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CRESCENDO 6/19 Oktober-November 2019

CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Lucas Debargue, Gabriela Montero, Baiba Skride und Martina Gedeck.

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L E B E N S A R T<br />

Der Axel-Brüggemann-Kommentar<br />

DEMOKRATIE DER KÖNIGE?<br />

Natürlich finden Orchester es gut, wenn sie selbst über ihre Zukunft<br />

bestimmen können. Bleibt die Frage, ob das immer von Vorteil ist …<br />

Anlass dieser Kolumne ist der aktuelle Fall der Sächsischen Staatskapelle<br />

Dresden. Bereits letztes Jahr – das Orchester befand sich<br />

gerade auf einer China-Tour – debattierten die Musiker darüber, ob<br />

sie Christian Thielemann erneut das Vertrauen als Chef aussprechen<br />

wollen oder nicht. Die Stimmung im Orchester war damals gespalten.<br />

Die Vor- und Nachteile lagen auf der Hand: Das Abnutzen einer<br />

Beziehung, die Schwierigkeiten, das Repertoire zu erweitern, eventuell<br />

auch die nicht ganz einfachen<br />

Führungs- und Charaktereigenschaften<br />

des Chefdirigenten<br />

und der generelle Wunsch, innerhalb<br />

des Orchesters nach etwas<br />

Neuem, all das sprach gegen eine<br />

Vertragsverlängerung. Für ihn als<br />

Chefdirigenten wiederum sprach<br />

seine Reputation, sein unbestreitbares<br />

Können im romantischen<br />

Repertoire, der Umstand, dass die<br />

Kapelle mit ihm neue Aufmerksamkeit<br />

erhalten hatte, und vor allen Dingen, dass man durch<br />

Thielemanns Namen zum Residenzorchester der Osterfestspiele in<br />

Salzburg geworden war. Dass man aus demselben Grund auch das<br />

Silvesterkonzert des ZDF spielte und in Millionen deutscher Wohnzimmer<br />

zu sehen war. Natürlich mochte auch die allgemeine Angst<br />

vor einem Umbruch, dem ungewissen Neuen eine Rolle gespielt<br />

haben, dass das Orchester sich schließlich knapp für eine Vertragsverlängerung<br />

mit Thielemann ausgesprochen hat.<br />

EIN ORCHESTER WIE DIE<br />

SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE HAT<br />

IN DEN LETZTEN JAHREN ZUNEHMEND<br />

AUF DIE STRAHLKRAFT<br />

IHRES DIRIGENTEN GESETZT<br />

Um so tragischer erscheint es heute, dass sich die Hauptgründe<br />

für Thielemanns Vertragsverlängerung in den letzten Wochen in<br />

Luft aufgelöst haben. Bei den Salzburger Osterfestspielen hat sich<br />

der designierte Intendant, Nikolaus Bachler, gegen die Kapelle und<br />

vor allen Dingen gegen Christian Thielemann durchgesetzt. Orchester<br />

und Chefdirigent müssen die Festspiele verlassen. Eine Situation,<br />

in der sich das Orchester noch einmal kurz gegen seinen Chefdirigenten<br />

aufgebäumt hatte. Doch<br />

als die Kapelle in einer Pressemitteilung<br />

wissen ließ, der eigene<br />

Vertrag sei nicht an jenen Thielemanns<br />

gekoppelt, wurde dieses<br />

Aufbegehren schnell niedergeschmettert,<br />

als der Rechtsanwalt<br />

des Dirigenten zum Orchester<br />

sprach und den Musikern klarmachte,<br />

dass man in Zukunft aufeinander<br />

angewiesen sei. Umso<br />

härter muss die Nachricht gewirkt<br />

haben, dass auch das ZDF sich im nächsten Jahr von der Sächsischen<br />

Staatskapelle und Christian Thielemann trennen will und stattdessen<br />

wieder auf die Berliner Philharmoniker und ihren neuen Dirigenten<br />

Kirill Petrenko setzt.<br />

Nun kann man all das unter dem Begriff „Pech“ zusammenfassen.<br />

Man kann die Entwicklung aber auch anders sehen. Ein Orchester<br />

wie die Sächsische Staatskapelle hat in den letzten Jahren zunehmend<br />

auf die Strahlkraft seines Dirigenten gesetzt und ist derzeit dabei, das<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

68 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>

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