatone)<br />

Track 4 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Qual sangue<br />

sparsi ... S’affronti la morte. Aus: La Forza del Destino<br />

Adolfo Gutiérrez Arenas<br />

Ungewohnt expressiv<br />

„Ein Cello ist ein Instrument, das oben<br />

kreischt und unten brummt“, soll Antonín<br />

Dvořák einmal ganz uncharmant geurteilt<br />

haben. Trotzdem hat er dem Instrument eines<br />

der schönsten Solokonzerte überhaupt<br />

geschenkt: sein Cellokonzert in h-Moll, op. 104.<br />

Kreischen und brummen hört man zum Glück<br />

nichts, wenn Adolfo Gutiérrez Arenas spielt.<br />

Seine neue CD umfasst alle Werke, die Dvořák<br />

seinem Instrument auf den Leib geschrieben<br />

hat. Neben dem monumentalen Konzert auch<br />

das berühmte Rondo und die wunderbar sentimentale<br />

Waldesruh. Arenas und die Magdeburgische<br />

Philharmonie unter der Leitung des taiwanesischen<br />

Dirigenten Kimbo Ishii gehen sehr<br />

individuell an diese Musik heran, den Kopfsatz<br />

des Konzertes spielen sie relativ breit, manch<br />

ein Lagenwechsel klingt ungewohnt expressiv.<br />

Eine schöne „Zugabe“ der CD: Dvořáks Lied<br />

Lasst mich allein in einem Arrangement für<br />

Cello und Klavier. Dabei handelte es sich um<br />

das Lieblingslied seiner verstorbenen Schwägerin,<br />

für die er heimlich schwärmte. Es ist<br />

sowohl im zweiten als auch im finalen dritten<br />

Satz des Konzertes zu hören. SK<br />

Antonín Dvořák: „Cello<br />

Works“, Adolfo Gutiérrez<br />

Arenas, Magdeburgische<br />

Philharmonie, Kimbo Ishii (Ibs<br />

Classical)<br />

Track 5 auf der <strong>CRESCENDO</strong><br />

Abo-CD: Klid (‚Waldesruhe‘)<br />

op. 68 Nr. 5 B 182<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

GESANG<br />

Daniel Müller-Schott<br />

Brillanz und<br />

Schlagfertigkeit<br />

Er spielt mit filigranem Strich, aber auch mit breitem<br />

Pinsel: Der Cellist Daniel Müller-Schott<br />

beherrscht beides meisterlich. Mit pastosem Brio<br />

schwelgt er etwa im zarten Andante der Cellosonate<br />

von Richard Strauss oder spürt zartesten<br />

vokalen Verästelungen in zwei Liedtranskriptionen<br />

des Meisters nach, überaus brillant und sorgsam<br />

sekundiert von seinem musikalischen Partner,<br />

dem Pianisten Herbert Schuch. Auch in seinen<br />

Phantastischen Variationen über Don Quixote<br />

bedenkt Strauss das Cello mit einer dankbaren<br />

Aufgabe, die Müller-Schott mit der nötigen Brillanz<br />

und Schlagfertigkeit absolviert. Das trifft<br />

ebenso auf das Melbourne Symphony Orchestra<br />

als Hauptakteur bei diesem Werk zu. Dirigent<br />

Sir Andrew Davis entfaltet mit unerbittlicher<br />

Präzision und klanglicher Virtuosität ein in jeder<br />

Beziehung fantastisches Werk, das bis heute<br />

nichts von seinem visionären Charakter eingebüßt<br />

hat. GK<br />

Richard Strauss: „Don Quixote“<br />

u. a., Daniel Müller-Schott,<br />

Herbert Schuch, Melbourne<br />

Symphony Orchestra. Sir Andrew<br />

Davis (Orfeo)<br />

Track 3 auf der <strong>CRESCENDO</strong><br />

Abo-CD: Ich trage meine Minne<br />

op. 32 Nr. 1 TrV 174<br />

Michael Gielen<br />

In memoriam<br />

Über Jahrzehnte waren Michael Gielen und<br />

das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden<br />

und Freiburg eng miteinander verbunden.<br />

In Gedenken an ihn – Gielen starb im März<br />

dieses Jahres – ist ein Stück Zeitgeschichte<br />

auf CD erschienen: zweimal Gustav Mahlers<br />

Sechste Sinfonie, aufgenommen von<br />

Gielen und „seinem“ Orchester im<br />

Abstand von rund vier Jahrzehnten. Die<br />

Tragische war das Stück, mit dem sich<br />

Gielen am häufigsten auseinandergesetzt<br />

hatte. Und so liegt zwischen der ersten<br />

Einspielung von <strong>19</strong>71 und dem letzten Konzert<br />

2013 nicht nur die Jahrtausendwende,<br />

sondern ein ganzer Reifeprozess. Viel zu<br />

schnell hätten er und seine Kollegen Mahler<br />

früher dirigiert, meinte Gielen. Und<br />

dabei handelt es sich nicht um spitzfindige<br />

Nuancen, sondern um ganze 20 Minuten,<br />

die Gielen dieser Sinfonie am Schluss mehr<br />

Zeit lässt. Diese CD macht wunderbar<br />

klar: Das Tempo ist weder richtig noch<br />

falsch, aber entscheidend. UH<br />

FOTO: DIEGO BENDEZU<br />

Gustav Mahler:<br />

„Sinfonie Nr. 6“,<br />

SWR Sinfonieorchester<br />

Baden-Baden und<br />

Freiburg, Michael Gielen,<br />

(SWR Classics)<br />

30 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>

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