CRESCENDO 5/19 September-Oktober 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen. CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Anne-Sophie Mutter, Christoph Eschenbach und Marlis Petersen.

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O U V E R T Ü R E „Gefühl beim Berühren der Taste“ Anruf bei Otto Hott, Banker, Geiger, Golfer – und stets dabei, die Firma Sauter, den ältesten Klavierhersteller der Welt, unablässig zu nachhaltigem Erfolg zu führen. Herr Hott, wobei störe ich Sie gerade? Sie stören nicht, wir haben gerade den Erfolg unseres jüngsten Coups teamintern besprochen und sind mit den ersten Reaktionen von Seiten einiger Pianisten und von Teilen der Öffentlichkeit zufrieden. Wir haben eine besondere Innovation herausgebracht, die eigentlich auf einer sehr alten Tradition beruht. Was kann man sich unter einer Innovation, die auf einer alten Tradition beruht, im Klavierbau vorstellen? Eine der Traditionen bedeutet, dass der Tastenbelag in früheren Jahrhunderten aus Elfenbein bestand, was begreiflicherweise heute verboten ist. Pianisten, die aber auf älteren Instrumenten gespielt haben, schwärmen von dem unvergleichlichen Spielgefühl des echten Elfenbeins. Und hier hat unsere neueste Innovation eingesetzt, von der wir uns viel versprechen. Und was für eine Innovation haben Sie jetzt auf den Markt gebracht? Otto Hott und die Die Pianofortemanufaktur Sauter feiert Pianistin Annique Göttler dieses Jahr ihr 200-jähriges Bestehen und das Max-Planck-Institut für Festkörperphysik in Stuttgart sein 50-jähriges. Anlässlich eines Besuches einiger Wissenschaftler und Professoren des Instituts in unserer Produktion in Spaichingen wurde mir die überraschende Frage gestellt, ob ich Wünsche für die Verbesserung beim Klavierbau habe. Und ohne zu überlegen habe ich geant wortet: synthetisches Elfenbein. Was ist denn der Unterschied zu den heutigen Kunststoffbelägen auf den Tasten? Alle Klavierhersteller dieser Welt, besonders im Premiumbereich, haben an diesem Problem gearbeitet, denn der Kunststoffbelag vermittelt ein anderes Gefühl beim Berühren und Drücken der Taste. Der Kontakt mit Elfenbein ist ganz anders. Elfenbein ist etwas weicher, etwas unebener und kann die natürliche Feuchtigkeit, die sich auf unserer Haut bei Betätigung bildet, unauffällig aufsaugen. Hier ist man mit Kunststoffbelägen weniger erfolgreich gewesen. Das Max-Planck-Institut hat in mehrjähriger Entwicklung jetzt synthetisches Elfenbein hergestellt: Es besteht aus einer Hightech- Mischung aus Gelatine und Mineralien und fühlt sich an wie Elfenbein. Es ist darüber hinaus auch bei der späteren Entsorgung keine Belastung für die Umwelt. Die ersten Pianistinnen und Pianisten, die unsere Instrumente jetzt gespielt haben, äußerten sich positiv über die Spieleigenschaften dieses synthetischen Elfenbeins, das wir als Patent angemeldet haben. Man rutscht weniger. Welche Erfindungen haben Sie denn noch in Ihrer Firmengeschichte hervorgebracht, die das Spielen auf einem Klavier angenehmer oder ausdrucksvoller machen? Da muss man ein paar geschichtliche Fakten nennen. Der Gründer der Firma Sauter hieß Grimm und der lernte von 1813 bis 1819 bei einem der damals führenden Instrumentenhersteller in Wien, dem gebürtigen Schwaben Andreas Streicher. Streicher, der eine Tochter aus der Augsburger Klavierbauerfamilie Stein, Nanette, geheiratet hatte, stieg durch Fleiß und Innovationskraft schnell zu einem der führenden Klavierbauer seiner Zeit auf. So zählten zu seinen Kunden unter anderem Beethoven, Goethe, Hummel. Dieser Tradition zur Modernität fühlt man sich bei Sauter bis heute verpflichtet, ein Teil dieser Innovationen wurden auch als Patente angemeldet. Können Sie ein paar Beispiele nennen? Sauter steht immer für einen großen Klang, vor allem unsere Klaviere verfügen, gemessen an der Gehäusegröße, immer über eine besonders große Resonanzbodenfläche. Bei den Spitzenklavieren und -flügeln verwenden wir extrem abgelagertes Holz aus jener Alpenregion, aus der der Geigenbauer Stradivari seine Hölzer bezog. Außerdem werden die Resonanzböden über eine Druckpresse mit präzise berechneten Verläufen in eine leicht sphärische Rundung gepresst, sodass sie unter leichter Spannung auf den Rahmen geschraubt werden, was zu einer leichteren Schwingungserregbarkeit führt und sich positiv auf das Klangvolumen auswirkt. ■ Wie das Geige- und Klavierspielen erfordert das Denken eine tägliche Praxis. Charlie Chaplin HINTER DER BÜHNE Als ausgebildeter Puppenspieler ist der Schweizer Olivier Carrel Bildern und Inszenierungen gegenüber sehr aufgeschlossen – so auch denen von Alain Roche und seinem „Piano Vertical“ (siehe S. 6). Die Fotografie sei auf „wilde, instinktive Weise“ in sein Leben getreten, weil er das Bedürfnis verspürt habe, auch außerhalb der Theater einen Raum für seine Kreationen zu finden. Während er zu Beginn seiner Fotografenkarriere vor allem Bilder von Shows machte, versuchte er parallel dazu, Momente einzufangen: Geschichten, Sensationen, Emotionen. Carrels Bilder halten tatsächlich die Zeit an. Der Fotograf vergleicht seine Bilder mit „in Zucker eingelegten Früchten, die man später genießen kann – und die dann immer noch ihren Geschmack behalten“. www.photographyoliviercarrel.com FOTOS: SAUTER PIANOS; P.D JANKENS - FRED CHESS, GEMEINFREI 10 w w w . c r e s c e n d o . d e — SeptemberOktober 2019

NEUHEITEN Herausragende bei Sony Music Jonas Kaufmann Wiener Philharmoniker Wien Das neue Album mit den Wiener Philharmonikern ist eine Hommage an die Traumstadt Wien mit Musik von Johann Strauss, Kálmán, Benatzky, Weinberger, Stolz u.a. Erhältlich ab 11.10. www.jonaskaufmann.com www.igor-levit.de Igor Levit Beethoven Sämtliche Klaviersonaten Igor Levits sensationelle neue Gesamteinspielung aller 32 Beethoven Sonaten. Limitierte Deluxe Edition mit persönlichen Texten zu allen Sonaten und Faksimilie-Druck einer Beethoven Notenhandschrift. Erhältlich ab 13.09. Lucas Debargue Scarlatti 52 Sonaten „Authentisch, erfrischend wie spannend“ (Piano News) spielt Debargue diese Scarlatti Sonaten auf einem modernen Steinway. 4 CDs zum Sonderpreis, erhältlich ab 04.10. www.lucas-debargue.com www.tal-groethuysen.de Yaara Tal Hommage an Clara Schumann Werke von Clara Schumann und ihren Weggefährten Theodor Kirchner, Johannes Brahms und Julie von Webenau. Mit zwei Weltersteinspielungen. Capella de la Torre Air Music Nach den erfolgreichen Alben zu „Wasser“ und „Feuer“ präsentiert die Capella de la Torre unter Katharina Bäuml reizvolle Werke mit Bezug zum Thema „Luft“, von Monteverdi, Ravenscroft, Holborne, Praetorius u.a. Erhältlich ab 13.9. www.capella-de-la-torre.de www.wavequartet.com The Wave Quartet Carmen Das Wave Quartet lässt Bekanntes völlig neu und mitreißend erklingen: Die Carmen-Suite mit den Highlights aus Bizets Oper, arrangiert für vier Marimbas, aber auch Musik von Sting, Suzanne Vega, Avner Dorman u.a. Erhältlich ab 13.9. KLASSIK-NEWSLETTER WWW.SONYCLASSICAL.DE Melden Sie sich jetzt an für den Sony Classical Newsletter auf www.sonyclassical.de und erhalten Sie exklusiv aktuelle Nachrichten über unsere Künstler und Aufnahmen sowie Interessantes aus der Klassikwelt.

O U V E R T Ü R E<br />

„Gefühl beim Berühren der Taste“<br />

Anruf bei Otto Hott, Banker, Geiger, Golfer – und stets dabei, die Firma Sauter, den ältesten<br />

Klavierhersteller der Welt, unablässig zu nachhaltigem Erfolg zu führen.<br />

Herr Hott, wobei störe ich Sie gerade?<br />

Sie stören nicht, wir haben gerade den Erfolg unseres jüngsten<br />

Coups teamintern besprochen und sind mit den ersten Reaktionen<br />

von Seiten einiger Pianisten und von Teilen der Öffentlichkeit<br />

zufrieden. Wir haben eine besondere Innovation herausgebracht,<br />

die eigentlich auf einer sehr alten Tradition beruht.<br />

Was kann man sich unter einer Innovation,<br />

die auf einer alten Tradition beruht, im<br />

Klavierbau vorstellen?<br />

Eine der Traditionen bedeutet, dass der<br />

Tastenbelag in früheren Jahrhunderten aus<br />

Elfenbein bestand, was begreiflicherweise heute<br />

verboten ist. Pianisten, die aber auf älteren<br />

Instrumenten gespielt haben, schwärmen von<br />

dem unvergleichlichen Spielgefühl des echten<br />

Elfenbeins. Und hier hat unsere neueste<br />

Innovation eingesetzt, von der wir uns viel<br />

versprechen.<br />

Und was für eine Innovation haben Sie jetzt<br />

auf den Markt gebracht?<br />

Otto Hott und die<br />

Die Pianofortemanufaktur Sauter feiert Pianistin Annique Göttler<br />

dieses Jahr ihr 200-jähriges Bestehen und<br />

das Max-Planck-Institut für Festkörperphysik in Stuttgart sein<br />

50-jähriges. Anlässlich eines Besuches einiger Wissenschaftler und<br />

Professoren des Instituts in unserer Produktion in Spaichingen<br />

wurde mir die überraschende Frage gestellt, ob ich Wünsche für die<br />

Verbesserung beim Klavierbau habe. Und ohne zu überlegen habe<br />

ich geant wortet: synthetisches Elfenbein.<br />

Was ist denn der Unterschied zu den heutigen Kunststoffbelägen<br />

auf den Tasten?<br />

Alle Klavierhersteller dieser Welt, besonders im Premiumbereich,<br />

haben an diesem Problem gearbeitet, denn der Kunststoffbelag<br />

vermittelt ein anderes Gefühl beim Berühren und Drücken der<br />

Taste. Der Kontakt mit Elfenbein ist ganz anders. Elfenbein ist etwas<br />

weicher, etwas unebener und kann die natürliche Feuchtigkeit, die<br />

sich auf unserer Haut bei Betätigung bildet, unauffällig aufsaugen.<br />

Hier ist man mit Kunststoffbelägen weniger erfolgreich gewesen.<br />

Das Max-Planck-Institut hat in mehrjähriger Entwicklung jetzt<br />

synthetisches Elfenbein hergestellt: Es besteht aus einer Hightech-<br />

Mischung aus Gelatine und Mineralien und fühlt sich an wie<br />

Elfenbein. Es ist darüber hinaus auch bei der späteren Entsorgung<br />

keine Belastung für die Umwelt. Die ersten Pianistinnen und<br />

Pianisten, die unsere Instrumente jetzt gespielt haben, äußerten sich<br />

positiv über die Spieleigenschaften dieses synthetischen Elfenbeins,<br />

das wir als Patent angemeldet haben. Man<br />

rutscht weniger.<br />

Welche Erfindungen haben Sie denn noch in<br />

Ihrer Firmengeschichte hervorgebracht, die<br />

das Spielen auf einem Klavier angenehmer<br />

oder ausdrucksvoller machen?<br />

Da muss man ein paar geschichtliche<br />

Fakten nennen. Der Gründer der<br />

Firma Sauter hieß Grimm und der<br />

lernte von 1813 bis 18<strong>19</strong> bei einem der<br />

damals führenden Instrumentenhersteller<br />

in Wien, dem gebürtigen<br />

Schwaben Andreas Streicher. Streicher,<br />

der eine Tochter aus der Augsburger<br />

Klavierbauerfamilie Stein, Nanette,<br />

geheiratet hatte, stieg durch Fleiß und<br />

Innovationskraft schnell zu einem der führenden Klavierbauer<br />

seiner Zeit auf. So zählten zu seinen Kunden unter anderem<br />

Beethoven, Goethe, Hummel. Dieser Tradition zur Modernität fühlt<br />

man sich bei Sauter bis heute verpflichtet, ein Teil dieser Innovationen<br />

wurden auch als Patente angemeldet.<br />

Können Sie ein paar Beispiele nennen?<br />

Sauter steht immer für einen großen Klang, vor allem unsere<br />

Klaviere verfügen, gemessen an der Gehäusegröße, immer über eine<br />

besonders große Resonanzbodenfläche. Bei den Spitzenklavieren<br />

und -flügeln verwenden wir extrem abgelagertes Holz aus jener<br />

Alpenregion, aus der der Geigenbauer Stradivari seine Hölzer bezog.<br />

Außerdem werden die Resonanzböden über eine Druckpresse mit<br />

präzise berechneten Verläufen in eine leicht sphärische Rundung<br />

gepresst, sodass sie unter leichter Spannung auf den Rahmen<br />

geschraubt werden, was zu einer leichteren Schwingungserregbarkeit<br />

führt und sich positiv auf das Klangvolumen auswirkt. <br />

■<br />

Wie das Geige- und Klavierspielen<br />

erfordert das Denken<br />

eine tägliche Praxis.<br />

Charlie Chaplin<br />

HINTER DER BÜHNE<br />

Als ausgebildeter Puppenspieler ist der Schweizer<br />

Olivier Carrel Bildern und Inszenierungen gegenüber<br />

sehr aufgeschlossen – so auch denen von Alain<br />

Roche und seinem „Piano Vertical“ (siehe S. 6). Die<br />

Fotografie sei auf „wilde, instinktive Weise“ in sein<br />

Leben getreten, weil er das Bedürfnis verspürt habe,<br />

auch außerhalb der Theater einen Raum für seine<br />

Kreationen zu finden. Während er zu Beginn seiner<br />

Fotografenkarriere vor allem Bilder von Shows<br />

machte, versuchte er parallel dazu, Momente einzufangen: Geschichten,<br />

Sensationen, Emotionen. Carrels Bilder halten tatsächlich die<br />

Zeit an. Der Fotograf vergleicht seine Bilder mit „in Zucker eingelegten<br />

Früchten, die man später genießen kann – und die dann immer<br />

noch ihren Geschmack behalten“. www.photographyoliviercarrel.com<br />

FOTOS: SAUTER PIANOS; P.D JANKENS - FRED CHESS, GEMEINFREI<br />

10 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong>

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