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CRESCENDO 6/19 Oktober-November 2019

CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Lucas Debargue, Gabriela Montero, Baiba Skride und Martina Gedeck.

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Daniel-Hope-Kolumne<br />

„ES GEHT AUCH UM BEZIEHUNGEN“<br />

Einst war Andreas Capello Geschäftsführer eines Seilbahnunternehmens. Seit 34 Jahren ist er<br />

Intendant des Südtirol Festivals in Meran. Sein Geheimnis: Beständigkeit und Qualität.<br />

Daniel Hope: Andreas, du bist einer der<br />

am längsten amtierenden Intendanten<br />

der Welt – ist das richtig?<br />

Andreas Capello: Das kann gut sein. Ich<br />

bin jetzt 56 und hatte das Glück, vor 34<br />

Jahren im Rahmen des Jubiläums „150<br />

Jahre Kurstadt Meran“ das Südtirol<br />

Festival gründen zu können. Da ich<br />

qualitativ hervorragende Leute einladen<br />

konnte, ist es schnell zu einem bedeutenden<br />

Festival gewachsen.<br />

Der Blick auf das Line-up zeigt eine<br />

Weltklasseaufstellung! War das von dir<br />

so geplant, oder war das eher ein Traum?<br />

Ich hatte von Anbeginn den Wunsch,<br />

große Interpreten nach Meran zu holen,<br />

weil über die Interpretation beim Publikum<br />

Kommunikation und Verständnis<br />

aufgebaut wird. Wenn Musik undeutlich<br />

gespielt wird, dann bleibt sie eine unverstandene<br />

Sprache. Ein guter Interpret wird<br />

die Musik so spielen, dass der Funke sofort<br />

überspringt. Das Publikum will von einem<br />

Konzert etwas mit nach Hause nehmen.<br />

Und ich bemühe mich eben, Programme<br />

zu gestalten, die Zufriedenheit und<br />

Glücksgefühle hervorrufen.<br />

Das Festival-Team ist immer noch das<br />

gleiche wie vor über 30 Jahren. Ist das<br />

eines deiner Geheimnisse des Erfolgs?<br />

Es ist wirklich eine einzigartige Situation,<br />

dass das Team seit der Gründung unverändert<br />

geblieben ist: Hermann Schnitzer<br />

als Präsident, ich als künstlerischer Leiter,<br />

Ursula Schnitzer als Grafikerin. Auch bei<br />

Buchhaltung und Vertragswesen hat sich<br />

nichts geändert. Das ist in Europa wohl<br />

einzigartig. Jeder von uns weiß, was seine<br />

Aufgabe ist. Ich muss auch nichts delegieren<br />

– es ist schon alles delegiert. Das ist<br />

viel Zeitersparnis und Erleichterung in der<br />

Kommunikation.<br />

Ich durfte in diesem Jahr vier Konzerte<br />

hier spielen, drei mit dem Zürcher<br />

Kammerorchester – logistisch perfekt!<br />

Du bist ja ein Stammgast unseres<br />

Festivals, bist jedes Mal mit mehreren<br />

Konzerten dabei, sozusagen ein „nicht<br />

deklarierter Artist in Residence“. Viele<br />

Veranstalter haben vielleicht nicht den<br />

Mut, Künstler über Jahre zu einem<br />

Festival einzuladen. Aber damit baut man<br />

Bindung zum Publikum auf. Das ist ganz<br />

wichtig. Im Zeitalter der Medien denkt<br />

man ja, das sei nicht notwendig, da man<br />

ja alles in kürzester Zeit bewerben kann.<br />

Doch ist damit noch keine emotionale<br />

Beziehung entstanden. Kommt aber ein<br />

Künstler jedes Jahr wieder, schafft man<br />

eine starke Identifikation zwischen<br />

Publikum und Künstler. Das sollte man<br />

wieder mehr pflegen, anstatt nur das<br />

kurzlebige Produkt im Auge behalten. Es<br />

geht auch um Beziehungen.<br />

Für die wenigen Menschen, die Meran<br />

vielleicht noch nicht kennen: Was<br />

würdest du ihnen sagen?<br />

Meran ist eine Stadt mit sehr hoher<br />

Lebensqualität. Das haben die Touristen<br />

bereits vor 180 Jahren entdeckt. Deshalb<br />

ist Meran, obwohl klein, immer schon<br />

international gewesen. Sehr viele Künstler<br />

im musikalischen und literarischen<br />

Bereich sind Stammgäste geworden. Der<br />

europäische Hochadel hat sich eingefunden.<br />

Gleichzeitig – und das ist der große<br />

Gewinn – brachten sie einen großen<br />

intellektuellen Hintergrund mit. Meran<br />

war immer schon ein Schmelztiegel<br />

kultureller Schichten aus ganz Europa.<br />

Deshalb ist es auch eine sehr tolerante,<br />

weltoffene Stadt. Die liberale Haltung und<br />

die Neugier auf das intellektuelle Weltgeschehen<br />

zeichnen Meran aus.<br />

Was machst du eigentlich neben deinem<br />

Job hier als künstlerischer Leiter?<br />

Inzwischen leiste ich mir den Luxus, dass<br />

ich fast nur noch künstlerischer Leiter<br />

bin. Ich unterrichte noch am Musikgymnasium<br />

in Meran. In der Vergangenheit<br />

aber habe ich ganz unterschiedliche Dinge<br />

gemacht, die mit Musik gar nichts zu tun<br />

hatten. Ich war 22 Jahre lang Geschäftsführer<br />

eines Seilbahnunternehmens und<br />

22 Jahre Präsident vom Kurhaus und vom<br />

Stadttheater in Meran, zwölf Jahre von<br />

der Therme Meran, einer der schönsten<br />

Europas. Ich war politisch an vorderster<br />

Front tätig. Jetzt widme ich mich ganz der<br />

Musik. Das Festival steckt immer noch in<br />

einer Entwicklungsphase. Und wir haben<br />

für die Zukunft sehr viele Ideen.<br />

Du hast einen eigenen Festival-Wein<br />

eingeführt – sein Name: „Crescendo“!<br />

Genau. Der Wein brauchte einen musikalischen<br />

Namen – unser Präsident hat ganz<br />

spontan „Crescendo“ gesagt. Das passte!<br />

Als eifriger Leser ist mir natürlich die<br />

Namensgleichheit aufgefallen. Ich finde<br />

das sehr sympathisch, denn auch<br />

<strong>CRESCENDO</strong> ist ein wunderbares Medium<br />

mit einer wunderbaren Redaktion. n<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: PRIVAT<br />

82<br />

w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>

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