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CRESCENDO 6/19 Oktober-November 2019

CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Lucas Debargue, Gabriela Montero, Baiba Skride und Martina Gedeck.

CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Lucas Debargue, Gabriela Montero, Baiba Skride und Martina Gedeck.

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20 JAHRE<br />

AUSGABE 06/20<strong>19</strong> OKTOBER – NOVEMBER 20<strong>19</strong><br />

WWW.<strong>CRESCENDO</strong>.DE<br />

7,90 EURO (D/A)<br />

mit CD im Heft<br />

SCHWERPUNKT<br />

Der OPUS KLASSIK im zweiten Jahr<br />

GABRIELA MONTERO<br />

„Ich will keine Unsterblichkeit,<br />

aber Fingerabdrücke hinterlassen!“<br />

KONSTANTIN KRIMMEL<br />

MARTINA GEDECK<br />

DANIEL LOZAKOVICH<br />

CÉLINE MOINET<br />

Emmanuel<br />

Pahud<br />

B47837 Jahrgang 22 / 06_20<strong>19</strong><br />

Bekennender Kosmopolit,<br />

fasziniert von Träumen,<br />

hingerissen von Mozart


www.edition-peters.de<br />

Uraufführung<br />

Bernd Franke: ARKA<br />

3 Rituale für Pipa, Oboe, Streicher, Pauke und Schlagzeug<br />

27. <strong>Oktober</strong> 20<strong>19</strong><br />

Sonntag, 18 Uhr<br />

im Zeughaus Neuss<br />

©Fabio Borquez<br />

Pipa: Ya Dong<br />

Oboe: Christian Wetzel<br />

Deutsche Kammerakademie<br />

Neuss am Rhein<br />

Leitung: Isabelle van Keulen<br />

Deutsche Kammerakademie<br />

Neuss am Rhein<br />

in Zusammenarbeit mit der Edition Peters<br />

gefördert durch die Kunststiftung NRW<br />

©Nikolaj Lund<br />

hörgenuss in sichtweite<br />

www.deutsche-kammerakademie.de


P R O L O G<br />

LIEBE LESER,<br />

WINFRIED HANUSCHIK<br />

Herausgeber<br />

es ist ziemlich genau fünf Jahre her, dass ich hier an dieser Stelle über „mein erstes Mal“<br />

beim ECHO Klassik geschrieben habe: 21 Jahre vorher war das gewesen, und dass es sich<br />

angefühlt hatte wie ein Klassentreffen. Von einer Veranstaltung, die sich nach und nach<br />

etablierte und irgendwann gesetzt war für die Klassik – für die Künstler, für die Labels<br />

und für das Publikum. Aus dem ECHO wurde OPUS, und wir wollen den Wind darum,<br />

warum das so war, nicht noch einmal aufwehen lassen. Aber auch der OPUS, dem wir<br />

einfach aus gegebenem Anlass unseren Schwerpunkt widmen, geht nun in sein – ja,<br />

vorerst noch bescheidenes, aber immerhin – zweites Jahr, und wir freuen uns mit den<br />

Preisträgern: mit großen Namen wie MARISS JANSONS, der für sein Lebenswerk<br />

ausgezeichnet wird, mit SOL GABETTA, CHRISTIAN GERHAHER, ANDREAS<br />

OTTENSAMER, JOYCE DIDONATO. Aber natürlich auch mit denen, für die dieser<br />

Preis ein echtes Sprungbrett sein kann, sprich: mit den sogenannten Newcomern oder<br />

Musikern, die bislang noch keine Publikumsmagneten sind wie KINAN AZMEH, der<br />

Grenzgänger auf der Klarinette, oder KONSTANTIN REINFELD, der zusammen mit<br />

dem Pianisten Benyamin Nuss mit seiner Mundharmonika den Konzertsaal revolutioniert.<br />

Ihnen wünschen wir vor allem, dass sie ihren Weg gut, konsequent und im besten Sinne<br />

selbstbewusst machen. Denn mitunter erfordert es durchaus Mut, zu sich selbst zu stehen<br />

und einen Weg konsequent weiterzugehen. Ein gutes Beispiel dafür: KLAUS HEYMANN,<br />

Gründer von Naxos. Ich hatte das Vergnügen, ihn in München zu treffen und mich mit<br />

ihm über die Zukunft der Musikindustrie zu unterhalten. Das Gespräch, in dem er auch<br />

erzählt, wie er in Hongkong lebt, finden Sie auf Seite 72.<br />

Manchmal erfordert „Selbstbewusstsein“ im eigentlichen Sinn jedoch auch einen Kurswechsel<br />

– oder auch nur eine Kurskorrektur. Wie bei der Künstlerin BEATRICE VOHLER,<br />

die unsere aktuelle CD gestaltet hat. Sie hatte sich dem „schnellen Bild“, der Fotografie,<br />

verschrieben und war damit durchaus erfolgreich. Doch irgendetwas fehlte. Dem<br />

nachzuspüren und auch nachzugeben – auch das ist eine Kunst. Das Ergebnis können Sie<br />

gerne live und im wörtlichen Sinne in Farbe in unserer Redaktion erleben: auf unserer<br />

VERNISSAGE AM 28. NOVEMBER, sozusagen als Einstimmung auf den Advent. Wir<br />

würden uns freuen, wenn Sie uns da besuchen, wo wir unser Heft für Sie machen. Um sich<br />

auszutauschen: mit Menschen, die Kunst und Kultur genauso wertschätzen wie Sie.<br />

FOTOS TITEL: JOSEF FISCHNALLER; GREGOR HOHENBERG; GIORGIA BERTAZZI; MIKE MEYER<br />

Exklusiv für Käufer und Abonnenten:<br />

die <strong>CRESCENDO</strong> Premium-CD<br />

Viel Inhalt in besonders hochwertiger Ausstattung finden<br />

Sie in dieser Premium- Ausgabe: Reportagen, Porträts,<br />

Interviews, Aspekte und Hintergrundwissen aus der Welt<br />

der Klassik. Außerdem für alle Käufer und Abonnenten<br />

der Premium-Ausgabe:<br />

sechs Mal pro Jahr die <strong>CRESCENDO</strong> CD,<br />

ein exklusives Album mit Werken einiger in der<br />

aktuellen Ausgabe vorgestellter Künstler.<br />

In diesem Heft: die 80. CD der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Premium-Edition.<br />

Fehlt die CD? Dann rufen Sie uns an: 089/85 85 35 48.<br />

Was Sie sonst noch finden in unserer neuen Ausgabe? Nicht weniger als ein Wunderkind:<br />

DANIEL LOZAKOVICH, der bereits mit neun Jahren auf seiner Geige als Solist<br />

debütierte und nun, 18-jährig, ganz und gar nicht schwermütig über Melancholie,<br />

Einsamkeit und Isolation spricht. GABRIELA MONTERO, Meisterin der Interpretation,<br />

die auf Zuruf aus dem Publikum ihrer Fantasie und ihren Fingern auf dem Flügel<br />

freien Lauf lässt. EMMANUEL PAHUD, der auf seinem neuen Album die Querflöte<br />

gegen eine Schreibmaschine antreten lässt. Und nach vielen anderen, aber nicht zuletzt:<br />

KONSTANTIN KRIMMEL, ein Bariton, der vermutlich auf dem Weg nach ganz oben<br />

ist, weil er mit seiner Stimme wunderbare Geschichten erzählen kann. Und während<br />

LUCAS DEBARGUE für uns noch den Scarlatti-Code knackt, erzählt MARTINA<br />

GEDECK über ihre Begegnung mit Clara Schumann und welche Rolle Musik in ihrem<br />

Leben spielt. PAULA BOSCH bringt uns Weine aus Portugal mit, der Krimiautor<br />

MARTIN WALKER schickt Bruno, seinen Chef de Police, in den Garten, um danach<br />

entsprechende kulinarische Fälle zu lösen. Wir haben seine Tartelettes mit Walnüssen,<br />

Birne und Blauschimmelkäse getestet und können sie Ihnen nur ans Herz legen: mit<br />

einem Glas Rotwein an kühlen und kalten Abenden ein kulinarisches Fest!<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen herrlichen Herbst mit allem, was dazugehört,<br />

Ihr Winfried Hanuschik<br />

w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong> 3


P R O G R A M M<br />

DIE LÜFTE<br />

HEIMLICH KLINGEN<br />

06<br />

FLYING STEPS<br />

Musikalische Höhenflüge mit<br />

Bach kennt jeder. Die Show<br />

Flying Bach nimmt sich beim<br />

Wort und bringt ein Breakdance-Spektakel<br />

auf die Bühne<br />

26<br />

CÉLINE MOINET<br />

„Adrenalin-Stöße beflügeln<br />

mich“: Die Solo-Oboistin<br />

zeichnet sich aus durch<br />

Nachdenklichkeit und<br />

Leidenschaft<br />

34<br />

CORINNE WINTERS<br />

Großartiges Psychogramm:<br />

Die Sopranistin spielt und singt<br />

eine verletzliche und verletzte<br />

Mélisande, die subtil, aber gewaltig<br />

unter die Haut geht<br />

STANDARDS<br />

KÜNSTLER<br />

HÖREN & SEHEN<br />

Matthias Höfs hat eine Reihe Bach‘scher<br />

Solokonzerte für die moderne Piccolotrompete<br />

arrangiert. Mit der Deutschen<br />

Kammerphilharmonie Bremen bringt er die<br />

Konzerte zum Strahlen.<br />

Claudio Bohórquez und Péter Nagy widmen<br />

sich auf ihrem neuen Album dem Tondichter<br />

par excellence, Robert Schumann, und<br />

seinen Werken für Kammerduo.<br />

Das Pera Ensemble und Mehmet Cemal<br />

Yeşilçay werfen einen Blick auf die<br />

historische Zusammenkunft von Franz von<br />

Assisi und dem Sultan Al Malik Al Kalim.<br />

Sie zeigen, wie Musik die unterschiedlichsten<br />

Völker und Religionen schon damals<br />

vereint hat.<br />

www.berlin-classics-music.com<br />

03 PROLOG<br />

Der Herausgeber stellt<br />

die Ausgabe vor<br />

06 BLICKFANG<br />

Luftsprünge mit Bach<br />

08 OUVERTÜRE<br />

Was hört …<br />

Florian Uhlig?<br />

Klassik in Zahlen<br />

Ein Anruf bei …<br />

Douglas Bostock<br />

34 IMPRESSUM<br />

38 RÄTSEL UND<br />

LESERBRIEFE<br />

68 KOMMENTAR<br />

Axel Brüggemann über<br />

Orchester-Demokratie<br />

82 HOPE TRIFFT …<br />

Andreas Capello<br />

12 EIN KAFFEE MIT ...<br />

Martina Gedeck<br />

14 LUCAS DEBARGUE<br />

Der Pianist auf den Spuren<br />

des Barockkomponisten<br />

Domenico Scarlatti<br />

17 LARS VOGT<br />

Dirigieren macht Mut<br />

18 EMMANUEL PAHUD<br />

Träume auf der Flöte<br />

21 BAIBA SKRIDE<br />

„Clara Schumann gegen -<br />

über bin ich im Vorteil“<br />

22 DANIEL<br />

LOZAKOVICH<br />

Das Wunderkind über<br />

Isolation, Einsamkeit und<br />

Melancholie<br />

24 GABRIELA<br />

MONTERO<br />

„Ich bin Interpretin, weil<br />

ich Kommunikatorin bin“<br />

26 CÉLINE MOINET<br />

„Die Kategorie Anspruch<br />

steht vor der Freiheit“<br />

28 KONSTANTIN<br />

KRIMMEL<br />

„In jedem Lied steckt eine<br />

Oper“: Der Bariton ist ein<br />

Geschichtenerzähler<br />

29 DIE WICHTIGSTEN<br />

EMPFEHLUNGEN<br />

DER REDAKTION<br />

30 DANIEL BEHLE<br />

Mozarts Figuren und ihre<br />

legendären Arien<br />

31 DANISH STRING<br />

QUARTET<br />

„Der späte Beethoven fühlt<br />

sich an wie Musik aus einem<br />

anderen Universum“<br />

35 ANNELIEN<br />

VAN WAUWE<br />

Der Glanz vergangener<br />

Zeiten porträtiert von<br />

der Klarinette<br />

36 UNERHÖRTES &<br />

NEU ENTDECKTES<br />

Christoph Schlüren<br />

über Wilhelm Stenhammar<br />

37 LE POÊME<br />

HARMONIQUE<br />

Zu ihrem 20-jährigen<br />

Gründungsjubiläum legt das<br />

Alte-Musik-Ensemble<br />

spannende Neueinspielungen<br />

mythischer Kirchenmusik vor<br />

FOTOS: OLIVIER CARREL; GREGOR HOHENBERG; TONI SUTER T+T FOTOGRAFIE<br />

4 www.crescendo.de — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Profil<br />

Edition<br />

Günter<br />

Hänssler<br />

Hörgenuss<br />

in Jubiläumsboxen<br />

Zum Jubiläumsjahr 2020 spielte<br />

Martino Tirimo sämtliche Klavierwerke<br />

Beethovens neu ein. 16 CDs HC<strong>19</strong>032<br />

48<br />

ESSENER<br />

PHILHARMONIKER<br />

Ein romantisches Feuerwerk:<br />

Generalmusikdirektor Tomáš<br />

Netopil setzt in der neuen<br />

Spielzeit auf große Emotionen<br />

49<br />

OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong><br />

And the winners are …<br />

Der Nachfolger des ECHO<br />

geht in sein zweites Jahr. Alles,<br />

was man rund um den<br />

Musikpreis wissen muss<br />

77<br />

REISE & KULTUR<br />

Salzburg bleibt auch nach den<br />

Festspielen spannend. Neben<br />

festlicher Stimmung im<br />

Advent lockt es mit großer<br />

Kunst und Kultur<br />

FOTOS: HAMZA SAAD; KRUGER MEDIA; TOURISMUS SALZBURG GMBH<br />

ERLEBEN<br />

39 DIE WICHTIGSTEN<br />

TERMINE UND<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

40 ULTRABACH<br />

Neue Konzertformate<br />

in Lüneburg<br />

41 BAD HOMBURGER<br />

SCHLOSSKONZERTE<br />

20-jähriges Jubiläum als<br />

Auftakt zum Beethoven-Jahr<br />

42 AUGUST-EVERDING-<br />

MUSIKWETTBEWERB<br />

Finale mit Preisverleihung<br />

44 IOAN HOLENDER<br />

Oper als Konsumgut<br />

45 MULO FRANCEL<br />

Hommage an alte Mythen<br />

46 THE 12 TENORS<br />

… gehen im Dezember<br />

wieder auf Tournee<br />

48 ESSENER<br />

PHILHARMONIKER<br />

Romantische neue Spielzeit<br />

EXKLUSIV<br />

FÜR ABONNENTEN<br />

Hören Sie die Musik zu<br />

unseren Texten auf der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD –<br />

exklusiv für Abonnenten.<br />

Infos auf den Seiten 3 & 70<br />

SCHWERPUNKT<br />

49 OPUS KLASSIK<br />

50 DIE GEWINNER<br />

auf einen Blick<br />

52 MARISS JANSONS<br />

Die Würdigung eines<br />

großen Lebenswerks<br />

55 PREISTRÄGER<br />

ENTDECKEN<br />

Andrè Schuen<br />

Markus Becker<br />

Adam Fischer<br />

Kinan Azmeh<br />

Midori Seiler<br />

Schumann Quartett<br />

Calmus Ensemble<br />

Amarcord<br />

Franz Welser-Möst<br />

Ben van Oosten<br />

Dogma Chamber Orchestra<br />

Evelinde Trenkner<br />

Sontraud Speidel<br />

Berolina Ensemble<br />

Konstantin Reinfeld<br />

Signum Quartett<br />

LEBENSART<br />

62 LIEBLINGSESSEN<br />

Martin Walker:<br />

Blauschimmelkäsetörtchen<br />

64 PAULA BOSCHS<br />

WEINKOLUMNE<br />

Portugal und die wunderbare<br />

Leichtigkeit des Weins<br />

66 THOMASTIK-<br />

INFELD<br />

100 Jahre Präzision, Liebe<br />

zum Produkt und zur<br />

Musik: die Wiener<br />

Saitenmanufaktur<br />

71 KUNST AM COVER<br />

„Dingen ein Zuhause<br />

malen“: die Künstlerin<br />

Beatrice Vohler<br />

72 KLAUS HEYMANN<br />

Der Naxos-Gründer über<br />

die neue Generation des<br />

Musikhörens<br />

72 WOHER KOMMT<br />

EIGENTLICH …<br />

der Smart Speaker?<br />

77 REISE&KULTUR<br />

78 SALZBURG<br />

… ist spannend: Moderne<br />

trifft Brauchtum<br />

80 BREMEN<br />

Die Hansestadt versteht<br />

sich aufs Feiern, aber auch<br />

auf die Kunst<br />

Wir gratulieren Evgeni Koroliov zum<br />

70. Geburtstag. Zurecht gilt er als ein<br />

außergewöhnliches Phänomen in der<br />

internationalen Klavierszene. 9 CDs HC18053<br />

Neuauflage zum 200. Geburtstag von<br />

Clara Schumann. 4 CDs PH<strong>19</strong>054<br />

Zum 120. Geburtstag von<br />

Hans Swarowsky veröffentlichen wir diese<br />

umfassende Sammlung an Aufnahmen –<br />

mit ihm als Dirigent. 11 CDs PH18061<br />

5<br />

Erhältlich im Fachhandel<br />

Profil Medien GmbH & Hänssler Classic · www.haensslerprofil.de<br />

Vertrieb: Haenssler Alliance Distribution


O U V E R T Ü R E<br />

6 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Bach und Breakdance<br />

Bach und Breakdance passen nicht zusammen?<br />

Das Gegenteil beweisen die vierfachen Breakdance-Weltmeister<br />

Flying Steps gemeinsam mit<br />

Opernregisseur Christoph Hagel in ihrer Show<br />

Flying Bach. 2010 gaben die Flying Steps mit ihrer<br />

weltweit erfolgreichsten Crossover-Show in<br />

der Neuen Nationalgalerie in Berlin ihr Debüt<br />

und sind seither fast nonstop auf dem gesamten<br />

Globus unterwegs. Anlässlich des zehnjährigen<br />

Jubiläums der Show kehren sie im Frühling 2020<br />

nach Europa zurück und gastieren für 15 Shows<br />

in Deutschland und Österreich!<br />

flyingsteps.com<br />

7<br />

FOTO: OLIVIER CARREL


O U V E R T Ü R E<br />

Was hört …?<br />

Florian Uhlig<br />

Der in Düsseldorf geborene Pianist<br />

verrät uns seine Lieblingsaufnahmen.<br />

Auf 15 CDs ist die<br />

Gesamtaufnahme der<br />

zweihändigen Klavierwerke<br />

von Robert<br />

Schumann angelegt.<br />

Zwölf davon sind bereits<br />

erschienen. Nun kommt<br />

Nummer 13.<br />

Jetzt zwei Ausgaben EMOTION<br />

kostenlos testen unter<br />

www.emotion.de/crescendo<br />

1<br />

Hermann Prey und Leonard Hokanson,<br />

Franz Schubert: Schwanengesang<br />

(Deutsche Grammophon)<br />

Eine wunderbare Erinnerung an einen legendären Sänger, mit dem<br />

ich als 22-Jähriger meine ersten Schritte in Schuberts Liederwelt<br />

gehen durfte. Welch sagenhafter Stimmklang! Welch subtile agogische<br />

Nuancen!<br />

2<br />

Sergiu Celibidache, Münchner Philharmoniker,<br />

Robert Schumann: Symphonien (EMI Classics)<br />

Celibidaches Gespür für musikalische Spannung verleiht<br />

Schumanns sinfonischem Schaffen enormen Tiefgang. Die Auslotung<br />

der komplexen Polyfonie gelingt ungemein bezwingend. Und das<br />

Farbenspiel der Münchner Philharmoniker tut ein Übriges, um dem<br />

romantischen Geist vollen Ausdruck zu verleihen.<br />

3<br />

Anne-Sophie<br />

Mutter und John Williams:<br />

Across the Stars (Deutsche Grammophon)<br />

Ich bin – das muss ich gestehen – Filmmusik-Fan, und John<br />

Williams gehört zu den herausragenden Meistern seines Fachs. Seine<br />

Partituren sprühen vor melodischem Einfallsreichtum und Musizierlust.<br />

Ich hatte die große Freude, im April dieses Jahres einen Ausschnitt<br />

dieses Programms mit Anne-Sophie Mutter im Boulez Saal in<br />

Berlin zu spielen.<br />

4<br />

Thelonious<br />

Monk: Underground (Sony)<br />

Fabelhafter Groove, gechillte Pianistik und überbordendes Improvisationstemperament.<br />

Ich liebe diese Platte, besonders<br />

wenn ich unterwegs bin und Musik höre. Ein Garant für gute Laune!<br />

5<br />

Sabine Meyer, Wolfgang Amadeus Mozart:<br />

Klarinettenkonzert (EMI Classics)<br />

Sabine Meyer spielt mit entwaffnender musikalischer Aufrichtigkeit<br />

und noblem Sinn für Farben und Nuancen. Das ist traumhafter<br />

Mozart! Es ist mir eine große Ehre, ab <strong>Oktober</strong> dieses Jahres ihr Kollege<br />

an der Musikhochschule in Lübeck zu werden.<br />

8 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


KLASSIK<br />

IN ZAHLEN<br />

25<br />

Musiker erhielten kürzlich<br />

begehrte Streichinstrumente<br />

aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds.<br />

Neun<br />

Violinen, zwei Bratschen, zehn<br />

Violoncelli und vier Kontrabässe<br />

wurden an 25 Preisträger<br />

von „Jugend musiziert“<br />

vergeben. Die Musiker im Alter<br />

von 9 bis 18 Jahren erhalten<br />

die Instrumente als Leihgabe<br />

für zunächst zwei Jahre mit<br />

einer wiederkehrenden Option<br />

auf Verlängerung bis zum<br />

30. Lebensjahr.<br />

halten die „Oper! Awards“ bereit, die<br />

kürzlich im Konzerthaus Berlin zum ersten Mal<br />

verliehen wurden. Joyce DiDonato wurde als beste<br />

Sängerin ausgezeichnet, Piotr Beczała als bester Sänger.<br />

20Kategorien<br />

31,5<br />

Millionen Euro hat die zweieinhalb Jahre<br />

dauernde Renovierung des Théâtre du Châtelet<br />

in Paris das gekostet. Über 5 Millionen Euro wurden von<br />

Mäzenen übernommen. Das Théâtre du Châtelet ist im Besitz<br />

der Stadt Paris, und die jetzt abgeschlossene Renovierung war<br />

die umfangreichste seit dem Bau des Theaters im Jahre 1862.<br />

FOTOS: SIMON PAULY; JEAN-MARIE HULLOT, CC BY-SA 2.0<br />

25<br />

Jahre alt wird die Berliner Musikholding<br />

ROC. Sie wird als Erfolgsgeschichte der<br />

deutschen Einheit gefeiert: Die Rundfunk<br />

Orchester und Chöre GmbH Berlin (ROC) bilden das<br />

Dach für vier Spitzenensembles: das Deutsche Symphonie-Orchester<br />

Berlin, das Rundfunk-Sinfonieorchester<br />

Berlin, den Rundfunkchor Berlin und den RIAS Kammerchor<br />

Berlin. In 200 Konzerten jährlich erreichen<br />

die ehemals im Osten und Westen der Stadt beheimateten<br />

Ensembles 200.000 Besucher.<br />

650<br />

Bewerbungen mussten die Verantwortlichen<br />

des neuen Opernstudios NRW<br />

sichten, bevor sie nun die Mitglieder<br />

auswählten. Für den ersten Jahrgang sind<br />

zehn junge Musiker dabei: drei Sängerinnen,<br />

fünf Sänger sowie eine Korrepetitorin<br />

und ein Korrepetitor. Mit dem<br />

Opernstudio NRW kooperieren vier<br />

Opernhäuser miteinander.<br />

9


O U V E R T Ü R E<br />

„Es braucht kein anderes Design!“<br />

Anruf bei Douglas Bostock, der gerade das Abschiedskonzert der Argovia Philharmonic hinter sich und<br />

das Antrittskonzert bei der Südwestdeutschen Kammerphilharmonie vor sich hat.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Wobei störe ich Sie gerade?<br />

Douglas Bostock: Ich befinde mich gerade genau zwischen Konzertplanung<br />

und Partiturstudium.<br />

Auf Ihrer Agenda stehen kurz aufeinanderfolgende Projekte. Zunächst<br />

das Willkommenskonzert mit Ihrem neuen Orchester und<br />

vier Tage später gleich eine deutsche Uraufführung mit dem Sinfonischen<br />

Blasorchester Ulm. Zwei derart unterschiedliche Dinge<br />

so kurz hintereinander zu dirigieren – ist das kompliziert?<br />

Wenn es immer nur zwei wären! Nein,<br />

es ist völlig normal, dass sich die Vorbereitungszeiten<br />

und Probenphasen überlappen.<br />

In Pforzheim probe ich drei Tage,<br />

in Ulm dann auch kompakt an Probenwochenenden.<br />

Dass die Musiker<br />

ihren Teil können sollten, versteht sich<br />

von selbst. In der Zwischenzeit werde<br />

ich dann in Pforzheim weilen, um die<br />

Abläufe kennenzulernen, werde mit<br />

dem Förderverein sprechen und mit<br />

Geschäftsführer Andreas Herrmann.<br />

Sie kennen das Orchester schon – half<br />

diese Kenntnis auch dabei, sich unter<br />

115 Bewerbern durchzusetzen?<br />

Das möchte ich nicht überbewerten.<br />

Douglas Bostock<br />

Dass man mich kennt, hätte ja auch ein Nachteil sein können. (lacht)<br />

Vor allem sollte das nicht die Hauptrolle gespielt haben. Es ehrt<br />

mich, dass man sich für mich entschieden hat.<br />

Vorher waren Sie 18 Jahre lang Chef des Argovia Philharmonic im<br />

Aargau in der Schweiz. Wie schwer fiel Ihnen der Abschied dort?<br />

Die Antwort ist leicht: Der Abschied fiel mir sehr schwer! Allerdings<br />

hatte ich bereits im Januar 2017 erste Gespräche darüber geführt,<br />

aufhören zu wollen. Man wusste also zwei Jahre vorher Bescheid.<br />

Das Orchester ist gut aufgestellt, hat einen guten Nachfolger<br />

für mich gefunden und bekommt bald einen neuen Konzertsaal, für<br />

den ich mich lange eingesetzt habe. Schwer fiel mir der Abschied vor<br />

allem deshalb, weil ich mich im Aargau wirklich heimisch gefühlt<br />

habe. Der Abschied war also auch sehr emotional – aber tatsächlich<br />

im guten Sinne!<br />

Ungeachtet dessen, dass nun Ihr Nachfolger Rune Bergmann den<br />

neuen Saal einweihen wird?<br />

Im Englischen sagt man: Go while the going is good. Und so war es:<br />

Ich bin auf dem Höhepunkt gegangen.<br />

Wird das Willkommenskonzert Ihre Handschrift tragen?<br />

Die Saison ist ja schon lange geplant. Lediglich das 6. Abo-Konzert<br />

verfügt noch über eine „Carte Blanche“. Aber das Willkommenskonzert<br />

ist mit Grieg, Mozart und Strawinsky ein sehr repräsentatives<br />

Konzert. „Altes im neuen Glanz“ ist das<br />

Motto. Die nächste Saison wird dann<br />

wirklich meine Handschrift tragen.<br />

Denn Programmieren ist etwas, was ich<br />

liebe! Das kostet viel Zeit, die ich mir<br />

suchen muss.<br />

Sie waren 18 Jahre Dirigent der<br />

Argovia Philharmonic, 22 Jahre Erster<br />

Gastdirigent der Tschechischen Kammerphilharmonie<br />

und sind seit <strong>19</strong>96<br />

Leiter des Sinfonischen Blasorchesters<br />

Ulm. Langfristig zu arbeiten, scheint<br />

Ihnen wichtig zu sein.<br />

Ich suche das nicht aktiv. Aber ich setze<br />

mich gerne mit dem Ensemble, der<br />

jeweiligen Stadt, der Region und dem<br />

Publikum auseinander – auch wenn es ja meistens nur meinen Rücken<br />

sieht. Ich finde es wichtig, dass man sich mit seiner Umgebung<br />

identifiziert.<br />

Seit Kurzem sind Sie deutscher Staatsbürger. Ist der Brexit schuld?<br />

Ich spiele gerne britische Musik – und die wird auch bleiben, was<br />

sie ist. In England aber hat man einen Drachen losgelassen, der das<br />

Land spaltet. Und ich muss es so deutlich sagen: Ich schäme mich<br />

für mein Land. Und ja, auch deshalb habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit<br />

angenommen. Ich will nicht unbedingt sagen, dass ich<br />

mich als Deutscher fühle, aber man sagt mir viele deutsche Eigenschaften<br />

nach. Der Südwesten Deutschlands ist meine Heimat. Ich<br />

lebe nun seit 40 Jahren am Bodensee. Letztlich aber bin ich überall<br />

gern und fühle mich schnell heimisch. Ich finde, es braucht kein<br />

anderes Design auf dem Pass. <br />

■<br />

Wettbewerbe<br />

sind für Pferde,<br />

nicht Künstler.<br />

Béla Bartók<br />

HINTER DER BÜHNE<br />

Die erste Kamera bekam Karel Kuehne von<br />

seinem Vater, als er elf Jahre alt war. Ein<br />

Fotolabor wurde alsbald eingerichtet, und<br />

Karel begann, Licht und Schatten zu erforschen.<br />

Das Resultat: Nicht nur die deutsche<br />

Schauspielerinnenelite wie Martina Gedeck<br />

(siehe „Auf einen Kaffee mit ...“ Seite 12),<br />

Karoline Herfurth und Nora Tschirner<br />

ließen sich von ihm fotografieren, auch<br />

Scarlett Johansson und Ewan McGregor<br />

standen vor seiner Kamera.<br />

Nach 15 erfolgreichen Jahren in Paris und New York lebt er in heute<br />

in Berlin und in der Uckermark.karelkuehne.com<br />

FOTOS: KAREL KUEHNE<br />

10 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Auf einen Kaffee mit …<br />

MARTINA GEDECK<br />

VON STEFAN SELL<br />

FOTO: KAREL KUEHNE<br />

12 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Poesie ohne Musik war in der Antike undenkbar, denn: Lyrik kommt von Lyra. Und die<br />

Lyra schenkte den Worten die Musik. Martina Gedeck besticht in dieser Tradition mit<br />

ihrem eigenen Ton. Sie ist eine der Großen ihres Fachs und gehört zu Deutschlands<br />

profiliertesten und beliebtesten Schauspielerinnen. Jetzt verkörpert sie die Fanny in der<br />

Hörbiografie „Fanny und Felix Mendelssohn – Zwei Leben für die Musik“.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Sie lesen hier im Bayerischen Rundfunk in<br />

München gerade die Fanny in der Hörbiografie „Fanny und<br />

Felix Mendelssohn“. Verraten Sie uns ein bisschen?<br />

Martina Gedeck: Ja, ich habe aus ihren Briefen und Tagebüchern<br />

gelesen. Sie beschreibt die Beziehung zwischen den beiden<br />

Geschwistern und ihre Entwicklung als<br />

Künstler von Kindheit an. Sie, die sehr<br />

zu kämpfen hatte mit ihrem Dasein als<br />

Frau in der damaligen Zeit – das war<br />

nicht opportun. Felix wurde viel stärker<br />

unterstützt, ausgebildet und gefördert.<br />

Ihre Schaffenskraft aber hat sich immer<br />

wieder Bahn gebrochen. Sie war sehr<br />

aktiv, als Musikerin und auch als Komponistin. Ich habe ihr<br />

persönlich meine Stimme gegeben, ihre eigenen Texte gesprochen.<br />

Ich finde es gut, dass hier wirklich die Person zu Wort kommt.<br />

Was ich vorab hören konnte, hat mich sehr berührt.<br />

Ist das wahr?<br />

Ja, Sie haben aus musikalischer Sicht in all Ihrer Kunst ein<br />

unglaubliches Timing, etwas, was man „laid back“ nennt – wie<br />

ein Musiker, der sich nicht beeilt, vorschnell alle Noten zu<br />

spielen, und dennoch pünktlich ankommt.<br />

Sehr gut beobachtet. Ich beschäftige mich intensiv mit den Texten.<br />

Bei allem, was ich bisher gemacht habe, hat mich immer die<br />

Kunstform Schauspiel mehr interessiert als die Wirklichkeit eins zu<br />

eins abzubilden, so wie sie ist. Mein ursprüngliches Interesse an<br />

diesem Beruf war die Literatur, besser gesagt: die Poesie. Und da<br />

sind wir beim Zauber, dem inneren Zauber, der Parallele zwischen<br />

Musik und Poesie. Mich hat die Verbindung interessiert, wie ich<br />

der Sprachmusik körperlich Ausdruck verleihen kann. Im Gegensatz<br />

zum Theater ist die Filmsprache oft profaner, aber ich<br />

behandle diese Texte, als wären sie Dichtkunst, und lerne sie wie<br />

ein Musiker seine Partitur. Der Ausdruck beim Sprechen geht ja<br />

über den eigentlichen Inhalt hinaus. Mit der Stimme, mit der Art,<br />

wie ich den Satz spreche, gebe ich dem Menschen so etwas wie eine<br />

seelische Kontur. Ich muss den Text stark verinnerlichen, und im<br />

Lernprozess ergibt sich ein Rhythmus. Dadurch, dass ich das gut<br />

durchgearbeitet habe, habe ich eine gewisse Gelassenheit, was das<br />

Sprechen angeht. (lacht)<br />

Können Sie sich vorstellen, die Lieder der Fanny sprechend oder<br />

singend als eigenes Programm vorzutragen?<br />

Tatsächlich habe ich vor einigen Monaten angefangen, mich mit<br />

Gesang zu beschäftigen. Das ist ein riesiger Raum, der sich da<br />

auftut. Das Lied fordert das „Im-Körper-Sein“ noch viel stärker.<br />

Eigentlich bin ich unterwegs in diese Richtung, das könnte<br />

passieren. Es braucht noch einen kleinen Moment, aber ich bin<br />

sehr interessiert. Bei Fanny Mendelssohn liegt es nahe, so etwas zu<br />

machen.<br />

Könnte das ein Abend werden? Dürfen wir uns schon freuen?<br />

(lacht) Ja, das könnte ein Abend werden. Sie hat ja eine wahnsinnig<br />

interessante Biografie, und es ist schön, wenn das, was sie komponiert<br />

hat, auch aufgeführt wird.<br />

Fanny zeigt Witz in ihren Briefen: Da wird sich „wie ein<br />

Kaninchen amüsiert“ oder „der Magen wackelt zum Lachen“.<br />

„MIT DER STIMME GEBE ICH DEM<br />

MENSCHEN SO ETWAS<br />

WIE EINE SEELISCHE KONTUR“<br />

Was sind Ihre Lieblingsstellen?<br />

Ja, sie hat einen bestimmten Humor. Was mir sehr gefallen hat, ist<br />

ihre Beschreibung, wie sie Italien das erste Mal hinter den Hügeln<br />

sieht. Das konnte ich mir gut vorstellen, ihre Liebe und ihre Begeisterung<br />

für das Land. Ganz poetisch wird sie da. Auch wenn sie sich<br />

verabschiedet von Italien, wenn sie den<br />

letzten Tag in Rom beschreibt, wie die<br />

Sonne untergeht … Sie drückt sich<br />

einfach sehr schön aus in ihren<br />

Briefen. Die ganze Italienpassage hat<br />

mir gut gefallen.<br />

Sie hatten ein besonderes Initiationserlebnis<br />

mit der Musik?<br />

Zunächst kannte ich ja nur das Radio, und in Landshut, wo ich<br />

herkomme, gab es einen Orff-Kurs. Ganz modern, man hat dort<br />

Rhythmus gelernt. Das fand ich damals ziemlich toll und bin dann<br />

mit neun, als wir nach Berlin gezogen sind, gleich wieder in eine<br />

moderne Musikgruppe gegangen … (lacht), die hieß MiniVox.<br />

Der Leiter war Heinz Lau, ein moderner Komponist. Da hat man<br />

zusammen Musik erfunden. Er hatte ein sogenanntes Lausophon<br />

gebaut, aus so Sachen wie Eierschneider, Messer … Mit denen<br />

konnte man Musik machen, die elektronisch verstärkt wurde. Das<br />

waren abgesehen vom Blockflötenunterricht meine Begegnungen<br />

mit der Musik. Schließlich gab es da die Platte mit einem Mozart-<br />

Klavierkonzert, das Monique de la Bruchollerie spielte, mein erstes<br />

Erlebnis eines Konzerts von A bis Z. Ich hab das immer wieder<br />

gehört, und meine Fantasie fing an zu arbeiten. Und plötzlich hatte<br />

ich eine Vorstellung davon, was die Musik mir erzählt. Sie erzählt<br />

eine Geschichte, die für mich mit jedem Hören konkreter wurde.<br />

Mir war klar, das hat Mozart so gemeint, das ist eine ganz deutliche<br />

Sprache, und genau das wird ausgedrückt. Klar, wenn man Kind ist<br />

und sich mit einer Platte sehr lange beschäftigt, dann fängt sie an<br />

lebendig zu werden. Das war meine erste Begegnung mit Musik.<br />

Man könnte sagen, Ihr Weg ging über Neue Musik zur Klassik?<br />

(lacht) Ich glaube, das hat alles parallel stattgefunden. Was mein<br />

eigenes Musizieren angeht, war es Neue Musik …<br />

Sie bleiben also experimentierfreudig?<br />

Ja, natürlich, und da bin ich auch froh drüber – diese Offenheit<br />

brauche ich in meinem Beruf.<br />

Sie haben mehrere Konzertprogramme, treten mit wunderbaren<br />

Musikern auf wie Sebastian Knauer, Xavier de Maistre, Avi<br />

Avital, dem Schumann Quartett … Was ist dabei das Schönste?<br />

Eins der schönsten Dinge für mich ist, dass ich dabei erstmals die<br />

Gelegenheit habe, das Publikum zu sehen. Die Musiker spielen,<br />

und ich kann dabei die Leute anschauen: Sie hören zu, und ich<br />

höre zu – wir hören gemeinsam zu. Und dieser Hördialog ist so<br />

wichtig und so schön. Auch, was sich auf den Gesichtern abspielt,<br />

wie die Menschen das empfangen, was sie da aufnehmen, das sieht<br />

man ja sonst nie, auch wenn man Theater spielt.<br />

Wie ein Spiegel sitz ich dann dem Publikum<br />

gegenüber. Das ist wahnsinnig schön.<br />

Fanny und Felix Mendelssohn: „Zwei Leben für die Musik“,<br />

Hörbiografie; Martina Gedeck, Udo Wachtveitl u. a. (BR-KLASSIK)<br />

■<br />

13


K Ü N S T L E R<br />

14 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


EINE AUSWAHL DER SPANNENDSTEN<br />

SONATEN ALS LIEBESERKLÄRUNG<br />

DAS<br />

SCARLATTI-<br />

PROJEKT<br />

Es mag an Besessenheit grenzen,<br />

wie der Pianist Lucas Debargue<br />

dem Werk des Barockkomponisten<br />

Domenico Scarlatti auf der Spur ist.<br />

Nun legt er das Ergebnis<br />

mit einem erstaunlichen Album vor.<br />

VON PATRICK WILDERMANN<br />

Die Kellnerin hat kaum den Kaffee gebracht, das Aufnahmegerät ist noch nicht<br />

eingeschaltet, da sprudelt es schon aus Lucas Debargue heraus: „Nach vier Jahren<br />

in Konzerthallen ist dies mein erstes wirklich großes Projekt“, sagt er und deutet<br />

auf die Box mit vier CDs auf dem Tisch. „Scarlatti. 52 Sonatas.“ Das Album, fährt der<br />

Pianist fort, sei nicht weniger als „eine Liebeserklärung an den Komponisten“. Der<br />

hat zu Lebzeiten 555 Sonaten geschrieben, Debargue kennt sie alle, 37 Stunden Musik,<br />

fast sämtlich Meisterwerke, wie er findet. Seine Plattenfirma Sony dachte an ein Doppelalbum,<br />

aber das genügte ihm nicht, er wollte das gesamte Scarlatti-Universum<br />

auffächern, seinen vollen Klangreichtum. „Scarlatti“, schwärmt Debargue, „wiederholt<br />

sich nie. Da ist immer eine neue, unerwartete Idee!“<br />

Der bald 29-jährige Franzose, der 2015 den vierten Platz beim Tschaikowsky-Wettbewerb<br />

in Moskau belegte und dabei publicitywirksam die Jury spaltete, hat<br />

schon Chopin, Liszt und Ravel aufgenommen, er hat für seine zweite CD mit Werken<br />

von Bach, Beethoven und Medtner einen ECHO KLASSIK als „Nachwuchskünstler<br />

FOTO: XIOMARA BENDER<br />

15


K Ü N S T L E R<br />

des Jahres“ gewonnen. Aber Giuseppe<br />

Domenico Scarlatti, daran lässt er keine<br />

Zweifel, spielt für ihn in einer ganz eigenen<br />

Liga.<br />

Über das Leben des Barockkomponisten<br />

aus Neapel ist nur wenig<br />

bekannt. Debargue hat ihm hinterherrecherchiert,<br />

so gründlich er konnte.<br />

Hat sich in das Standardwerk „Domenico<br />

Scarlatti. Leben und Werk“ des<br />

amerikanischen Cembalisten Ralph<br />

Kirkpatrick vergraben, das allerdings<br />

schon Anfang der 70er-Jahre erschienen<br />

ist und, wie Debargue findet, einige<br />

falsche Hypothesen aufstellt. Zum Beispiel<br />

liegen heute in Venedig und Parma<br />

die einzigen beiden Manuskripte, die<br />

von Scarlattis Sonaten existieren, allerdings<br />

nicht aus dessen eigener Hand<br />

stammen. Sie datieren aus den Jahren<br />

zwischen 1752 und 1756. Dass in nur vier Jahren aber 555 Sonaten<br />

entstanden sein sollen, hält der Pianist für absurd: „Es sind Kopien,<br />

die von älteren Sonaten angefertigt wurden.“<br />

Er hat anhand stilistischer Elemente versucht herauszufinden,<br />

welche die frühesten sein könnten, welche Chronologie sich möglicherweise<br />

ergibt. Hat sich an Eckdaten entlanggehangelt, wie der<br />

Veröffentlichung von Scarlattis 30 Essercizi, 1738 anlässlich seiner<br />

Ernennung zum Ritter, oder dem Jahr 1752, als Padre Antonio Soler<br />

sein Schüler wurde. Er war es vermutlich, der die Kopien anfertigte.<br />

Damit sind Leben und Wirken freilich nicht durchdrungen, vieles<br />

bleibt im Dunkeln. Und genau das reizt Debargue: „Ein Mysterium<br />

gibt mir Raum. Im Gegensatz zu Werken, die ständig gespielt werden,<br />

von Chopin oder Rachmaninow, lassen Scarlattis Sonaten Luft<br />

zum Atmen.“<br />

Aufgenommen hat er das Album in der Berliner Jesus- Christus-<br />

Kirche, an nur vier Tagen, in Sessions von 9 Uhr morgens bis<br />

23 Uhr abends, fast ohne Unterbrechung. Geschwindigkeit und<br />

Verausgabung sind die bestimmenden Themen im Leben dieses<br />

Musikers, der seit sieben Jahren „wie im Rausch“ lebt, der schnell<br />

denkt und spricht, der eine Zigarette aus der Packung fingert und<br />

gleich die nächste, ohne die erste angezündet zu haben. In nur vier<br />

Jahren hat sich Debargue die technischen Fertigkeiten für den<br />

Tschaikowsky-Wettbewerb draufgeschafft und sich gleich danach<br />

in den Strom des Konzertlebens gestürzt. „Ich will mich schnell<br />

entwickeln, schnell verbessern“, erklärt er, „aber auf keinen Fall die<br />

Tiefe verlieren.“<br />

Die 52 Sonatas, mit staunenswertem Nuancenreichtum und<br />

mitreißenden Stimmungsumschwüngen auf vier CDs verteilt wie<br />

ein Zyklus der Jahreszeiten, beweisen, dass er sich diesbezüglich<br />

vorerst keine Sorgen machen muss. Er hat sich auch vorgenommen,<br />

bald einen Gang herunterzuschalten. „Aber jetzt noch nicht.“<br />

Lucas Debargue war zehn Jahre alt, als ihm Scarlatti zum ersten<br />

Mal begegnete, in der französischen Zeitschrift Pianiste. Die<br />

Sonate K431 war darin abgedruckt, die kürzeste von allen, nur 16<br />

Takte, 50 Sekunden lang, aber „ich war fasziniert von der Fülle der<br />

„SCARLATTIS SONATEN LÖSEN<br />

UNSER BEWUSSTSEIN<br />

VON ZEIT UND RAUM AUF“<br />

FOTO: XIOMARA BENDER<br />

Informationen in diesem kleinen<br />

Stück“. Viel später, 2017, kaufte sich<br />

Debargue die elfbändige Gesamtausgabe<br />

der Sonaten. Nahm sich eine<br />

Woche frei, um die Partituren zweimal,<br />

dreimal zu lesen, sie schließlich komplett<br />

zu spielen. „Danach fühlte ich<br />

mich wie in Trance“, sagt er. „Wie in<br />

einem luziden Traum, in dem man alles<br />

sieht und am liebsten jedes Detail notieren<br />

möchte.“ Die Brücke zwischen<br />

Traum und Realität, sagt er, sei jetzt die<br />

Scarlatti-Aufnahme. Aus der Vielzahl<br />

der Sonaten hat er zunächst 70 in die<br />

engere Wahl genommen, mit Assoziationen<br />

markiert, die er beim Spielen<br />

hatte: „Katze“, „wütend“, „gelb“. Für<br />

Debargue, das ist ihm wichtig, sind die<br />

Stücke keine „Miniaturen“. „Manche<br />

sind episch, manche wie Opern, wieder<br />

andere wie eine Toccata.“ Gemeinsam sei ihnen, „dass sie unser<br />

Bewusstsein von Zeit und Raum auflösen. Vielleicht dauert es fünf<br />

Minuten, eine Sonate zu spielen, aber es kann sich anfühlen wie<br />

Stunden“.<br />

Vor die 30 Essercizi hat der Komponist selbst die Warnung<br />

gesetzt: „Erwarte in diesen Werken keine Tiefgründigkeit, sondern<br />

eher geistreichen Spaß an der Kunst.“ Soll man Scarlatti da ernst<br />

nehmen? Debargue lacht. Der Mann, erklärt er, sei ein Spieler gewesen.<br />

Einer, der viel Geld beim Kartenspiel verpulverte, ständig Schulden<br />

hatte – aber eben auch wusste, wie man mit psychologischer<br />

Raffinesse zockt. „Der Satz meint eigentlich das Gegenteil“, ist<br />

Debargue überzeugt. „Es sagt uns: Da ist mehr. Warum sonst sollte<br />

er die angeblich fehlende Tiefe betonen?“<br />

Geschrieben sind die Sonaten für das Cembalo. Was Debargue<br />

mit seinem präzisen Spiel vollständig vergessen macht. Und der<br />

trotzdem sagt: „Das Klavier als solches interessiert mich nicht.“ Was<br />

er meint: „Nicht das Instrument gibt die Befehle, sondern die<br />

Musik.“ Über Kompositionen, die nur darauf zielen, die Finger möglichst<br />

verrückt über die Tasten toben zu lassen, um Virtuosität zu<br />

demonstrieren, rümpft er verächtlich die Nase. Er habe kürzlich<br />

einen englischen Ausdruck gehört, der dazu passe: „dick<br />

swinging“.<br />

Debargue ist in den vielen Porträts seit dem Tschaikowsky-<br />

Wettbewerb gern als Außenseiter des Klassikbetriebs beschrieben<br />

worden, als genialischer Autodidakt und vormaliger Supermarktkassierer,<br />

als Freigeist einer Pariser Jazzformation oder arroganter<br />

Schnösel, der sich über die „vielen kleinen Affen“ im Konzertbetrieb<br />

mokierte. Was er zweifellos ist: ein leidenschaftlicher Musiker<br />

– und selbst Komponist –, der sich nicht nur für Domenico Scarlatti,<br />

den „Mystery Man“, sondern auch für die<br />

Kunstfertigkeit eines Peter Gabriel begeistern<br />

kann. „Es gibt nur gute oder schlechte Musik“,<br />

sagt Debargue. <br />

n<br />

Scarlatti: 52 Sonaten, Lucas Debargue (Sony)<br />

16 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


DIRIGIEREN<br />

MACHT MUT<br />

Der Pianist und Dirigent Lars Vogt über<br />

Social Media, das Älterwerden<br />

und die Rhetorik der Musik.<br />

VON TERESA PIESCHACON RAFAEL<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Herr Vogt, als wir 2008 sprachen, hatten Sie auf<br />

Myspace 296 Freunde. Wie viele haben Sie denn heute?<br />

Lars Vogt: (lacht laut) Nur ein paar wenige wirklich Vertraute.<br />

Follower scheinen immer mehr zur Währung zu werden. Wie<br />

halten Sie es mit den Social Media?<br />

Eher mittel bis weniger aktiv – wenn ich mich mit Kollegen vergleiche.<br />

Auf Facebook weise ich auf schöne Konzerte hin oder CDs.<br />

2.026 Follower habe ich auf Twitter gezählt.<br />

Ja, da bin ich aktiver, etwa wenn es um den Brexit geht. Ich habe<br />

in London gelebt, arbeite in Newcastle …<br />

… als Music Director des Royal Northern Sinfonia. Wie ist die<br />

Stimmung?<br />

Der Riss geht durch das ganze Land. Es ist ein Trauerspiel.<br />

In Zeiten, in denen Präsidenten Politik auf Twitter machen …<br />

wie nachhaltig sind Retweets im Musikbetrieb?<br />

Anders als manche Kollegen haue ich nicht ständig meine<br />

Meinung heraus. Natürlich sind wir Künstler Botschafter, doch<br />

weniger im plakativ wörtlichen Sinn. Das ist das Schöne an der<br />

Musik: dass sich die Botschaft subtil, vage, gewissermaßen ohne<br />

Worte vermittelt; dass sie unsagbar ist in jederlei Hinsicht. Und<br />

manchmal die Menschen wirklich vereinen kann.<br />

Einst gab es die „Deutsche Klavier-Schule“ um Artur Schnabel,<br />

Edwin Fischer, Wilhelm Backhaus, Walter Gieseking und<br />

Wilhelm Kempff. Wo sind derzeit die deutschen Pianisten, die<br />

eine solche Tradition wiederaufleben lassen könnten?<br />

Ich weiß es nicht. Die alte bildungsbürgerliche Zugewandtheit<br />

scheint ein bisschen verloren gegangen zu sein. In jedem Fall<br />

gibt es Talente. Ich habe allerdings beobachtet, dass man etwa in<br />

Norwegen – um nur ein Land zu nennen – beispielsweise mit<br />

Stipendien, aber auch mit Auftritten mit wichtigen Orchestern<br />

unterstützt wird. In Deutschland habe ich nicht das Gefühl, um<br />

es vorsichtig zu sagen, dass man hier als einheimisches Talent auf<br />

Händen getragen wird.<br />

Auch für die Agenturen scheint es interessanter zu sein, einen<br />

Künstler zu vermarkten, der von weit herkommt und eine<br />

vermeintliche „Story“ hat, als einen jungen Menschen, der in<br />

der deutschen stillen Provinz aufwächst.<br />

Das finde ich auch sehr bedauerlich. Auch ich bekam, nachdem<br />

wir für ein Projekt tolle Musik zusammengestellt hatten, zu<br />

hören: „Where is the story? You have to tell a story!“ Die Story ist<br />

doch die Musik selbst! Junge Künstler bekommen das wie eine<br />

zweite Haut heute mit, versuchen oft Plakatives nach außen zu<br />

tragen. Die musikalische Kernaussage tritt oft leider in den<br />

Hintergrund.<br />

Immer wichtiger wurde auch die Optik.<br />

Aber das wird zur Falle, wenn man sich stets an der eigenen oder<br />

der Jugend anderer misst. Wenn ich an Clara Haskil denke: in der<br />

Erscheinung eher ein graues Mäuschen – aber was hat die für<br />

Musik gemacht! Wie sprechen heute noch von ihr!<br />

In einem Interview sprechen Sie die Schwierigkeit des älter<br />

werdenden Künstlers an.<br />

Ich kann mich ja nicht beklagen. Ich konzertiere weltweit, bin<br />

Chefdirigent bei einem der wichtigsten Kammerorchester<br />

Europas, führe seit über 20 Jahren mein Festival „Spannungen“,<br />

unterrichte als Professor an der Hochschule in Hannover. Doch<br />

als ich älter wurde, warnte man mich. Zwischen 40 und 60 werde<br />

die Vermarktung schwieriger. Da sei man nicht mehr ein junges<br />

Talent, aber auch nicht der „old revered Master‘“ Und eben nur<br />

„old news“. Dabei werden die meisten Musiker in diesem Alter<br />

erst richtig gut!<br />

Kompliment für Ihre Aufrichtigkeit in einer Welt, in der jeder<br />

so tut, als sei er ewig jung!<br />

Auch ich musste dazulernen. Heute mit 49 stehe ich zum Beispiel<br />

offensiv dazu, dass ich fast nicht mehr auswendig spiele. Ich will<br />

mir den Stress nicht mehr antun, denn das lenkt vom wirklichen<br />

Musizieren ab. Ich bin zum iPad-Spieler geworden.<br />

Wie?<br />

Ich habe den iPad im Flügel liegen als Gedächtnisstütze. Mit<br />

einem Bluetooth-Pedal blättere ich mit dem linken Fuß um.<br />

Endlich kann ich mich nur auf die Musik freuen! Liszt hatte das<br />

Auswendigspielen ja eingeführt – auch wegen des zirzensischen<br />

Effekts. Den habe ich nicht mehr nötig.<br />

Im Interview des Booklets zu Ihrem Album mit vier Klaviersonaten<br />

Mozarts sagen Sie, dass Sie sich jetzt mehr trauen, zu<br />

Ihren Gedanken zu stehen.<br />

Früher hatte ich so eine Art Zensor in mir, der mir sagte, wie eine<br />

Bewegung zu sein hat. Jetzt habe ich oft Harnoncourts Bemerkung<br />

im Kopf, der bei der Aufnahme der Mozart-Konzerte mit<br />

Lang Lang sagte: „Ein Leben habe ich darum gekämpft, dass<br />

Achtel nicht ganz rhythmisch sein sollen!“ Genau das ist es,<br />

Musik als rhetorische Deutung, das hält die<br />

Musik lebendig! Vielleicht habe ich jetzt mehr<br />

Mut, weil ich dirigiere.<br />

n<br />

Brahms: Klavierkonzert Nr. 1, Vier Balladen, Lars Vogt, Royal<br />

Northern Sinfonia (Ondine)<br />

FOTO: GIORGIA BERTAZZI<br />

17


K Ü N S T L E R<br />

EIN MOZART-KONZERT HAT SEIN LEBEN<br />

GEPRÄGT UND VERÄNDERT<br />

DIE<br />

VERLOCKUNG<br />

DER TRÄUME<br />

Der Flötist Emmanuel Pahud über musikalische Visionen,<br />

den Dialog mit einer Schreibmaschine<br />

und den Vorteil kosmopolitischer Städte.<br />

VON CORINA KOLBE<br />

Klick, klack, klack – pling! Nicht alle Tage trifft Emmanuel Pahud auf eine so<br />

ungewöhnliche Kammermusikpartnerin. In Olga Neuwirths surreal anmutendem<br />

Werk Aello. Ballet mécanomorphe kommuniziert die Querflöte temperamentvoll<br />

mit einer mechanischen Schreibmaschine. Die Komponistin ließ sich von Bachs<br />

Brandenburgischen Konzerten und von Colette inspirieren. Denn die Pariser Schriftstellerin<br />

hat bei solchen Klängen an eine „göttliche Nähmaschine“ gedacht. „Es ist<br />

verrückter Barock, modern erlebt“, lacht Pahud, der das Stück kürzlich mit Stipendiaten<br />

der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker aufführte. Am Pult stand<br />

die finnische Dirigentin und Neue Musik-Expertin Susanna Mälkki. Zu dem Ensemble<br />

aus Streichern und Bläsern gesellten sich ein Synthesizer-Cembalo in barocker Stimmung,<br />

eine Portiersglocke und ein Triangel mit elektrischem Milchaufschäumer.<br />

„Zeitgenössische Musik ist für mich sehr belebend“, meint der langjährige Soloflötist<br />

der Philharmoniker, der neben seinem Orchesterjob regelmäßig mit eigenen Projekten<br />

rund um den Globus unterwegs ist.<br />

Und so finden sich auch auf seinem neuen Album „Dreamtime“, das er mit dem<br />

Münchner Rundfunkorchester unter Leitung seines Chefs Ivan Repušić aufgenommen<br />

hat, Komponisten der Gegenwart. Der Titel erinnert an das gleichnamige Flötenkonzert,<br />

das der französische Komponist Philippe Hersant vor einigen Jahren für<br />

Pahud geschrieben hat. Dieses Stück, das teils albtraumhafte Züge trägt, ist zwar nicht<br />

auf der CD zu hören – dafür aber das Konzert für Flöte und Kammerorchester von<br />

18 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Mann mit Durchblick:<br />

Vielfalt ist gut für das Leben<br />

und die Kunst<br />

FOTO: JOSEF FISCHNALLER


K Ü N S T L E R<br />

„ZEITGENÖSSISCHE MUSIK IST<br />

FÜR MICH SEHR BELEBEND“<br />

FOTO: JOSEF FISCHNALLER<br />

Krzysztof Penderecki, der wie<br />

Hersant die Grauzonen des<br />

menschlichen Bewusstseins zwischen<br />

Schlafen und Wachen auslotet.<br />

„In Pendereckis Konzert<br />

hat man anfangs das Gefühl, aus<br />

einem schlechten Traum aufzuwachen.<br />

Alles um einen herum<br />

wirkt undeutlich, schattenhaft.<br />

Die Musik lebt von diesem Kontrast,<br />

von dem Kampf zwischen<br />

Schlafen-Wollen und Nicht-<br />

Schlafen-Können“, erklärt er.<br />

„Den Schluss hat Penderecki bei<br />

einer Mondfinsternis geschrieben,<br />

sein Werk endet in einer<br />

Atmosphäre von Ruhe und Verträumtheit.<br />

Er hat selbst angemerkt,<br />

dass er so den Weg zum<br />

Jenseits gefunden hat.“ Zehn<br />

Jahre nach der Uraufführung <strong>19</strong>93 durch den legendären Flötisten<br />

Jean-Pierre Louis Rampal hat Pahud das Werk ebenfalls unter Leitung<br />

Pendereckis mit dem Orchestre de Chambre de Lausanne gespielt.<br />

Bei Tōru Takemitsus I Hear the Water Dreaming verrät bereits<br />

der Titel den Bezug zur Sphäre des Onirischen. Der japanische<br />

Komponist wurde hier von einem Gemälde inspiriert, das auf den<br />

Traumzeit-Mythos der australischen Aborigines Bezug nimmt.<br />

Pahud ist aber längst nicht nur auf Zeitgenössisches spezialisiert, er<br />

hat auch viel Barockmusik und Repertoire aus anderen Epochen<br />

aufgeführt. In der Romantik spielte die Flöte allerdings eine untergeordnete<br />

Rolle. „Damals wurden kaum Werke für dieses Instrument<br />

geschrieben. Man lebte in einer Umbruchzeit. Das änderte<br />

sich erst, als sich mit der Böhm-Flöte die moderne Querflöte durchsetzte.“<br />

Einer der wenigen romantischen Komponisten, die sich für<br />

die Flöte starkmachten, war Carl Reinecke. „Er hat wunderschöne<br />

Musik geschrieben, Ohrwürmer, die jeder summen oder pfeifen<br />

kann. Sein spätes Flötenkonzert D-Dur entstand <strong>19</strong>08, zwei Jahre<br />

vor seinem Tod. Die Faszination der Träumerei in der Musik zieht<br />

sich wie ein roter Faden durch das Album.“<br />

Ferruccio Busonis Divertimento von <strong>19</strong>20 ist für Pahud wiederum<br />

ein Bindeglied zwischen heutigen Komponisten und der<br />

Flötenmusik aus der Zeit Mozarts. Dessen Andante C-Dur KV 315<br />

hat er in all seinen subtilen Farbschattierungen bereits oft auf die<br />

Bühne gebracht. Ohnehin ist der berühmte Salzburger von Kindheit<br />

an einer seiner musikalischen Fixsterne. Als Pahud, der <strong>19</strong>70<br />

in Genf geboren wurde, mit seinen Eltern vorübergehend in Rom<br />

lebte, hörte er im Alter von vier Jahren einen älteren Nachbarsjungen<br />

auf der Flöte musizieren. Sofort war er fasziniert von ihrem<br />

Klang. Vor allem Mozarts Konzert G-Dur ließ ihn nicht mehr los,<br />

sodass er zwei Jahre später selbst begann, die Querflöte zu lernen.<br />

Mit 15 spielte er genau dieses Werk, das ihn elf Jahre vorher inspiriert<br />

hatte, bei seinem ersten<br />

öffentlichen Auftritt als Solist mit<br />

dem belgischen Nationalorchester.<br />

Belgien war es auch, wo er<br />

bereits einen nationalen Wettbewerb<br />

gewonnen hatte. „Das<br />

Mozart-Konzert hat mein Leben<br />

geprägt und verändert“, erinnert<br />

er sich. Zehn Jahre später nahm<br />

er es mit den Berliner Philharmonikern<br />

unter ihrem damaligen<br />

Chef Claudio Abbado auf.<br />

Bereits mit Anfang 20 Soloflötist<br />

und jüngstes Mitglied eines<br />

der weltweit renommiertesten<br />

Orchester zu werden, verdankt<br />

Pahud nicht zuletzt seinem Lehrer<br />

Aurèle Nicolet, einem Studienfreund<br />

jenes Nachbarn in<br />

Rom, dessen Sohn seine Liebe<br />

zur Musik geweckt hatte. Als er den Schweizer Virtuosen bei Auftritten<br />

in Rom erlebte, hatte er den Eindruck, dieser bringe sein<br />

Instrument auf der Bühne zum Glühen: „Er verkörperte für mich<br />

das Ideal eines Flötensolisten.“ Als Pahud bereits mehrere Wettbewerbe<br />

gewonnen und erste Erfahrungen in Orchestern gesammelt<br />

hatte, wurde er einer der letzten Privatschüler Nicolets, der ihn <strong>19</strong>92<br />

mit Erfolg auf den Concours International de Genève und das Probespiel<br />

bei den Berliner Philharmonikern vorbereitete.<br />

Als Orchestermusiker hat er nach der Ära Abbado auch die<br />

Zeit mit Simon Rattle erlebt. Der künftigen Zusammenarbeit mit<br />

Kirill Petrenko, seit August dieses Jahres neuer Chefdirigent des<br />

Orchesters, blickt er freudig entgegen: „Seine Wahl liegt inzwischen<br />

mehr als vier Jahre zurück. Die Lust, miteinander zu musizieren,<br />

hat seitdem immer weiter zugenommen. Mit großer Überzeugungskraft<br />

ergründet Petrenko die Vorstellungen eines Komponisten und<br />

lässt sie als eine Art musikalisches Hologramm im Konzert wiedererstehen.<br />

Daraus resultiert eine Magie, die deutlich zu spüren ist.“<br />

Auch wenn Pahud als Solist und Kammermusiker mehrere<br />

Monate im Jahr auf Reisen ist, fühlt er sich vor allem im kosmopolitischen<br />

Berlin zu Hause. „Von meiner Herkunft her bin ich Franzose<br />

und Schweizer, ich besitze beide Pässe. Als Kind habe ich mit<br />

meinen Eltern in Bagdad, Paris, Madrid, Rom und Brüssel gelebt.<br />

Und seit 30 Jahren bin ich nun Berliner. Die Stadt, in der so viele<br />

Menschen aus unterschiedlichen Nationen zusammenkommen, ist<br />

für mich nach wie vor ein Ort, der einen dazu verlockt, eigene<br />

Träume zu verwirklichen. Im Idealfall entspricht dies auch dem<br />

Leben des Künstlers auf der Bühne.“ <br />

n<br />

Penderecki, Reinecke, Mozart u. a.: „Dreamtime“, Emmanuel Pahud,<br />

Ivan Repušić (Warner Classics)<br />

20 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


LIEBE ZUR ROMANTISCHEN<br />

TRADITION<br />

Anlässlich des 200. Geburtstags lud Andris Nelsons das Skride Piano Quartet ein, Clara Schumanns<br />

Romanzen für Violine und Klavier im Leipziger Gewandhaus zu spielen. Ein Gespräch mit Baiba Skride<br />

über die Vorteile und die Herausforderung, in der heutigen Zeit Künstlerin zu sein.<br />

VON ROLAND H. DIPPEL<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Sie sind eine viel<br />

reisende und verheiratete Musikerin<br />

und Mutter – wie Clara<br />

Schumann. Was ist für Sie heute<br />

anders als in der Mitte des <strong>19</strong>.<br />

Jahrhunderts?<br />

Baiba Skride: Fast alles. Im<br />

Vergleich zu Clara Schumann habe<br />

ich fast nur Vorteile. Dafür bin ich<br />

meinem Mann sehr dankbar. Er hält<br />

in Bad Kreuznach unser Zuhause<br />

zusammen, versorgt die Kinder und<br />

hilft mir bei der Planung von allem.<br />

Das war zur Zeit Robert Schumanns<br />

für einen Familienvater nicht üblich.<br />

Allerdings sind unsere Kinder<br />

bereits sieben und elf Jahre alt.<br />

Meine Abwesenheit ist also eine<br />

verhältnismäßig geringe<br />

Schwierigkeit.<br />

Haben Sie noch offene Wünsche?<br />

Ein Auftritt mit den Wiener<br />

Philharmonikern hat sich bisher<br />

nicht verwirklicht. Das ist ein ganz<br />

großer Wunsch für den Fall, dass ich<br />

noch einige Jahre weitermachen<br />

kann wie bisher. Ich versuche realistisch zu sein: Die Konkurrenz<br />

ist groß. Also muss man mit den Gedanken immer voraus sein,<br />

immer an sich arbeiten, immer weiter üben und das Beste geben.<br />

Bedeutet „sich behaupten“ für Sie eher eine Einschränkung<br />

oder eine Entfaltungsmöglichkeit?<br />

Es ist immer eine große Herausforderung, mit herausragenden<br />

Kollegen und Kolleginnen zu arbeiten. Im Idealfall ergeben sich<br />

langjährige Partnerschaften. So war es bei unserem Klavierquartett.<br />

Mit meiner Schwester, deren Großherzigkeit ich immer<br />

bewundere, bin ich seit Beginn unserer Laufbahn auch musikalisch<br />

sehr vertraut. Aber es ist nicht selbstverständlich, in einem<br />

Ensemble wie unserem Klavierquartett Werke zu erarbeiten und<br />

immer tiefer zu verfeinern. Ich denke, die anstehende Australien-<br />

Tournee wird uns künstlerisch noch enger zusammenbringen.<br />

Vielleicht klappt es sogar mit einem Kompositionsauftrag.<br />

Sie merken: Es überwiegt die Entfaltungsfreiheit.<br />

Wie wichtig sind für Sie Aufnahmen?<br />

Als musikalisches Dokument halte ich Alben für sehr bedeutsam<br />

– nicht als Werbung. Einspielungen sind ein persönliches<br />

Vermächtnis und dokumentieren den Entwicklungsstand zu<br />

einem bestimmten Zeitpunkt. Die persönliche Entwicklung geht<br />

weiter, aber das Dokument – ob wertbeständig oder nicht – bleibt.<br />

Das gilt auch für meine anstehende Gesamteinspielung der fünf<br />

Violinkonzerte von Mozart. Ich will<br />

der Welt das hinterlassen, was ich<br />

empfinde. Ich stehe zu meinem<br />

romantischen Stil und gestehe, dass<br />

ich mit der historisch informierten<br />

Aufführungspraxis nicht so viel<br />

anzufangen weiß. Eine tiefe<br />

Stimmung auf 436 Hz ist für mich<br />

stellenweise sogar schmerzhaft, weil<br />

ich ein höhenorientiertes absolutes<br />

Gehör habe.<br />

Was waren besondere Signalpunkte<br />

in Ihrer künstlerischen<br />

Entwicklung?<br />

Ganz besonders wichtig war für<br />

mich Andris Nelsons, als ich in<br />

Lettland 2001 unter ihm zum ersten<br />

Mal das Beethoven Violinkonzert<br />

spielte. Ich bewundere ihn als<br />

Sinfoniker und bin glücklich, dass<br />

wir uns gefunden haben. Ein anderer<br />

Durchbruch waren zwei Tage<br />

Austausch mit dem Cellisten Boris<br />

Pergamenschikow. Sein unglaubliches<br />

Wissen, seine Hingabe und<br />

seine Liebe zur Musik wurden für<br />

mich essenziell. Nach 20 Jahren denke ich immer noch daran.<br />

Wo fühlen Sie sich in der Musik am wohlsten?<br />

Ich liebe alles ab der Wiener Klassik. Bei Barockmusik haben<br />

andere Künstler mehr zu sagen als ich. Meine Favoriten sind die<br />

Violinkonzerte von Dmitri Schostakowitsch und Béla Bartók. Ich<br />

will mich nicht festlegen. Hier im Gewandhaus denke ich:<br />

Schumann ist genial. Aber ich habe mich auch genauso gefreut<br />

auf die Uraufführung des Violinkonzerts A Portrait of a Lady<br />

by Swan Lake von Viktoria Borissova-Ollas mit dem Royal<br />

Stockholm Philharmonic Orchestra im Konserthuset Stockholm<br />

im September.<br />

Haben Sie enzyklopädische Ansprüche?<br />

Das kommt auf die Komponisten an, nicht auf Trends. Bei den<br />

zehn Beethoven-Sonaten zögere ich, obwohl es keinen besseren<br />

Zeitpunkt der Veröffentlichung gäbe als das Jubiläumsjahr 2020.<br />

Bei Mozart ist das anders. Die fünf Violinkonzerte mit dem<br />

Swedish Chamber Orchestra kommen gerade im richtigen<br />

Augenblick. <br />

n<br />

Béla Bartók: Violinkonzert Nr. 2 und Rhapsodien für Violine und Orchester,<br />

Baiba Skride, WDR Sinfonieorchester Köln, Eivind Aadland (Orfeo)<br />

Track 10 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Konzert für Violine und Orchester<br />

Nr. 2 BB 117 Sz 112. II. Andante tranquillo von Béla Bartók<br />

21


K Ü N S T L E R<br />

IN DER KUNST GIBT<br />

ES KEINEN BESTEN<br />

Er gilt als musikalisches Wunderkind. Bereits mit neun Jahren gab Daniel Lozakovich in<br />

Moskau sein Debüt als Solist. Jetzt hat sich der 18-jährige Geiger wieder Russland zum Thema<br />

gemacht: mit Tschaikowsky. Ein Gespräch über Einsamkeit, Isolation und Melancholie.<br />

VON PATRICK WILDERMANN<br />

FOTO: JOHAN SANDBERG<br />

Das Café „Klein und Kaiserlich“<br />

ist im stilechten<br />

Wiener Plüsch gehalten,<br />

liegt aber nur einen Steinwurf<br />

von der Hamburger<br />

Elbphilharmonie entfernt.<br />

Am Abend hat der Violinist<br />

Daniel Lozakovich<br />

dort seinen Auftritt mit<br />

dem Moscow Chamber<br />

Orchestra. Nichts, was den<br />

gerade 18-jährigen Shootingstar<br />

aus der Ruhe bringen<br />

würde. Er nimmt sich<br />

viel Zeit, um über seine<br />

Tschaikowsky-Aufnahme<br />

„None but the lonely heart“<br />

und die gemischte russische<br />

Seele zu sprechen.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Sind<br />

Städte für Sie mit Musik<br />

verbunden?<br />

Daniel Lozakovich: Es kommt natürlich auf die Stadt an. Jede<br />

hat ihre eigene Kultur, die wiederum eine spezifische Musik<br />

atmet. Wenn es eine Komponistenstadt ist, wird die Inspiration<br />

natürlich größer. In Leipzig spüre ich den Einfluss von Bach, in<br />

Salzburg natürlich den Mozarts. Und in Moskau ist es<br />

Tschaikowsky.<br />

Stellen Sie sich einen Soundtrack zusammen, der Sie auf Reisen<br />

begleitet?<br />

Sobald ich aufwache, höre ich Musik. Heute Morgen war es<br />

Beethoven, die Rasumowsky-Quartette,<br />

Streichquartett<br />

Nr. 7. Es gibt<br />

natürlich auch Momente,<br />

in denen ich mich nach<br />

Stille sehne. Während<br />

eines Konzerts zum<br />

Beispiel (lacht). Da halte<br />

ich es mit Vladimir<br />

Horowitz, der gesagt hat,<br />

es gehe ihm nicht um<br />

Applaus, sondern um<br />

Stille. Natürlich freue ich<br />

mich über Beifall. Aber<br />

echte, konzentrierte Stille<br />

nach einem Stück kann<br />

atemberaubend sein.<br />

Erleben Sie den Hype,<br />

der um Sie tobt, manchmal<br />

wie Lärm?<br />

Nein, um ehrlich zu sein,<br />

denke ich darüber nicht viel nach. Ich bin fast ausschließlich von<br />

großartigen Musikern umgeben, die ich bewundere – und von<br />

Menschen, die mit Musik gar nichts zu tun haben. Das brauche<br />

ich als Ausgleich. Ich habe gerade die Schule abgeschlossen, Gott<br />

sei Dank, die war ein schwerer Rucksack auf meinen Schultern.<br />

Während des Übens kreisten meine Gedanken immer darum,<br />

welchen Unterrichtsstoff ich versäumt habe, welche Prüfungen<br />

anstehen. Jetzt kann ich mich ausschließlich meiner Kunst<br />

widmen, daneben gibt es nichts.<br />

Ihnen werden viele Label verpasst: „Wunderkind“, „Der neue<br />

22 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Menuhin“ – können Sie das beiseiteschieben?<br />

Mit Yehudi Menuhin werde ich verglichen, seit ich zwölf war.<br />

Natürlich ist er einer meiner Lieblingsviolinisten, ich bewundere<br />

ihn grenzenlos, aber mein Spiel ist anders, weil ich eine andere<br />

Persönlichkeit habe, ganz einfach. Wobei es eine Ehre ist, mit ihm<br />

verglichen zu werden – besser als mit einem Stümper! (lacht)<br />

Haben Sie sich dieses Selbstbewusstsein erst aneignen müssen?<br />

Ich hatte immer dieses Vertrauen in mich. Ich weiß gar nicht,<br />

warum. Als ich zum ersten Mal eine Violine gesehen habe,<br />

wusste ich, das ist mein Instrument, ich werde Musiker. Und<br />

nicht bloß irgendeiner, sondern der beste. Damals war ich noch<br />

jung und wusste nicht, dass es den besten nicht gibt. Schon<br />

meinen Eltern zu eröffnen, dass ich Violinist werde, war ein<br />

Beweis von Selbstbewusstsein. Sie sind eben keine Musiker,<br />

meine Mutter war schockiert. Verständlich, wir wissen ja alle, wie<br />

eine Violine klingt, wenn man erst anfängt zu üben. Aber ich<br />

habe sie überzeugt.<br />

Wie ist Ihnen das gelungen?<br />

Meine Mutter wollte, dass ich Tennisspieler werde. Ich habe zu<br />

ihr gesagt, Tennisprofi kann ich nur sein, bis ich 30 bin. Die<br />

Violine kann ich mein Leben lang spielen. Ich bin dann um die<br />

halbe Welt gereist, um gute Lehrer zu finden, das war die größte<br />

Herausforderung. Als ich Josef Rissin in Deutschland getroffen<br />

habe habe, wusste ich sofort: Er ist der Richtige für mich. Bei ihm<br />

habe ich mit elf Jahren zu studieren begonnen, er hat den<br />

Violinisten aus mir gemacht, der ich jetzt bin. Später habe ich<br />

meinen zweiten Lehrer gefunden, der eher ein Coach war und<br />

mittlerweile wie ein zweiter Vater für mich ist, Eduard Wulfson.<br />

Wenn ich auf Tournee bin, ist er immer an meiner Seite.<br />

Im Sport gibt es Ranglisten. In Ihrem Metier ist es schwerer zu<br />

beurteilen, wann die Spitze erreicht ist. Woran merkt man es?<br />

Es nützt jedenfalls nichts, wenn man es nur selbst merkt und<br />

sonst keiner! (lacht) Manche widmen sich der Musik aus vollem<br />

Herzen, aber niemand fühlt mit ihnen, also genügt es nicht.<br />

Andere nähern sich ihr rein intellektuell, das kann sehr langweilig<br />

sein. Erst wenn sich beides verbindet, erreicht man die<br />

Menschen. Aber es gibt in der Kunst nicht den Besten. Wenn Sie<br />

vor einem Gemälde von Rembrandt oder Picasso stehen, stellen<br />

Sie doch auch keine Vergleiche an, oder? Man taucht ganz ein in<br />

deren Welt. Nichts anderes existiert in diesem Moment.<br />

Bringt eine Solokarriere wie Ihre Einsamkeit mit sich?<br />

Gerade vor Konzerten bin ich gern allein. Ich bin so daran<br />

gewöhnt, niemanden zu sehen, dass es zur Normalität geworden<br />

ist. Fast schon zur Sucht (lacht). Aber natürlich kenne ich<br />

Momente von Einsamkeit, in denen ich mich nach der Gesellschaft<br />

von anderen sehne.<br />

Was ist der Unterschied zwischen Einsamkeit und Isolation?<br />

Einsam ist in gewisser Weise doch jeder. Einsamkeit kann<br />

durchbrochen werden. Von jemandem, der sich einem zuwendet.<br />

Aber wenn man isoliert ist, lebt man in der Angst, überhaupt<br />

anderen zu begegnen, denke ich.<br />

Tschaikowsky war sehr isoliert in seiner Zeit.<br />

Einsam und isoliert, ja. Er trug eine so schwere Bürde. Sein<br />

Geheimnis, seine Homosexualität, konnte er niemandem<br />

anvertrauen, ohne schlimme Konsequenzen zu fürchten.<br />

Immerhin hatte er seinen Bruder, dem er sich anvertrauen<br />

konnte.<br />

Das genügte wohl nicht. Auch Vincent van Gogh hatte einen<br />

Bruder, dem er vertraute, aber sie waren sehr einsame Menschen.<br />

Tschaikowsky war in Russland verwurzelt, er trug seine Heimat<br />

immer mit sich, wie ein Kreuz um den Hals. Öffnen konnte er<br />

sich ausschließlich in der Musik. Und das hat er wie kein anderer<br />

Komponist getan. Sein Stil ist natürlich russisch, aber war auch<br />

geprägt von französischen und deutschen Einflüssen, von Mozart<br />

und Beethoven – nicht Brahms! (lacht)<br />

Wie wichtig ist es Ihnen, sich das Universum eines Komponisten<br />

zu erschließen, den Sie spielen?<br />

Ich versuche, über jeden Komponisten so viel wie möglich<br />

herauszufinden. Ich recherchiere, lasse mir Tipps geben, schaue<br />

mir die kompletten Partituren an – vielleicht hat das Werk mir<br />

etwa zu erzählen, das ich sonst nirgends erfahren kann. Wie hat<br />

der Komponist gelebt, wie gefühlt, was war seine Inspiration? Der<br />

Vorgang ist mit Schauspielerei vergleichbar. Große Schauspieler<br />

müssen mit den Figuren eins werden, die sie verkörpern.<br />

Und Sie verschmelzen mit<br />

dem Komponisten?<br />

„WER EIN GEHEIMNIS<br />

MIT SICH HERUM-<br />

SCHLEPPEN MUSS,<br />

KANN SICH<br />

TSCHAIKOWSKY<br />

ANVERTRAUEN“<br />

Ich versuche es. Mein<br />

Violinspiel soll der Musik<br />

helfen. Nicht umgekehrt.<br />

Echte Virtuosität ist für<br />

mich nicht das Protzen mit<br />

technischen Fähigkeiten,<br />

sondern es bedeutet, eine<br />

Komposition bis ins Kleinste<br />

zu verstehen. Nur dann<br />

kann man mit ihr die<br />

Menschen mitreißen,<br />

schockieren, sie schwindeln lassen. Wenn das nicht gelingt, was<br />

vorkommen kann, wird es kein gutes Konzert.<br />

Sie haben Ihr Tschaikowsky-Album in Moskau aufgenommen,<br />

im Heimatland des Komponisten, in dem heute ein ziemlich<br />

homophobes Klima herrscht. War das ein Zwiespalt?<br />

Nein, so habe ich das nicht empfunden. Tschaikowsky ist der Star<br />

in Russland, die Leute verstehen seine Musik, sie berührt jeden.<br />

Wer ein Geheimnis mit sich herumschleppen muss, kann sich<br />

Tschaikowsky anvertrauen. Es war wichtig für mich, das Album in<br />

Russland aufzunehmen. Und vor allem: es mit Maestro Vladimir<br />

Spivakov einzuspielen, der mein erster Dirigent überhaupt war und<br />

der mein Lieblingsviolinist für Tschaikowsky ist.<br />

Eine Rückkehr zu den Wurzeln in jungen Jahren …<br />

Wir haben in derselben Halle gearbeitet, in der ich zum ersten<br />

Mal mit Orchester aufgetreten bin. Ich wollte an diese unvergessliche<br />

Erfahrung anknüpfen und sie neu erfinden, deswegen<br />

musste es auch eine Live-Aufnahme sein.<br />

Wie übersetzt man Gefühle in Musik? Tschaikowskys Méditation<br />

beschreiben Sie selbst als ein Stück von kaum in Worte zu<br />

fassender Melancholie.<br />

Ich gebe zu, das ist schwer. Um Melancholie hörbar zu machen,<br />

muss man sie in sich haben. Manchmal genügt es dafür schon,<br />

sich zurückzuziehen und allein zu sein. Melancholie bedeutet ja<br />

nicht einfach, traurig zu sein. Sie ist ein Schmerz, mit dem man<br />

sich versöhnen kann. Picassos Blaue Periode beschreibt Melancholie<br />

perfekt, Der alte Gitarrenspieler zum Beispiel.<br />

Braucht es so etwas wie die vielbeschworene russische Seele, um<br />

Tschaikowsky ganz durchdringen zu können?<br />

Schwer zu sagen. Ich habe eine Menge russischer Einflüsse in mir,<br />

aber auch viele andere, es ist also eine gemischte russische Seele …<br />

meine Eltern und Großeltern kommen aus Ländern, die mit der<br />

ehemaligen Sowjetunion verbunden waren, natürlich fühle ich<br />

eine Nähe zu Tschaikowsky. Aber das geht mir auch mit deutschen<br />

Komponisten so.<br />

Maestro Spivakov soll gesagt haben: „Jetzt sind Sie für die<br />

nächsten 50 Jahre dran mit diesem Concerto“ …<br />

Spivakovs Aufnahme des Concertos ist für mich und viele andere<br />

die beste aller Zeiten. Natürlich hat mich sein Satz sehr berührt.<br />

Und ich empfinde ihn auch als Verpflichtung. Ich habe mir die<br />

Violine ausgesucht, um sie bis ans Lebensende zu spielen, also<br />

werde ich immer mein Bestes geben.<br />

Béla Bartók: Violinkonzert Nr. 2 und Rhapsodien für Violine und<br />

Orchester, Baiba Skride, WDR Sinfonieorchester Köln, Eivind Aadland<br />

(Orfeo)<br />

n<br />

23


K Ü N S T L E R<br />

FOTO: ANDERS BROGAARD<br />

„ICH SUCHE<br />

KEINE<br />

UNSTERBLICHKEIT“<br />

Gabriela Montero ist die Königin der Interpretation. Eine einfache Melodie genügt,<br />

und sie macht große Musik daraus. Nun legt sie ihr erstes Klavierkonzert vor:<br />

ein politisches Statement, das der Welt zeigen soll, wie Venezuela wirklich ist.<br />

VON JENS F. LAURSON<br />

24 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


D<br />

ie venezolanisch-internationale Pianistin Gabriela<br />

Montero ist auf dem Weg vom Barcelonaer Flughafen<br />

nach Hause, als mein vereinbarter Telefonanruf sie erreicht. Sie parkt<br />

kurzerhand am Straßenrand.<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Wir machen das so kurz und schmerzlos wie<br />

möglich, verspreche ich.<br />

Gabriela Montero: Och, Interviews sind eigentlich meist recht<br />

schmerzlos. Nur wenn ich über spezifische politische Aspekte<br />

befragt werde, kann es manchmal etwas schmerzlich werden.<br />

Weil die Situation – vor allem in Ihrem Heimatland – quälend ist?<br />

Ja, leider. Wir denken oft über Politik nach, als wäre es etwas, was<br />

uns nichts angeht und mit<br />

unserer globalen Gesellschaft<br />

gar nichts zu tun hat. Tatsache<br />

ist, dass Politik in alle Aspekte<br />

unseres Seins hineinspielt. Sie<br />

bestimmt, wie die Welt zusam -<br />

mengefügt ist. Und die Situation<br />

ist schmerzlich. Aber wir<br />

können auch nur über Musik reden. Das soll mir auch recht sein.<br />

Das wird gar nicht so leicht – Ihre Kompositionen sind persönlich-politische<br />

Bekenntnisse. Kommen wir doch gleich zu<br />

Ihrem Latin Concerto. Es ist gerade mit dem Ravel-Konzert<br />

herausgekommen und ist Ihr erstes Klavierkonzert, will man<br />

Ihr Opus 1, ExPatria, als etwas wie eine Rhapsodie für Klavier<br />

und Orchester betrachten.<br />

Ich würde ExPatria als Tondichtung bezeichnen … Ein gänzlich<br />

politisches Statement in musikalischer Form. Als ich über Jahre<br />

konzertierend um die Welt reiste, so viele verschiedene Zuhörer<br />

kennenlernte und gleichzeitig bemerkte, wie viel Unwissen über<br />

Venezuela existiert, wurde mir bewusst, dass ich einen Weg<br />

finden muss, um zu kommunizieren, was in Venezuela wirklich<br />

vor sich geht. Mit dem emotionalen Medium Musik konnte ich<br />

die intellektuelle Diskussion über Politik umgehen und direkt<br />

von dem menschlichen Aspekt und Leid sprechen.<br />

Wenn Sie komponieren, was überwiegt? Die Komponistin, die<br />

eine Aussage treffen will? Oder die Pianistin, die das komponiert,<br />

was sie später gerne selbst auf der Bühne spielt?<br />

In erster Linie sehe ich mich als Interpretin, weil ich Kommunikatorin<br />

bin. Und kommuniziert habe ich schon immer über<br />

meine vielen Improvisationen, aber auch über mein Spiel von<br />

Repertoirestücken. Wenn ich komponiere, dann immer, weil ich<br />

eine Geschichte erzählen möchte: Wer bin ich – als Frau, als<br />

Musikerin, als Venezolanerin –, und was denke ich über die<br />

aktuellen Ereignisse, die sich so sehr auf mein Leben und mein<br />

Land auswirken? Es geht mir dann also nicht so sehr um den<br />

Aspekt der Darbietung, sondern eher darum, Botschafterin zu<br />

sein und ein Dokument zu hinterlassen. Darüber, was die<br />

Venezolaner schon alles haben durchmachen und durchleiden<br />

müssen. Könnte ich Worte benutzen, die genauso wirksam sind,<br />

ich würde Worte wählen. Aber Musik ist so wirkungsvoll in der<br />

Kommunikation, weil sie direkt zum Herzen geht.<br />

So weit ExPatria. Was ich hingegen mit dem Latin Concerto<br />

kommunizieren will, ist das: Ja, Südamerika ist ein Kontinent, der<br />

bekannt ist für seine Rhythmen, seine Buntheit, seinen Geist. Für<br />

seinen Humor, die Sinnlichkeit seiner Länder und Leute. Auch für<br />

eine Einstellung, die es irgendwie immer schafft, allen Schwierigkeiten<br />

und Extremen zu trotzen. Das Konzert ist eine Reflexion<br />

über die Tatsache, dass das zwar alles irgendwie zutrifft, aber dass<br />

Land und Kontinent noch so viel mehr sind. Insbesondere auch,<br />

„ICH KOMPONIERE, WEIL ICH<br />

EINE GESCHICHTE ERZÄHLEN MÖCHTE“<br />

dass es da eine ganz beachtliche dunkle Seite gibt. Klar kann man<br />

davon die Rhythmen und Melodien, die Spritzigkeit und Leuchtkraft<br />

mitnehmen. Aber es gibt zuhauf Schatten, die unsere<br />

Entwicklung und unser Wohlergehen gefährden. Diese Botschaften<br />

über die dunkleren Seiten unserer Natur sind mit eingebettet.<br />

Es gibt in der klassischen Musik einen Topos des „lateinamerikanischen<br />

Klangs“ – bei dem südamerikanische Lebendigkeit<br />

schnell kippt und man meint, Speedy Gonzalez höchstpersönlich<br />

wäre mit den Maracas davongelaufen. Das passiert in Ihrem<br />

Konzert nicht – weil Sie auch die dunkleren Seiten ansprechen?<br />

Ja, die Tendenz zu einer Karikatur des Lateinamerikanischen gibt<br />

es leider. Diese Idee, dass sich<br />

in Lateinamerika alles um<br />

Spaß, Sonne, Strand, Musik<br />

und Mojitos dreht … So ist es<br />

nicht. Die Realität ist weitaus<br />

komplexer und grausamer als<br />

das, worüber die Leute wirklich<br />

reden wollen. Mein Ziel ist es,<br />

unter die Oberfläche zu kommen, um wirklich herauszufinden,<br />

was in diesen Ländern los ist. Und natürlich hat Musik ihre<br />

Grenzen – sie kann sehr abstrakt sein. Deshalb halte ich den<br />

Begleittext zum Konzert für wichtig. Man mag den Pajarillo (ein<br />

typisch venzuelanischer Tanz, dem Joropo ähnlich) im dritten<br />

Satz hören und denken: „Oh, das ist wunderbar tanzbare Musik.“<br />

Aber das ist sie nicht wirklich. Es ist vielmehr ein Versuch, ein<br />

Porträt meiner Kultur zu malen, mit allen Ecken und Kanten. Es<br />

ist wie ein vorgehaltener Spiegel, durch den ein langer Sprung<br />

geht. Man hört zwar den Mambo, aber man ahnt unterschwellig<br />

die Belastungen … Und das sogar ziemlich brutal.<br />

Denken Sie schon an den Moment, in dem Ihr Konzert von<br />

jemand anderem aufgeführt werden wird?<br />

Bisher habe nur ich meine Stücke gespielt. Aber es wird interessant<br />

werden, sollte es dazu kommen. Weil es doch irgendwie wie<br />

bei einem eigenen Kind ist: Man muss lernen loszulassen. Ich<br />

vermute, das wird am Anfang schwierig sein … Es ist ja auch ein<br />

bisschen so, wie ich das Leben sehe: Ich erschaffe etwas, ich<br />

entwerfe etwas – und dann gehe ich weiter. Ich suche keine<br />

Unsterblichkeit, ich habe kein Interesse daran, der Komponist mit<br />

dem größten Portfolio zu werden, ich habe kein Interesse daran,<br />

der größte Name in irgendetwas zu werden. Es geht mir darum,<br />

Fingerabdrücke zu hinterlassen: Wie ich gelebt habe, was ich<br />

gesehen habe, was ich für wichtig halte – und darüber zu sprechen.<br />

Gespräche anzustoßen, ja, zu provozieren. Und dann<br />

blättere ich um und mache weiter.<br />

Sie wohnen in Barcelona …<br />

Na ja, eher mehr „überall“. Aber meine Garderobe – zumindest<br />

ein Teil davon – ist in Barcelona, ja. (lacht)<br />

… und davor haben Sie in Kalifornien gelebt: Ist es wichtig,<br />

dass es, wo immer Sie leben, großartigen Wein gibt?<br />

Um ehrlich zu sein, habe ich darüber nie wirklich nachgedacht.<br />

Ich glaube, es sagt mir eigentlich mehr über Sie. (lacht) Aber ich<br />

mag Wasser – ich lebe auf jeden Fall gerne in der Nähe von<br />

Gewässern. Und guten Flughäfen. Und natürlich guten Freunden,<br />

das ist das Wichtigste!<br />

n<br />

Ravel: „Klavierkonzert G-Dur“; Montero: Klavierkonzert Nr. 1 „Latin<br />

Concerto“, Gabriela Montero (Orchid Classics)<br />

Track 7 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Klavierkonzert G-Dur. II. Adagio assai von Maurice Ravel


K Ü N S T L E R<br />

MEHR VERRÜCKTHEIT<br />

WAGEN<br />

Ein genialer Widerspruch: distinguierte Nachdenklichkeit und Passion. Céline Moinet, Solistin,<br />

Lehrerin und Solo-Oboistin der Sächsischen Staatskapelle, vereint sie aufs Schönste.<br />

VON ROLAND H. DIPPEL<br />

FOTO: FRANÇOIS SECHET<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Alte Musik ist für Sie Neuland. Jetzt haben Sie<br />

mit dem Orchester l’arte del mondo Werke von Bach und<br />

Marcello eingespielt. Wie kam es dazu?<br />

Céline Moinet: Die Arbeit an einem Album beginnt nie erst vor<br />

den Mikrofonen. Seit dem Beginn meiner Professur an der<br />

Hochschule 2013 erweitert sich mein Spektrum innerhalb der<br />

Alten Musik. Zum Beispiel spielen meine Studierenden regelmäßig<br />

im Kantaten-Projekt von Hans-Christoph Rademann. Die<br />

Oboe hat in Bachs Kantaten herausragende Bedeutung. Sie singt<br />

und kommentiert. Deshalb wollte ich mich selbst aktiv mit<br />

diesem Repertoire auseinandersetzen. Werner Ehrhardt war<br />

dafür der richtige Partner, weil er sich nie mit standardisierten<br />

Lösungen zufriedengibt.<br />

Derzeit ist das künstlerische Angebot bei Bach riesig. Wäre da<br />

nicht eine andere Werkauswahl naheliegender?<br />

Es geht um meinen Klang und meine Vorstellungen auf Basis der<br />

historisch informierten Aufführungspraxis. Es geht auch darum,<br />

mit Respekt mögliche Freiheiten auszukosten. Von dem Cembalisten<br />

Massimiliano Toni erhielt ich tolle Anregungen. Er hatte<br />

für das Adagio im d-moll-Konzert und den ersten Satz im<br />

26 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Herausragende<br />

NEUHEITEN<br />

bei Sony Music<br />

F-Dur-Konzert verrückte Ideen, die ich mir davor nie gestattet<br />

hätte. Er ermutigte mich zu mehr Improvisationen und einem<br />

individuellen Umgang mit den Noten. Auf einmal wird es<br />

faszinierend, was man aus einer einfachen Melodie wie der im<br />

zweiten Satz von Marcellos d-moll-Konzert herausholen kann.<br />

Wir haben mit Originalinstrumenten gespielt, allerdings auf<br />

443 HZ. Im Alltag ist die moderne Oboe mein Instrument,<br />

Barockoboe spiele ich erst in zweiter Linie.<br />

Was ist denn der Unterschied zwischen alten und neuen Oboen?<br />

Barockoboen klingen natürlicher und lassen sich einfacher<br />

spielen. Der Anstoß bei neuen Instrumenten ist generell schwerer<br />

und auch der Druck, den man geben muss. Alte Instrumente sind<br />

flexibler. Ästhetische Vorstellungen spielen jetzt eine größere<br />

Rolle. Der Klang ist heute, fast sage ich leider, viel dunkler als<br />

noch in den <strong>19</strong>70er- und <strong>19</strong>80er-Jahren. Damit geht eine stärkere<br />

Unbeweglichkeit der Materialien der Instrumente einher.<br />

Wo haben Sie Freiheiten zwischen Erwartungshaltungen und<br />

Gestaltungswillen?<br />

Ich denke nicht in der Kategorie „Freiheit“, sondern „Anspruch“.<br />

Diesen kann ich bestimmen, aber nicht meinen Körper und nicht<br />

den Eigenklang. Sänger haben kaum Einfluss auf ihr Stimmmaterial,<br />

sondern auf den Umgang damit. Ich kann mich dem<br />

Stil verschiedener Ensembles oder Dirigenten nur annähern. Das<br />

solistische Spiel fördert meine eigene Neugier und meine<br />

Erfahrung, die ich den Studierenden weitergeben will.<br />

Wie sind Ihre Aufgaben zwischen den Positionen verteilt?<br />

Als Solo-Oboistin habe ich eine Vollzeitstelle, als Professorin eine<br />

halbe. Diese Zahlen sagen aber wenig, weil mir die Professur und<br />

ihre Aufgaben sehr am Herzen liegen. Mehr als zwei Soloauftritte<br />

im Monat sind bei guter Vorbereitung schwierig. Aber ich<br />

gewinne für Kammermusik oder Auftritte als Solistin vor allem<br />

der Solokonzerte von Mozart und Strauss eine ganz andere<br />

Ebene, weil ich die Erfahrung des Gleichgewichts mit dem<br />

Orchester einbringen kann.<br />

Die Sächsische Staatskapelle hat eine große eigene Tradition.<br />

Wie nehmen Sie diese wahr?<br />

Als ich im Jahr 2008 mit 23 Jahren in Dresden anfing, war ich<br />

erstaunt – und ich konnte das nach meiner für eine Solokarriere<br />

exzellenten Ausbildung am Conservatoire de Paris gar nicht<br />

wissen: Vor allem von älteren Kollegen habe ich Zurückhaltung<br />

gelernt. Extrovertierte Körperbewegungen beim Musizieren passen<br />

nicht zum Stil des Hauses. Wir präsentieren uns als homogenes<br />

Kollektiv. Jede Stimme ist wichtig. Der als typisch empfundene so<br />

weiche und runde Klang entsteht aus diesem Selbstverständnis.<br />

Was wäre, wenn Sie sich jetzt entscheiden müssten, wichtiger:<br />

die Solistenkarriere oder das Orchester?<br />

Als Solistin brauche ich das Gefühl des Loslassens. Vor zehn<br />

Jahren nahm ich bei der Staatskapelle ein Urlaubsjahr und hatte<br />

während dieser Zeit nur Kammer- und Soloauftritte. Danach<br />

wusste ich: Ich brauche das Orchester. Fehler sind auch bei<br />

geringer Risikobereitschaft nirgends auszuschließen. Stressresistenz<br />

bleibt also eine der wichtigsten Eigenschaften in unseren<br />

Berufen. Das ist für mich im Orchestergraben, wenn beim Solo in<br />

der Florestan-Arie aus Fidelio ein besonders langsames Tempo<br />

gewünscht wird, nicht anders als bei Robert Schumann oder im<br />

Solopart des Oboenkonzerts von Strauss. Solche Adrenalinstöße<br />

beflügeln mich immer. <br />

n<br />

Bach: Oboenkonzerte, Céline Moinet, L’arte del mondo,<br />

Werner Ehrhardt (Berlin Classics)<br />

Track 3 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Konzert A-Dur BWV 1055.<br />

II. Larghetto<br />

Martin Stadtfeld Händel<br />

Martin Stadtfeld präsentiert seine ganz persönlichen Lieblingsstücke<br />

von Händel, die er selbst für Klavier bearbeitet hat.<br />

Mit Ombra mai fù, Sarabande, Lascia ch’io pianga u. a.<br />

Ensemble<br />

des<br />

Jahres<br />

Erhältlich ab 8.11.<br />

www.martinstadtfeld.de<br />

Arcadi Volodos Schubert<br />

Die lang erwartete neue Einspielung von Arcadi Volodos.<br />

Mit Schuberts später Sonate D 959 und drei Menuetten<br />

D 334, D 335 und D 600. Erhältlich ab 1.11.<br />

www.volodos.com<br />

Opus Klassik<br />

20<strong>19</strong><br />

Lautten Compagney Circle Line<br />

Die Lautten Compagney und Wolfgang Katschner verbinden<br />

600 Jahre Musikgeschichte mit Werken von Guillaume Dufay,<br />

Philip Glass, Steve Reich, John Cage u.a.<br />

www.lauttencompagney.de<br />

WWW.SONYCLASSICAL.DE<br />

27


K Ü N S T L E R<br />

BEGNADETER BARDE<br />

Der Bariton Konstantin Krimmel kann allein mit seiner Stimme Geschichten erzählen –<br />

und macht damit das Lied zur Oper. VON STEFAN SELL<br />

Da kommt eine wirklich aufregende, frische, neue<br />

Stimme auf uns zu. Sie weiß uns wundervolle Geschichten<br />

zu erzählen, völlig ungetrübt, klar und verständlich, im Timbre aber<br />

ein emotionales Spektrum von betrübt, besorgt, hässlich hassend bis<br />

ängstigend schreiend, wie auch heiter, froh, liebend, leicht und übermütig,<br />

ja versöhnend und betörend. Der deutsch-rumänische Bariton<br />

Konstantin Krimmel singt mit großer Hingabe zum Detail, folgt den<br />

Nuancen zwischen Wort und Ton bis in die kleinste Nische und ist<br />

dabei so reich an leidenschaftlicher Ausdruckskraft, dass der 26-Jährige<br />

20<strong>19</strong> zum Gewinner und Publikumspreisträger des Deutschen<br />

Musikwettbewerbs avancierte, darüber hinaus beim Internationalen<br />

Gesangswettbewerb „Das Lied“ den zweiten Preis bekam und wieder<br />

Publikumspreisträger wurde.<br />

Das jetzt erschienene Debütalbum „Saga“ eröffnet mit Tom der<br />

Reimer von Carl Loewe. Als hätte er alle Zeit der Welt, singt Krimmel<br />

wundervoll unangestrengt und schwebt heiter durch die Zeilen,<br />

in der Stimmführung auch bei leisen Tönen stets kraftvoll und erdverbunden.<br />

Silbe für Silbe, Wort für Wort zieht er die Zuhörer in<br />

seinen Bann. Was war die Intention?<br />

„Unser Anliegen war es, unterschiedliche Komponisten zu<br />

mischen, eine Bandbreite an Farben in den verschiedenen Vertonungen<br />

und Erzählungen zu zeigen, durch die ein roter Faden fließt.<br />

Wir haben viel gesammelt und geschaut, was könnte dazu passen.“<br />

Balladen sind es, die hier den roten Faden spinnen. Das wird im<br />

Booklet sehr schön beschrieben, worin auch die renommierte Liedexpertin<br />

Susan Youens ihr Wissen eingebracht hat.<br />

„Wir wollten die ganze Geschichte – die Saga – mit etwas Schönem<br />

beginnen, uns mit Tom der Reimer langsam vorarbeiten, um<br />

uns dann immer tiefer nach unten zu graben.“ Ein treffendes Bild,<br />

galt doch das Bergwerk, das Graben in die Welt unter Tage zur Zeit<br />

der Romantik als Vorstoß ins Unbewusste. Der Spannungsbogen<br />

ist gelungen. So heiter beschwingt der Reigen beginnt, er mündet<br />

mit Odins Meeresritt in Tod und Verderben.<br />

Krimmel offenbart eine große Vielfalt. In Schumanns Belsazar<br />

werden exaltierter Größenwahn und dessen fatale Folgen zum Greifen<br />

nah. „Wenn sich hier Belsazar völlig irre wie auch selbstbewusst<br />

gegen Gott stellt, dann darf das auch dementsprechend kräftig klingen,<br />

da muss man einfach zupacken und sich nicht hinter großer<br />

Liedtechnik verstecken. Für mich heißt das, einfach ein bisschen<br />

weitergehen, wenn es hässlich ist, dann darf man auch hässlich werden<br />

und hässlich singen. Das hilft der Geschichte, gibt ihr eine gute<br />

Basis.“ Genau das ist in Schuberts Zwerg zu hören, wenn Krimmel<br />

ganz in dessen Haut geschlüpft selbst zum verstoßenen Wesen wird,<br />

weil seine Geliebte, die Königin, ihn verlassen hat. In Jensens Waldgespräch<br />

wächst und wächst seine Stimme und kulminiert im Schrei.<br />

In Loewes Erlkönig ist er auf allen vier Ebenen präsent. Man spürt<br />

die intensive Auseinandersetzung mit der Rolle des Beobachters,<br />

den angstvollen Hilferufen des Kindes, den nichts ahnenden Beruhigungen<br />

des Vaters bis hin zum trügerisch verklärten wie verführerischen<br />

Ton des Erlkönigs. Krimmel ist jedem Charakter innig<br />

verwoben, gibt jeder Figur ihren eigenen Ton. Dabei klingt seine<br />

Stimme unglaublich gereift, was erstaunt, wenn man weiß, wie jung<br />

er noch ist.<br />

Ziehen ihn seine schauspielerischen Fähigkeiten letztendlich<br />

zur Oper? „Für mich haben alle drei Sparten, Lied, Konzert und<br />

Oper, einen sehr hohen Stellenwert. Dennoch bedeutet mir persönlich<br />

das Lied am meisten, denn Belsazar und Erlkönig sind eigentlich<br />

kleine Opern für sich, eine Oper erzählt in fünf bis sechs Minuten,<br />

da ist alles drin, was eine Oper hat. Da ist die Liebe, das Leid, der<br />

Tod, alle Facetten einer Oper finden sich hier in fantastische Musik<br />

gepackt. Meine Pianistin und ich, wir können hier gestalten und so<br />

erzählen, wie wir uns das vorstellen. Genau das finde ich eine fantastische<br />

Sache.“<br />

Die kongeniale Partnerin an seiner Seite ist Doriana Tchakarova<br />

– sie haben sich gesucht und gefunden, in Ausdruck, Detailstärke<br />

und Raffinesse. Wie passgenau ihrer beider Kunst ineinandergreift,<br />

das macht ihr Spiel derzeit zu den aufregendsten und<br />

spannendsten Events der Liedkunst. Das heißt nichts anderes, als<br />

sich einfach hinzugeben und zuzuhören.<br />

n<br />

Schumann, Loewe, Jensen, Schubert: „Saga“,<br />

Konstantin Krimmel, Doriana Tchakarova (Alpha)<br />

Track 9 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Waldesgespräch von Adolf Jensen<br />

FOTO: DANIELA RESKE<br />

28 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


HÖREN & SEHEN<br />

Die besten CDs, DVDs & Vinylplatten des Monats von Oper über Jazz bis Tanz<br />

Das Erbe des schwedischen Komponisten Wilhelm Stenhammar in einer Box (Seite 36)<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Empfehlungen lesen und direkt kostenlos dabei anhören?<br />

Kein Problem: Auf www.crescendo.de finden Sie unsere Rezensionen mit direktem Link zum Anhören!<br />

Steven McRae<br />

Virtuose Soli<br />

Seine Mutter war „Sisi“, sein Vater Kaiser Franz Joseph. Trotzdem war das Leben<br />

von Kronprinz Rudolf nicht märchenhaft. Die kühle Beziehung zu den Eltern, seine<br />

arrangierte Ehe und politische Intrigen setzten dem Habsburger so zu, dass er<br />

sich mit Alkohol, Morphium und Affären betäubte; mit 31 erschoss er seine<br />

Geliebte Mary und sich auf Schloss Mayerling. Mit dem gleichnamigen Handlungsballett<br />

hat Choreograf Kenneth MacMillan Rudolfs Schicksal <strong>19</strong>78 im Londoner<br />

Royal Opera House auf die Bühne gebracht; bis heute steht es dort auf dem Spielplan.<br />

Bei der 2018 aufgezeichneten Aufführung brilliert Steven McRae als Rudolf in<br />

virtuosen Soli und intensiven Pas de Deux mit Partnerinnen wie Sarah Lamb und<br />

Laura Morera. Physisch und psychisch ist das so herausfordernd, dass dieser Part<br />

als „Mount Everest“ der männlichen Hauptrollen im Ballett gilt. Den arbeitsreichen<br />

Weg dorthin zeigen zwei Bonus-Tracks mit Einblicken in den Probensaal und<br />

McRaes Reha-Training, das ihn nach einer Verletzung wieder fit machte. ASK<br />

TANZ<br />

Kenneth MacMillan: „Mayerling“, Steven McRae,<br />

Sarah Lamb, Laura Morera u. a., The Royal Ballet<br />

(Opus Arte)<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE<br />

29


H Ö R E N & S E H E N<br />

Daniel Behle<br />

Musikalische<br />

Charakterstudien<br />

GESANG<br />

Sie zählen zu den bekanntesten Figuren der Operngeschichte<br />

und haben mit ihrem Charme, ihren Gefühlsausbrüchen<br />

und Beziehungsturbulenzen schon verschiedenste<br />

Bühnen erobert. Ob Tamino oder Don Ottavio, ob Belmonte<br />

oder Idomeneo – sie alle verführen in ihren Partien<br />

mit Mozarts origineller und melodienreicher Tonsprache.<br />

Auf seinem Album „Zero to Hero“ versammelt der Tenor<br />

Daniel Behle nun all jene Figuren und überzeugt mit seiner<br />

schlanken und lebendigen Interpretation ihrer legendären<br />

Arien. Dabei vermag er es, jeden Einzelnen von Mozarts<br />

Operncharakteren hintergründig und stimmlich virtuos in<br />

Szene zu setzen und die jeweilige Persönlichkeit feinsinnig<br />

zu ergründen. Mit dem L’Orfeo Barockorchester steht dem<br />

Sänger dabei ein ungemein wendiger und ebenso transparent<br />

wie musikantisch aufspielender<br />

Klangkörper zur Seite, der ihn bei<br />

seinen musikalischen Charakterstudien<br />

kongenial begleitet. DW<br />

Wolfgang Amadeus Mozart: „Zero to Hero“,<br />

Daniel Behle, L’Orfeo Barockorchester,<br />

Michi Gaigg (Sony)<br />

FOTO: LUCIA HUNZIKER<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Concerto Köln<br />

Demut und<br />

Draufgängertum<br />

Es zeugt von der überreichen Fülle der Musikliteratur, dass es immer<br />

noch neue Schätze und unbekanntere Komponisten zu entdecken<br />

gibt. Einer davon ist der Italiener Francesco Geminiani, der zu Lebzeiten<br />

in einem Atemzug mit Händel und Corelli genannt wurde. Das<br />

Orchester Concerto Köln sorgt mit seinem neuen Album dafür, dass<br />

dies auch heute wieder der Fall sein könnte. Die „Quintessenz“ seines<br />

Werks haben die Musiker ausgewählt, verschiedene Stücke, allesamt<br />

Concerti Grossi, die ihm besonders viel bedeuteten und seine<br />

Kunst eindrücklich wiedergeben. Das Ergebnis ist ein ausgesprochen<br />

kurzweiliges und tänzerisch anmutendes Porträt des barocken Meisters,<br />

wobei Concerto Köln die farbenreiche Musikwelt Geminianis<br />

mit großer Spielfreude, Feingespür für die dynamischen Nuancen und<br />

einer stimmigen Mischung aus Demut und Draufgängertum erkundet.<br />

Ein lohnender Griff in die musikalische Schatzkiste!<br />

DW<br />

Francesco Geminiani: „Quinta Essentia“, Concerto Köln<br />

(Berlin Classics)<br />

Track 4 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Concerto grosso op. 7<br />

Nr. 6 B-Dur. VI. Adagio – Allegro assai – Adagio<br />

KAMMER-<br />

MUSIK<br />

Jóhann Jóhannsson<br />

Große Ruhe<br />

„12 Conversations with Thilo Heinzmann“ hört man sich<br />

am besten auf Vinyl (gibt es!) an, in einem Loft in Berlin.<br />

Rauschebart, Hosenträger, dicke Hornbrille, Weste und<br />

„Kreissäge“ auf dem Kopf, optional, aber hilfreich. Das<br />

letzte Werk des isländischen Film- und Elektronikkomponisten<br />

(und Filmemachers) Jóhann Jóhannsson, bevor<br />

Kokain ihm 2018 den Lebensfaden abschnitt, war ein<br />

Streichquartett in 12 Sätzen eben dieses Namens. Entstanden<br />

ist es als eine Art Kollaboration mit dem Künstler des<br />

Titels, vor dessen Bild Ohne Titel, 2011 (viel weiß, mit feinen<br />

schwarzen Tuschesprenkeln) Jóhannsson lange saß und<br />

komponierte. Der postminimalistische Ton von Jóhannsson<br />

gibt sich wie der gemeinsame Nenner von Philip Glass,<br />

Max Richter und Brian Eno. Das belgische Streichquartett<br />

Echo Collective spielt das meditativ wirkende Werk mit<br />

großer Ruhe. Die Gespräche zwischen Auftraggeber,<br />

Maler und Komponist, die dem<br />

Werk ebenfalls – abstrakt –<br />

zugrunde liegen, fließen nur so<br />

dahin, 40 Minuten lang. JFL<br />

Jóhann Jóhannsson: „12 Conversations with<br />

Thilo Heinzmann“, Echo Collective (DG)<br />

30 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Chor des Bayerischen Rundfunks<br />

Wehmutsvolle Atmosphäre<br />

„Wer Dvořáks Stabat mater, die Urfassung<br />

von 1876, im Blindtest verkosten<br />

müsste, würde auf eine harte Probe<br />

gestellt“ – so das Begleitheft zur<br />

stimmungsvollen Einspielung dieses<br />

GESANG<br />

ungewöhnlichen geistlichen Werkes.<br />

Wie unbegründet diese Sorge ist, zeigt<br />

der Chor des Bayerischen Rundfunks<br />

in den knapp 60 Minuten schauervoll-trauriger Klagemusik.<br />

Chor und Solisten beschwören von Anfang an eine<br />

Atmosphäre tieftrauriger, wehmutsvoller, aber auch<br />

hoffnungsvoller Affekte. Besonders hervorzuheben ist die<br />

schöne Homogenität des Chorklangs, die vom ersten Moment<br />

an überzeugt. Auch die Solistenensembles, wie etwa der<br />

Beginn des Quando corpus morietur, sind sehr gut musiziert:<br />

Artikulation, Intonation und Ausdruck lassen keine Wünsche<br />

offen und bei dieser wehmutsvollen Musik auch kaum ein Auge<br />

trocken. Einzig schade: Das distanzierte und dünne Klangbild<br />

der Aufnahme schafft eine gewisse emotionale Distanz zwischen<br />

Sängern und Text. AF<br />

Antonín Dvořák: „Stabat Mater“, Julia Kleiter, Gerhild Romberger u. a.,<br />

Chor des Bayerischen Rundfunks, Howard Arman (BR Klassik)<br />

Track 5 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Eja, mater, fons amoris<br />

Carlos Cipa<br />

Ein großer Wurf<br />

Zwischen Improvisation und ausgeklügelter Kompositionsund<br />

Klangkunst pendelt der Münchner „Neo-Klassik-Pianist“,<br />

Multiinstrumentalist und Komponist Carlos Cipa auf seinem<br />

neuen Album „Retronyms“. Der Begriff steht für den<br />

kulturellen Wandel, durch den Altes einen neuen Namen<br />

bekommt. Alle gespielten Tasten-, Saiten- und Blasinstrumente<br />

behalten ihre Ursprünglichkeit und klingen doch –<br />

einem Vexierspiel gleich – wie in neuem Gewand. Das<br />

organische Spiel in geradezu chemischer Verbindung mit den<br />

synthetisch-elektronischen Klängen ist schlicht deliziös. Es<br />

geht Cipa bei allem Können nicht um vordergründige<br />

Virtuosität, sondern um den Ton an sich und sein Verknüpfungspotenzial<br />

im Klang. Ein großer<br />

Wurf, der die Raffinesse besitzt, sich<br />

jenseits aller Genres auf vielfältige<br />

Weise der Stille zu nähern. Das erinnert<br />

an die legendären Alben „Spirit<br />

of Eden“ und „Laughing Stock“ der<br />

Post-Avantgarde-Band Talk Talk. SELL<br />

Carlos Cipa: „Retronyms“ (Warner)<br />

SOLO<br />

KAMMER-<br />

MUSIK<br />

Danish String Quartet<br />

Reise über<br />

Epochen<br />

Wie ein Prisma einen Lichtstrahl aufspaltet, so sprengt Ludwig van Beethoven in seinen<br />

fünf späten Streichquartetten die musikalischen Ideen seines Idols Bach auf. Für das Danish<br />

String Quartet gab es bei der ersten Begegnung mit dem „späten Beethoven“ keinen intuitiven<br />

Zugang. „Es fühlte sich an, als wäre es aus dem Weltraum auf unsere Notenständer<br />

gefallen“, schreiben sie im Booklet ihrer CD. Um immer tiefer in diese Musik aus einem<br />

scheinbar anderen Universum einzutauchen, haben sie das Projekt „Prism“ ins Leben gerufen.<br />

Jedes Album ist eine Reise von einer Bach-Fuge aus dem Wohltemperierten Clavier über<br />

das davon geprägte späte Beethoven-Quartett bis hin zu einem modernen Werk, das wiederum<br />

von Beethovens Komposition inspiriert ist. Auf „Prism II“ bedeutet das: von Bachs<br />

h-Moll-Fuge einen Sprung zu Alfred Schnittkes Drittem Streichquartett vollziehen, um dann<br />

zurückzukehren zu Beethovens Streichquartett Nr. 13. Die wilde, spannende Reise mit den<br />

perfekt aufeinander – und auf alle Epochen – eingespielten Dänen endet im großen Finale:<br />

der Großen Fuge, die Beethovens Streichquartett beschließt. SK<br />

Ludwig van Beethoven, Alfred Schnittke, Johann Sebastian Bach: „Prism II“, Danish String Quartet (ECM)<br />

FOTO: CAROLINE BITTENCOURT<br />

31


H Ö R E N & S E H E N<br />

Otto Klemperer<br />

Als dirigiere Beethoven selbst<br />

London im Sommer <strong>19</strong>70: Vor der Royal Festival Hall kampieren die<br />

Menschen, um sich Eintrittskarten für die Generalprobe zu sichern.<br />

Doch der Star, auf den sie warten, ist nicht John Lennon oder Paul<br />

McCartney, sondern ein 85 Jahre alter knorriger Herr „mit düster<br />

brennenden Augen und bleichen Wangen“ (Lotte Lehmann): Otto<br />

Klemperer. Die letzte aller Sinfonien Beethovens steht auf dem Programm,<br />

und jeder im Publikum ahnt, dass mit dem alten Herrn auf der<br />

Bühne, der da unsentimental, präzise, mit durchdringendem Blick dirigiert,<br />

nicht nur eine Ära zu Ende geht, sondern ein Zeitzeuge allmählich<br />

verschwindet, der noch die Großen seines Jahrhunderts wie Mahler,<br />

Zemlinsky, Strawinsky, Hindemith, Schönberg oder Janáček<br />

kannte. Und so freut man sich ein halbes Jahrhundert später, dass<br />

Klemperer, der TV-live-Aufzeichnungen hasste,<br />

sie ausnahmsweise zuließ. „Es ist, als dirigiere<br />

uns Beethoven selbst“, brachte es ein Musiker<br />

auf den Punkt. TPR<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

Ludwig van Beethoven: „Symphonies 1-9“, New Philharmonia<br />

Orchestra, Otto Klemperer (Zweitausendeins)<br />

Paulin Bündgen<br />

Abwechslungsreich<br />

So raumfüllend kann Alte Musik sein. Grandios, wie das französische<br />

Ensemble Céladon unter der Leitung des Countertenors Paulin Bündgen<br />

hier einen vergessenen Meister geistlicher Musik zum Leben<br />

erweckt. Natale Monferrato (1603–1685) war seinerzeit Maestro di<br />

cappella an der Basilica di San Marco, dem Markusdom in Venedig. Es<br />

sind Motetten für Solostimme aus dem Jahre 1666, die zwischen Rezitativ<br />

und Arie changieren, aus der Zeit, als die Oper gerade erst zum Leben<br />

erwacht war. Hat auch Monferrato ausschließlich geistliche Musik<br />

geschrieben, so hört man in den vorgestellten Werken durchaus eine<br />

Liebe zur Oper. Gleich zu Beginn klingt das Sic ergo Jesu so abwechslungsreich,<br />

als säße man in der Oper, und in allen Teilen so ausgewogen,<br />

als wollte die Musik dem Goldenen Schnitt entsprechen. Monferrato<br />

nannte sie „meine musikalischen Seufzer“. In<br />

dieser Weltersteinspielung füllen sie auch den<br />

Raum des Herzens! SELL<br />

Natale Monferrato: „Salve Regina“, Paulin Bündgen,<br />

Ensemble Céladon (Ricercar)<br />

Track 6 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Sic ergo Jesu de Sacramento<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Thomas Ravenscroft u. a.: „Air Music. Tales of Flying Creatures and<br />

Heavenly Breezes“, Katharina Bäuml, Capella de la Torre (dhm)<br />

FOTO: ANDREAS GREINER-NAPP<br />

Katharina Bäuml<br />

Luftige Musik<br />

Luft liegt in der Musik des 15. und 16. Jahrhunderts.<br />

Das beweist die 20 Werke umfassende Einspielung der<br />

Capella de la Torre unter Katharina Bäuml. Sie ist das<br />

dritte Album des Ensembles, das sich nach Wasser und<br />

Feuer einem Element widmet. Das allen Stücken<br />

gemeinsame „Luftige“ präsentiert sich hier vorwiegend<br />

in flüssigen Tempi und beschwingten Charakteren.<br />

Dabei wird Luft in höchst unterschiedlichen Dimensionen<br />

bespielt und besungen: als Naturphänomen und<br />

Lebensraum (Westwind und Vögel), als göttliches und<br />

mystisches Element (Atem und Windsbraut) und in ihrer<br />

träumerischen und sorglosen Dimension (Luftschlösser<br />

und Luftikus). Die versammelten Themen sind oft naheliegend,<br />

zum Teil überraschend. Das umgekehrte Verhältnis<br />

aber bietet sich musikalisch auf dieser im Übrigen<br />

vorzüglich und so wunderbar lustvoll musizierten<br />

Aufnahme, die mit großen Komponisten und hübschen<br />

Entdeckungen aufwartet. UH<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Antoine Tamestit und Masato Suzuki<br />

Warme Klangfarben<br />

Nicht mit der in der Originalausgabe dafür vorgesehenen Viola da Gamba,<br />

sondern mit seiner – teils mit Darmsaiten bezogenen – Viola interpretiert<br />

Bratscher Antoine Tamestit Bachs Gambensonaten (BWV 1027–1029) und<br />

die Arienbearbeitung Ergieße dich reichlich. Sein Instrument, die<br />

„Mahler“-Stradivari (1672), ist selbst ganze 13 Jahre älter als Bach. Ob das<br />

hörbar ist? In jedem Fall ist es ein spannender Gedanke. Mit großer Eleganz<br />

und Verve lassen Tamestit und Alte-Musik-Experte Masato Suzuki am<br />

Cembalo die Meisterwerke erklingen. Die warmen Klangfarben, die sie finden,<br />

scheinen ideal für diese Musik. Bach war womöglich selbst Bratscher.<br />

Sein Sohn Carl Philipp Emanuel schreibt 1774 in einem Brief über seinen<br />

Vater: „Als der größte Kenner und Beurtheiler der<br />

Harmonie spielte er am liebsten die Bratsche.“ Bach<br />

als passionierter Bratscher? Diese Idee gefiel<br />

Tamestit und verleitete ihn zu dieser brillanten<br />

Aufnahme. SK<br />

Johann Sebastian Bach: „Sonatas“, Antoine Tamestit, Masato Suzuki<br />

(Harmonia Mundi)<br />

Track 2 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Sonata BWV 1028. III. Andante<br />

32 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


GESANG<br />

Edith Mathis<br />

Silberglänzende Stimme<br />

Als lyrischer Sopran war Edith Mathis jahrzehntelang an bedeutenden<br />

Opernhäusern gefragt. In ihrer Geburtsstadt Luzern debütierte sie<br />

<strong>19</strong>57 als Zweiter Knabe in Mozarts Zauberflöte. Es folgten Engagements<br />

in Köln, Berlin, Hamburg, London, München, New York und Wien.<br />

Auch als Liedsängerin feierte sie große Erfolge. In der Reihe historischer<br />

Aufnahmen vom Lucerne Festival hat Audite einen Live-Mitschnitt<br />

ihres ersten Liederabends bei den Internationalen Musikfestwochen<br />

Luzern <strong>19</strong>75 veröffentlicht. Begleitet von dem Pianisten Karl<br />

Engel, interpretiert sie mit silbriger Zartheit Werke von Mozart bis<br />

Strauss und Bartók. Der Musikkritiker Jürgen Kesting bescheinigt ihr in<br />

seinem Buch „Große Stimmen“ ein „Höchstmaß an Natürlichkeit und<br />

Eloquenz“. Ungekünstelt, farbenreich und ausdrucksvoll interpretiert<br />

sie hier folkloristische Dorfszenen von Bartók, Deutsche Volkslieder von<br />

Brahms, Schumanns als Hochzeitsgeschenk für<br />

seine Frau Clara geschriebene Myrthen-Lieder<br />

oder Strauss-Lieder wie Die Nacht aus dem frühen<br />

Opus 10. CK<br />

Wolfgang Amadé Mozart, Béla Bartók u. a.: „Selected Lieder“,<br />

Edith Mathis, Karl Engel (Audite)<br />

AKTUELLE<br />

HIGHLIGHTS<br />

GIUSEPPE VERDI: Rigoletto<br />

1 Blu-ray: 751704<br />

1 DVD: 751608<br />

Stephen Costello<br />

Vladimir Stoyanov<br />

Melissa Petit<br />

Miklos Sebestyen,<br />

Katrin Wundsam<br />

Prague Philharmonic Choir<br />

Wiener Symphoniker<br />

Enrique Mazzola<br />

Bregenzer Festspiele 20<strong>19</strong><br />

Diese Neuproduktion von Verdis Rigoletto eröffnete die Bregenzer Festspiele<br />

20<strong>19</strong>. Der Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl erschuf ein Opernspektakel<br />

der ganz besonderen Art. Jetzt erhältlich auf DVD und Blu-ray.<br />

ALTE<br />

MUSIK<br />

Claude Starck<br />

Erhabene Eleganz<br />

„Vivaldi? Bei dem klingt doch immer alles gleich!“ Wer so denkt, wird<br />

sich auch für diese Doppel-CD nicht erwärmen. Es handelt sich um<br />

Aufnahmen von neun Cellosonaten des Komponisten, die der Schweizer<br />

Cellist Claude Starck bereits <strong>19</strong>75 eingespielt hat. Drei davon hatte<br />

Starck damals neu entdeckt. Liebhaber der erhabenen Eleganz von<br />

Vivaldis Musik dürfen sich über das Album freuen: Starck spielt die<br />

Sonaten ausgezeichnet, legt besonders viel Ausdruck in die langsamen<br />

Sätze und spart nicht am Vibrato. Seine Kollegen Isolde Ahlgrimm<br />

(Cembalo) und Mischa Frey (Cello) begleiten ihn mit der gebührenden<br />

vornehmen Zurückhaltung. Das Klangbild der Aufnahmen ist zwar aufgrund<br />

ihres Alters nicht 100-prozentig klar, aber immer noch von<br />

erstaunlich hoher Qualität. Etwas lieblos im<br />

Hinblick auf die inhaltliche Gestaltung zeigt sich<br />

das Booklet. Für Vivaldi-Fans trotzdem sehr zu<br />

empfehlen! JH<br />

Antonio Vivaldi: „9 Cello Sonatas“, Claude Starck,<br />

Isolde Ahlgrimm, Mischa Frey (Tudor)<br />

Jürgen Bruns<br />

Eine Entdeckung<br />

ORCHES-<br />

TER<br />

Diese CD ist fast ein Muss, denn Hanns Eislers Filmmusiken und sinfonische<br />

Derivate daraus schlagen Brücken zwischen konträren Politsystemen,<br />

kulturellen Strömungen und musikalischen Klangsprachen des<br />

20. Jahrhunderts. Am Beginn steht Eislers als Fragment hinterlassene,<br />

später von Tilo Medek vollendete und in dieser Gestalt am 8. <strong>Oktober</strong><br />

<strong>19</strong>98 im Gewandhaus uraufgeführte Leipziger Sinfonie. Eislers Musik<br />

schärfte sich an Arbeiten für den amerikanischen und den französischen<br />

Film nicht minder als im von ihm entscheidend beeinflussten Musikleben<br />

der DDR, mit der ihn eine an Widersprüchen reiche und spannungsgeladene<br />

Beziehung verband. Beide Klangkörper wollten das nicht nur<br />

brillant überflügeln: Unter Jürgen Bruns klingt Eisler so schroff und<br />

Prokofieff-nah wie selten. Anscheinend klar<br />

deutbare Klangpartikel umhüllen andere Sinnebenen<br />

wie ein Panzer. Eine durch strukturierte<br />

Wildheit beeindruckende Entdeckung. DIPP<br />

Salzburger Festspiele 2018<br />

GIOACHINO ROSSINI:<br />

Ricciardo e Zoraide<br />

1 Blu-ray: 752704<br />

2 DVDs: 752608<br />

Pretty Yende<br />

Juan Diego Flórez<br />

Sergey Romanovsky<br />

Victoria Yarovaya<br />

Nicola Ulivieri<br />

Coro del Teatro Ventidio Basso<br />

Orch. Sinf. Nazionale della RAI<br />

Giacomo Sagripanti<br />

GIOACHINO ROSSINI:<br />

L'Italiana in Algeri<br />

1 Blu-ray: 80<strong>19</strong>04<br />

2 DVDs: 801808<br />

Cecilia Bartoli<br />

Ildar Abdrazakov<br />

Edgardo Rocha<br />

Alessandro Corbelli<br />

Jose Coca Loza<br />

Rebeca Olvera<br />

Philharmonia Chor Wien<br />

Ensemble Matheus<br />

Jean-Christophe Spinosi<br />

Cecilia Bartolis sängerisch und schauspielerisch mitreißender Auftritt als Isabella<br />

in Rossinis L'Italiana in Algeri bei den Salzburger Festspielen 2018 war ohne<br />

jeden Zweifel eine regelrechte Sternstunde des Rossini-Jahres 2018.<br />

Anlässlich des 200. Jahrestages der Premiere der Rossini-Rarität inszenierte das<br />

Rossini-Opernfestival in Pesaro Ricciardo e Zoraide mit einer nie dagewesenen All-<br />

Star-Besetzung: Juan Diego Flórez gibt sein Debüt als der Kreuzritter Ricciardo.<br />

Hanns Eisler: „Leipzig Symphony“ u. a., MDR-Sinfonieorchester<br />

Leipzig, Kammersymphonie Berlin, Jürgen Bruns (Capriccio)<br />

33<br />

Im Vertrieb der NAXOS DEUTSCHLAND GmbH<br />

www.naxos.de · info@naxos.de · www.naxosdirekt.de


H Ö R E N & S E H E N<br />

IMPRESSUM<br />

VERLAG<br />

Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München<br />

Telefon: +49-(0)89-74 15 09-0, Fax: -11, info@crescendo.de, www.crescendo.de<br />

Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger<br />

und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring<br />

HERAUSGEBER<br />

Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de<br />

VERLAGSLEITUNG<br />

Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de<br />

ART DIRECTOR<br />

Stefan Steitz | steitz@crescendo.de<br />

LEITENDE REDAKTEURIN<br />

Barbara Schulz | schulz@crescendo.de<br />

RESSORTS „HÖREN & SEHEN“ UND „ERLEBEN“<br />

Ruth Renée Reif | reif@crescendo.de<br />

RESSORT „STANDARDS”<br />

Klaus Härtel | haertel@crescendo.de<br />

RESSORTS „KÜNSTLER“ UND „LEBENSART“<br />

Barbara Schulz | schulz@crescendo.de<br />

SCHLUSSREDAKTION<br />

Maike Zürcher<br />

KOLUMNISTEN<br />

Axel Brüggemann, Paula Bosch, Ioan Holender,<br />

Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Axel Brüggemann, Roland H. Dippel (DIP), Ute Hamm (UH),<br />

Klaus Kalchschmid (KLK), Sina Kleinedler (SK), Katherina Knees (KK),<br />

Corina Kolbe (CK), Guido Krawinkel (GK), Jens F. Laurson (JFL), Anna Mareis (AM),<br />

Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Antoinette Schmelter-Kaiser (ASK),<br />

Fabian Stallknecht (FS), Dorothea Walchshäusl (DW), Patrick Wildermann.<br />

VERLAGSREPRÄSENTANTEN<br />

Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de<br />

Kulturbetriebe: Dr. Cornelia Engelhard | engelhard@crescendo.de<br />

Touristik & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de<br />

Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de<br />

AUFTRAGSMANAGEMENT<br />

Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de<br />

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Nr. 23 vom 01.09.20<strong>19</strong><br />

DRUCK<br />

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ERSCHEINUNGSWEISE<br />

<strong>CRESCENDO</strong> ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert häusern, im<br />

Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei träge<br />

bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des<br />

Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung,<br />

auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.<br />

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Verbreitete Auflage:<br />

75.034 (lt. IVW-Meldung 1I/20<strong>19</strong>)<br />

ISSN: 1436-5529<br />

(TEIL-)BEILAGEN / BEIHEFTER:<br />

Bayerischer Rundfunk, Tiroler Festspiele Erl<br />

DAS NÄCHSTE <strong>CRESCENDO</strong><br />

ERSCHEINT AM 29. NOVEMBER 20<strong>19</strong>.<br />

<strong>CRESCENDO</strong><br />

unterstützt<br />

Diyang Mei<br />

Bestechend schöner Ton<br />

Eine Chaconne (in etwas langsamerem Tempo Passacaglia genannt)<br />

beinhaltet Variationen über ein vier- bzw. achttaktiges Thema im Bass;<br />

und es ist durchaus ungewöhnlich, dieser neben der Fuge strengsten<br />

musikalischen Form eine ganze CD zu widmen. Doch Diyang Mei, der<br />

letztjährige erste Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs, der diese<br />

CD-Aufnahme als Sonderpreis von Genuin „geschenkt“ bekam, ist ein<br />

Meister der Bratsche. Er spielt mit so reinem, schönem Ton und artikuliert<br />

so differenziert, hat dabei immer Form und Ausdruck gleichermaßen<br />

im Blick, dass die barocke Komplexität Bachs (Partita BWV 1004)<br />

und Franz Xaver Bibers ebenso klar wie spröder Hindemith klingt und<br />

Brittens wild gezackte Ciaccona aus seiner Zweiten<br />

Cellosuite genauso bestechend daherkommt<br />

wie abschließend die chromatische Studie<br />

György Ligetis aus seiner Bratschen-Sonate. KLK<br />

Johann Sebastian Bach, Benjamin Britten u. a.: „Transforming<br />

Viola“, Diyang Mei (Genuin)<br />

Ensemble BachWerkVokal<br />

Wunderbares Debüt<br />

SAKRALE<br />

MUSIK<br />

Mit den Zeilen Cantate Domino („Singet dem Herrn“) promulgierte<br />

Papst Eugen IV. auf dem Florentiner Konzil 1442, dass es Seelenheil nur<br />

für jene geben könne, die dieser Aufforderung folgten. Mag sein, dass<br />

viele mit dem seinerzeit autoritären Anspruch der (katholischen) Kirche<br />

heute nicht mehr viel anfangen können. Doch die Musik, die diesen<br />

Zeilen unterlegt wurde, bewegt immer noch, unabhängig davon, ob<br />

man gläubig ist oder nicht. Neben Bachs Kantate Singet dem Herrn ein<br />

neues Lied BWV <strong>19</strong>0 und der Motette BWV 225 spielt das junge Salzburger<br />

Ensemble BachWerkVokal Werke von Buxtehude, Händel und Telemann.<br />

Und: Mozarts meisterhaften neunstimmigen Rätselkanon Cantate<br />

Domino KV 73r, der Mozarts eigenwilliges Verhältnis zur Religion und<br />

Kirche ausdrückt. Ein „Schmankerl“, wie Dirigent<br />

Gordon Safari sagt. Doch seine Aufnahme<br />

ist mehr als das. Ein wunderbares Debüt! TPR<br />

Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Georg<br />

Philip Telemann u. a.: „Cantate Domino“, Ensemble BachWerk-<br />

Vokal, Gordon Safari (MDG)<br />

Corinne Winters<br />

Wunderbare Sängerdarsteller<br />

SOLO<br />

Zwei Halbbrüder, ein im Wald aufgegriffenes Mädchen, Mutter, Großvater,<br />

der Enkel, ein altes, düsteres Schloss und Debussys feine Seismografen-Musik:<br />

Maeterlincks Symbolismus-Drama Pelléas et Mélisande<br />

handelt von komplexen Beziehungen unter ungleichen Menschen.<br />

Regisseur Dmitri Tcherniakov setzt dieses Geflecht in einer schicken<br />

De signer-Dachwohnung mit Blick auf dichtes Blätterwerk dem Licht<br />

aus. Golaud (Kyle Ketelsen) ist Psychoanalytiker und Mélisande seine<br />

Patientin, später Frau: Corinne Winters bleibt im Kapuzenpulli zutiefst<br />

seelisch verletzt, zumal der Mann sie nach anfänglicher Behutsamkeit<br />

brutal unter Druck setzt. Viel wird imaginiert, auch Pelléas (Jacques<br />

Imbrailo) hypnotisiert Mélisande und versetzt sie an einen Brunnen<br />

oder in eine düstere Grotte. Das geht unter die<br />

Haut dank Tcherniakovs psychologisch genauer<br />

Personenführung (in den Zwischenspielen wird<br />

subtil weitererzählt), wunderbarer Sängerdarsteller<br />

und der Philharmonia Zürich, die unter Alain<br />

Altinoglu diffizile Leuchtkraft entfaltet. KLK<br />

Claude Debussy: „Pelléas et Mélisande“, Jacques Imbrailo,<br />

Corinne Winters, Kyle Ketelsen u. a., Philharmonia Zürich,<br />

Alain Altinoglu, Dmitri Tcherniakov, Oper Zürich (BelAir)<br />

OPER<br />

34 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


H Ö R E N & S E H E N<br />

SOLO<br />

Annelien Van Wauwe<br />

Musik aus goldenen Zeiten<br />

Pure Schönheit zum Anhören – was könnte sich da besser<br />

eignen als Musik aus der sogenannten Belle Époque? Ihr<br />

hat die belgische Klarinettistin und ARD-Preisträgerin<br />

Annelien Van Wauwe mit dem Orchestre National de<br />

Lille unter der Leitung von Alexandre Bloch eine CD<br />

gewidmet. Darauf versammelt sind Stücke für Klarinette<br />

und Orchester aus dieser Zeit: von Debussy, Brahms,<br />

Gabriel Pierné und Charles-Marie Widor. Es sind Werke<br />

aus dem klarinettistischen Kernrepertoire mit kammermusikalischem<br />

Ursprung. Deren Klavierpart wurde (viel)<br />

später sinfonisch arrangiert und schlägt so zusammen mit<br />

einer zeitgenössischen Komposition von Manfred Trojahn<br />

eine Brücke zu heute. In dieser Besetzung scheint der<br />

Glanz vergangener Zeiten umso deutlicher hervorzutreten.<br />

Der ursprünglich intime Charakter muss keinem<br />

„Sologehabe“ weichen, und es gelingt ein einfühlsames<br />

Porträt der Klarinette als Instrument<br />

voll Raffinesse und Farbigkeit. UH<br />

„Belle époque“, Annelien Van Wauwe, Orchestre<br />

National de Lille, Alexandre Bloch (Pentatone)<br />

Track 8 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Canzonetta von Gabriel Pierné<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE<br />

Brigitte Fassbaender<br />

Kein Blatt vor<br />

den Mund<br />

Zur Masse der Sänger-Memoiren verhält sich<br />

die Autobiografie von Brigitte Fassbaender<br />

wie der Grand Cru zum Landwein, sie spielt in<br />

einer ganz anderen Liga. Dass wir es mit einer<br />

der intelligentesten und reflektiertesten Sängerinnen<br />

der jüngeren Operngeschichte zu<br />

tun haben, übersetzt sich auf jeder Seite. Sie<br />

hat eine Menge zu sagen und nimmt kein Blatt<br />

vor den Mund, ohne sich als Letztinstanz zu<br />

gerieren. Anschaulich, lebendig, präzise und<br />

mit bemerkenswerter Offenheit, die auch die<br />

Krisen und Zweifel nicht ausspart, erzählt sie<br />

und lässt den Leser ihre große Karriere miterleben:<br />

von Kindheit und Jugend als Tochter<br />

des berühmten Sänger-Vaters über die<br />

Anfänge bis hin zu den Triumphen auf den<br />

bedeutendsten Bühnen der Welt. Die zweite<br />

Hälfte ist der zweiten Karriere als Regisseurin<br />

und Intendantin gewidmet, in einem Probentagebuch<br />

ihrer Inszenierung von Brittens<br />

Sommernachtstraum in Amsterdam gewährt sie<br />

einen faszinierenden<br />

Blick in die Werkstatt.<br />

Ein rundum großartiges<br />

Buch. FS<br />

Brigitte Fassbaender:<br />

„,Komm’ aus dem Staunen<br />

nicht heraus‘. Memoiren“<br />

(C. H. Beck)<br />

BUCH<br />

Leopold Mozart<br />

Künstlerbiografie<br />

und Lokalgeschichte<br />

<strong>19</strong>98 erschien die bislang einzige Biografie über<br />

Leopold Mozart von Erich Valentin. Ihr gegenüber<br />

hat das Buch von Silke Leopold die bessere<br />

Lesbarkeit und Übersichtlichkeit voraus. Denn<br />

die Autorin (Monteverdi, Händels Opern) gliedert<br />

prägnant (Der Sohn des Buchbinders, Der Musiker,<br />

Der Komponist, Der Schriftsteller, Der Ratgeber, Der<br />

Großvater), bündelt Biografisches und würdigt<br />

den Künstler in eigenen Kapiteln. Man erfährt<br />

unter anderem, was eine Litanei für 40-stündige<br />

Osterfeierlichkeiten ausmacht, welche Besonderheiten<br />

Leopold Mozarts Missa solemnis prägen,<br />

wie er in anderen Gattungen komponierte<br />

und was seine „Violinschule“ berühmt werden<br />

ließ. Ein Viertel des Buchs widmet Silke Leopold<br />

unter Der Wegbereiter allzu ausgiebig den Reisen<br />

des Vaters mit seinem kleinen Wolfgang und<br />

dem „Nannerl“. Viele Kapitel aber binden Leopold<br />

Mozarts Denken, Wirken und Leben eng in<br />

die Lokalgeschichte und die Beschreibung des<br />

kulturellen Lebens in Augsburg und Salzburg ein,<br />

was diese Monografie zu<br />

einer Einführung in<br />

mehrfacher Hinsicht<br />

macht. KLK<br />

Silke Leopold: „,Ein Mann von<br />

vielen Wirtz und Klugheit‘.<br />

Leopold Mozart. Eine<br />

Biographie“ (Bärenreiter)<br />

BUCH<br />

Martin Klessinger<br />

Liebe zur Musik<br />

Für einen Autodidakten hat uns der emeritierte<br />

Chemieprofessor Martin Klessinger<br />

(geboren <strong>19</strong>34) in seinem geschichtlichen<br />

Überblick Die Musik der Oper (einer<br />

Kompaktversion seines Hauptwerks<br />

O wie ängstlich, o wie feurig ... von 2009 im<br />

selben Verlag) eine Menge Interessantes<br />

mitzuteilen. Gängige Beurteilungen wechseln<br />

mit persönlichen Beobachtungen.<br />

Die schmale Auswahl der Werke ist<br />

bewusst subjektiv (keine Zauberflöte, kein<br />

Ring, kein Falstaff, keine Tosca, keine<br />

Salome), aber ich wundere mich doch<br />

über die Germanozentrik und das völlige<br />

Fehlen von Mussorgski und Janáček. Stattdessen<br />

final die Stahlbetonästhetik Aribert<br />

Reimanns, wo sich die Grenzen der<br />

analytischen Betrachtung offenbaren. Eine<br />

wertvolle Ergänzung zu gängigen Konzertführern<br />

mit ihrer Handlungsfixierung<br />

ist das Buch allemal mit seinem Fokus auf<br />

die Musik, zu welcher der Autor ein spürbares<br />

Liebesverhältnis hat. Zu bedauern<br />

ist das liederliche<br />

Lektorat. CS<br />

Martin Klessinger:<br />

„Die Musik der Oper<br />

und ihre Entwicklung<br />

von den Anfängen bis<br />

zur Gegenwart“<br />

(agenda)<br />

35


H Ö R E N & S E H E N<br />

Unerhörtes & neu Entdecktes<br />

von Christoph Schlüren<br />

AUTHENTISCHER<br />

STENHAMMAR<br />

Archivschätze erinnern an einen der bedeutendsten schwedischen Meister<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts.<br />

Das schwedische Label Caprice hat eine Vier-CD-Box<br />

„The Heritage of Wilhelm Stenhammar“ veröffentlicht,<br />

auf der vor allem viel Wirbel um den Dirigenten<br />

Tor Mann (1894–<strong>19</strong>74) gemacht wird, der mit Aufnahmen<br />

von <strong>19</strong>38 bis <strong>19</strong>49 und Proben zur Zweiten<br />

Sinfonie von <strong>19</strong>59 vertreten ist. Bookletautor Carl-Gunnar Ahlen<br />

feiert ihn denn auch (ausschließlich auf Schwedisch) exklusiv. Doch<br />

die eigentliche Sensation der Box entgeht ihm: CD vier stellt<br />

Aufnahmen der Göteborger Symphoniker unter Sixten Eckerberg<br />

(<strong>19</strong>09–<strong>19</strong>91) vor, die zwischen <strong>19</strong>45 und <strong>19</strong>48 gemacht wurden. Es<br />

sind diese Dokumente, die nunmehr das Maß bilden für künftige<br />

Aufführungen.<br />

Wilhelm Stenhammar (1871–<strong>19</strong>27) war nicht nur einer der<br />

großen schwedischen Komponisten – in einer Generation, die mit<br />

Alfvén, Rangström und Atterberg mindestens drei weitere international<br />

bedeutende Kaliber aufzuweisen hat –, sondern überhaupt<br />

einer der bedeutendsten Meister seiner Epoche. Da er aber nicht zu<br />

den expliziten Neuerern zählt, sondern in vollendeter Weise die<br />

große sinfonische Tradition weiterentwickelte, wird er von den<br />

Historikern gerne übersehen. Wie sein großer Dresdner Kollege<br />

Paul Büttner war Stenhammar ein phänomenaler Kontrapunktiker,<br />

vollendeter Harmoniker, Erfinder herrlicher Melodien, glanzvoller<br />

Orchestrator und Beherrscher der großen Form. Stenhammars<br />

Streichquartette zählen zum Großartigsten, was die Gattung nach<br />

Beethoven hervorbrachte. Als Dirigent wusste er um alle Wirkungen<br />

des Orchesters, und man kann in seiner Musik durchaus Spuren<br />

von Bach, Beethoven, Bruckner, Brahms oder Sibelius lokalisieren,<br />

ohne dass er ein Epigone wäre.<br />

Stenhammar war lange Jahre Musikdirektor<br />

der Göteborger Symphoniker, und die Aufnahme<br />

seiner Zweiten Sinfonie – des prachtvollsten Orchesterwerks<br />

aus seiner Feder – unter Eckerberg entstand<br />

zehn Jahre nach seinem Tod. Erstmals<br />

kann man hier hören, wie die Satzcharaktere<br />

und diffizilen Übergänge tatsächlich dem Willen<br />

des Komponisten entsprachen. Kein Wunder,<br />

denn im Orchester saßen noch viele Musiker,<br />

die unter Stenhammars Leitung gespielt<br />

hatten! Und Eckerberg, den heute fast niemand<br />

mehr kennt, erweist sich als äußerst versierter und feinnerviger<br />

Dirigent. Nie habe ich den Übergang zum zweiten Thema im Kopfsatz<br />

annähernd so plausibel gehört. Nie hat der – von ferne in der<br />

Fugencharakteristik an das Finale aus Beethovens Hammerklaviersonate<br />

erinnernde – Schlusssatz eine so entfesselt wilde und zugleich<br />

bezwingend zusammenhängende Wirkung entfaltet. Hätte es eines<br />

letzten Beweises bedurft, dass diese Sinfonie sich würdig in die<br />

Nachfolge von Bruckner und Brahms einreiht und ebenbürtig neben<br />

den berühmtesten Zeitgenossen bestehen kann, so ist er hier<br />

erbracht. Die weiteren Werke unter Eckerberg sind übrigens nicht<br />

weniger fesselnd vorgetragen, vor allem das Zweite Klavierkonzert<br />

mit dem unvergesslichen Hans Leygraf, den viele Pianisten noch<br />

als legendären Mentor aus Salzburg kennen.<br />

Neben diesen sensationellen Archivschätzen seien einige weitere<br />

wertvolle historische Einspielungen genannt: Hindemiths<br />

Kontrapunktmeisterwerk Ludus tonalis, <strong>19</strong>65 von der Edwin-<br />

Fischer-Schülerin Käbi Laretei mit überlegenem Strukturverständnis<br />

und pianistischer Klasse dargeboten (Decca Eloquence); bei APR<br />

ein Querschnitt durch die frühen Aufnahmen des großen australischen<br />

Pianisten William Murdoch (1888–<strong>19</strong>42), der bei Beethoven<br />

schlagend beweist, wie fern in den <strong>19</strong>20er-Jahren romantische<br />

Klischees sein konnten, bei de Falla mit vollendet spanischem Idiom<br />

besticht und überall Klavierspiel in höchster Vollendung, geleitet<br />

von einem untrüglich natürlichen Zugang zum Wesen der Musik,<br />

offenbart; und bei Nimbus eine zweite Folge von Aufnahmen des<br />

großen britischen Leschetitzky-Schülers und pazifistischen Helden<br />

Frank Merrick (er ging im Ersten Weltkrieg für seine Überzeugung<br />

ins Gefängnis), diesmal auf vier CDs mit dem unverkennbaren<br />

Geiger Henry Holst in Sonaten von Arnold Bax,<br />

Edmund Rubbra, Gunnar de Frumerie, Max Reger,<br />

Frederick Delius und Edward Isaacs, mit Bernard<br />

Stevens’ zeitloser Fantasia on a Theme of Dowland<br />

als innigem Höhepunkt – ein Muss für alle Neugierigen,<br />

die substanzielle Entdeckungen jenseits des<br />

Mainstreams für möglich halten.<br />

n<br />

„The Heritage of Wilhelm Stenhammar“ (Caprice); Paul Hindemith:<br />

„Ludus Tonalis“, Käbi Laretei (Decca Eloquence); „The complete Columbia<br />

solo electrical recordings“, William Murdoch (APR); Arnold Bax: „Legend,<br />

Ballad, Violin Sonatas“ u. a., Frank Merrick, Henry Holst (Nimbus)<br />

36 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Vincent Dumestre<br />

Doppelbödige Kirchenmusik<br />

SAKRALE<br />

MUSIK<br />

Gregorio Allegris Miserere war lange von einem Mysterium umgeben. Um 1630 schrieb er seine A-cappella-Fassung des<br />

Bußpsalms 51, den auch Orlando di Lasso und Giovanni Pierluigi da Palestrina vertonten. Der Vatikan hielt das doppelchörige<br />

Werk, das nur in der Karwoche gesungen wurde, bis ins späte 18. Jahrhundert unter Verschluss. Zum 20. Gründungsjubiläum<br />

beschäftigt sich das französische Alte-Musik-Ensemble Le Poème Harmonique mit Verzierungen und Transpositionen,<br />

die im Lauf der Zeit hinzukamen. Auf dem Album „Anamorfosi“ widmen sich die Musiker unter Leitung von Vincent<br />

Dumestre außerdem Komponisten aus der Renaissance und dem Barock, die weltliche Melodien für die Verwendung in<br />

der Kirche umarbeiteten.<br />

Unter der Maske des Sakralen fanden amouröse Turbulenzen, Schlachtenlärm und theatralische Auseinandersetzungen<br />

Einlass in die Gotteshäuser. Im Pianto della Madonna übertrug Claudio Monteverdi sein Lamento d’Arianna, die Klage<br />

der von Theseus verlassenen Ariadne, auf die Jungfrau Maria. Virgilio Albanese machte aus Monteverdis von Liebesschmerz<br />

erfülltem Madrigal Si dolce è’l tormento ein Loblied auf das Märtyrertum: Si dolce è ’l martire. Auch Luigi Rossi,<br />

Marco Marazzoli und Domenico Mazzocchi schlugen Brücken zwischen der weltlichen und der geistlichen Sphäre. Bei<br />

Anamorphosen in der bildenden Kunst sind perspektivisch verzerrte Details nur mit einem Spiegel oder Prisma zu<br />

erkennen. Den Schlüssel zu den doppelbödigen Kompositionen liefert hier die Stückauswahl auf dem Album.<br />

Le Poème Harmonique hat außerdem eine hörenswerte Doppel-CD mit „Airs de cour“ herausgebracht – Kunstlieder,<br />

die am französischen Königshof bis zu den frühen Jahren Ludwig XIV. gesungen wurden. Eine Box mit 20 CDs, auf der<br />

ältere Aufnahmen zusammengestellt sind (siehe auch Rätsel S. 38), rundet das Jubiläumsangebot ab. CK<br />

„Anamorfosi“ und „Airs<br />

de cour“, Le Poème<br />

Harmonique, Vincent<br />

Dumestre (Alpha)<br />

Track 1 auf der<br />

<strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD:<br />

Que feray-je? von<br />

Jean Boyer<br />

(auf „Airs de cour“)<br />

GESANG<br />

Andrè Schuen<br />

Wandlungsreiche Stimme<br />

Musikliebhaber kennen die leidenschaftliche erste Version der drei<br />

Petrarca-Sonette Franz Liszts aus den Jahren 1842 bis 1846. Dass<br />

er knapp 25 Jahre später diese Gedichte des italienischen Poeten<br />

des 14. Jahrhunderts, teils erheblich abweichend, teils auf die frühere<br />

Version zurückgreifend, noch einmal vertonte, ist weniger<br />

bekannt, auch dass dazwischen durchaus eigenständige Klavier-<br />

Fassungen innerhalb der Années de pèlerinage – Italie entstanden<br />

sind. Andrè Schuen und Daniel Heide haben diese drei Werkgruppen<br />

nun erstmals auf einer CD chronologisch vereint. Der<br />

Erkenntnisgewinn ist ebenso groß wie das sinnliche Erleben – dank<br />

der diffizilen, auch an dynamische Grenzen gehenden Gesangskunst<br />

des jungen Baritons mit seiner wandlungsreichen<br />

Stimme, die die Fähigkeit<br />

besitzt, den Text immer wieder neu zu<br />

durchdringen; aber auch, weil der Pianist<br />

den Wendungen präzise folgen kann. KLK<br />

Franz Liszt: „Tre Sonetti del Petrarca 47, 104, 123“,<br />

Andrè Schuen, Daniel Heide (CAvi-music)<br />

Peter Eötvös<br />

Aktueller denn je<br />

OPER<br />

Der Untergang der Fregatte Medusa vor 200 Jahren war ein Skandal.<br />

Inkompetenz und Standesdünkel führten geradewegs in die Katastrophe.<br />

Hans Werner Henze hat die Geschichte in seinem Dokumentar-Oratorium<br />

Das Floß der Medusa verarbeitet. Auch dessen Uraufführung im Dezember<br />

<strong>19</strong>68 war von einem handfesten Skandal überschattet. Revolutionärer<br />

Gestus und konservatives Beharrungsvermögen prallten in einem ohnehin<br />

schon aufgeheizten gesellschaftlichen Klima unversöhnlich aufeinander.<br />

Heutzutage ist das nur noch eine Anekdote. Die Musik und vor allem der<br />

Inhalt des Oratoriums scheinen aber aktueller denn je. Der SWR hat großes<br />

Geschütz aufgefahren: sein hauseigenes Orchester, immerhin drei<br />

Chöre und drei Solisten. Letztere gehen genauso ausgezeichnet und eindringlich<br />

wie alle anderen Beteiligten ans Werk,<br />

allen voran Dirigent Peter Eötvös als alter Hase der<br />

Neuen Musik. Ausgezeichnet! Eindringlich! GK<br />

Hans Werner Henze: „Das Floß der Medusa“, Camilla Nylund,<br />

Peter Schöne, Peter Stein, SWR Vokalensemble, WDR Rundfunkchor,<br />

Freiburger Domsingknaben, SWR Symphonieorchester, Peter Eötvös<br />

(SWRClassic)<br />

FOTO: FLORIAN LEGRAND<br />

37


R Ä T S E L<br />

& L E S E R B R I E F E<br />

GEWINNSPIEL<br />

Wer verbirgt sich hinter diesem Text?<br />

LESERBRIEFE<br />

Betr.: Brüggemanns Klassik-Woche<br />

„Singen und<br />

Musizieren war<br />

zwar kein<br />

Heilmittel,<br />

aber schenkte<br />

Erleichterung“<br />

Ich war ein aufgewecktes Kind einer jüdischen Familie, voller<br />

Energie und Ideen. Nach dem plötzlichen Tod meines Vaters<br />

musste ich meiner Mutter, die ihre Gesangskarriere zugunsten der<br />

Familie aufgegeben hatte, in der gepachteten Gastwirtschaft helfen.<br />

Immer mehr flüchtete ich mich in Fantasiewelten und schrieb<br />

erste Gedichte, Märchengeschichten und kleine Theaterstücke.<br />

Diese wurden in deutschen, tschechischen, österreichischen und<br />

Schweizer Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht.<br />

Ich heiratete <strong>19</strong>30 und brachte zwei Söhne auf die Welt. Die<br />

politischen Ereignisse aber bereiteten mir immer mehr Sorgen.<br />

Schweren Herzens schickten wir unseren ältesten Sohn zu meiner<br />

alten Brieffreundin nach England. Die alltägliche Gefahr und<br />

finanzielle Not zwang uns, nach Prag umzusiedeln. Voller Angst<br />

und Zweifel waren die Briefe für meinen Sohn das Einzige, was ich<br />

in dieser Zeit schreiben konnte.<br />

<strong>19</strong>42 wurde ich mit meiner Familie nach Theresienstadt<br />

deportiert und bei unserer Ankunft von ihr getrennt. Ich begann<br />

in der Kinderkrankenstube zu arbeiten und wieder Gedichte und<br />

Lieder zu schreiben. Singen und Musizieren war zwar kein Heilmittel,<br />

aber schenkte Erleichterung, Ablenkung und ein Lächeln<br />

auf den Gesichtern der Kinder. Ich verfasste lyrische Trostgesänge,<br />

sanfte Wiegenlieder für meine Schützlinge, zarte Naturschilderungen,<br />

jüdische Glaubensbekenntnisse, aber auch kämpferische<br />

Aufrufe und Schreie nach Vergeltung. Von meinen Texten und<br />

Volksliedern ging eine Heilkraft aus, die das Sammellager mit<br />

Trost und Hoffnung erfüllte.<br />

Kurz vor dem Osttransport gelang es meinem Mann, die Blätter<br />

mit den Liedtexten im Boden eines Geräteschuppens einzumauern.<br />

Er kehrte als Auschwitz-Überlebender zurück und grub mein<br />

lyrisches Werk aus. Er holte unser ältestes Kind wieder zu sich und<br />

gab lange die Hoffnung nicht auf, den Rest seiner Familie wiederzusehen.<br />

Doch ich hatte mich freiwillig gemeldet, als der Transport<br />

der Kinder bevorstand, und hatte sie zusammen mit meinem jüngsten<br />

Sohn nach Auschwitz begleitet. Ein letztes Mal hatte ich mit den<br />

Kindern gesungen: „Denn alles wird gut, denn alles wird gut, ertrag<br />

geduldig das Warten, vertraue der Zukunft, verlier nicht den Mut:<br />

Die Welt wird wieder zum Garten!“.<br />

AM<br />

RÄTSEL LÖSEN UND EINE<br />

CD-BOX GEWINNEN!<br />

Wer ist hier gesucht? Wenn Sie die Antwort kennen,<br />

dann nehmen Sie an der Verlosung teil unter<br />

www.crescendo.de/mitmachen. Diese CD-Box<br />

gibt es zu gewinnen: „Le Poème Harmonique“ (Alpha), Vincent Dumestre<br />

dirigiert. Einsendeschluss: 22.11.20<strong>19</strong>. Gewinner unseres letzten Gewinnspiels<br />

ist Marianne Kinmayer, Berlin. Die Lösung war Claude Debussy.<br />

„Willkommen in der neuen Klassik-Woche“ beginnt Axel<br />

Brüggemann jeden Montag seine Newsletter-Kolumne. Mit der er<br />

pointiert über aktuelle und angesagte Themen der Klassik berichtet.<br />

„Wir haben Nachrichten, bevor sie woanders stehen, und berichten<br />

über das, was ist, was war und was lohnt“, lautet die Devise. Und<br />

gelegentlich wird der Newsletter auch zitiert, ohne zitiert zu werden.<br />

Kürzlich berichtete die Mopo aus Dresden, dass sich das ZDF von<br />

Christian Thielemann und der Staatskapelle für das Silvesterkonzert<br />

trennen will. Axel Brüggemann: „In den Medien wurde berichtet –<br />

nein, liebe Mopo: Im <strong>CRESCENDO</strong> Newsletter wurde berichtet …<br />

nachgehakt und festgestellt … zitieren tut doch nicht weh :-). Sollte<br />

man abonnieren diese Brüggemanns Woche.“<br />

Die folgenden Facebook-Kommentare wurden im Original und<br />

ohne Rechtschreibkorrektur übernommen.<br />

Friederike Rentzsch Stimmt. Und ich finde es unsagbar<br />

schade. Es gibt meines Erachtens gerade keinen Besseren als<br />

Thielemann, vor allem was Spätromantik z. B. angeht. Aber hey,<br />

was weiß ich schon, und es geht eh nur um Politik.<br />

Gefällt mir · Antworten · Nachricht senden<br />

Axel Brüggemann Ich glaube, es geht eher um Benehmen...<br />

Gefällt mir · Antworten · Nachricht senden<br />

Friederike Rentzsch Wenn ich mir anschaue, wie lange und<br />

mit was andere geduldet wurden und werden (ich sage nur<br />

Domingo), kann das nicht der Grund sein. Es gibt einen Unterschied<br />

zwischen „Mit dem würde ich mich gern mal herzhaft<br />

streiten“ und einem praktischen Berufsverbot. Als wären die anderen<br />

alle Säulenheilige.<br />

Gefällt mir · Antworten · Nachricht senden<br />

Bernhard Ernst Zech Vor Jahren wurde Thielemann bei den<br />

Münchner Philharmonikern abgewählt und der Vertrag nicht<br />

verlängert, was in München mit großem Brimborium und<br />

Medienecho vonstatten ging. Christian Thielemann hat seitdem<br />

die Münchner Philharmoniker nicht mehr und erst einmal im<br />

Gasteig sein jetziges Orchester, die Staatskapelle Dresden<br />

wieder dirigiert!<br />

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Peter Schubert Jetzt nur noch Kiwis Gartenparty zu RTL...<br />

dann wird alles gut!!!<br />

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Bernhard L Guettler Naja, mit ein bisschen Abstand könnte<br />

man es auch so sehen, dass sowohl in Salzburg als auch ZDF die<br />

(großartige, keine Frage) Staatskapelle immer nur als Karte<br />

gegen die Berliner Philharmoniker gespielt wurde (die in beiden<br />

Fällen um mehr Kohle gepokert hatten und jeweils verloren hatten.)<br />

Und jetzt mit Petrenko wird halt das Blatt neu verteilt. Das<br />

ist das Libretto im Kern. Der Rest ist Inszenierung.<br />

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38 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


ERLEBEN<br />

Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen von <strong>Oktober</strong> bis <strong>November</strong> im Überblick (ab Seite 42)<br />

Von alten Mythen und Träumen: Mulo Francel hat mit Chris Gall ein nachdenkliches Album eingespielt (Seite 45)<br />

Große romantische Sinfonik: die neue Spielzeit der Essener Philharmoniker unter Generalmusikdirektor Tomáš Netopil (Seite 48)<br />

5. <strong>Oktober</strong> bis 12. Januar, Dresden<br />

A. R. Penck in seinem Dresdner<br />

Atelier, Gostritzer Straße 92<br />

A. R. Penck – Bilder als Signale<br />

Die Ausstellung „Ich aber komme aus Dresden (check it out man, check it out)“ erinnert an einen herausragenden<br />

Künstler unserer Epoche. Als Ralf Winkler wurde er <strong>19</strong>39 in Dresden geboren. Von der Kunstakademie abgelehnt,<br />

fand er in Rembrandt und Picasso seine Vorbilder. Den Namen Albrecht Ralf Penck nahm er von dem Geologen und<br />

Eiszeit-Spezialisten an, der <strong>19</strong>45 starb. <strong>19</strong>61, kurz nach dem Bau der Berliner Mauer, malte er sein erstes Weltbild. Es<br />

wurde zu einem Schlüsselwerk für Pencks neuen Begriff von Malerei. „Ich wollte Bilder malen, die als Signale funktionieren“,<br />

erläuterte er. Einen positiven Beitrag zum Sozialismus habe er leisten wollen. Was ihn beschäftigte, waren die<br />

Analyse menschlicher Realität sowie die Beweggründe strukturierten Verhaltens. So fand er den Weg zu seinem Standart-Programm.<br />

<strong>19</strong>67 erarbeitete er damit eine neue Sprache, die er schriftlich als Theorie festhielt. Ein Baukasten sollte<br />

es werden mit „klar formulierten abstrakten Zeichen“, die er wie ein Techniker zur Anwendung bringen wollte. Sinn<br />

dieser Zeichen war es, „eine zwischenmenschliche Beziehungslogik“ sichtbar zu machen. Als „Verbindung von Ich, Tun<br />

und Signal“ beschrieb Penck Standart. Das Ich sollte „eine abstrakt verdichtete Figur“ sein. Die Abstraktion führte<br />

allerdings zum Ausschluss aus dem Verband Bildender Künstler und <strong>19</strong>80 zur Ausbürgerung aus der DDR. Gezeigt<br />

werden im Albertinum A. R. Pencks Arbeiten aus seiner Dresdner Zeit bis <strong>19</strong>80. Dazu gehören auch Künstlerbücher,<br />

Filme und die Schallplatten, die Penck als Musiker mit wechselnden Formationen aufnahm.<br />

Dresden, Albertinum, albertinum.skd.museum/ausstellungen<br />

FOTO: ARCHIV STÄDTISCHE GALERIE DRESDEN – KUNSTSAMMLUNG, MUSEEN DER STADT DRESDEN, FOTOGRAF: ERHARD PESCHKE, REPRO: FRANZ ZADNICˇEK, © VG BILD-KUNST, BONN 20<strong>19</strong><br />

39


E R L E B E N<br />

<strong>Oktober</strong> / <strong>November</strong> 20<strong>19</strong><br />

DIE WICHTIGSTEN<br />

VERANSTALTUNGEN AUF<br />

EINEN BLICK<br />

Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals<br />

PREMIEREN<br />

18.10. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER Faust / Charles Gounod<br />

18.10. DÜSSELDORF DEUTSCHE OPER<br />

AM RHEIN Samson et Dalila / Camille<br />

Saint-Saëns<br />

18.10. SCHWERIN STAATSTHEATER<br />

Rigoletto / Giuseppe Verdi<br />

<strong>19</strong>.10. BADEN STADTTHEATER<br />

Mozart / Die Entführung aus dem Serail<br />

<strong>19</strong>.10. COTTBUS STAATSTHEATER<br />

Effi Briest / Siegfried Matthus<br />

<strong>19</strong>.10. ERFURT THEATER<br />

Grimm! / Thomas Zaufke<br />

<strong>19</strong>.10. KARLSRUHE STAATSTHEATER<br />

Faust / Charles Gounod<br />

<strong>19</strong>.10. WEIMAR STAATSTHEATER<br />

Face Me – Le sacre du printemps /<br />

Ester Ambrosino<br />

20.10. BREMEN THEATER<br />

W. A. Mozart / Don Giovanni<br />

20.10. HANNOVER STAATSTHEATER<br />

Tosca / Giuseppe Puccini<br />

22.10. HAMBURG STAATSOPER<br />

Don Giovanni / W. A. Mozart<br />

23.10. LUDWIGSHAFEN THEATER IM<br />

PFALZBAU Vertikal / Mourad Merzouki<br />

24.10. BREMEN THEATER<br />

Spektrum / Máté Mészáros<br />

25.10. BERLIN STAATSOPER<br />

Love, you son of a bitch / Letizia Renzini<br />

25.10. DESSAU THEATER<br />

Hoffmanns Erzählungen / J. Offenbach<br />

25.10. HOF THEATER<br />

Monty Pyton‘s Spamalot / John Du Prez<br />

26.10. AUGSBURG THEATER<br />

Giselle / Adolphe Adam<br />

26.10. DARMSTADT STAATS-<br />

THEATER Fidelio / L. v. Beethoven<br />

26.10. ERFURT THEATER<br />

Don Pasquale / Gaetano Donizetti<br />

26.10. HALLE OPER<br />

Cabaret / Joe Masteroff<br />

26.10. KAISERSLAUTERN PFALZ-<br />

THEATER Die Fledermaus / J. Strauß<br />

26.10. LINZ (A) LANDESTHEATER<br />

Le sacre du printemps / Mei Hong Lin<br />

26.10. MAINZ STAATSTHEATER<br />

Boris Godunov / Modest Mussorgski<br />

26.10. NÜRNBERG STAATSTHEATER<br />

West Side Story / Leonard Bernstein<br />

20. bis 27. <strong>Oktober</strong>, Lüneburg<br />

ultraBACH –<br />

ein neues Festival mit neuen<br />

Konzertformaten<br />

Bringen die Musik zu den<br />

Menschen: die Musiker<br />

vom Ensemble Reflektor<br />

Zu den Menschen gehen und mit ihnen gemeinsam musizieren –<br />

so könnte man das Konzept von UltraBACH beschreiben. Eine<br />

Herbstwoche lang halten sich die Musiker vom Ensemble Reflektor<br />

in Lüneburg auf, wo Bach 14-jährig seine Schulausbildung in<br />

der Partikularschule des Michaelsklosters fortsetzte. Sie suchen<br />

nach Begegnungen mit den Bewohnern, bringen ihnen Musik und<br />

konzertieren in deren Wohnungen. „Bach auf dem Meere“ nennen<br />

sie den Hausmusik-Parcours, zu dem auch Laienmusiker geladen<br />

sind. 2015 taten sich 40 Musiker zusammen, um gemeinsam<br />

klassische Konzerte zu geben. Entstanden ist daraus das Kammersinfonieorchester<br />

Ensemble Reflektor, das soeben mit dem<br />

Max-Brauer-Preis der Alfred Toepfer Stiftung ausgezeichnet wurde.<br />

Mit ultraBACH haben die Musiker ein neues Festival ins Leben<br />

gerufen. Ein „Tanz-Konzert“ geben sie mit dem Streichorchester<br />

strings! der Musikschule. Eine Clubnacht spürt in Bachs Goldberg-<br />

Variationen die Techno-Rhythmen auf. Für das „Mitsing-Konzert“<br />

schreibt Benjamin Scheuer einen Choral, der mit dem Publikum<br />

geprobt und aufgeführt wird. Und zum Abschied lädt das Ensemble<br />

zu einem großen Konzert mit dem Orchester der Musikfreunde.<br />

„Bach to the Future“ widmet sich der Musik von Bach<br />

und seinen Nachfolgern im Geiste.<br />

Lüneburg, verschiedene Spielorte, www.ensemble-reflektor.de<br />

FOTO: HEIDE BENSER<br />

26.10. REGENSBURG THEATER<br />

La fida ninfa / Antonio Vivaldi<br />

27.10. AACHEN THEATER<br />

Werther / Jules Massenet<br />

27.10. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER The Telephone, Twice Through<br />

the Heart / Gian Carlo Menotti<br />

27.10. KREFELD THEATER<br />

Boris Godunow / Modest Mussorgski<br />

27.10. STUTTGART STAATSOPER<br />

Don Carlo / Giuseppe Verdi<br />

1.11. BERLIN STAATSOPER<br />

Il Primo Omicidio / Alessandro Scarlatti<br />

1.11. LEIPZIG OPER<br />

Der Vogelhändler / Carl Zeller<br />

2.11. DORTMUND THEATER<br />

Die göttliche Komödie II / Xin Peng Wang<br />

2.11. DRESDEN STAATSOPERETTE<br />

La Cage aux Folles / Stephen Sondheim<br />

2.11. HANNOVER STAATSTHEATER<br />

Salome / Richard Strauss<br />

2.11. PLAUEN THEATER<br />

Don Giovanni / W. A. Mozart<br />

2.11. SALZBURG (A) LANDES-<br />

THEATER Lohengrin / Richard Wagner<br />

2.11. WIEN (A) STAAATSOPER<br />

Jewels / George Balanchine<br />

2.11. WUPPERTAL BÜHNEN<br />

La Bohème / Giacomo Puccini<br />

3.11. FRANKFURT AM MAIN OPER<br />

Lady Macbeth von Mzensk /<br />

Dmitri Schostakowitsch<br />

3.11. MANNHEIM NATIONAL-<br />

THEATER Peter Grimes / B. Britten<br />

3.11. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Belshazzar / Georg Friedrich Händel<br />

7.11. FRANKFURT AM MAIN OPER<br />

Tamerlano / Georg Friedrich Händel<br />

7.11. MAINZ STAATSTHEATER<br />

Zanaida / Johann Christian Bach<br />

8.11. BONN THEATER<br />

Cavalleria rusticana / Pietro Mascagni,<br />

Der Bajazzo / Ruggero Leoncavallo<br />

8.11. DUISBURG DEUTSCHE OPER AM<br />

RHEIN La Bohème / G. Puccini<br />

8.11. HEIDELBERG THEATER<br />

Exhausting Space / Iván Pérez<br />

9.11. ERFURT THEATER<br />

Peer Gynt / Gregor Zöllig<br />

9.11. FREIBURG THEATER<br />

The Turn of the Screw / B. Britten<br />

9.11. HEIDELBERG THEATER<br />

Madame Butterfly / Giacomo Puccini<br />

40 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: DONAUESCHINGER MUSIKTAGE, STAATSOPER HAMBURG, JASPINDER KAUR, STEFFEN SCHINDLER, PRISKA KETTERER, ULRICH PETERS, ASTRID ACKERMANN, BRURIA HAMMER, DAVID REISLER; ALESSANDRO CAPPONE; ROBERT PERES; JONAS HOLTHAUS; BETTINA STOESS<br />

Die Jubiläumssaison der Bad Homburger<br />

Schlosskonzerte beginnt mit einer<br />

Vorschau auf das Beethoven-Jahr. Das<br />

Originalklangorchester Compagnia di<br />

Punto spielt die ersten beiden Sinfonien<br />

Beethovens. Karl-Werner Joerg,<br />

der Gründer und Intendant der<br />

Schlosskonzerte, hat den Musikern<br />

zwei Transkriptionen der Sinfonien<br />

aus dem <strong>19</strong>. Jahrhundert aufs Pult gelegt.<br />

Solist in Mozarts Klavierkonzert<br />

KV 488 ist Tobias Koch. Im Jahr 2000<br />

begann mit einem Orchesterkonzert<br />

die erste Saison der Schlosskonzerte.<br />

Mehr als 170 Konzerte, vom Klavierabend über Orchesterkonzerte bis<br />

zu Opernaufführungen, fanden seither statt. Kontinuierlich erweiterte<br />

sich das Angebot. Hinzu kamen die Reihe Meisterpianisten, das neue<br />

Fes tival des Deutschen Musikwettbewerbs sowie die neue<br />

17. bis 20. <strong>Oktober</strong><br />

DONAUESCHINGER MUSIKTAGE<br />

Bernhard Leitner ist ein Pionier der Tonraumkunst.<br />

Als ausgebildeter Architekt kam er <strong>19</strong>68<br />

auf die Idee, den Klang als Material für Architektur<br />

und Skulptur zu verwenden. Während eines<br />

zweijährigen Aufenthalts in New York entwickel<br />

te er die Idee weiter und schuf ein neues<br />

Vokabular zwischen Raumsprache und Klangsprache.<br />

Er lotete die Wirkungen des Klangs auf den Menschen aus und<br />

erkannte, dass akustische Räume mit dem gesamten Körper wahrgenommen<br />

werden. Für die Musiktage, bei denen er bereits mehrmals zu Gast<br />

war, schafft er an den Donauhallen einen Tonspiegelraum. Das Klangpanorama<br />

aus Sprache, Naturlauten und elektronischen Klängen, für das<br />

Leitner auch mit den Reflexionen an den Gebäudefassaden arbeitet, soll<br />

dauerhaft das Klangbild der Stadt bereichern. 20 Uraufführungen stehen<br />

auf dem Programm der Musiktage, deren Anliegen es nach den Worten<br />

des künstlerischen Leiters Björn Gottstein ist, „eine möglichst große<br />

Bandbreite gegenwärtiger Stile und Ästhetiken vorzustellen“. Zur Eröffnung<br />

leitet Emilio Pomàrico (Foto) das SWR Symphonieorchester, das<br />

SWR Vokalensemble und die SWR Big Band bei der Aufführung von<br />

Simon Steen-Andersens neuem Werk TRIO.<br />

Donaueschingen, verschiedene Spielorte, www.donaueschinger-musiktage.de<br />

22. <strong>Oktober</strong><br />

BERLIN ELLEN BØDTKER<br />

„Ich schloss die Augen und hörte den Klang des<br />

Nordlichts und der Landschaft in meiner Seele“,<br />

beschreibt die Komponistin und Harfenistin<br />

Ellen Bødtker ihre Inspiration. Die magischen<br />

Leuchterscheinungen, die in polaren Sommernächten<br />

über dem Horizont erscheinen, setzt<br />

Bødtker musikalisch um. Anlässlich der Frankfurter<br />

Buchmesse, deren Ehrengast in diesem Jahr Norwegen ist, kommt<br />

sie nach Deutschland. „Nordic light meets arctic sounds“ sind ihre Auftritte<br />

mit dem Dichter Jan Erik Vold überschrieben. Auf einer gemeinsamen<br />

Tournee durch Japan stellte sie fest, wie gut Volds Gedichte, die<br />

vom Meer, der Sonne und den Menschen erzählen, mit den Klangfarben<br />

der Harfe harmonieren.<br />

Berlin, Felleshus, 22.10.; Greifswald, Koeppenhaus-Literaturzentrum, 24.10.,<br />

harpe.no<br />

25. <strong>Oktober</strong> bis 17. Mai, Bad Homburg<br />

20 Jahre Bad Homburger Schlosskonzerte<br />

Kammermusik reihe, bei der in dieser<br />

Saison u .a. das Ensemble Sixty1strings<br />

(Foto) in der Besetzung Harfe, Gitarre<br />

und Mandoline zu erleben ist. Zur<br />

Weihnachtszeit gastiert das Württembergische<br />

Kammerorchester mit dem<br />

Concerto da Chiesa von George Dyson<br />

in der Schlosskirche. Und Mairéad Hickey,<br />

die Mozarts Violinkonzert KV 216<br />

spielt, bringt ein Weihnachtslied aus ihrer<br />

irischen Heimat. Beethovens<br />

Viertem Klavierkonzert widmet sich das<br />

Folkwang Kammerorchester Essen mit<br />

der Pianis tin Nadezda Pisareva. Und<br />

zum Ausklang der Saison stellen sich die Preisträger und Stipendiaten<br />

des Deutschen Musikpreises sowie die Teilnehmer des 20. Bad Homburger<br />

Meisterkurses vor.<br />

Bad Homburg, Schlosskirche, www.badhomburger-schlosskonzerte.de<br />

23. <strong>November</strong><br />

WEIMAR LANZELOT<br />

Zum 50. Jubiläum der Uraufführung von Paul<br />

Dessaus Oper Lanzelot setzt Peter Konwitschny<br />

(Bild) das gewaltige Werk wieder in Szene. Die<br />

Aufführung kommt einer Wiederentdeckung<br />

gleich. Seit <strong>19</strong>72 wurde die Oper nicht mehr gespielt.<br />

Nach Brechts Tod <strong>19</strong>56 fühlte sich Dessau<br />

von der Zusammenarbeit mit seiner Frau<br />

Ruth Berghaus zu neuen Möglichkeiten des Theaters angeregt. In Lanzelot<br />

bringt er zahlreiche Musizierformen vergangener Jahrhunderte sowie<br />

das gesamte Spektrum der Neuen Musik zur Anwendung. Das Libretto<br />

über den Ritter, der den Drachen besiegt und die Gesellschaft befreit,<br />

obwohl sie es gar nicht will, verfassten Heiner Müller und Ginka Tscholakowa<br />

nach Motiven von Hans Christian Andersen und der Märchenkomödie<br />

Der Drache von Jewgeni Schwarz. Es dirigiert Dominik Beykirch.<br />

Weimar, Nationaltheater, 23. (Premiere) und 29.11., 13. und 28.12. sowie <strong>19</strong>.1.,<br />

www.nationaltheater-weimar.de<br />

3. <strong>November</strong><br />

HAMBURG ICHUNDICH<br />

2010 wurde Else Lasker-Schülers im Jerusalemer<br />

Exil entstandenes Schauspiel IchundIch<br />

endlich vollständig veröffentlicht. Als „engagierte<br />

literarische Geste gegen die antisemitische<br />

Kriegs- und Vernichtungsnation Deutschland“<br />

beschreibt der Herausgeber Kevin Vennemann<br />

das verschachtelte Werk. Es prangert die<br />

„odemlose, leblose gegenwärtige Zeit“ an. Lasker-Schüler imaginiert als<br />

Theater im Theater eine Althölle mit Faust und Mephisto und stellt sie<br />

gegen die NS-Schergen Hitler und Himmler, die in einem Lavastrom untergehen.<br />

Die verscheuchte Dichterin tritt auf im Gespräch mit einer<br />

Vogelscheuche, bis am Ende hinter einem Vorhang Gott erscheint.<br />

Johannes Harneit (Foto) nimmt das bittere, aus Fragmenten der vom NS-<br />

Regime zerstörten Literatur zusammengebaute Drama zur Vorlage für<br />

ein Musiktheaterstück. Chri s tian von Treskow setzt es in der Reihe<br />

„opera stabile“ in Szene, während Harneit selbst das Dirigat übernimmt.<br />

Gabriele Rossmanith verkörpert Else Lasker-Schüler. Faust ist Daniel<br />

Kluge. Und als Mephisto treten Martin Summer und Jóhan Kristinsson auf.<br />

Hamburg, Staatsoper, 3. (Premiere), 6., 8., 10. und 12.11.,<br />

www.staatsoper-hamburg.de<br />

FOTO: SIXTY1STRINGS<br />

41


E R L E B E N<br />

FOTO: AUGUST EVERDING-MUSIKWETTBEWERB<br />

15. <strong>November</strong>, München<br />

Der August-<br />

Everding-Musikwettbewerb<br />

Der August-Everding-Wettbewerb für Instrumentalisten im Fach<br />

Geige ist ausgeschrieben. Um die Teilnahme bewerben können sich<br />

Geiger jeder Nationalität, die nicht älter als 28 Jahre sind. Die Jury<br />

besteht aus den Geigern Christian Altenburger, Francesca Dego,<br />

Florian Sonnleitner und Markus Wolf, dem Bratschisten Valentin<br />

Radutiu sowie den Journalisten Harald Eggebrecht und Peter Rieckhoff.<br />

Nach der ersten Runde, die per Tonträgerauswahl erfolgt, werden<br />

bis zu neun Geiger zum Semifinale nach München eingeladen. Im<br />

Semifinale müssen die Wettbewerbsteilnehmer auch ein Stück aus<br />

dem 20. oder 21. Jahrhundert spielen. Das Finale mit anschließender<br />

Preisverleihung in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz<br />

wird öffentlich ausgetragen. Vorgeschrieben ist dafür ein Violinkonzert<br />

von Mozart, wobei die Orchesterbegleitung das Bach Collegium<br />

übernimmt. Die Gewinner erhalten Preisgelder in einer Gesamthöhe<br />

von 16.000 Euro. Der Wettbewerb wurde <strong>19</strong>96 von dem<br />

Kulturmanager Helmut Pauli und dem Regisseur August Everding ins<br />

Leben gerufen. Seit 20<strong>19</strong> richtet der 2017 gegründete Münchener<br />

Konzertverein e. V. den Wettbewerb aus. Everdings Witwe übertrug<br />

ihm die exklusiven Namensrechte am Wettbewerb. Anliegen<br />

des Vereins ist die Hochbegabtenförderung.<br />

München, Allerheiligen-Hofkirche der Residenz,<br />

www.konzert-verein.de/august-everding-musikwettbewerb<br />

3. <strong>November</strong><br />

BERLIN JIM KNOPF<br />

Elina Kats-Chernin (Bild) hat einen bedeutsamen<br />

Kinderbuchklassiker veropert. Michael<br />

Endes Roman Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer<br />

ist eines der bekanntesten Kinderbücher<br />

der Nachkriegszeit. Dass es auch eine Gegengeschichte<br />

zur NS-Zeit und eine kritische Auseinandersetzung<br />

mit der nationalsozialistischen<br />

Rassentheorie ist, wurde erst später erkannt. Die Historikerin Julia Voss<br />

entschlüsselte die zahlreichen Anspielungen in Endes Fantasiewelt wie<br />

die Tanzrehe oder die riesigen Schmetterlinge als Hinweise auf Charles<br />

Darwins Evolutionstheorie, aus der die Nationalsozialisten für ihre Rassentheorie<br />

schöpften. So war Jemmy Button, ein von der Insel Feuerland<br />

nach England verschleppter Ureinwohner, der auch auf Darwins Forschungsschiff<br />

mitreiste, das Vorbild für den schwarzen Jim Knopf. Christian<br />

von Götz bringt die Oper mit Ivo Hentschel am Pult auf die Bühne.<br />

Jim Knopf wird von Georgina Melville gespielt, und Lukas ist Carsten<br />

Sabrowski. Kats-Chernin stammt aus Taschkent, erhielt ihre Ausbildung<br />

in Moskau und wanderte <strong>19</strong>75 nach Australien aus, wo sie auch heute<br />

lebt. In der Spielzeit 20<strong>19</strong>/2020 kommen im deutschsprachigen Raum<br />

gleich drei Kinderopern von ihr zur Uraufführung.<br />

Berlin, Komische Oper, 3. (Premiere), 4., 9., 14., 17., 30.11. sowie 8., 9., 10., 11.,<br />

13., 16. und 26.12., 10., 24. und 27.1. sowie 6. und 24.2., www.komischeoper.de<br />

20. <strong>Oktober</strong>, München<br />

Witz und Eleganz –<br />

Roland Petits Coppélia<br />

10.11. BREMEN THEATER<br />

Georg Friedrich Händel / Alcina<br />

10.11. KÖLN OPER<br />

Carmen / Georges Bizet<br />

10.11. WIESBADEN STAATSTHEATER<br />

Rosenkavalier / Richard Strauss<br />

14.11. MÜNCHEN GÄRTNERPLATZ-<br />

THEATER Tosca / Giacomo Puccini<br />

15.11. BASEL (CH) THEATER<br />

Alexander Ekman / Cow<br />

15.11. BERLIN DEUTSCHE OPER<br />

Heart Chamber / Chaya Czernowin<br />

15.11. LINZ (A) LANDESTHEATER<br />

Die Entführung aus dem Serail / Mozart<br />

15.11. LÜBECK THEATER<br />

Rusalka / Antonín Dvořák<br />

15.11. LUDWIGSHAFEN THEATER IM<br />

PFALZBAU Omphalos / Damien Jalet<br />

15.11. MANNHEIM NATIONAL-<br />

THEATER Dorian / Felix Landerer<br />

15.11. SCHWERIN STAATSTHEATER<br />

Orfeo ed Euridice / Christoph W. Gluck<br />

16.11. DARMSTADT STAATS-<br />

THEATER Der Nussknacker / Tim Plegge<br />

16.11. FLENSBURG LANDESTHEATER<br />

Guys and Dolls / Frank Loesser<br />

16.11. HANNOVER STAATSTHEATER<br />

Märchen im Grand-Hotel / Paul Abraham<br />

16.11. HILDESHEIM THEATER<br />

Tristan und Isolde / Richard Wagner<br />

16.11. KREFELD THEATER<br />

Rigoletto / Giuseppe Verdi<br />

16.11. LÜNEBURG THEATER<br />

Doktor Schiwago / Lucy Simon<br />

16.11. PFORZHEIM THEATER<br />

Die verkaufte Braut / Bedřich Smetana<br />

16.11. WIEN (A) THEATER AN DER<br />

WIEN La vestale / Gaspari Spontini<br />

16.11. ZÜRICH (CH) OPERNHAUS<br />

Coraline / Mark-Anthony Turnage<br />

18.11. MÜNCHEN NATIONALTHEATER<br />

Die tote Stadt / Erich Wolfgang Korngold<br />

22.11. BERLIN DEUTSCHE OPER Die<br />

Schneekönigin / Samuel Penderbayne<br />

22.11. ERFURT THEATER<br />

The Last Five Years / Jason Robert<br />

Brown<br />

22.11. HALLE OPER<br />

Alice im Wunderland / Michal Sedláček<br />

22.11. ZWICKAU THEATER<br />

Die Möwe Jonathan / Annett Göhre<br />

23.11. NÜRNBERG STAATSTHEATER<br />

La Calisto / Francesco Cavalli<br />

23.11. TRIER THEATER<br />

La Périchole / Jacques Offenbach<br />

23.11. WEIMAR STAATSTHEATER<br />

Lanzelot / Paul Dessau<br />

23.11. WIEN (A) VOLKSOPER<br />

König Karotte / Jacques Offenbach<br />

24.11. BERLIN STAATSOPER<br />

Samson et Dalila / Camille Saint-Saëns<br />

27.11. KREFELD THEATER<br />

Let´s Stop Brexit! – Keep Calm and Drink<br />

Tea / Ulrich Proschka<br />

28.11. GERA THEATER<br />

Ein Maskenball / Giuseppe Verdi<br />

29.11. GIESSEN STADTTHEATER<br />

Jagen / Jörg Mannes, Tarek Assam<br />

29.11. MEININGEN STAATSTHEATER<br />

La rondine / Giacomo Puccini<br />

30.11. BRAUNSCHWEIG STAATS-<br />

THEATER Chicago / John Kander<br />

30.11. CHEMNITZ THEATER<br />

Der Nussknacker / Sabrina Sadowska<br />

30.11. DORTMUND THEATER<br />

Lohengrin / Richard Wagner<br />

Coppélia, verlegt in eine Garnison Ende des <strong>19</strong>. Jahrhunderts<br />

„Diese Coppélia ist ein bisschen wie eine Operette“, erläutert Luigi<br />

Bonini, der Ballettmeister des Bayerischen Staatsballetts. Coppélia<br />

ist eine Ballettpantomime. Arthur Saint-Léon choreografierte sie,<br />

und Léo Delibes schrieb die Musik dazu. Die Handlung basiert auf<br />

E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann. 1870 hatte das Ballett<br />

an der Pariser Oper Premiere und wurde zu einem Klassiker. Zahllos<br />

sind die Fassungen, die in der Folge entstanden. <strong>19</strong>75 schuf<br />

Roland Petit eine für das Ballett von Marseille, deren künstlerischer<br />

Leiter er <strong>19</strong>73 geworden war und das er zu internationalem Triumph<br />

führte. Petit strebte nach einer Verbindung von klassischem<br />

Ballett und modernem Ausdruckstanz. Er war selbst eine glamouröse<br />

Persönlichkeit, und er ließ seine Tänzer in ihren Bewegungen<br />

immer besonders gut aussehen. So zeichnen Witz und Eleganz, Humor<br />

und Raffinesse seine Ballette aus. Zudem war er als Choreograf<br />

ein begnadeter Geschichtenerzähler. Die Handlung von Coppélia<br />

verlegte er in eine Garnison Ende des <strong>19</strong>. Jahrhunderts. Dr. Coppélius<br />

möchte seine Holzpuppe Coppélia zum Leben erwecken, woraufhin<br />

Franz, der eigentlich mit Swanilda verlobt ist, sich in die hölzerne<br />

Täuschung verliebt.<br />

München, Nationaltheater, 20. (Premiere), 22., 25. und 26.10., 8. und 17.4.,<br />

27.5. und 6.7., www.staatsoper.de/staatsballett<br />

FOTO: ANNA KLYUSHKINA<br />

42 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: DONAUESCHINGER MUSIKTAGE, STAATSOPER HAMBURG, JASPINDER KAUR, STEFFEN SCHINDLER, PRISKA KETTERER, ULRICH PETERS, ASTRID ACKERMANN, BRURIA HAMMER, DAVID REISLER; ALESSANDRO CAPPONE; ROBERT PERES; JONAS HOLTHAUS; BETTINA STOESS<br />

29. <strong>November</strong><br />

FRANKFURT ENSEMBLE MODERN<br />

Frank Zappa war ein begnadeter Komponist.<br />

„Ein Genie“, nannte ihn Kent Nagano, der mehrere<br />

Werke von ihm aufführte. Ein Jahr vor seinem<br />

Tod <strong>19</strong>93 nahm das Ensemble Modern<br />

späte Werke mit ihm auf. Für Zappa war das<br />

Ensemble seine „letzte Band“. Ausschnitte aus<br />

den Alben „The Yellow Shark“ und „Gregory<br />

Peccary & Other Persuasions“, das Ali N. Askin aus Zappas Nachlass zusammenmontiert<br />

hatte, kommen nun abermals zur Aufführung. Musikalisch<br />

ineinandergreifend, bilden sie, der Aussage Zappas folgend, der alle<br />

seine Werke als eine Komposition verstand, ein Klangkontinuum.<br />

Frankfurt am Main, Alte Oper, www.alteoper.de<br />

29. <strong>Oktober</strong><br />

BERLIN LGT YOUNG SOLOISTS<br />

Gemeinsam haben sie über 80 Preise bei Wettbewerben<br />

gewonnen. Die LGT Young Soloists<br />

sind ein Streicherensemble mit Musikern im Alter<br />

zwischen 14 und 23 Jahren. Das von dem<br />

Geiger Alexander Gilman und der Pianistin Marina<br />

Seltenreich 2013 ins Leben gerufene Projekt<br />

LGT Young Soloists ermöglicht Wettbewerbspreisträgern<br />

Auftritte als Solisten, Kammer- und Orchestermusiker.<br />

Mit „Italian Journey“ und „Russian Soul“ brachten die jungen Solisten<br />

bereits zwei Alben heraus. Für ihr Konzert haben sie ein<br />

melancholisches Programm zusammengestellt. Nach den gefühlvollen<br />

Melodien in Schumanns Konzert op. 129 folgen u. a. Paul Hindemiths<br />

Trauermusik und Valse triste von Jean Sibelius.<br />

Berlin, Kammermusiksaal der Philharmonie, www.lgtyoungsoloists.com<br />

2. <strong>November</strong><br />

CHEMNITZ BEI DER FEUERWEHR WIRD DER<br />

KAFFEE KALT<br />

Die Feuerwehr macht Pause. Aber da klingelt<br />

das Telefon. Bei Oma Eierschnecke brennt es.<br />

Endlich sind die Feuerwehrleute zurück und<br />

wollen sich an ihren Kaffeetisch setzen. Da läutet<br />

abermals das Telefon. Emil Zahnlücke ist im<br />

Schwanenteich eingebrochen. Immer wieder<br />

müssen Löschmeister Wasserhose und Oberfeuerwehrfrau<br />

Olivia Obenauf ausrücken. Vor 50 Jahren erschien das<br />

Kinderbuch „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ von Hannes Hüttner.<br />

Zum Jubiläum hat Oliver Ostermann eine gleichnamige Ki n der oper<br />

komponiert. Mit Matthias Winter als Löschmeister Wasserhose und mit<br />

Ostermeier am Pult setzt Alexander Kuchinka (Foto) sie in Szene.<br />

Chemnitz , Theater, 2. (Premiere) und 14.11., 6.12., 10., 18. und 26.1., 29. und<br />

30.3., 11. und 12.5. sowie 10.6. , www.theater-chemnitz.de<br />

22. und 23. <strong>November</strong><br />

BERLIN LA DAMNATION DU FAUST<br />

Als ein „bemerkenswertes Ereignis“, das einen<br />

seltsamen und tiefen Eindruck hinterließ, beschrieb<br />

Hector Berlioz seine erste Lektüre von<br />

Goethes Faust in der Übersetzung von Gérard<br />

de Nerval. Das Werk faszinierte ihn sofort, und<br />

er „erlag der Versuchung“, es zu vertonen. Aus<br />

dem ersten Wurf von 1845 erarbeitete er während<br />

einer Postkutschenfahrt durch deutsche Lande die dramatische<br />

Legende La damnation du Faust. „Chauvinisten! Fetischisten! Kretins!“,<br />

beschimpfte er nach der Uraufführung die deutschen Kritiker, die ihm<br />

vorwarfen, er habe Goethes Text abgeändert. Robin Ticciati leitet das<br />

Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und den Rundfunkchor Berlin<br />

(Foto) bei der Aufführung des Werks.<br />

Berlin, Philharmonie, www.dso-berlin.de<br />

www.kunstklang-feuchtwangen.de<br />

Kartentelefon 09852 904-44<br />

CONFISSERIE SPRÜNGLI PRÄSENTIERT<br />

17. <strong>November</strong> 20<strong>19</strong><br />

Hommage à<br />

Clara Schumann<br />

Ausgewählte Lieder von<br />

Clara und Robert Schumann<br />

und Johannes Brahms<br />

Christiane Karg (Sopran)<br />

Malcolm Martineau (Klavier)<br />

14. Februar 2020<br />

An die ferne Geliebte<br />

Lieder von Ludwig van Beethoven<br />

und Benjamin Britten<br />

Andrè Schuen (Bariton)<br />

Boulanger Trio<br />

BASEL 10 –24 11 20<strong>19</strong><br />

24.11. GROSSE SYNAGOGE BASEL<br />

«DIE WEISSAGUNG DES JESAJA»<br />

WDR RUNDFUNKCHOR<br />

KNABENKANTOREI BASEL, SOLISTEN<br />

20.11. DER WUNDERBARE<br />

FERNFLUG<br />

FAMILIENKONZERT,<br />

MUSEUM TINGUELY<br />

12.11. «GOETHE UND<br />

GHETTO»<br />

JÜDISCHES MUSEUM SCHWEIZ<br />

UND STADTKINO BASEL<br />

10.11. GIDON KREMER<br />

KREMERATA BALTICA<br />

OEKOLAMPAD<br />

17.11. TRIO À LA KODÁLY<br />

THE BIRD’S EYE JAZZ CLUB<br />

www.martinu.ch<br />

Vorverkauf: www.ticketino.ch sowie an allen bekannten<br />

Vorverkaufsstellen Info: www.martinu.ch T +41 (0)61 555 06 45<br />

Foto: Gisela Schenker<br />

43


E R L E B E N<br />

Ioan-Holender-Kolumne<br />

DIE OPER VERKOMMT<br />

ZUM KONSUMGUT<br />

Die Oper ist die szenische Erzählung der Komposition.<br />

Aber kann man das noch so erleben? Die konzertanten<br />

Aufführungen von Opernwerken verbreiten<br />

sich in den letzten Jahren wie eine Hydra mit immer größeren<br />

Armen. Die Unsitte der simplifizierten Wiedergabe<br />

dieser Un-Form begann mit der Renaissance der Barockopern,<br />

die derzeit weitgehend in konzertanter Weise aufgeführt<br />

werden, obwohl jedermann bekannt ist, dass<br />

Barockopern in der Blütezeit ihrer Entstehung von Cesti,<br />

Monteverdi bis Händel immer und überall in prachtvoller<br />

Ausstattung als Gesamtkunstwerk für Auge und Ohr aufgeführt<br />

wurden. Die mythologischen Vorlagen von Homer bis<br />

Ovid und bis zu den germanischen Heldensagen sind heute<br />

dem Publikum und auch den szenischen Gestaltern nicht<br />

mehr bekannt, und eine szenische Wiedergabe wird – ob<br />

in historischer Form oder im Versuch, die Handlung heutig<br />

zu erzählen – nicht intendiert.<br />

Nicht nur bei den Salzburger Festspielen greift die künstlerische<br />

Unsitte um sich, dass man unbedenklich Werke, in<br />

denen ein verkaufsträchtiger Mitwirkender besetzt werden<br />

kann, konzertant aufführt. Die dramaturgisch programmatische<br />

Rechtfertigung dazu sind die kurze Probenzeit, die<br />

Zweitrangigkeit des „begleitenden“ Orchesters, keinerlei<br />

Dekoration und natürlich der gute Verkauf zu denselben<br />

Bedingungen – sprich zu denselben Preisen – wie die teuren<br />

szenischen und lange geprobten Aufführungen. Also sind alle<br />

froh und zufrieden, der Veranstalter ebenso wie das Publikum,<br />

das sich nicht bemühen muss, eine szenische Gestaltung<br />

zu verstehen oder sich damit zu beschäftigen, und vor allem<br />

die zu schnellem Geld gelangten Sänger.<br />

Hinzu kommt die Garderobe der Solisten als bezahlte<br />

Modenschau. Werden sinfonische Werke aufgeführt, bei<br />

denen Sänger mitwirken, kleiden sich diese zumeist in<br />

Abendkleid und Frack. Bei konzertanten Operndarbietungen<br />

dagegen zeigen die Sänger und vor allem die Solistinnen<br />

wahrhaft schrille Modevorführungen, für die sie von Modeschöpfern<br />

auch noch bezahlt und beschenkt werden. Auf<br />

diese Weise wird die Oper immer mehr zum Konsumgut.<br />

„kulTOUR mit Holender“ auf<br />

ServusTV Deutschland:<br />

20.10. Krim – Kulturleben am Schwarzen Meer (Wh.)<br />

27.10. Philipp Hochmair – Ein Leben für die Kunst (Wh.)<br />

1. und 3.11. Savonlinna – Oper im hohen Norden<br />

8. und 10.11. Athen – Die ewige Kulturhauptstadt<br />

15. und 17.11. Amsterdam – Weltkulturhauptstadt?<br />

22. und 24.11. Modena<br />

10. <strong>November</strong><br />

ALZENAU BR-CHOR<br />

Bibel und Koran haben viel gemeinsam. Biblische<br />

Überlieferungen finden sich auch im Koran<br />

wie etwa die Schöpfungsgeschichte, Mose, Kain<br />

und Abel, Josef und seine Brüder, und an etwa<br />

25 Stellen wird Jesus erwähnt. Der Chor des<br />

Bayerischen Rundfunks widmet sich dem Licht<br />

als Symbol beider Religionen. Hassan Sadeghi<br />

rezitiert den Lichtvers (Sure 24, Vers 35), und der Chor singt György<br />

Ligetis sphärisches A-cappella-Stück Lux aeterna. Ligeti verglich die<br />

harmonischen Bewegungen des Stückes mit dem Kräuseln einer Wasseroberfläche,<br />

in der ständig neue Spiegelbilder erscheinen. Rupert<br />

Huber (Foto) bringt seine neue Komposition Das Licht der Öllampe zur<br />

Aufführung.<br />

Alzenau, Wallfahrtskirche Kälberau, 10.11.; München, Prinzregententheater,<br />

23.11., www.br-chor.de<br />

3. <strong>November</strong><br />

DRESDEN LE GRAND MACABRE<br />

„Charaktere und Bühnensituationen sollen direkt,<br />

knapp gehalten, unpsychologisch und verblüffend<br />

sein“, beschrieb György Ligeti seine<br />

Vision einer Oper. Er stellte sich ein überfarbiges,<br />

dramatisches Geschehen vor, das aus dem<br />

Inneren der Musik herauswächst. In Michel de<br />

Ghelderodes Ballade du Grand Macabre fand er<br />

das ideale Stück: „ein Weltuntergang, der dann gar nicht wirklich stattfindet,<br />

der Tod als Held, der aber vielleicht nur ein Gaukler ist, die kaputte<br />

und doch glücklich gedeihende, versoffene, verhurte Welt des imaginären<br />

‚Breughellandes‘“. Calixto Bieito setzt Ligetis Grand Macabre mit<br />

Omer Meir Wellber am Pult in Szene. Amanda ist Katerina von Bennigsen<br />

(Foto), und Amando ist Christina Bock.<br />

Dresden, Semperoper, 3. (Premiere), 7., 13., 26. und 28.11., www.semperoper.de<br />

24. <strong>November</strong><br />

KÖLN HAMLET<br />

Staub als Symbol der Vergänglichkeit zieht sich<br />

leitmotivisch durch Brett Deans (Foto) Oper<br />

Hamlet. Emphatisch kehrt das Wort immer wieder.<br />

2017 veroperte Dean die berühmte Shakespeare-Tragödie<br />

zu einer dichten poetischen<br />

Collage. Matthew Jocelyn, der auch das Libretto<br />

verfasste, inszeniert die deutsche Erstaufführung.<br />

Hamlet verkörpert David Butt Philip. Die musikalische Leitung liegt<br />

in den Händen von Duncan Ward. Das Werk hebt an mit einem perkussiven<br />

Raunen, während Sänger im Orchester durch Zischen und Wispern<br />

ein verzerrtes Gewirr von Stimmen erzeugen, wie es den Kopf eines<br />

Wahnsinnigen erfüllt. Dean setzt das Phänomen Wahnsinn als Metapher<br />

für die marode Gesellschaft und die von ihr deformierten Personen ein.<br />

Köln, Oper, 24. (Premiere), 27. und 30.11., 5., 8., und 11.12., www.oper.koeln/de<br />

26. <strong>Oktober</strong><br />

MÜNSTER YOLIMBA<br />

Für den 2017 verstorbenen Komponisten Wilhelm<br />

Killmayer hatte Musik allein mit dem inneren<br />

Leben zu tun. Seine Werke durchziehen heitere<br />

und spielerische Elemente. <strong>19</strong>65/<strong>19</strong>70 komponierte<br />

er die Posse Yolimba oder die Grenzen<br />

der Magie. Die Kunstfigur Yolimba wurde von<br />

Professor Möhringer, der die Liebe hasst, so<br />

programmiert, dass sie jeden tötet, der von „Liebe“ spricht. Generalintendant<br />

Ulrich Peters (Foto) setzt die absurd-groteske Handlung in Szene,<br />

und Thorsten Schmid-Kapfenburg leitet sie musikalisch.<br />

Münster, Theater, 26.10. (Premiere), 2., 8., 17. und 28.11., 2.12. sowie 8. und<br />

24.11., www.theater-muenster.com<br />

FOTOS: DONAUESCHINGER MUSIKTAGE, STAATSOPER HAMBURG, JASPINDER KAUR, STEFFEN SCHINDLER, PRISKA KETTERER, ULRICH PETERS, ASTRID ACKERMANN, BRURIA HAMMER, DAVID REISLER; ALESSANDRO CAPPONE; ROBERT PERES; JONAS HOLTHAUS; BETTINA STOESS<br />

44 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


E R L E B E N<br />

SICH ENTFÜHREN LASSEN<br />

„Mythos“ ist ein nachdenkliches Album großer musikalischer Schönheit. Mulo Francel an<br />

Saxofonen und Klarinetten und Chris Gall am Klavier widmen sich in einem musikalischen<br />

Dialog den alten Mythen, die von Flucht, Schicksal und Hoffnungen erzählen.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

<strong>CRESCENDO</strong>: Herr Francel,<br />

Mythen sind Weisheitsquellen.<br />

Bangen Sie um die Welt?<br />

Mulo Francel: Wie viele Menschen,<br />

die mit wachen Augen auf<br />

unsere Welt schauen, bin ich<br />

besorgt. Aber es gibt durchaus auch<br />

Anlass zur Ermutigung. Auf einer<br />

Tournee in Freiburg im Breisgau<br />

gerieten wir zufällig in eine<br />

Fridays-for-Future-Veranstaltung<br />

Hunderter junger Menschen. Dass<br />

eine junge Generation aufsteht und<br />

Veränderungen verlangt, war eine<br />

emotional aufwühlende Erfahrung für uns. Vor diesem Hintergrund<br />

ist das Thema Mythos ein gedanklicher Leitfaden, dem wir mit unserem<br />

musikalischen Konzept folgen.<br />

Mit Palinuro über Aeneas und Dido’s Lament zieht sich auch das<br />

Thema Flucht durch Ihr Album …<br />

Da gibt es eine Parallele zu heute. Man muss nur einen Blick in<br />

Homers Epos Ilias werfen. Aeneas flieht mit anderen Trojanern aus<br />

dem brennenden Troja. Ungünstige Winde treiben sie an die Küste<br />

Nordafrikas. Dort bekommen sie Asyl. Königin Dido verliebt sich<br />

sogar in Aeneas. Wir sehen genau die umgekehrte Situation zu<br />

heute. Dieses uralte Epos erinnert uns daran: Es ist zuallererst ein<br />

Gebot der Menschlichkeit, Asyl zu gewähren.<br />

Ikarus’ Dream nennen Sie als auslösende Inspiration für das Album.<br />

Ikarus wollte seinem Schicksal entfliehen und stürzte ins Meer. Ist<br />

der große Menschheitstraum unerfüllbar?<br />

Das hängt davon ab, ob man an eine Vorbestimmung<br />

glauben will oder an die Freiheit, seinen<br />

Weg selbst zu bestimmen. Ich neige eher zu letzterer<br />

Sichtweise. Ikarus und sein Vater Dädalus<br />

schaffen es, aus dem Labyrinth des Minotaurus<br />

auszubrechen, mit List, aber auch mit Gedankenkraft<br />

und handwerklicher Fähigkeit. Dass die<br />

Flucht dennoch tragisch endet, lag an Ikarus’<br />

Übermut. Der Anblick der sonnenbeschienenen<br />

Ägäis und die Vorstellung dieses Fluges und der<br />

Gedanken Ikarus’ beim Absturz waren für mich<br />

ein inspirierender Augenblick. Die starke Emotion,<br />

die er auslöste, setzte ich in Musik um.<br />

Das Album ist eine Duo-Aufnahme. Sie haben<br />

MULO FRANCEL & CHRIS GALL<br />

22.11. Burghausen, Ankersaal<br />

26.11. München, Allerheiligen-Hofkirche<br />

8.1. Bonn, Harmonie<br />

9.1. Berlin, A-trane<br />

31.3. Rosenheim, Apostelkirche<br />

Weitere Termine und Informationen:<br />

www.mulofrancel.de<br />

Mulo Francel, Chris Gall: „Mythos“ (GLM)<br />

FOTO: MIKE MEYER<br />

schon mehrere Duo-Alben veröffentlicht.<br />

Was ist das Besondere<br />

am Duo?<br />

Das Duo-Spiel ist ein Dialog, in<br />

dem man lebendig aufeinander<br />

eingehen kann. Chris’ hochvirtuoses<br />

Klavierspiel ist so rhythmisch<br />

und feingliedrig, dass man in<br />

kleinste Details gehen kann. Das<br />

entflammt mich. Es regt mich<br />

dazu an, über seine rhythmischen<br />

und harmonischen Strukturen<br />

weite Melodiebögen zu legen.<br />

Chris war häufig Mitglied bei<br />

Quadro Nuevo, wir zogen nächtelang gemeinsam durch Buenos Aires.<br />

Er spielt ein Stück jeden Abend anders und gibt einfallsreiche Impulse.<br />

Für mich als Musiker, der viel auf der Bühne steht, ist es wichtig, mich<br />

jeden Abend musikalisch herauszufordern. Chris ist dabei ein wunderbarer<br />

Partner.<br />

Die 7 Weisen haben Sie gemeinsam komponiert. Wie geht die<br />

Umsetzung einer Idee in Musik vor sich?<br />

Ich hatte eine Reise durch den Iran unternommen, mit Menschen<br />

gesprochen und mit einheimischen Musikern gespielt. Daraus entstand<br />

2018 das Hörbuch Goethes persische Reise. Goethe begeisterte<br />

sich in seinen späten Jahren für die persische Kultur. Während der<br />

Reise durch diese alte Hochkultur und diesen religiös gelenkten Staat<br />

stellte sich mir die Frage, was eine gute Regierungsform auszeichnet.<br />

Die Überlegungen verarbeitete ich in dem Stück Der Weise. Chris<br />

wiederum hatte ein Stück im Siebenviertel-Takt,<br />

das er In 7 nannte. Beide zusammen ergaben Die<br />

7 Weisen. Wir stellen uns vor: Sieben Weise –<br />

ältere Menschen mit viel Lebenserfahrung –,<br />

denen man vertraut, setzen sich zusammen, diskutieren<br />

gesellschaftliche Fragen und stimmen<br />

anschließend ab.<br />

Erwarten Sie vom Publikum, dass es sich auf<br />

die Themen einlässt?<br />

Ich erwarte die Bereitschaft, sich aus dem Alltag<br />

entführen zu lassen in eine Welt von Klängen.<br />

Die inhaltliche Inspiration muss man nicht mitnehmen.<br />

Aber man kann sich den Flug des Ikarus<br />

vorstellen, um sich selbst anders zu verhalten.<br />

Nicht zu tief zu fliegen und nicht zu hoch. ■<br />

45


E R L E B E N<br />

Das Publikum mitzureißen mit ihrer Energie, ihrer Leidenschaft für Musik und emotionale Erlebnisse<br />

zu schaffen – das ist der Wunsch der 12 Tenöre<br />

LIEBE UND<br />

LEIDENSCHAFT<br />

Die 12 Tenöre begeben sich wieder auf Tournee. Mit einem Programm, das die ganze<br />

Vielfalt der Musik von den berühmten Arien der Opern- und Operettenliteratur über<br />

Melodien aus Musicals bis zu den Klassikern der Rock- und Popgeschichte umfasst, sind sie<br />

ab Dezember in zahlreichen deutschen Städten zu erleben.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

„Wir alle lieben es zu singen! Wir lieben die Musik! Wir lieben es<br />

zu tanzen“, betont Tenor Alexander Herzog in einem Interview.<br />

„Wir alle lieben es, unser Publikum zu begeistern!“ Seit 2010 ist<br />

Herzog mit der Show „The 12 Tenors“ auf Tournee und hat an mehr<br />

als 1.000 Auftritten mitgewirkt. Er absolvierte eine Musicalausbildung<br />

an der Stella-Musical Academy in Hamburg sowie ein klassisches<br />

Gesangsstudium an der Hochschule für Musik in Nürnberg<br />

und sammelte Erfahrungen bei Opernfestspielen, Fernsehshows<br />

und einer eigenen Musical-Gala. Über eine Musicalausbildung verfügen<br />

die meisten der 12 Tenöre. Tenor Jordan Ramroop studierte<br />

an der London School of Musical Theatre. Tenor Jamie Pritchard,<br />

der zudem als professioneller Trompeter in Orchestern tätig ist, trat<br />

nach seinem Studium am Royal Conservatoire of Scotland in Musicals<br />

wie Frederick Loewes Brigadoon oder John Kandlers Cabaret<br />

auf. Und Tenor Andy Conaghan, der die Western Australia Academy<br />

of Performing Arts besuchte, war nach Auftritten in Musicals<br />

wie Les Misérables von Claude-Michel Schönberg oder Richard<br />

Rodgers’ Oklahoma! und South Pacific Solist im Konzert „The Music<br />

of Andrew Lloyd Webber“.<br />

Kompositionen von Webber gehören zum Repertoire der<br />

Tenöre. Und in der Tat kommt Webber bei der Öffnung der musikalischen<br />

Grenzen eine wichtige Rolle zu. Denn mit seinen Werken<br />

hielt die Popmusik Einzug ins Musiktheater. Webber arbeitete mit<br />

Mikrofonen, Lautsprechern, Synthesizern und anderen technischen<br />

Raffinessen, um seine Lieder publikumswirksam zu gestalten. Die<br />

Mitwirkenden von „The 12 Tenors“ folgen diesem Weg. Tenor<br />

Daniele Alan Carter etwa gab nach seinem Studium an der Accademia<br />

nazionale d’arte drammatica Silvio D’Amico in Rom sein<br />

Debüt als Romeo in Riccardo Cocciantes Pop-Oper Giulietta e<br />

Romeo. Und Tenor Martin Turner Van Holtgreven, der seit 2017 an<br />

der Show „The 12 Tenors“ mitwirkt, ging nach einer Musicalausbildung<br />

an der Stage School in Hamburg und Auftritten in diversen<br />

Musicals als Backgroundsänger mit der Whitney-Houston-Tri bute-<br />

Show „One Moment in Time“ auf Tournee.<br />

In einem Streifzug durch die <strong>19</strong>60er-, <strong>19</strong>70er- und <strong>19</strong>80er-Jahre<br />

erinnert „The 12 Tenors“ an die Klassiker der Rock- und Popgeschichte.<br />

Music, der Rock-Klassiker von John Mills, steht ebenso<br />

auf dem Programm wie Vince Clarkes Pop-Ballade Only You und<br />

46 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


FOTOS: MARIO MÜLLER<br />

Good Vibrations von der Band The Beach Boys. Mit dem Rocksong<br />

Bohemian Rhapsody aus dem Album „A Night at the Opera“ gedenken<br />

die 12 Tenöre Freddie Mercurys, des Mitbegründers der Band<br />

Queen, der <strong>19</strong>91 im Alter von 45 Jahren seiner Aids-Erkrankung<br />

erlag. Natürlich darf Imagine, John Lennons Vision einer von Religion,<br />

Nationalismus und Besitz freien Gesellschaft aus dem Jahr<br />

<strong>19</strong>71, nicht fehlen. „The greatest composers since Mozart“ nannte<br />

Philip Glass The Beatles, von denen die 12 Tenöre Come Together,<br />

das Eröffnungslied des Albums „Abbey Road“ aus dem Jahr <strong>19</strong>69,<br />

interpretieren. Michael Jackson setzte die Tradition der Songs und<br />

Balladen der Beatles fort und führte sie zu neuer Vollendung. In<br />

einem Medley mit Man in the Mirror sowie Songs aus dem Album<br />

„Thriller“ erinnern die 12 Tenöre an den genialen Künstler und seinen<br />

tragischen Tod vor zehn Jahren im Alter von 51 Jahren.<br />

Lieder, die Erinnerungen wecken, Gefühle auslösen und die<br />

Seele berühren, bestimmen das Programm, dem Opernarien wie<br />

Nessun dorma des unbekannten Prinzen Kalaf aus Giacomo Puccinis<br />

letzter Oper Turandot und Operettenmelodien wie Dein ist<br />

mein ganzes Herz aus Franz Lehárs Das Land des Lächelns angehören.<br />

Die Zuhörer mit ihrer Musik zu berühren, das ist der Wunsch<br />

der 12 Tenöre. Sie wollen das Publikum mitreißen mit ihrer Energie,<br />

ihrer Leidenschaft für Musik und emotionale Erlebnisse schaffen.<br />

Tenor Julian Dionne, der nach einem Gesangsstudium am Conservatorio<br />

Giuseppe Verdi in Mailand als Jesus in Webbers Musical<br />

Jesus Christ Superstar auftrat, spricht von dem großen Glücksgefühl,<br />

das er empfinde, wenn er Menschen mit seiner Stimme erfreuen<br />

und berühren könne.<br />

Die Mythen aller Erdteile wissen von der Magie des Gesangs<br />

zu erzählen. Vom Gilgamesch-Epos, dem ältesten überlieferten<br />

Mythos der Geschichte, über die Bhagavad Gita, der wichtigsten<br />

Schrift des Hinduismus, deren Titel übersetzt „Gesang des Erhabenen<br />

lautet“, und das Poopol Wuuj, das heilige Buch der Maya, bis<br />

zum antiken Orpheus-Mythos wird dem Gesang<br />

eine sinnstiftende Kraft zugeschrieben. Orpheus<br />

bezaubert mit seinem Gesang die wilden Tiere,<br />

entlockt den Felsen Tränen und vermag sogar die<br />

Zeit zurückzudrehen und Zugang zu Eurydike ins<br />

Totenreich zu erlangen. Den Tenor umgibt seit<br />

THE 12 TENORS<br />

Live on tour ab Dezember<br />

Informationen und Kartenservice:<br />

www.12-tenors.com<br />

www.highlight-concerts.com<br />

Beginn des <strong>19</strong>. Jahrhunderts eine besondere Aura. Klangschönheit,<br />

Koloraturgewandtheit und stimmliche Dominanz verbinden sich<br />

bei ihm zu einem sinnlichen Erlebnis. Mit der Tenorpartie in Gioachino<br />

Rossinis Otello wurde 1816 der Tenorheld geboren. Auf die<br />

Frage, was ein Sänger brauche, nannte Rossini „nur drei Dinge:<br />

Stimme, Stimme und nochmals Stimme!“. Der Tenor ist ein Stimmfach<br />

von höchstem technischen Anspruch. Was ihn auszeichnet, ist<br />

die Ausführung des hohen Cs in der Bruststimme, die zu einem<br />

mythenstiftenden Phänomen wurde. Gilbert Duprez war der erste<br />

Tenor, der dies 1837 vermochte und damit einen Prüfstein für jeden<br />

Tenor schuf. Davor bedienten sich Sänger einer Mischung aus Kopfund<br />

Bruststimme. Die Faszination der hohen Männerstimmen blieb<br />

bis heute ungebrochen. Kraft, Brillanz und seelischer Ausdruck<br />

rufen Bewunderung und Begeisterung hervor und schlagen das<br />

Publikum in Bann. Manche sprechen gar von einem erotischen<br />

Klang, der die Sinne berauscht.<br />

Die 12 Tenöre greifen diesen Mythos vom Heldentenor auf und<br />

spielen mit ihm. Ironisch und humorvoll persiflieren und konterkarieren<br />

sie ihn. Damit knüpfen sie an jene Tradition an, als im <strong>19</strong>.<br />

Jahrhundert William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan die<br />

britische Operette schufen, indem sie Operntechniken mit Unterhaltungsformen<br />

verbanden und Belcanto-Werke von Donizetti und<br />

Bellini persiflierten. Nicht nur Licht, Choreografie und Tanz bilden<br />

ein integrales Element der Show „The 12 Tenors“, auch der Darstellungskunst<br />

mit Mimik, Gestik und Körpersprache kommt Bedeutung<br />

zu. Eine Reihe der Mitwirkenden durchlief eine Schauspielausbildung.<br />

Tenor Matt Hayden, Tenor Michael Lynch, Tenor Aran<br />

Macrae und Tenor Julian Quijano besuchten die Guildford School<br />

of Acting, ehe sie ihre Laufbahn als Musicaldarsteller begannen.<br />

Seit rund zehn Jahren besteht die Show „The 12 Tenors“ bereits,<br />

tourt um die Welt und erneuert sich immer wieder. Tenor Shane<br />

Barragan ist der jüngste Neuzugang. 2018 hat er sein Studium an<br />

der London School of Musical Theatre abgeschlossen<br />

und gibt nun sein Debüt in der Show. Einer<br />

schönen Tradition bleiben die 12 Tenöre allerdings<br />

treu: Sie nehmen stets einheimische Lieder des<br />

Gastgeberlandes in ihr Programm, und sie laden<br />

das Publikum zum Mitsingen ein. <br />

■<br />

47


E R L E B E N<br />

ROMANTISCHER<br />

MELODIENREICHTUM<br />

Mit großartigen Künstlern und wunderbarer Musik warten die Essener Philharmoniker<br />

und ihr Generalmusikdirektor Tomáš Netopil in der Spielzeit 20<strong>19</strong> / 2020 auf.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

Die Vermittlung von Musik ist ihm ein Anliegen: Generalmusikdirektor Tomáš Netopil<br />

FOTO: HAMZA SAAD<br />

Die große romantische Sinfonik mit ihren weit ausschwingenden<br />

Melodien und ihrem Reichtum an emotionalen Schattierungen<br />

bestimmt das Konzertprogramm der Essener Philharmoniker in<br />

der neuen Saison. Generalmusikdirektor Tomáš Netopil eröffnete<br />

sie mit seiner Lieblingssinfonie, Antonín Dvořáks Siebter. Ivor<br />

Bolton, Artist in Residence der Philharmonie Essen und aufregender<br />

Deuter von Bruckner-Sinfonien, reist an für die aus dem Geist<br />

der Naturromantik geschaffene Vierte Sinfonie, der Bruckner die<br />

Bezeichnung Romantische gab. Der junge Pianist Alexander Krichel<br />

ist Solist in jenem Klavierkonzert Nr. 23, mit dem Mozart einst sein<br />

Leben als freier Künstler begann. Netopil steht wieder am Pult,<br />

wenn Gustav Mahlers Dritte Sinfonie zur Aufführung kommt. „Das<br />

Unbekümmertste“, was er je geschrieben habe, sei diese Sinfonie,<br />

bekundete Mahler über das Werk, das mit bunten Farben das Aufleben<br />

der Natur schildert. Tschaikowsky dirigierte noch die Uraufführung<br />

seiner Sechsten Sinfonie. Danach verstarb er. So wurde die<br />

Sechste zu seinem Requiem und ein ergreifender Abschied vom<br />

Leben mit all seinen Geheimnissen. Netopil leitet ihre Aufführung<br />

mit Frank Peter Zimmermann als Solisten in Beethovens<br />

Vio linkonzert.<br />

Die riesigen Orchester der Romantik und ihre monumentale<br />

Klangentfaltung kulminieren in einem außergewöhnlichen Werk:<br />

Arnold Schönbergs Gurreliedern. Netopil dirigiert ihre Aufführung,<br />

die im Rahmen des Festivals für Neue Musik NOW! stattfindet. Der<br />

Liederzyklus auf Texte des dänischen Dichters Jens Peter Jacobsen<br />

ist für eine gigantische Besetzung komponiert. Schönberg schreibt<br />

acht Flöten, sieben Klarinetten und mindestens 40 Geigen vor. Drei<br />

Chöre wirken mit, der WDR Rundfunkchor, der Aalto Opernchor<br />

ESSENER PHILHARMONIKER<br />

Saison 20<strong>19</strong> /2020<br />

Informationen und Kartenservice:<br />

www.essener-philharmoniker.de<br />

und der Philharmonische Chor Essen. Für die<br />

ergreifende, rätselhafte 15. Sinfonie Dmitri<br />

Schostakowitschs tritt Rory Macdonald ans<br />

Pult. Die 15. ist die letzte Sinfonie des genialen<br />

Komponisten. Mit dem Auftauchen des Schicksalsmotivs<br />

aus Wagners Walküre zu Beginn des Finales gemahnt<br />

sie an den Tod, ehe sie mit Klängen, die nicht mehr von dieser Welt<br />

zu sein scheinen, endet. Musik an der Wende vom <strong>19</strong>. zum 20. Jahrhundert<br />

stellt der Dirigent Tomáš Hanus vor. Das Cellokonzert von<br />

Edward Elgar umrahmt er mit Suiten Igor Strawinskys und der<br />

Sinfonischen Suite Scheherazade von Nikolai Rimski-Korsakow.<br />

Netopil ist die Vermittlung der Musik ein Anliegen. So gibt es für<br />

die Hälfte der insgesamt zwölf Sinfoniekonzerte eine Einführung<br />

mit dem Dirigenten und dem Orchester. Die „Kunst des Hörens“<br />

nennt Netopil diese Initiative, die ergänzt wird von den Sonntagsmatineen<br />

„Mit Götz Alsmann ins Konzert“.<br />

Mit der Neunten Sinfonie im traditionellen Neujahrskonzert<br />

unter Netopils Leitung heben die Feiern zum 250. Jubiläum des<br />

Komponisten an. Beethovens Tripelkonzert widmet sich das Van<br />

Baerle Trio. Eine Rarität hat der Dirigent David Danzmayr auf dem<br />

Programm. Der von dem Beethoven-Biografen Barry Cooper aus<br />

Fragmenten und Skizzen ausgearbeitete erste Satz einer von Beethoven<br />

nie vollendeten Zehnten Sinfonie erklingt mit Franz Schuberts<br />

Großer C-Dur-Sinfonie und Carl Maria von Webers Erstem Klarinettenkonzert<br />

mit Andreas Ottensamer als Solisten. Rudolf Buchbinder,<br />

der große Beethoven-Interpret, kommt mit dem Fünften<br />

Klavierkonzert. Und zu einer Zeitreise lädt Reinhard Goebel, der mit<br />

„Beethovens Welt“ ein jahrelanges Forschungs- und Musikprojekt<br />

betreibt. Er leitet das Programm des Uraufführungskonzerts von Beethovens<br />

Dritter Sinfonie Eroica, das am Palmsonntag, den 7. April 1805<br />

in einer von dem Konzertmeister Franz Clement veranstalteten Akademie<br />

im Theater an der Wien stattfand. Solistin in Clements Erstem<br />

Klavierkonzert ist Miriam Contzen. An die Tradition der Akademien<br />

knüpften die Essener Philharmoniker in ihrem<br />

100. Jubiläumsjahr an, um jungen Musikern<br />

praktische Erfahrungen in einem Orchester zu<br />

ermöglichen. In diesem Jahr feiert die Akademie<br />

ihr 20-jähriges Bestehen. <br />

■<br />

48 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


OPUS KLASSIK<br />

Mariss Jansons: Würdigung seines außergewöhnlichen Lebenswerks (Seite 52)<br />

OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>: Alle Preisträger im Überblick (Seite 50)<br />

Preisträger, die es zu entdecken gilt (Seite 55)<br />

OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong><br />

DER MUSIKPREIS IM ZWEITEN JAHR<br />

FOTO: MONIQUE WUESTENHAGEN / KRUGERMEDIA<br />

49


O P U S K L A S S I K<br />

FOTO: NINO HALM, PETER MEISEL/BR, SINGPAUSE DÜSSELDORF; ROBERT ASCROFT / SONY CLASSICAL; NINO HALM<br />

Die Gewinner<br />

Von der Würdigung des Lebenswerks bis zum Preis für Nachwuchsförderung:<br />

Hier sind alle Preisträger des diesjährigen OPUS KLASSIK auf einen Blick.<br />

Sängerin des Jahres<br />

Joyce DiDonato<br />

Songplay<br />

Erato (Warner Music)<br />

Sänger des Jahres<br />

Christian Gerhaher<br />

Schumann. Frage<br />

Sony Classical<br />

Instrumentalist des Jahres | Klavier<br />

Igor Levit<br />

Life<br />

Sony Classical<br />

Instrumentalistin des Jahres | Cello<br />

Sol Gabetta<br />

Schumann<br />

Sony Classical<br />

Instrumentalist des Jahres | Klarinette<br />

Andreas Ottensamer<br />

Blue Hour<br />

Deutsche Grammophon<br />

Dirigent des Jahres<br />

Paavo Järvi<br />

Sibelius Symphonies 1-7<br />

RCA (Sony Classical)<br />

50 w w w . c r e s c e n d o . d e — Verlags-Sonderveröffentlichung zum OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>


O P U S K L A S S I K<br />

Komponist des Jahres<br />

Jörg Widmann<br />

Arche<br />

ECM (Universal Vertrieb)<br />

Lebenswerk<br />

Mariss Jansons<br />

S. 52<br />

Nachwuchskünstlerin Gesang<br />

Emőke Baráth<br />

Voglio Cantar<br />

Erato (Warner Classics)<br />

Nachwuchskünstlerin Gesang<br />

Nadine Sierra<br />

There’s A Place For Us<br />

Deutsche Grammophon<br />

Nachwuchskünstler Instrument |<br />

Marimba<br />

Christoph Sietzen<br />

Incantations<br />

Sony Classical<br />

Nachwuchskünstler Instrument |<br />

Mundharmonika<br />

Konstantin Reinfeld<br />

Debut Reinfeld Nuss<br />

ARS Produktion S. 59<br />

Ensemble / Orchester des Jahres<br />

Lautten Compagney<br />

War & Peace. 1618:<strong>19</strong>18<br />

dhm (Sony Classical)<br />

Solistische Einspielung Gesang<br />

(Oper)<br />

Jakub Józef Orliński<br />

Anima Sacra<br />

Erato (Warner Classical)<br />

Solistische Einspielung Gesang<br />

(Lied)<br />

Andrè Schuen<br />

Schubert. Wanderer<br />

CAvi-music S. 55<br />

SoIistische Einspielung | Flöte<br />

Emmanuel Pahud<br />

Solo<br />

Warner Classics<br />

Solistische Einspielung | Klavier<br />

Vikingur Olafsson<br />

Bach Reworks. Part 1<br />

Deutsche Grammophon<br />

Solistische Einspielung | Orgel<br />

Ben van Oosten<br />

César Franck. The Organ Works<br />

MDG S. 58<br />

Solistische Einspielung | Viola<br />

Kim Kashkashian<br />

J. S. Bach. Six Suites for Viola Solo.<br />

BWV 1007-1012<br />

ECM (Universal Vertrieb)<br />

Konzerteinspielung | Violine<br />

Midori Seiler<br />

Vivaldi. La Venezia Di Anna Maria<br />

Berlin Classics S. 56<br />

Konzerteinspielung | Flöte<br />

Lucie Horsch<br />

Baroque Journey<br />

Decca (Deutsche Grammophon)<br />

Konzerteinspielung | Klavier<br />

Markus Becker<br />

Max Reger. Piano Concerto.<br />

Live Recording<br />

CAvi-music S. 55<br />

Konzerteinspielung | Klarinette<br />

Kinan Azmeh<br />

Ueven Sky<br />

Dreyer Gaido S. 56<br />

Kammermusikeinspielung Duo<br />

Tillmann Höfs & Akiko Nikami<br />

Air<br />

Genuin Records<br />

Kammermusikeinspielung Trio<br />

Bin Huang, Yubo Zhou,<br />

Alexander Suleiman<br />

An-lun Huang. Piano Trios 1 & 2<br />

MDG S. 58<br />

Kammermusikeinspielung Quartett<br />

Signum Quartett<br />

Schubert. Aus der Ferne<br />

Pentatone S. 59<br />

Kammermusikeinspielung Quintett<br />

Schumann Quartett &<br />

Anna Maria Richter<br />

Intermezzo.<br />

Schumann Reimann Mendelssohn<br />

Berlin Classics S. 57<br />

Klassik ohne Grenzen<br />

Rolf Lislevand<br />

Nuove Invenzioni<br />

Sony Classical<br />

Klassik ohne Grenzen<br />

Anneleen Lenaerts<br />

Nino Rota. Works for Harp<br />

Warner Classics<br />

Klassik ohne Grenzen<br />

Bryn Terfel<br />

Dreams and Songs<br />

Deutsche Grammophon<br />

Sinfonische Einspielung |<br />

Musik bis inkl. 18. Jh.<br />

dogma chamber orchestra<br />

Mozart. Symphony KV 201.<br />

Schubert. Symphony No. 5<br />

MDG S. 58<br />

Sinfonische Einspielung |<br />

Musik <strong>19</strong> Jh.<br />

Adam Fischer &<br />

Düsseldorfer Symphoniker<br />

Mahler Symphony No. 3<br />

CAvi-music S. 55<br />

Sinfonische Einspielung |<br />

Musik 20. / 21. Jh.<br />

Franz Welser-Möst &<br />

Wiener Philharmoniker<br />

von Einem. Philadelphia Symphonie<br />

Orfeo S. 57<br />

Chorwerkeinspielung<br />

Calmus Ensemble & amarcord<br />

Leipziger Disputation<br />

Carus S. 57<br />

Operneinspielung bis 18. Jh.<br />

Huelgas Ensemble &<br />

Paul van Nevel<br />

Caccini. La liberazione di Ruggiero<br />

dall’isola d’Alcina<br />

dhm (Sony Classical)<br />

Operneinspielung bis <strong>19</strong>. Jh.<br />

Sir Marc Elder & Orchestra<br />

of the Age of Enlightenment<br />

Rossini. Semiramide<br />

Opera Rara (Warner)<br />

Operneinspielung 20. / 21. Jh.<br />

John Adams &<br />

BBC Symphony Orchestra<br />

John Adams. Doctor Atomic<br />

Nonesuch (Warner)<br />

Weltersteinspielung des Jahres<br />

Evelinde Trenkner &<br />

Sontraud Speidel<br />

Mahler. Symphony No. 5.<br />

arr. for Piano Four Hands<br />

MDG S. 58<br />

Innovatives Konzert des Jahres<br />

Podium Esslingen<br />

Johannespassion.<br />

Benedikt Kristjánsson<br />

Audiovisuelle Musikproduktion<br />

Wagner.<br />

Die Meistersinger von Nürnberg.<br />

Deutsche Grammophon<br />

Videoclip des Jahres<br />

Lang Lang<br />

Editorische Leistung des Jahres<br />

Bach. Gulda. Clavichord.<br />

The Mono Tapes<br />

Berlin Classics<br />

Innovative Audio-Produktion<br />

des Jahres<br />

Waldemar von Bausznern<br />

Berolina Ensemble & Maria Bengtsson<br />

MDG S. 58<br />

Preis für Nachwuchsförderung<br />

SingPause Düsseldorf<br />

Bestseller des Jahres<br />

Jonas Kaufmann<br />

Eine italienische Nacht.<br />

Live aus der Waldbühne Berlin<br />

Sony Classical<br />

51


O P U S K L A S S I K<br />

„INSTINKT, EINE PARTITUR ZU ORDNEN<br />

UND IM RICHTIGEN MOMENT RICHTIG ZU REAGIEREN.<br />

EIN ZEICHEN ZU GEBEN, EINE ENERGIE FREIZUSETZEN,<br />

DIE DAS ORCHESTER VERSTEHT.<br />

DIESER INSTINKT IST VIELLEICHT IM ALTER<br />

BESSER AUSGEPRÄGT“<br />

FOTO: PETER MEISEL (BR)<br />

52 w w w . c r e s c e n d o . d e — Verlags-Sonderveröffentlichung zum OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>


O P U S K L A S S I K<br />

WÜRDIGUNG DES LEBENSWERKES<br />

Meister<br />

der Atmosphäre<br />

VON AXEL BRÜGGEMANN<br />

Mariss Jansons ist kein Mensch, der gern<br />

pathetisch wird – nicht einmal dann,<br />

wenn er auf sein 76-jähriges Leben zurückblickt.<br />

Er glaubt nicht daran, dass ein Mensch sich im Laufe<br />

seines Lebens maßgeblich wandelt. „Natürlich hat die<br />

Zeit einen Einfluss auf unsere Empfindsamkeit und<br />

unsere Art, die Dinge zu sehen“, sagt er, „aber ich<br />

bin davon überzeugt, dass ein Mensch seine Meinungen<br />

innerhalb eines Lebens nicht grundlegend<br />

ändert: Er entwickelt sich, er lernt,<br />

er mildert einiges ab, verschärft anderes<br />

– aber die äußeren Einflüsse sind<br />

nicht so groß, dass sie die innere<br />

Welt grundlegend verändern.“<br />

Tatsächlich ist Mariss<br />

Jansons sich ein Leben<br />

lang treu geblieben:<br />

Als Musiker ist er<br />

in erster Linie<br />

Mensch, und<br />

auch seine<br />

S u c h e<br />

in nerhalb der Musik scheint stets dem gleichen Ziel zu<br />

dienen: vorzudringen zum Kern einer Komposition,<br />

die Zeitlosigkeit innerhalb der Kunst aufzustöbern,<br />

oder wie er es sagt, „hinabzutauchen, immer tiefer in<br />

eine Welt, in der unsere reale Welt immer kleiner wird<br />

– und das, was uns innerlich ausmacht, größer“.<br />

In keiner seiner Interpretationen, egal ob in seinen<br />

Mahler-Sinfonien, bei Beethoven oder bei Schostakowitsch,<br />

egal mit welchem Orchester, den Osloer Philharmonikern,<br />

mit Pittsburgh oder seinem Symphonieorchester<br />

des Bayerischen Rundfunks – Jansons sucht<br />

nie nach musikalischen Moden, sondern stets nach<br />

dem wahrhaftigen Sinn, nach dem, was er „die Seele“<br />

nennt. „Diese musikalische Seele funktioniert wie eine<br />

Blume oder ein Baum“, erklärt er. „Wenn die Pflanzen<br />

jung sind, sind sie betörend schön, strotzen vor Kraft,<br />

sind grün und wild – aber spannend werden sie besonders<br />

im Herbst oder im Alter, wenn sie knorriger werden,<br />

wenn sie eine Geschichte zu erzählen haben.“ Und<br />

diese Geschichte erzählt Mariss Jansons jedes Mal neu,<br />

wenn er musiziert. Wenn er Klang aus Weisheit und<br />

Erfahrung produziert.<br />

Das Musizieren ist für ihn in erster Linie der „Instinkt,<br />

eine Partitur zu ordnen und im richtigen<br />

Moment richtig zu reagieren. Ein Zeichen zu<br />

geben, eine Energie freizusetzen, die das<br />

Orchester versteht. Dieser Instinkt ist vielleicht<br />

im Alter besser ausgeprägt“, gibt<br />

der Dirigent zu, „und er ist nötig, um<br />

am Ende eine Atmosphäre aus<br />

Musik zu schaffen.“<br />

53


O P U S K L A S S I K<br />

Tatsächlich beschreibt das Wort „Atmosphäre“ den<br />

Klang, den ein Dirigent wie Jansons kreiert, vielleicht am<br />

besten. Klang scheint für ihn eines der geeignetsten Mittel<br />

des Ausdrucks zu sein, die höchste Form der Kommunikation<br />

– ein Dialog, der in der Ernsthaftigkeit mit sich selber<br />

beginnt und erst aus dieser Tiefe heraus zum Gegenüber<br />

spricht. Oder wie er selbst formuliert: „Ich glaube, dass die<br />

Musik uns oft gar nicht auffordert, konkrete Antworten zu<br />

finden. Musik funktioniert nicht nach dem Prinzip der<br />

Sprache oder einer Matheaufgabe, an deren Ende ein<br />

unumstößliches Ergebnis steht. Wir kennen doch alle<br />

diese Gefühle, in denen wir meinen, die Welt oder die<br />

Liebe zu verstehen, oder in denen wir an beidem zweifeln.<br />

Aber wir können diesem Gefühl in dem Moment, in dem<br />

wir es spüren, oft keine konkreten Worte geben – was<br />

bleibt, ist eine unaussprechliche Atmosphäre.“<br />

Und diese Atmosphäre entsteht selbst ohne Musik –<br />

in jeder Begegnung mit Mariss Jansons. Seine Orchester<br />

verehren seine stille Autorität – ein Maestro, der auch<br />

andere neben sich zulässt, ja, dessen Lebenswerk auch<br />

darin besteht, Nachfolger aufzubauen wie etwa seinen<br />

Schüler Andris Nelsons. Dabei braucht sein Wesen nicht<br />

viele Worte, er ist ein Mensch der Musik. „Meine Buchstaben<br />

sind die Noten“, sagt er selbst, „sie wachsen zu einem<br />

Motiv – und aus den Motiven entsteht ein Satz. Aber<br />

anders als der Satz in der Sprache ist der Satz in der Musik<br />

nicht unbedingt sofort zu verstehen. Er braucht eine Übersetzung.<br />

Und das ist, wofür wir Interpreten die Energie<br />

und die Intuition brauchen. Unsere Aufgabe ist es, bei<br />

unserer Interpretation des musikalischen Satzes so nahe<br />

am Komponisten wie möglich zu sein und gleichzeitig<br />

„MEINE<br />

BUCHSTABEN<br />

SIND DIE<br />

NOTEN“<br />

müssen wir vom Orchester und vom Publikum verstanden<br />

werden. Es geht also immer darum, durch Energie eine<br />

Brücke vom Komponisten zum Publikum zu schlagen“.<br />

Die Stille, die Ausgewogenheit und die Ruhe, mit der<br />

Mariss Jansons für gewöhnlich kommuniziert, ist ebenfalls<br />

eine Konstante seines Lebens, ein Teil seiner unveränderlichen<br />

DNA. Jansons’ Mutter, eine erfolgreiche Mezzosopranistin,<br />

floh, nachdem ihr Vater und ihr Bruder im Ghetto<br />

von Riga umgekommen waren, in ein Versteck, um im<br />

Januar <strong>19</strong>43 ihren Sohn Mariss zur Welt zu bringen. „Ich<br />

war als Jugendlicher sehr schüchtern, sehr still und fand<br />

einfach nicht die Worte, um meiner inneren Welt Ausdruck<br />

zu verleihen“, sagt der Dirigent, „ich war voller<br />

Komplexe, habe mich für alles geschämt, und es fiel mir<br />

sehr schwer, mein Herz zu öffnen.“ Mit der Musik fand<br />

sein stilles Ich dann eine Möglichkeit des anderen Ausdrucks,<br />

der Expression, die für ihn einen wesentlichen<br />

Bestandteil des Musizierens darstellt. „Es geht immer da -<br />

rum, dem Orchester und dem Publikum die nötige Energie<br />

bereitzustellen. Dafür ist ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein<br />

einfach nötig.“ Und das hätte er sich angelernt,<br />

verrät der Dirigent – um Musik machen zu können.<br />

Als Mariss Jansons 2003 die Nachfolge von Lorin<br />

Maazel als Chef des BR-Symphonieorchesters antrat, ahnte<br />

niemand, was für eine Epoche da mit jenem Dirigenten<br />

anbrechen sollte, der einst am Leningrader Konservatorium<br />

studiert hatte, <strong>19</strong>69 nach Österreich ging, um bei<br />

Hans Swarowsky und Herbert von Karajan in die Lehre zu<br />

gehen. Jansons und das Symphonieorchester des BR sind<br />

inzwischen Seelenverwandte, egal, ob durch den genialischen<br />

Beethoven- oder Mahler-Zyklus, durch die Sinfonien<br />

von Schostakowitsch, die großartige Aufnahme von<br />

Strauss’ Vier letzten Liedern mit Anja Harteros oder die<br />

letzte Rachmaninow-Aufnahme. Jansons entwickelte dieses<br />

Orchester zu einem der wichtigsten und spannendsten<br />

Klangkörper der Welt. Das Concertgebouw in Amsterdam<br />

verließ er 2015 nach elf Jahren wieder – den Münchnern<br />

aber blieb er treu.<br />

Eigentlich braucht jemand wie Jansons keine Preise<br />

mehr. Er hat den Bayerischen Verdienstorden, das Österreichische<br />

Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, den<br />

Ernst von Siemens Musikpreis, den Verdienstorden der<br />

Bundesrepublik, ist Ehrenmitglied der Berliner und der<br />

Wiener Philharmoniker. Vor zwei Jahren kritisierte der<br />

Sohn einer jüdischen Mutter den ECHO KLASSIK scharf,<br />

zeigte sich erschrocken über die antisemitischen Ausfälle.<br />

Dass Mariss Jansons nun den OPUS KLASSIK für sein Le -<br />

bens werk annimmt, ehrt den Preis mehr als den Preisträger.<br />

FOTO: PETER MEISEL (BR)<br />

54 w w w . c r e s c e n d o . d e — Verlags-Sonderveröffentlichung zum OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>


O P U S K L A S S I K<br />

1. SOLISTISCHE EINSPIELUNG | GESANG (LIED) 2. KONZERTEINSPIELUNG | KLAVIER 3. SINFONISCHE EINSPIELUNG | MUSIK <strong>19</strong>. JH.<br />

FOTOS: AVI; IRÈNE ZANDEL; SUSANNE DIESNER<br />

1 2 3<br />

Schubert, Reger und Mahler –<br />

OPUS KLASSIK hoch drei für CAvi-music<br />

Gleich drei Alben von CAvi-music werden mit dem OPUS KLASSIK ausgezeichnet.<br />

Sie alle warten jeweils mit herausragenden Interpreten und Werken von großer Ausdrucks -<br />

tiefe und eindringlichem Gestus auf. Sie alle spüren der spannungsvollen Epoche<br />

der Romantik nach. Und stellen mit Franz Schubert, Gustav Mahler und Max Reger<br />

drei führende Vertreter dieser musikalischen Schöpfungszeit ins Zentrum.<br />

Auf ihrem Schubert-Album „Wanderer“, das<br />

den OPUS KLASSIK als „Solistische Einspielung<br />

Ge sang (Lied)“ erhält, widmen sich<br />

der Bariton Andrè Schuen (1) und der<br />

Pianist Daniel Heide einem romantischen<br />

Ur-Motiv, das in seinen verschiedenen Fa -<br />

cetten immer wieder neu von Künstlern der<br />

damaligen Zeit behandelt wurde. Im Ze n-<br />

trum steht dabei der Mensch auf seinem<br />

Weg durch das Leben, oft beschrieben durch<br />

die Metapher der Reise und eingebettet in<br />

die sinnliche Kraft der Natur. In Schuberts<br />

Liedschaffen nahm das Motiv des Wanderns<br />

einen großen Platz ein. Schuen und Heide<br />

vereinen auf dem Album ganz unterschiedliche<br />

Wanderer-Lieder Schuberts, darunter<br />

konkrete Vertonungen wie Der Wanderer,<br />

aber auch Stücke über die Sehnsucht nach<br />

der Geliebten (Auf der Bruck) oder die Reise<br />

ins Jenseits. Poetisch und ungemein intensiv<br />

und dicht in der Text- wie Tonsprache wird<br />

das Album so zum musikalischen Erlebnis<br />

innerer Seelenzustände des Menschen.<br />

Während Schubert mit seinen Liedern<br />

hoch konzentriert und mit fragiler Intimität<br />

in den Bann zieht, sucht Max Reger in seinen<br />

Großwerken den exzessiven und maximalen<br />

Ausdruck. Schnelle Registerwechsel<br />

und extreme Dynamik prägen deshalb auch<br />

Regers Klavierkonzert in f-Moll op. 114, das<br />

in einer Einspielung durch den Pianisten<br />

Markus Becker (2) und die NDR Radiophilharmonie<br />

unter der Leitung von<br />

Joshua Weilerstein beim OPUS KLASSIK<br />

als beste „Konzerteinspielung | Klavier“ ausgezeichnet<br />

wird. Markus Becker gilt als ausgewiesener<br />

Reger-Spezialist, der sich intensiv<br />

mit dem Werk des Komponisten beschäftigt<br />

hat. „Es ist kraftvolle, faszinierende,<br />

aber eben wi derspenstige Musik“, sagt<br />

Becker über das Klavierkonzert, und während<br />

die Musik immer etwas Extremes und<br />

Maßloses an sich habe, offenbare sie gleichzeitig<br />

eine große Sensibilität und Verletzlichkeit.<br />

Beide Seiten bringt er in seiner<br />

Interpretation des Konzerts feinsinnig ausbalanciert<br />

zusammen, ergänzt durch eine<br />

Aufnahme des melancholisch-sanglichen<br />

Solowerks Episoden.<br />

Das dritte preisgekrönte Album ist<br />

schließlich die Einspielung der 3. Sinfonie in<br />

d-Moll von Gustav Mahler durch die<br />

Düsseldorfer Symphoniker unter Leitung<br />

von Adam Fischer (3), das den<br />

OPUS KLASSIK für die „Sinfonische Einspielung<br />

Musik <strong>19</strong>. Jahrhundert“ erhält. Für<br />

Adam Fischer ist die 3. Sinfonie eine der<br />

reichsten Sinfonien Mahlers, deren Sätze<br />

derart unter schiedlich seien, dass sie aus<br />

unterschiedlichen Zeiten Mahlers stammen<br />

könnten. „Sinfonie heißt mir eben: mit allen<br />

Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt<br />

aufbauen“, hat Gustav Mahler einmal im<br />

Zusammenhang mit seiner 3. Sinfonie gesagt,<br />

und in der Tat eröffnet das in vielerlei<br />

Hinsicht Grenzen sprengende Werk eine<br />

völlig neue Welt. Besonders eindrucksvoll<br />

wird diese ab dem vierten Satz des insgesamt<br />

sechssätzigen Werkes erlebbar, wenn<br />

zur sinfonischen Dimension die Singstimme<br />

hinzukommt und der Komponist<br />

virtuos mit der Rhythmik spielt. „Es ist eine<br />

neue Art von Komposition: Die Takte fließen<br />

fast ineinander, Mahler befreit sich vom<br />

Metrum“, sagt Fischer. Auf dem Album<br />

macht der renommierte Dirigent dieses eindringliche<br />

Streben Mahlers nach innerer<br />

Freiheit und maximalem Ausdruck faszinierend<br />

er leb bar und markiert damit einen<br />

weiteren Mei lenstein im Mahler-Zyklus des<br />

Labels CAvi-music.<br />

55


O P U S K L A S S I K<br />

KONZERTEINSPIELUNG | VIOLINE<br />

VENEDIG GLÄNZT<br />

UND FUNKELT<br />

Das Ensemble Concerto Köln und die Geigerin<br />

MIDORI SEILER auf Spurensuche.<br />

Sie war Virtuosin, Muse und Publikumsmagnet und enge<br />

Vertraute von Antonio Vivaldi: Anna Maria dal Violin, geboren<br />

1696, gestorben 1782 in Venedig. Auf ihrem Album „La<br />

Venezia di Anna Maria“, das beim OPUS KLASSIK als<br />

„Konzerteinspielung des Jahres für Violine“ ausgezeichnet<br />

wird, tauchen die Geigerin Midori Seiler und das Ensemble<br />

Concerto Köln tief ein in das bemerkenswerte Leben und<br />

Wirken dieser barocken Starkünstlerin und erweisen ihr<br />

musikalisch farbenreich und herausragend interpretiert die<br />

Ehre. Aufgewachsen im Waisenhaus, lebte Anna Maria<br />

schließlich ihr ganzes Leben lang im Ospedale della Pietà.<br />

Dort lernte sie Antonio Vivaldi kennen, der ihr Mentor und<br />

Lehrer wurde und ihr fast 30 Konzerte widmete. Vier davon<br />

finden sich auf dem Album, ergänzt durch jeweils ein Konzert<br />

der Vivaldi-Zeitgenossen Galuppi und Albinoni. Gefeiert<br />

wird dabei nicht nur Anna Maria, sondern auch die Stadt<br />

Venedig: So zeigt sich die florierende Kunstmetropole Venedig<br />

im Zenit ihres Musikbetriebs, und ihr Glanz spiegelt sich<br />

in den virtuosen und tänzerischen Kompositionen ihrer<br />

Tonschöpfer mitreißend wider.<br />

FOTO: JOANNA WIZMUR<br />

KONZERTEINSPIELUNG | KLARINETTE<br />

WAS IST HEIMAT?<br />

Der Klarinettist KINAN AZMEH<br />

als Grenzgänger zwischen den Welten.<br />

Als Junge war er der Klarinettist aus Damaskus. Später, als er anfing<br />

zu komponieren, wurde er der Musiker aus Damaskus. Mit Beginn<br />

seiner internationalen Karriere sprachen schließlich alle von dem<br />

„syrischen Musiker“. Was Kinan Azmeh selbst anstrebt, ist, einfach<br />

Musiker zu sein. „Das bedeutet nicht, dass ich meine Identität hinter<br />

mir lasse, im Gegenteil“, hat der gefeierte Klarinettist seinen Grenzgang<br />

zwischen den Welten mal in einem Interview beschrieben.<br />

Azmeh, den die New York Times einen „ungemein gefühlvollen Virtuosen“<br />

nennt und der vom Magazin New Yorker als „bezaubernd und<br />

brillant“ geehrt wird, lebt schon lange in Manhattan, wo er an der<br />

Juilliard School studiert hat. Als Solist tritt er in Konzertsälen auf der<br />

ganzen Welt auf, in der Royal Albert Hall ebenso wie in der Elbphilharmonie,<br />

er spielt mit dem West-Eastern Divan Orchestra oder<br />

dem Syrischen Symphonie-Orchester, er teilt die Bühne mit Größen<br />

wie Yo-Yo Ma, Aynur Doğan, Jivan Gasparyan und vielen anderen.<br />

Aber natürlich hat der Krieg, der 2011 in seinem Land ausbrach,<br />

für Azmeh noch einmal ganz neu und dringlich die Frage aufgeworfen,<br />

was Heimat ist. Was Wurzeln bedeuten. Eben diese Suche durchzieht<br />

auch sein großartiges Album „Uneven Sky“. Sie formuliert sich<br />

etwa in dem Stück The Fence, the Rooftop and the Distant Sea, einer<br />

Komposition für Klarinette und Cello, das Azmeh für sich und Yo-Yo<br />

Ma geschrieben hat. Zaun, Hausdach, das entfernte Meer – das alles<br />

erblickte der Klarinettist aus dem Fenster in Beirut, wo er 2016<br />

komponierte. In der Nähe und zugleich unendlich fern von Damaskus.<br />

Wie lebendig das syrische Kunstschaffen trotz allem bleibt, das<br />

beweisen – auf der zweiten CD – die Werke für Klarinette und<br />

Orchester, die Azmehs Landsleute Kareem Roustom, Zaid Jabri und<br />

Dia Succari für ihn geschrieben haben.<br />

FOTO: ANNEMONE TAAKE<br />

56 w w w . c r e s c e n d o . d e — Verlags-Sonderveröffentlichung zum OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>


O P U S K L A S S I K<br />

KAMMERMUSIKEINSPIELUNG | QUINTETT<br />

INNIGES GLÜCK UND TIEFE TRAGIK:<br />

ROBERT SCHUMANN<br />

ALS SPIEGEL SEINER ZEIT<br />

Das SCHUMANN QUARTETT mit einer virtuosen Referenz an den Namensvetter.<br />

Die Musik gilt als Spiegel der Seele, und bei<br />

kaum einem Komponisten leuchtet dies derart<br />

ein wie bei Robert Schumann. Seine Musik spiegelt<br />

inniges Glück und tiefe Tragik zugleich und<br />

dokumentiert berührend seinen Lebensweg.<br />

Das Schumann Quartett hat ihm nun das feinsinnige<br />

Album „Intermezzo“ gewidmet, das seiner<br />

Persönlichkeit vielgestaltig nachspürt.<br />

Im Zentrum steht Schumanns Streichquartett<br />

Nr. 1 in a-Moll, das mit seiner melodienreichen<br />

Stimmführung betört. Perfekter musikalischer<br />

Begleiter zu diesem Kernstück ist<br />

Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett<br />

FOTO: KAUPO KIKKAS<br />

Nr. 1 in Es-Dur, in dem der Zeitgenosse Schumanns<br />

Tonsprache klingend kommentierte.<br />

Der Bogen zur Gegenwart wird schließlich mit<br />

zwei eindrücklichen Werken Aribert Reimanns<br />

geschlagen, der sich viel mit Schumanns<br />

Geschichte beschäftigt hat. Sein Adagio zum<br />

Gedenken an Robert Schumann zeugt davon<br />

ebenso wie seine Bearbeitung der 6 Gesänge op.<br />

109 für Streichquartett und Gesang, auf dem<br />

Album virtuos ausgestaltet durch Anna Lucia<br />

Richter. Beim OPUS KLASSIK wird das Album<br />

als „Kammermusikeinspielung Quintett“ ausgezeichnet.<br />

CHORWERKEINSPIELUNG<br />

VIRTUOSE<br />

DISPUTATIONEN<br />

Das CALMUS ENSEMBLE und AMARCORD<br />

ausgezeichnet für ihre erste gemeinsame CD-Produktion.<br />

Ausgerechnet ein Streit in ihrer Heimatstadt hat die furiosen Vokal-<br />

Ensembles Calmus und Amarcord erstmals zusammengeführt: die „Leipziger<br />

Disputation“ von 15<strong>19</strong>. Denn damals redeten sich nicht nur Reformator<br />

Martin Luther und der romtreue Theologe Johannes Eck drei<br />

Wochen lang die Köpfe heiß über den päpstlichen Primat – es soll auch<br />

Antoine Brumels zwölfstimmiges Monumentalwerk Et ecce terrae motus<br />

zur Uraufführung in der Thomaskirche gelangt sein. Eben diese anforderungsreiche<br />

„Erdbeben-Messe“ entfaltet nun dank der vereinten Kunstfertigkeit<br />

der Chorkünstler eine höchst gegenwärtige Klangkraft.<br />

Die beiden weltweit tourenden Ensembles sind zwar unterschiedlich<br />

besetzt – Amarcord ist ein klassisches Männerquartett, Calmus besticht<br />

mit Sopran, Countertenor, Tenor, Bariton und Bass –, haben aber die<br />

bemerkenswerte Spanne ihres Spektrums gemeinsam: von Renaissance<br />

und Barock bis zu Crossover und Pop. Durch die Gast-Sopranistinnen<br />

Anna Kellnhofer und Isabel Schicketanz zum stimmlichen Dutzend komplettiert,<br />

beweisen die Leipziger Vokal-Virtuosen, wie viel Harmonie ein<br />

Disput zu stiften vermag.<br />

SOLISTISCHE EINSPIELUNG | MUSIK 20. / 21. JH.<br />

REICHE RAFFINESSE<br />

Eine interpretatorische Hommage<br />

der WIENER PHILHARMONIKER und<br />

FRANZ WELSER-MÖSTS an Gottfried von Einem<br />

zum Jubiläumsjahr.<br />

Der Schweizer Komponist Gottfried von Einem hatte zeitlebens Erfolg.<br />

Aber nie einen leichten Stand. Manch avantgardistischem Zeitgenossen<br />

waren seine nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Werke zu tonal.<br />

Seine Komposition Philadelphia Sinfonie bespöttelte der Wiener Kritiker<br />

Karl Löbl seinerzeit gar als „Bückling vor dem Publikum“. Wie reich und<br />

raffiniert jedoch gerade diese C-Dur-Komposition von Einems ist, der<br />

seinen größten Zuspruch mit den Opern-Vertonungen literarischer Klassiker<br />

fand (Dantons Tod, Der Besuch der alten Dame), das beweist ihre<br />

Neueinspielung durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von<br />

Franz Welser-Möst, vormals Chefdirigent des Philadelphia Orchestra.<br />

Die Aufnahme wurde im vergangenen Jahr zum 100. Geburtstag von<br />

Einems veröffentlicht und verbeugt sich vor einem Komponisten der<br />

„Darmstädter Schule“, der zu Recht in einem Atemzug mit Gustav Mahler<br />

oder Franz Schreker genannt wird. Neben der Philadelphia Sinfonie, die<br />

<strong>19</strong>64 uraufgeführt wurde, weitet dieses vorzügliche Album den Von-<br />

Einem-Kosmos mit der Geistlichen Sonate und dem Stundenlied.<br />

FOTO: ANNE HORNEMANN<br />

FOTO: JULIA WESELY<br />

57


O P U S K L A S S I K<br />

1. SOLISTISCHE EINSPIELUNG | ORGEL 2. KAMMERMUSIKEINSPIELUNG TRIO 3. SINFONISCHE EINSPIELUNG | MUSIK BIS INKL. 18. JH.<br />

4. WELTERSTEINSPIELUNG DES JAHRES 5. INNOVATIVE AUDIO-PRODUKTION DES JAHRES<br />

Purismus siegt!<br />

Das Independent-Label MDG<br />

und seine Künstler werden in fünf Kategorien<br />

mit dem OPUS KLASSIK ausgezeichnet.<br />

FOTOS: MONIKA RITTERHAUS, MDG-ARCHIV<br />

„Lifehaftigkeit“ – das ist der Leitund<br />

Anspruch des Detmolder Independent-Labels<br />

Musikproduktion<br />

Dabringhaus & Grimm (MDG), das<br />

<strong>19</strong>78 gegründet wurde und bis heute 1<br />

für einen Klangrealismus steht, der<br />

seinesgleichen sucht. Die natürliche<br />

Akustik der Aufnahmen, die Platzierung<br />

der Mikrofone im Raum ist den<br />

Gründern Werner Dabringhaus und<br />

Reimund Grimm heilig, künstlicher<br />

Hall, Filter, Equalizer und andere<br />

technische Eingriffe sind in ihren 3<br />

Ohren nichts als „Verschlimmbesserer“.<br />

Mit dieser puristischen Philosophie<br />

hat MDG es weit gebracht und<br />

schon etliche Preise eingeheimst,<br />

darunter 2006 den ECHO für die<br />

„Beste Surround-Aufnahme des Jahres“.<br />

Und nun haben gleich fünf ihrer<br />

Künstlerinnen und Künstler einen<br />

OPUS KLASSIK gewonnen.<br />

Der niederländische Aus nahme-Organist<br />

Ben van Oosten (1)<br />

hat sich auf der Suche nach dem perfekten<br />

Sound einmal mehr in die<br />

Kathedrale St-Ouen in Rouen begeben,<br />

wo die legendäre L’Orgue à<br />

Michel-Ange bis heute im Originalklang<br />

erhalten ist. Auf diesem Wun-<br />

6<br />

derinstrument füllt van Oosten eine<br />

erstaunliche Leerstelle in seiner Diskografie<br />

französischer Orgelmusik:<br />

das Gesamtwerk von César Franck,<br />

dem Komponisten, der den schönen Satz hinterlassen hat: „Meine<br />

Orgel, sie ist ein Orchester!“. Was van Oosten auf gleich vier CDs<br />

beglaubigt. Die fulminante Gleichberechtigung der Stimmen in<br />

Francks Schaffen wird in dessen frühen kompositorischen Versuchen<br />

ebenso fein herausgearbeitet wie in den drei großen Meisterzyklen.<br />

Ein wahres Orgelfest.<br />

Die Werke des chinesisch-kanadischen Komponisten An-Lun<br />

Huang – als Zeitgenosse noch immer im Range einer Entdeckung<br />

– haben wiederum eine Reise in die Abtei des ostwestfälischen<br />

Marienmünsters angeregt. Drei Globetrotter aus Los Angeles, Xiamen<br />

und Schanghai sind hier zusammengekommen, um die beiden<br />

Klaviertrios Huangs einzuspielen. Violinistin Bin Huang (2), der<br />

Cellist Alexander Suleiman (3) und Yubo Zhou (4) am Klavier<br />

beweisen, wie nuancenreich An-Lun Huang in seiner Musik<br />

Ost und West verschmelzen lässt. Mit dessen Chinesischer Rhapsodie<br />

Nr. 2 hatte ja Wunderkind Lang Lang<br />

einst bei der Jugendausgabe des<br />

Tschaikowsky-Wettbewerbs groß aufgeschlagen.<br />

2 Apropos jung. Das Dogma<br />

Chamber Orchestra (5) ist 2004<br />

von Mikhail Gurewitsch gegründet<br />

worden, um junge Musikerinnen und<br />

Musiker zusammenzubringen, die<br />

schon internationale Erfahrungen<br />

aufweisen können. Wie frisch und<br />

pointiert dieses Erfolgsensemble aufspielt,<br />

zeigt die Aufnahme ihrer Inter-<br />

4<br />

pretation von Mozarts A-Dur Sinfonie<br />

KV 201 und Schuberts B-Dur Sinfonie<br />

Nr. 5 – zwei Frühwerke, die passenderweise<br />

von ju gendlicher Unbekümmertheit<br />

bei gleichzeitiger kompositorischer<br />

Meis terschaft durchdrungen<br />

sind – Mozart und Schubert<br />

5 waren beide noch keine 20 Jahre alt,<br />

als sie diese Reifezeugnisse vorlegten.<br />

Das Album ist als Liveaufnahme im<br />

Dortmunder Konzerthaus entstanden<br />

und setzt den Hörer auf die besten<br />

Plätze – live-haftig in diesem Fall.<br />

Einen recht schroffen Stimmungskontrast<br />

dazu bildet die Gustav-Mahler-Einspielung<br />

des Klavier-<br />

7<br />

duos Trenkner-Speidel, das sich die<br />

5. Sinfonie vorgenommen hat. Be -<br />

kanntlich beginnt die in der Orchesterfassung<br />

mit einem Trauermarsch<br />

für eine einzelne Trompete. Aber auch<br />

Otto Singers (von Mahler autorisierte) Bearbeitung für Klavier<br />

schafft mit wenigen Anschlägen eine Welt aus Wehmut. Die Version<br />

verlangt feinste Technik. Und die haben Evelinde Trenkner und<br />

Sontraud Speidel (6) zu bieten – auf einem Steinway aus der<br />

Entstehungszeit der Sinfonie.<br />

Komplettiert wird der fünffache OPUS-Sieg schließlich mit<br />

einem Album des Berolina Ensembles aus Berlin, das 2009 ins<br />

Leben gerufen wurde, um weitgehend unbekannte Kompositionen<br />

zu entdecken. Wie die Werke des ge bürtigen Siebenbürgeners Walter<br />

von Bausznern. Nach dessen Elegie und Serenade widmet sich<br />

das junge Berliner Kammerensemble nun, unterstützt von der<br />

So pranistin Maria Bengtsson (7), Bauszners Quintett, Streichtrio<br />

und Kammergesängen. Die entfalten eine so geistreiche Melodik,<br />

dass man sich wirklich wundert, weshalb sie nicht längst zum festen<br />

Konzertrepertoire zählen.<br />

58 w w w . c r e s c e n d o . d e — Verlags-Sonderveröffentlichung zum OPUS KLASSIK 20<strong>19</strong>


O P U S K L A S S I K<br />

NACHWUCHSKÜNSTLER INSTRUMENT |<br />

MUNDHARMONIKA<br />

SPANNENDE NEUE WEGE<br />

KONSTANTIN REINFELD und BENYAMIN NUSS:<br />

das Debüt eines außergewöhnlichen Duos.<br />

FOTO: STEPHAN PICK<br />

Wenn das Klavier auf die Mundharmonika trifft, sind aufregende Ergebnisse<br />

garantiert, zumal wenn sich zwei derart begabte und außergewöhnliche<br />

Musiker miteinander auf die musikalische Reise begeben wie Benyamin<br />

Nuss und Konstantin Reinfeld. Nuss gelingt es als Pianist, junges<br />

Publikum in die großen Konzertsäle zu locken, Reinfeld ist einer der<br />

renommiertesten Mundharmonikaspieler der Welt und wird nun<br />

als Nachwuchskünstler auf dem Instrument Mundharmonika mit<br />

dem OPUS KLASSIK ausgezeichnet. So zählen die beiden<br />

Künstler mit gutem Grund zu den Shootingstars der deutschen<br />

Musikszene und beschreiten zusammen spannende<br />

neue Wege. Ihr erstes gemeinsames Album heißt schlicht<br />

„debut“ und vereint all das, was Reinfeld und Nuss in ihrem<br />

Spiel virtuos und grenzüberschreitend zusammenbringen: So<br />

finden sich eigens arrangierte Transkriptionen von klassischen<br />

Werken, etwa von Bach-Sonaten oder den Rumänischen<br />

Volkstänzen von Bartók, ebenso darauf wie Werke<br />

der Genres Filmmusik, Weltmusik und Jazz, außerdem ist<br />

die Premiere der ersten Komposition für Mundharmonika<br />

und Klavier von Masashi Hamauzu zu erleben.<br />

KAMMERMUSIKEINSPIELUNG | QUARTETT<br />

AUS DER FERNE GANZ NAH<br />

Schuberts Streichquartette und Lieder in der Interpretation des SIGNUM QUARTETTS.<br />

Warum soll Mehrfachverwertung keine Kunst sein? Franz Schubert zu -<br />

mindest war ein Meister darin, die Melodien seiner Lieder in den Instrumentalkompositionen<br />

so gekonnt variiert wiederaufleben zu lassen, dass<br />

daraus ein musikalischer Dialog mit sich selbst wurde. Noch selten allerdings<br />

sind diese Verbindungslinien so erhellend herausgearbeitet worden<br />

wie nun vom langjährig erfolgreichen Signum Quartett mit dem Album<br />

„Aus der Ferne“, ihrem Debüt beim Label Pentatone. Die Kölner Formation<br />

– die den Abgang ihrer ersten Geigerin Kerstin Dill 2016 in Person<br />

des vorzüglichen Violinisten Florian Doderer bestens kompensieren<br />

konnte – lässt die Sehnsuchtsverwandtschaften zwischen den<br />

Schubert-Werken leuchten. Begonnen mit dem titelgebenden Lied Aus<br />

der Ferne, verlinken die Musiker hier die beiden wehmütigen, zart-fragilen<br />

Streichquartette Nr. 8 und Nr. 13 miteinander – und machen im Menuett<br />

des Rosamunde-Quartetts Motive aus dem Lied Die Götter Griechenlands<br />

hörbar, das zuvor zwischen Lachen und Weinen und Wandrers Nachtlied<br />

erklungen war. „Aus der Ferne“ bringt Schubert ganz nah.<br />

FOTO: IRENEZANDEL<br />

59


MET<br />

OPERA<br />

LIVE IM KINO<br />

20<strong>19</strong>/2020<br />

26. <strong>Oktober</strong><br />

MANON<br />

Jules Massenet<br />

Mit Lisette Oropesa, Michael Fabiano,<br />

Carlo Bosi, Kwangchul Youn<br />

Dirigent: Maurizio Benini<br />

09. <strong>November</strong><br />

MADAMA BUTTERFLY<br />

Giacomo Puccini<br />

Mit Hui He, Elizabeth DeShong,<br />

Andrea Carè, Plácido Domingo<br />

Dirigent: Pier Giorgio Morandi<br />

23. <strong>November</strong><br />

AKHNATEN<br />

Philip Glass<br />

Mit Anthony Roth Costanzo, J‘Nai Bridges,<br />

Dísella Lárusdóttir, Aaron Blake<br />

Dirigent: Karen Kamensek<br />

11. Januar<br />

WOZZECK<br />

Alban Berg<br />

Mit Peter Mattei, Elza van den Heever,<br />

Christopher Ventris, Gerhard Siegel<br />

Dirigent: Yannick Nézet-Séguin<br />

PHOTO: KAREN ALMOND / METROPOLITAN OPERA<br />

Änderungen vorbehalten<br />

C L A S S I C<br />

www.metimkino.de /METimKino /METimKino


LEBENSART<br />

Schriftsteller Martin Walker verrät uns sein Lieblingsrezept – perfekt für kühle Herbstabende (Seite 62)<br />

Klaus Heymann, Gründer des Musiklabels Naxos, über die Entwicklung der Musikbranche<br />

in Zeiten des Streamings (Seite 72)<br />

Ab nach Salzburg! Oder doch nach Bremen? Im Extra Reise & Kultur steht, warum sich beides lohnt (Seite 78)<br />

SAITENWEISE<br />

SCHÖNE TÖNE<br />

Happy Birthday! Seit genau 100 Jahren<br />

versorgt die Manufaktur Thomastik- Infeld<br />

aus Wien Streicher mit den besten Saiten<br />

der Welt. Was hier aussieht, als hätte<br />

jemand zum Geburtstag einen Blumenkranz<br />

gewunden, sind Cellosaiten.<br />

FOTO: THOMASTIK-INFELD VIENNA<br />

61


L E B E N S A R T<br />

Lieblingsessen!<br />

HIER VERRATEN DIE STARS IHRE BESTEN REZEPTE.<br />

UND KLEINE GESCHICHTEN, DIE DAZUGEHÖREN ...<br />

FOTO: HENRY IDDON<br />

„GESCHMACKLICH WIE OPTISCH MAG ICH DIESE TARTELETTES MIT IHRER<br />

MISCHUNG AUS SÜSSEN UND PIKANTEN AROMEN BESONDERS GERN“<br />

MARTIN WALKER<br />

62 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


MARTIN WALKER<br />

SCHRIFTSTELLER<br />

„Ich liebe Walnüsse – und ich koche gern mit ihnen. Und das Périgord ist der einzige Ort der Welt mit einer<br />

eigenen geschützten Herkunftsbezeichnung, einer „Appelation contrôlée“ für verschiedene Arten von Walnüssen.<br />

Der Geschmack und die Textur sind sehr unterschiedlich, sodass wir sie sowohl in Salaten als auch mit Honig und<br />

Ziegenkäse in großen Pilzen verwenden. Irgendwann mal planten meine Frau und ich ein Picknick. Die Birnen an<br />

unserem Baum waren reif, und so kam meine Frau auf die Idee, diese kleinen pikant-süßen Törtchen herzustellen.<br />

Zunächst war es ein Experiment, aber sie waren sehr schnell sehr beliebt bei unseren Freunden und den Kindern.“<br />

FOTO: KLAUS EINWANGER / DIOGENES-VERLAG<br />

Martin Walker, Schotte mit<br />

Wohnsitz im französischen<br />

Périgord, hat seinen Lesern<br />

mit inzwischen elf Bruno-<br />

Krimis ausgeprochen<br />

amüsanten und packenden<br />

Lesestoff geliefert.<br />

Zusammen mit seiner Frau,<br />

Julia Watson, hat er jetzt<br />

seinem Chef de Police ein<br />

„Gartenkochbuch“ in den<br />

Mund gelegt – ausgesprochen<br />

schmackhaft und ebenfalls<br />

sehr spannend. Zwei Fälle<br />

für Bruno gibt’s als<br />

Schmankerl obendrein.<br />

•<br />

BLAUSCHIMMELKÄSETÖRTCHEN MIT WALNÜSSEN UND BIRNEN<br />

Für 4 Tarteletteförmchen<br />

Zutaten: 100 g Mehl + 2 EL zum Ausrollen, 50 g Butter, Salz, schwarzer Pfeffer, 2–3 EL kaltes Wasser, 300 g Blauschimmelkäse<br />

(Fourme d’Ambert, Bleu d’Auvergne oder andere), in große Würfel geschnitten, 2 gehäufte EL Walnüsse, grob<br />

gehackt, 4 Birnen, geschält, entkernt und in Spalten geschnitten, 1 mittelgroßes Ei, geschlagen, 6 EL Milch<br />

Backofen auf 200 Grad vorheizen. Aus Mehl, Butter, Salz, Pfeffer und kaltem Wasser einen festen, aber nicht klebrigen<br />

Teig rühren und mindestens 30 Min. kühl stellen. Vierteln, ausrollen und 4 gebutterte<br />

Tarteletteförmchen damit auskleiden. Mit Käse, Walnuss und Birnenstücken belegen. Ei und Milch verquirlen und<br />

würzen. Die Mischung über die Füllung gießen und 15–20 Min. goldbraun backen. Aus den Formen heben.<br />

Brunos Tipp: Auf Endivienblättern mit einer Senfvinaigrette servieren.<br />

Martin Walker und Julia Watson:<br />

„Brunos Gartenkochbuch“ (Diogenes)<br />

63


L E B E N S A R T<br />

Die Paula-Bosch-Kolumne<br />

DIE PURE LEICHTIGKEIT<br />

DES WEINS<br />

Ja, Portwein kannte man. Vielleicht auch noch Mateus Rosé. Ersterer stand für Qualität<br />

auf hohem Niveau und langer Lebensdauer, der zweite war eher eine Touristenattraktion.<br />

Ansonsten waren vor 30 Jahren Weine aus Portugal – ob weiß oder rot – außerhalb der<br />

Landesgrenzen noch kein Thema. Das hat sich geändert. Und zwar vom Feinsten!<br />

Der Weinbranche Portugals ging es von den 60er- bis<br />

in die 90er-Jahre wirklich schlecht. Und das in erster<br />

Linie, weil die Portugiesen innerhalb Europas viel zu<br />

lange für sich und zurückgezogen, also ohne Teilnahme<br />

am Marktgeschehen, gelebt hatten. Nach<br />

dem Beitritt zur EU im Jahr <strong>19</strong>86 kam die große Freiheit – die politischen<br />

Einmischungen waren endgültig vorbei. Und doch dauerte<br />

es weitere zehn Jahre, bis sich die enormen Investitionen der Fördergelder<br />

in den Topkellereien und ihren<br />

Weinbergen bemerkbar machten.<br />

Vom Vinho Verde im Norden bis<br />

an die Algarve wurde rasch klar, dass die<br />

mehr als 250 heimischen Rebsorten der<br />

echte und wahre Reichtum des Landes<br />

sind. Bei dieser Erkenntnis ist es zum<br />

Glück geblieben. Und nicht nur das: Die<br />

junge Generation setzte auf die traditionellen Sorten und produziert<br />

bis heute aus ihnen fantastische Weine, die im Rest der Weinwelt<br />

ihresgleichen suchen.<br />

Im Hinblick auf diese Entwicklung gibt es ein paar Menschen,<br />

die im Mittelpunkt des Geschehens stehen, allen voran sei der Autodidakt<br />

Dirk Niepoort aus Porto genannt. Er schreibt mit seinen<br />

umwerfenden Rot- und Weißweinen nicht nur im Douro-Tal Portugals<br />

Weingeschichte neu, sondern kreiert mit befreundeten Winzerkollegen<br />

neue Weine und gründet ein Weingut nach dem anderen:<br />

Nicht nur seine eigene 2007 fertiggestellte Kellerei, Quinta de Nápoles<br />

im Douro, auch im Dão, der Bairrada, im Vinho Verde und dann<br />

über Portugals Grenzen, in Spanien, Südafrika und nicht zuletzt –<br />

ERSTKLASSIGER PORTWEIN KANN<br />

EIN BESONDERES GEFÜHL VON<br />

WÄRME UND NÄHE VERMITTELN<br />

mit seinem Sohn Daniel – an der Mosel. In den letzten 25 Jahren<br />

kreierte er allein in Portugal so viele großartige Weine wie kein<br />

anderer Weinmacher in seinem ganzen Leben. Dirk ist Jahrgang<br />

<strong>19</strong>64, das war kein Jahr für einen Vintage-Port, aber ein guter Jahrgang<br />

für die nächste Generation Niepoort.<br />

WELTKULTURERBE DOURO<br />

Die Weinregion Douro ist das älteste Weinanbaugebiet der Welt,<br />

dessen Herkunft geschützt ist (1754). Die UNESCO hat die Region<br />

sogar als Weltkulturerbe anerkannt. Die<br />

Naturschönheit dieser Landschaft in<br />

wenige Worte fassen zu wollen, macht<br />

nur wenig Sinn – man muss sie gesehen<br />

haben. Ebenso wie man die Weine und<br />

Portweine mehr als einmal probiert<br />

haben muss, um sie angemessen zu verstehen.<br />

Am besten beginnt man gleich mit den Weinen der Winzerlegende<br />

Dirk Niepoort aus Porto. Wer glaubt, im Douro gäbe es nur<br />

rote Trauben, der irrt. Niepoorts RESERVA REDOMA BIANCO<br />

(Rabigato, Códega, Viosinho, Arinto und andere) hat mich von<br />

Anfang an mit ihrer Dichte, Aromenvielfalt, Kraft und Frische<br />

zugleich begeistert. Zum Teil im neuen Eichenfass ausgebaut, ist das<br />

seit Jahren ein zuverlässiger großer Weißwein im besten Preislimit.<br />

Sein roter Bruder, Redoma Tinto, steht ihm in nichts nach. Ein genialer<br />

Einsteigerwein für Rotweinfans ist ohne Zweifel das weltbekannte<br />

Meisterstück FABELHAFT. Ein Brot-und-Butter-Wein für<br />

jeden und alle Tage. Einfach: fabelhaft! Dazu gesellen sich BATUTA,<br />

als Spitzenwein nur in besten Jahrgängen hergestellt, und als Krö-<br />

FOTOS: OESTERREICH-WERBUNG / MARTIN STEINTHALER TINE FOTO; PRIVAT<br />

64 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Gut sortiert: der Weinkeller der<br />

Winzerei von Dirk Niepoort<br />

nung in der Königsklasse der roten Douros: CHARME. Eine finessenreiche,<br />

delikate und sensitive Schöpfung, die, wie Dirk selbst einmal<br />

sagte, seiner Leidenschaft für die roten Burgunder in der Spitzenklasse<br />

am nächsten kommt.<br />

Als Portwein empfehle ich neben den zahlreichen Colheitas<br />

von Niepoort drei aktuelle VINTAGES: 2017, 2015 und 2009 zum<br />

Reifen – und manchmal auch zum Naschen. Die wirklich tiefsinnigen<br />

Prachtkerle zeigen alle sehr viel dunkelfruchtige Beerenaromatik,<br />

Würze und geballte Kraft im Gaumen, knallen laut im ersten<br />

Moment, um sich letztlich vereint in Harmonie zu verabschieden.<br />

Das Gefühl von Wärme und Nähe, das erstklassiger Portwein vermitteln<br />

kann, hat etwas ganz Besonderes, etwas Anziehendes.<br />

MILD UND MEDITERRAN: BAIRRADA<br />

Diese Region ist erst seit wenigen Jahren wieder in den Köpfen der<br />

Weinmacher und Konsumenten. Hier steht die Rotweintraube Baga<br />

ganz im Mittelpunkt. Nur wenige haben es geschafft, diese rustikale,<br />

tanninreiche Sorte zu bändigen. Hauptverdienst gebührt Luis Pato:<br />

Er hat die wilde Dame salonfähig gemacht. Und seine Tochter Filipa<br />

Pato folgte ihm, wenn auch mit ganz anderem<br />

Stil. Ihre Weine aus den autochthonen Sorten<br />

Arinto, Bical, Baga, Cercial oder Maria Gomes<br />

zählen eindeutig zu Portugals Spitze. Nach seinem<br />

ersten Engagement mit Filipa Pato und<br />

dem „Projectos Baga“ kaufte Niepoort die Quinta de Baixo. Hier<br />

produziert er, vom leichtfüßigen Baga-Typ den NAT’ COOL<br />

DRINK ME bis hin zum POEIRINHO mit nur 11 % Alkohol aus<br />

dem raffiniert strukturierten und feinmaschigen Baga. Eine pure<br />

Delikatesse, die viel Terroir und atlantischen Charakter präsentiert.<br />

Die neue Leichtigkeit des Weins!<br />

EDEL VERPFLICHTET: DAS DÃO<br />

Im Dão wächst auf steinharten Schiefer- und Granitböden die weiße<br />

Rebsorte Encruzado – als Fan finessenreicher, geschmackvoller<br />

Weißweine muss man sie einfach probiert haben, vor allem den weißen<br />

Primus Quinta da Pellada von Alvaro Castro. CONCISO<br />

BRANCO von Niepoort, das weiße Gegenstück zum Conciso Tinto,<br />

wird aus den Rebsorten Bical, Malvasia, Encruzado, alle aus einem<br />

Weinberg mit 60 bis 100 Jahre alten Rebstöcken, gewonnen. Ein vegetabiler,<br />

kräutriger Stil mit viel Frische, Gripp, Spannung, Druck und<br />

Zug. Viel Ähnlichkeit mit einem Riesling, dazu das gewisse Extra: eine<br />

mediterrane Note, die ihm in seiner Länge wirklich gut steht.<br />

Bezugsquellen: www.gute-weine.de, www.hawesko.de<br />

65


L E B E N S A R T<br />

Der Stoff, aus dem<br />

die Töne sind<br />

Die Wiener Saitenmanufaktur Thomastik-Infeld feiert 100. Geburtstag.<br />

Das Familienunternehmen eroberte einst die Musikwelt und stellt mit modernsten<br />

Technologien bis heute die meist gespielten Saiten für Streichinstrumente her.<br />

VON KATHERINA KNEES<br />

Aufwendig, mit höchster Präzision und Hightech-Materialien werden die Thomastik-Infeld-Saiten<br />

teilweise noch in Handarbeit hergestellt<br />

Perfekte klangliche Brillanz ist die Voraussetzung, damit<br />

die spielerische Virtuosität eines Musikers exzellent in<br />

Szene gesetzt werden kann. Die Saiten, die die Wiener<br />

Firma Thomastik-Infeld seit 100 Jahren herstellt, statten<br />

Streicher in aller Welt mit einem warmen und ausgewogenen<br />

Klang aus. In den Saiten steckt neben der kontinuierlichen Leidenschaft<br />

eines mehrere Generationen alten Familienunternehmens<br />

eine große Portion technologisches Know-how, handwerkliches<br />

Können und der Mut, sich immer wieder neu zu erfinden.<br />

Die Unternehmensgeschichte liest sich wie ein spannender<br />

Roman: Firmengründer Dr. Franz Thomastik, promovierter Philosoph,<br />

Freigeist und passionierter Geigenbauer, wusste: Die Saite<br />

macht die Musik! Bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieges beschäftigte<br />

er sich unermüdlich mit der Erforschung von Materialien, die<br />

für die Entwicklung von Saiten infrage kamen, und entwickelte ab<br />

<strong>19</strong><strong>19</strong> mit dem Ingenieur Otto Infeld die Vision, synthetisches Kernmaterial<br />

mit einer Bandumspinnung zu versehen – eine Idee, mit der<br />

das Unternehmen die Musikwelt revolutionierte: Er schuf eine Stahlsaite,<br />

die es durch ihre hohe Qualität in Sachen Klang, Präzision und<br />

Lebensdauer spielend mit der bis dahin obligatorischen, aber viel<br />

sensibleren Darmsaite aufnehmen konnte. Bereits <strong>19</strong>26 hatten Dr.<br />

Franz Thomastik und Otto Infeld mit ungebremstem Erfindergeist<br />

für alle Streichinstrumente Saiten entwickelt, die durch ihre „Nerven<br />

aus Stahl“ von Wien aus die ganze Musikwelt eroberten.<br />

Die ausgeprägte Innovationskraft der beiden Männer ließ die<br />

kleine Geigenbauwerkstatt „Dr. Franz Thomastik und Mitarbeiter“<br />

schnell weiter wachsen. Nebenbei meldete das kreative Tüftlergespann<br />

auch Patente für Konstruktionen wie eine drehbare Sonnenliege<br />

und Erfindungen im Bereich der Kinoakustik an. Als Dr. Franz<br />

Thomastik Ende <strong>19</strong>51 starb, erwarb Otto Infeld das gesamte Unternehmen,<br />

das nach seinem Tod <strong>19</strong>65 in die Hände seiner Frau Margaretha<br />

Infeld überging, die den Betrieb gemeinsam mit ihrem Sohn<br />

Peter Infeld weiterführte. Unter ihrer Leitung fand das Unternehmen<br />

nicht nur den heutigen Sitz hinter der roten Tür in der Diehlgasse 27<br />

in Wien, sondern wurde endgültig zum Weltmarktführer von Streicher-Saiten.<br />

Die sogenannte „Dominant“-Saite ist die weltweit meist<br />

gespielte Saite, das Herzstück der Wiener Innovationsschmiede.<br />

Nachdem Peter Infeld die Familientradition ab <strong>19</strong>94 im Sinne<br />

seiner Mutter weiterführte, steckt seit zehn Jahren wieder viel Frauenpower<br />

im Unternehmen. Zdenka Infeld lebt seit seinem plötzlichen<br />

Tod im Jahr 2009 den Traum ihres verstorbenen Mannes Peter Infeld<br />

weiter und hält den innovativen Geist der Familie lebendig. Neben der<br />

handwerklichen Arbeit wird die Musikszene auch durch grenzübergreifende<br />

Aktivitäten bereichert wie die „Infeld Fundation zur Förderung<br />

junger bildender Künstler und Musiker in der Podravina“ und<br />

zur Errichtung eines Kulturzentrums auf der Insel Krk.<br />

66 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Xzellente<br />

Aktivboxen.<br />

›Klang zum<br />

Niederknieen‹<br />

Audio Video Foto Bild 6/<strong>19</strong><br />

SIEGER 4/<strong>19</strong><br />

20<strong>19</strong><br />

3/<strong>19</strong><br />

Nach wie vor setzt die Manufaktur neben digitaler Kontrolle auf analoge Materialprüfung.<br />

Darunter ein Schritt der Saitenproduktion und das beeindruckende Walzenraumlager<br />

FOTOS: THOMASTIK-INFELD VIENNA<br />

Auf den hochwertigen und in Handarbeit angefertigten Thomastik-Infeld-Saiten<br />

haben schon Anne-Sophie Mutter, Mstislav Rostropovich, Itzhak Perlman und Pinchas<br />

Zukerman musikalische Höhenflüge erlebt. Die Konzertmeister des New York Philharmonic<br />

Orchestra und der Wiener Philharmoniker geben sich im Hause Thomastik-Infeld<br />

regelmäßig die Klinke in die Hand, und auch Jazzer wie Ray Brown oder Herb Ellis gehören<br />

zu den treuen Fans der Wiener Saitenmanufaktur.<br />

Auch wenn in dem Unternehmen immer noch der traditionsreiche Charme der<br />

leidenschaftlichen Firmengründer steckt, gehen die begehrten Thomastik-Infeld-Saiten<br />

mit der Zeit und integrieren als echte Hightech-Produkte moderne Materialien aus der<br />

Weltraumtechnik oder biokompatible Werkstoffe wie Titan. Maschinen mit Hochpräzisionstechnik<br />

garantieren einen herausragenden Qualitätsstandard, an dem ein ganzes<br />

Team hoch spezialisierter Techniker im hauseigenen Entwicklungslabor unermüdlich<br />

weiterfeilt.<br />

Auf Wachstum setzt man hier nicht um jeden Preis, vielmehr sind es Prinzipien wie<br />

Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt und Soziales, die fest in der Unternehmenskultur<br />

verankert sind. Auch hinsichtlich der Wertschätzung der Mitarbeiter: Für jeden von<br />

ihnen gibt es zum Geburtstag einen selbst gebackenen Kuchen. Ins Rezept für den<br />

100-jährigen Erfolg von Thomastik-Infeld gehören neben Erfindergeist und technologischer<br />

Kompetenz auch der schonende Umgang mit Ressourcen, die Einhaltung umwelttechnischer<br />

Standards und der kontinuierliche Dialog von Künstlern und Ingenieuren.<br />

Schließlich entscheidet über das Klangerlebnis letztendlich immer der Musiker selbst,<br />

sodass die Rückmeldungen für den Entwicklungsprozess der Saiten für Thomastik-Infeld<br />

von essenzieller Bedeutung sind. <br />

■<br />

nuPro X-3000<br />

›Besser geht‘s nicht …<br />

oder zumindest nicht besser fürs Geld …<br />

Perfekter Klang für alle Fälle‹<br />

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67<br />

MEHR KLANGFASZINATION


L E B E N S A R T<br />

Der Axel-Brüggemann-Kommentar<br />

DEMOKRATIE DER KÖNIGE?<br />

Natürlich finden Orchester es gut, wenn sie selbst über ihre Zukunft<br />

bestimmen können. Bleibt die Frage, ob das immer von Vorteil ist …<br />

Anlass dieser Kolumne ist der aktuelle Fall der Sächsischen Staatskapelle<br />

Dresden. Bereits letztes Jahr – das Orchester befand sich<br />

gerade auf einer China-Tour – debattierten die Musiker darüber, ob<br />

sie Christian Thielemann erneut das Vertrauen als Chef aussprechen<br />

wollen oder nicht. Die Stimmung im Orchester war damals gespalten.<br />

Die Vor- und Nachteile lagen auf der Hand: Das Abnutzen einer<br />

Beziehung, die Schwierigkeiten, das Repertoire zu erweitern, eventuell<br />

auch die nicht ganz einfachen<br />

Führungs- und Charaktereigenschaften<br />

des Chefdirigenten<br />

und der generelle Wunsch, innerhalb<br />

des Orchesters nach etwas<br />

Neuem, all das sprach gegen eine<br />

Vertragsverlängerung. Für ihn als<br />

Chefdirigenten wiederum sprach<br />

seine Reputation, sein unbestreitbares<br />

Können im romantischen<br />

Repertoire, der Umstand, dass die<br />

Kapelle mit ihm neue Aufmerksamkeit<br />

erhalten hatte, und vor allen Dingen, dass man durch<br />

Thielemanns Namen zum Residenzorchester der Osterfestspiele in<br />

Salzburg geworden war. Dass man aus demselben Grund auch das<br />

Silvesterkonzert des ZDF spielte und in Millionen deutscher Wohnzimmer<br />

zu sehen war. Natürlich mochte auch die allgemeine Angst<br />

vor einem Umbruch, dem ungewissen Neuen eine Rolle gespielt<br />

haben, dass das Orchester sich schließlich knapp für eine Vertragsverlängerung<br />

mit Thielemann ausgesprochen hat.<br />

EIN ORCHESTER WIE DIE<br />

SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE HAT<br />

IN DEN LETZTEN JAHREN ZUNEHMEND<br />

AUF DIE STRAHLKRAFT<br />

IHRES DIRIGENTEN GESETZT<br />

Um so tragischer erscheint es heute, dass sich die Hauptgründe<br />

für Thielemanns Vertragsverlängerung in den letzten Wochen in<br />

Luft aufgelöst haben. Bei den Salzburger Osterfestspielen hat sich<br />

der designierte Intendant, Nikolaus Bachler, gegen die Kapelle und<br />

vor allen Dingen gegen Christian Thielemann durchgesetzt. Orchester<br />

und Chefdirigent müssen die Festspiele verlassen. Eine Situation,<br />

in der sich das Orchester noch einmal kurz gegen seinen Chefdirigenten<br />

aufgebäumt hatte. Doch<br />

als die Kapelle in einer Pressemitteilung<br />

wissen ließ, der eigene<br />

Vertrag sei nicht an jenen Thielemanns<br />

gekoppelt, wurde dieses<br />

Aufbegehren schnell niedergeschmettert,<br />

als der Rechtsanwalt<br />

des Dirigenten zum Orchester<br />

sprach und den Musikern klarmachte,<br />

dass man in Zukunft aufeinander<br />

angewiesen sei. Umso<br />

härter muss die Nachricht gewirkt<br />

haben, dass auch das ZDF sich im nächsten Jahr von der Sächsischen<br />

Staatskapelle und Christian Thielemann trennen will und stattdessen<br />

wieder auf die Berliner Philharmoniker und ihren neuen Dirigenten<br />

Kirill Petrenko setzt.<br />

Nun kann man all das unter dem Begriff „Pech“ zusammenfassen.<br />

Man kann die Entwicklung aber auch anders sehen. Ein Orchester<br />

wie die Sächsische Staatskapelle hat in den letzten Jahren zunehmend<br />

auf die Strahlkraft seines Dirigenten gesetzt und ist derzeit dabei, das<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

68 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


eigene Image, welches es unter anderem durch Auftritte in den Kneipen<br />

von Dresden (die einem Dirigenten wie Thielemann weitgehend<br />

egal waren) oder durch Events wie „Klassik Picknickt“ aufgebaut hat,<br />

zu verspielen. Zudem hat das Orchester zugeschaut, wie das entscheidende<br />

Verwaltungspersonal vom Chefdramaturgen bis zum Orchesterdirektor<br />

aus Frust oder im Streit mit Thielemann abgewandert ist<br />

– also jenes Personal, das eigentlich den Erfolg des Ensembles und<br />

seine Vor-Ort-Verankerung ausgemacht hat.<br />

Das Verblüffende ist, dass die Musiker selbst sich für diesen<br />

Weg ausgesprochen haben. Ein Weg des geringeren Widerstandes,<br />

des Festhaltens am Bewährten, des kleineren Risikos. Ein Weg, an<br />

dessen gegenwärtigem Punkt eine eher ernüchternde Bestandsaufnahme<br />

steht: Durch den Verlust von Salzburg und ZDF rutscht die<br />

Staatskapelle zurück in die sächsische Provinz, muss sich neu ordnen.<br />

Man könnte auch sagen, dass die Selbstbestimmung eines<br />

Orchesters in diesem Fall nach hinten losgegangen ist und die<br />

Kapelle derzeit vor den Scherben ihrer eigenen, demokratischen<br />

Personalpolitik steht.<br />

Ein Phänomen, von dem auch die Berliner Philharmoniker ein<br />

Lied singen können. Nachdem sie Simon Rattle gewählt hatten, schienen<br />

sie in eine strahlende Zukunft zu<br />

gehen, bis sich herausstellte, dass der Brite<br />

unter Umständen nicht in jeder Nuance die<br />

beste Entscheidung für das Orchester war.<br />

Auch Rattles Vertragsverlängerung war<br />

eine knappe Entscheidung des Orchesters<br />

– und sorgte innerhalb des Ensembles für<br />

Grabenkämpfe. Erst als Rattle selbst seinen<br />

Abschied bekannt gegeben hatte und die<br />

Berliner erneut zusammenkamen, um über<br />

einen Nachfolger zu beratschlagen, schien<br />

die Orchester- Demokratie wieder zu funktionieren.<br />

Offene Debatten über das, was<br />

dem Orchester guttun würde, Entscheidungen<br />

gegen ein Zurück zu Karajan mit Christian Thielemann und<br />

gegen eine Interimslösung mit Daniel Barenboim. Stattdessen überraschte<br />

das Orchester mit seiner Entscheidung für Kirill Petrenko als<br />

neuen Chefdirigenten. Auf ihn musste man in Berlin zwei Jahre lang<br />

warten, aber nun, bei seinem Antrittsdirigat mit Beethovens Neunter,<br />

war zu hören, welcher Aufbruch in der Berliner Luft liegt. Musiker,<br />

die sich öffentlich äußern, beschwören den neuen Geist, den Anspruch<br />

Petrenkos an jeden Musiker, sein Bestes zu geben. Der musikalische<br />

Ausdruck steht in Berlin wieder über allem anderen, über dem Schein<br />

und der Show – Spaß an der Perfektion, Lust, an sich selbst zu arbeiten,<br />

sind zurückgekehrt. Und soweit man das heute beurteilen kann,<br />

haben die Berliner Philharmoniker mit ihrer Wahl für Petrenko die<br />

positive Seite der Selbstbestimmung vorgeführt.<br />

Tatsächlich ist es so, dass viele Orchester, auch wenn ihre Wahlen<br />

meist nicht bindend sind, in den Prozess ihrer eigenen Zukunftsplanung<br />

einbezogen werden. Ein Mechanismus, der auf der einen<br />

Seite zu Bequemlichkeit führen kann, der dafür sorgen kann, dass<br />

ein Orchester weniger Risiko eingeht als etwa ein Kulturpolitiker<br />

oder ein Intendant, der allein entscheiden kann. Gleichzeitig hat<br />

der Mechanismus der Mitbestimmung aber auch eine unglaubliche<br />

Kraft: Wenn ein Klangkörper debattiert und eine gemeinsame Position<br />

vertritt, wenn eine Entscheidung am Ende von allen getragen<br />

wird, wenn sie den eigenen Mut für die Zukunft trägt, dann ist die<br />

Selbstbestimmung eines Orchesters ein für den neuen Dirigenten<br />

unglaublich hilfreiches Energiezentrum.<br />

DEMOKRATISCHE<br />

MITBESTIMMUNG<br />

KANN SCHNELL ZUR<br />

SELBST GEWÄHLTEN<br />

ENTMÜNDIGUNG<br />

FÜHREN<br />

Die Wiener Philharmoniker, die sich bewusst gegen einen<br />

Chefdirigenten entschieden haben, nennen ihre Selbstbestimmung<br />

eine „Demokratie der Könige“. Und tatsächlich sind Orchester, die<br />

über ihre eigene Zukunft und über ihren eigenen Chef entscheiden<br />

können, privilegiert. Welcher Arbeitnehmer darf seinen Boss schon<br />

selbst wählen? Der Rewe-Angestellte? Der Schalterbeamte einer<br />

Bankfiliale? Und auch im öffentlichen Dienst (dazu gehören ja viele<br />

Orchester) ist es undenkbar, dass Lehrer ihren Schulleiter oder<br />

Finanzbeamte ihren Abteilungsleiter bestimmen. Gerade im öffentlichen<br />

Dienst geht es ja darum, dass politische Vorstellungen, die<br />

sich aus demokratischen Wahlen ergeben, umgesetzt werden und<br />

Behörden oder öffentlich geförderte Einrichtungen kein Eigenleben<br />

jenseits unserer Demokratie entwickeln.<br />

Tatsächlich scheinen all diese Kriterien bei Orchestern nicht<br />

oder nur selten zu greifen. Ein Beispiel dafür ist die Staatskapelle<br />

Berlin. Auch hier hat man sich intern einst für Daniel Barenboim<br />

entschieden. In den letzten Monaten wurde aber auch deutlich, dass<br />

quasi ein eigener, weitgehend unbeaufsichtigter Kosmos entstanden<br />

sein könnte, an dem nun zunehmend Kritik laut wird. Wie viel Königreich<br />

leistet sich Barenboim? Wie monarchisch ist das demokratische<br />

System geworden? Wie gut funktionieren<br />

Leitungs- und Kontrollmechanismen<br />

durch den Intendanten? Ihm wurde gerade<br />

von einer einstigen Mitarbeiterin vorgeworfen,<br />

er hätte ihre Kritik am Benehmen<br />

des Dirigenten nicht verfolgt. Wie ernst<br />

nimmt auch die Kulturpolitik ihre Aufgabe,<br />

demokratische und arbeitsrechtliche<br />

Grundanforderungen an einen öffentlichen,<br />

durch Steuergelder finanzierten<br />

Betrieb durchzusetzen? Sicher: Orchester<br />

funktionieren nicht wie eine Abteilung im<br />

Steueramt. Und doch ist es wichtig, dass<br />

– gerade wenn sie durch öffentliche Gelder<br />

gefördert werden – eine Art Überprüfbarkeit möglich ist. Die Beteiligung<br />

der Musiker an Personalentscheidungen kann dabei durchaus<br />

hilfreich sein.<br />

Wie auch immer man diese Frage beantwortet: Die demokratische<br />

Beteiligung der Orchestermusiker an der Entscheidung über<br />

ihre Chefdirigenten ist in der Regel von Erfolg gekrönt, wenn das<br />

Orchester sich, seine Geschichte und seine Zukunft an erste Stelle<br />

setzt. Das ist vielleicht eine der wichtigsten Lehren der aktuellen<br />

Situation der Staatskapelle in Dresden: Koppelt ein Orchester sein<br />

eigenes Schicksal an die Person eines Dirigenten, kann die demokratische<br />

Mitbestimmung schnell zu einer selbst gewählten Entmündigung<br />

führen. Das war auch der Fehler der Berliner Philharmoniker,<br />

als sie allein auf den Personenkult um Simon Rattle setzten. Das ist<br />

derzeit das Problem der Staatskapelle in Berlin. Und auch beim<br />

SWR-Orchester und seiner fast messianischen Anbetung von Teodor<br />

Currentzis, die – das muss man zugeben – sehr gut von der politisch<br />

gewollten Fusion des Orchesters ablenkt und die Zusammenlegung<br />

der Klangkörper derzeit noch als Erfolgsgeschichte erscheinen lässt.<br />

Die Mitbestimmung der Orchester bei der Wahl ihrer Chefdirigenten<br />

ist eine traditionell gewachsene Größe, die in der Regel für<br />

kreative Kraft sorgt und als Korrektiv des eigenen Weges dient. Problematisch<br />

wird diese Mitsprache dann, wenn ein Orchester seinen<br />

Stolz gegenüber einer Führungspersönlichkeit aufgibt, wenn es aus<br />

Faulheit oder dem Versprechen von Sicherheit das Risiko meidet oder<br />

die Zukunft durch ewige Vergangenheitssehnsucht verhindert. ■<br />

69


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L E B E N S A R T<br />

DIE KÜNSTLERIN BEATRICE VOHLER<br />

GESTALTETE DAS COVER UNSERER PREMIUM-CD.<br />

Ein Zuhause in Bildern<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Auch Kittel können Kunst erzählen: Beatrice Vohler freut sich über ein neues Werk<br />

Was meine Schwester kann, das kann ich auch!“ Ja, ein<br />

wenig Rebellion war es schon, die Beatrice Vohler<br />

vor etwa 20 Jahren aus der Reserve und an die Leinwand<br />

lockte, um die ersten großformatigen Bilder in<br />

Acryl zu fertigen. Dabei kommt sie eigentlich aus einer anderen<br />

Ecke der schönen Künste: Als Fotografin mit Meisterprüfung hatte<br />

sie sich ursprünglich dem schnellen Bild verschrieben – über Jahre<br />

ihr kreativer Schwerpunkt und Haupteinnahmequelle fürs tägliche<br />

Leben. Doch irgendwann entstand zwischen Leidenschaft und<br />

Broterwerb dann doch eine künstlerische Lücke. Die sie, zunächst<br />

initiiert von jenem schöpferischem Eigensinn – ein Hauch Trotz hat<br />

der Kunst noch nie geschadet –, bald zu füllen wusste: Sie begann,<br />

Farben in Formen zu malen und das Gegenständliche der Berufsfotografie<br />

in abstrakte, gegenstandslose Bilder auf der Leinwand zu<br />

verändern. Dabei spielte in den Anfängen die Farbe Rot eine besondere<br />

Rolle: Die Nuancen der einzelnen Farben verschmelzen in<br />

ihren Werken zu Farbflächen, kontrastierende Elemente geben den<br />

Bildern eine ganz besondere, subtile Spannung. Über die Jahre verändert<br />

sich ihre Malerei, es entstehen Collagen, und weltweit gesammelte<br />

Dinge – ihre Reiselust ist sowohl der Liebe zu fremden<br />

Kulturen als auch ihrem kreativen Jagdfieber geschuldet – finden<br />

ein endgültiges Zuhause auf ihren Bildern: verrostetes Blech aus der<br />

Mongolei etwa, antike Buchrücken oder Schriftfragmente alter Magazine,<br />

Partituren oder Bücher, ein 5.000-Reichsmarkschein, Altholzecken<br />

im spannenden Kontrast zu farbenfrohen Streifen. Bunt,<br />

lebensfroh, mitunter auch nostalgisch sind ihre Bilder, und immer<br />

ist jene Neugier spürbar, die sowohl die Groß- als auch die Kleinformate<br />

so vielseitig machen. Auf einen Stil festlegen lässt sich Beatrice<br />

Vohler dabei in aller Konsequenz nicht.<br />

Die Künstlerin lebt und arbeitet in München und stellt ihre<br />

Werke regelmäßig in diversen Ausstellungen vor.<br />

n<br />

Mehr über die Künstlerin auf www.vohler.com<br />

Vernissage in den Redaktionsräumen (Rindermarkt 6, München) am<br />

28. <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>, Eintritt frei. Anmelden unter crescendo.de/vernissage<br />

71


L E B E N S A R T<br />

„Letztlich sind wir<br />

heute viel profitabler“<br />

In Zeiten von iTunes und Spotify hat sich das Geschäft der Plattenlabels verändert.<br />

Winfried Hanuschik und Naxos-Gründer Klaus Heymann<br />

über die Zukunft der Musikindustrie – ein Gespräch unter Verlegern<br />

FOTO: HNH<br />

Ein Pionier und Visionär inmitten seiner Erfolgsgeschichte: Klaus Heymann<br />

Klaus Heymann (82) ist ein Urgestein der Musikindustrie.<br />

Zum Verständnis ein kurzer Lebenslauf: Heymann<br />

studierte Romanistik und Anglistik in Frankfurt<br />

und London, an der Sorbonne in Paris und<br />

schließlich an der Universität in Lissabon, brach<br />

jedoch sein Studium ohne Abschluss ab. Nebenbei gesagt: Verdient<br />

hatte er es sich als Tennislehrer. Für eine amerikanische Wochenzeitung<br />

ging er schließlich im Jahr <strong>19</strong>67 als Anzeigenverkäufer nach<br />

Hongkong, um deren Asien-Vertrieb zu organisieren. Nebenbei<br />

baute er ein eigenes Versandgeschäft für Uhren, Kameras und HiFi-<br />

Geräte auf. Nachdem er die japanische Violinistin Takako Nishizaki<br />

geheiratet hatte, gründete er für sie <strong>19</strong>82 das Plattenlabel „Marco<br />

Polo“, für das seine junge Frau selten gespielte Werke aufnahm.<br />

<strong>19</strong>87, inzwischen 50-jährig, startete er noch mal durch: mit der<br />

Gründung des Start-up-Unternehmens Naxos. Und gilt damit als<br />

Erfinder des „Budget“-Segments in der Klassik: Bei Naxos kosteten<br />

CDs nur die Hälfte! <strong>19</strong>99, als „online“ für die meisten Menschen<br />

noch Hokuspokus war, gründete er die weltweit erste Website für<br />

Besprechungen von Klassikalben, „Classics Today“, die er später<br />

verkaufte. Der Grund dafür: die Angst, die Nutzer würden den<br />

Rezensionen nicht glauben, wüssten sie, dass die Firma zu seiner<br />

Plattenfirma gehört. Es war das Jahr <strong>19</strong>96, als er mit www.hnh.com<br />

klassische Musik erstmals per Streaming zugänglich machte. Daraus<br />

entwickelte er 2002 die „Naxos Music Library“ mit inzwischen über<br />

147.000 Titeln. Zum Vergleich: Die vermeintlichen Entrepreneure<br />

des Musikstreaming-Dienstes „Spotify“ gingen 2008 online, sechs<br />

Jahre nach Heymann.<br />

Seit über 50 Jahren lebt Klaus Heymann in Hongkong und<br />

Neuseeland. Und es gibt definitiv nur wenig Menschen, die im<br />

internationalen Musikmarkt – insbesondere in Asien – so gut vernetzt<br />

sind wie er und einen wirklich kosmopolitischen Blick auf die<br />

Welt der klassischen Musikwirtschaft haben. Ich habe großen Respekt<br />

vor seiner Lebensleistung: als Mensch und als Unternehmer.<br />

Und ich freue mich immer, wenn ich ihn treffe: von Mensch zu<br />

Mensch und von Unternehmer zu Unternehmer.<br />

Winfried Hanuschik: Warum spielen die großen Plattenfirmen<br />

im Musikvertrieb heute keine Rolle mehr, sondern „Quereinsteiger“<br />

wie Apple, Amazon und Spotify?<br />

Klaus Heymann: In der Frühzeit des Downloads haben die großen<br />

Plattenfirmen, die „Majors“, irgendwie versucht, ihre eigenen<br />

Plattformen aufzubauen. Das hat alles nicht funktioniert, bis auf<br />

einmal Apple mit iTunes kam – da konnte man auf einmal alles<br />

72 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


finden. Die Hörer wissen ja meist gar nicht, bei welchem Label ein<br />

Künstler ist. Die suchten etwa nach „ABBA“, wurden zum Beispiel<br />

bei Warner nicht fündig und gingen darum nicht mehr auf deren<br />

Seite. Bei iTunes aber konnte man auf einmal nahezu jeden Song<br />

oder jedes Stück finden. Darum wurde es so ein Erfolg. Letztlich ist<br />

das ja auch der große Vorteil unserer Naxos Music Library: Mittlerweile<br />

haben wir auch fast alles im Bereich der klassischen Musik.<br />

Wie geht es mit der klassischen CD weiter?<br />

Die CD wird es auch in zehn Jahren noch geben, weil viele Hörer,<br />

Künstler, Orchester und auch viele Kritiker das physische<br />

Produkt haben wollen. Die Kritiker, vor allem die älteren,<br />

nehmen immer noch keinen Download an, noch nicht einmal in<br />

„High Resolution“. Sie wollen immer<br />

noch eine CD in der Hand haben. Auch<br />

Konzertverkäufe, Geschenke – all das<br />

wird weiterlaufen. Aber ich schätze,<br />

dass wir in drei Jahren nur noch zehn<br />

Prozent aller Alben im Presswerk<br />

herstellen. Alles andere wird dann<br />

„manufacturing on demand“, sozusagen<br />

ein digitales Lager mit 50.000,<br />

100.000 Titeln auf einem Server.<br />

Kommt dann ein Auftrag, drückt man auf einen Knopf, und die<br />

CD wird in Einzelanfertigung hergestellt, inklusive Print, Cover,<br />

Booklet, Inlay Card. Wir haben das jetzt in den USA und werden<br />

uns auch in Deutschland und Japan die Maschinen anschaffen.<br />

Das rechnet sich, weil die kostenintensive Pressung und Bevorratung<br />

von Millionen CDs und der Versand vom Zentrallager in<br />

München in die ganze Welt entfällt.<br />

Machen Streaming-Angebote die CD kaputt?<br />

Ich habe mit vielen Label-Chefs gesprochen, die alle sagen: „Ich<br />

investiere so viel in diese Aufnahme, und dann steht sie im<br />

Internet – das zerstört meine physischen Verkäufe.“ Darum hatten<br />

wir ursprünglich eine „Quarantäne“: Brachten wir eine CD neu<br />

heraus, haben wir sie erst drei Monate später im Internet zur<br />

Verfügung gestellt. Wir haben das alles ja getestet. Im Ergebnis<br />

machte es bei den Verkäufen kaum einen Unterschied. Anscheinend<br />

sind das unterschiedliche Kunden: Der CD-Käufer ist ein<br />

anderer Kunde als der Streamer, der sich Playlists anhört. Die<br />

Neugierigen, die nur mal eben reinhören wollen, die verliert man,<br />

die können ihre Neugierde jetzt auf Spotify oder Apple Music<br />

befriedigen. Aber die anderen kaufen trotzdem, weil ihnen der<br />

Besitz, die Soundqualität und das haptische Erlebnis einer CD<br />

wichtig sind. Im Bereich der klassischen Musik spielt das<br />

Streaming mit ca. 20 Prozent in Deutschland aktuell noch eine<br />

untergeordnete Rolle, aber im Pop-Bereich sind die Einnahmen<br />

aus Streaming inzwischen höher als die aus CD-Verkäufen.<br />

Streaming ist für den Kunden letztlich ja nur ein anderer<br />

Zugangsweg zur Musik. Komfortabel und bequem, sogar auf<br />

dem Handy, überall und jederzeit mit einem Fingertipp<br />

verfügbar – wenn die Internetverbindung schnell genug ist. Bei<br />

manchen Anbietern inzwischen auch in hoher Wiedergabequalität.<br />

Welche Rolle spielen die verschiedenen Streaming-Portale?<br />

Für die unabhängigen Labels ist die Music Library immer noch<br />

die größte Einnahmequelle. Dann folgen Spotify, Apple Music<br />

mit iTunes und Amazon Prime. Bei den Internet-Radios sind<br />

Pandora und iHeartRadio unsere größten Kunden. Und von den<br />

kleineren Anbietern läuft Qobuz noch ganz gut.<br />

Was bekommen Label und Künstler von den Streaming-Portalen?<br />

Statt ca. 10 Euro pro verkaufter CD bekommen wir von Spotify<br />

etwa 0,4 Cent und bei Apple Music 0,7 Cent pro Track. Die Naxos<br />

Music Library zahlt besser, etwa 6 Cent pro Track. Das kommt<br />

daher, dass die anderen Anbieter sowohl Pop als auch Klassik<br />

anbieten, während bei der Naxos Music Library (NML) die Klassik<br />

„DER CD-KÄUFER IST<br />

EIN ANDERER KUNDE ALS<br />

DER STREAMER, DER SICH<br />

PLAYLISTS ANHÖRT“<br />

unter sich bleibt. Da Klassikhörer gezielter hören und die Musik<br />

meistens nicht den ganzen Tag nebenbei laufen lassen, bleibt mehr<br />

Erlös pro Track.<br />

Das heißt also, jemand müsste ein Album, je nachdem wie man<br />

rechnet, etwa 500-mal von vorn bis hinten durchhören, bis das<br />

einem einzigen CD-Verkauf entspricht. Bei aller Liebe, aber das<br />

ist doch eher die Ausnahme ... Wie soll man da als Künstler und<br />

Plattenfirma von den Streaming-Einnahmen überhaupt noch<br />

eine Aufnahme finanzieren?<br />

Weil viel mehr Geld reinkommt aus Ländern, von denen wir nie<br />

Geld gesehen haben, weil es dort gar keinen Plattenhandel in dem<br />

Stil gab, wie wir das in Deutschland für normal halten: aus<br />

Brasilien, aus Argentinien, aus Chile,<br />

vom Mittleren Osten, aus Südostasien.<br />

Wir verdienen damit so viel mehr, dass<br />

wir neulich sogar darüber gesprochen<br />

haben, dass wir auch mit den Berliner<br />

Philharmonikern aufnehmen sollten,<br />

denn jetzt können wir’s uns endlich<br />

leisten. Glauben Sie mir: Davon träume<br />

ich seit Langem! (lacht) Aber man<br />

braucht halt auch einen Riesenkatalog,<br />

dass man wirklich alle Hörerwünsche befriedigen kann, also<br />

Playlists, die auch immer etwas Passendes anbieten. Das ist harte<br />

Arbeit. Wir haben Leute, die zum Beispiel Spotify Playlists und<br />

Musik vorschlagen. Wir haben sogar einen, der vorher bei Spotify<br />

angestellt war, angeworben. Der ist jetzt bei unserer schwedischen<br />

Niederlassung und hat das ganze Playlist-Fachliche bei denen<br />

angeleiert. Aber letztlich sind wir heute viel, viel profitabler als zu<br />

Hochzeiten von Naxos, als wir von einem Album 500.000 Stück<br />

verkaufen konnten.<br />

Und was ist mit den traditionellen Klassik-Tonträgermärkten?<br />

Also die USA sind immer noch die Größten, gefolgt von England,<br />

Japan, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, glaube ich. Das<br />

Haupteinkommen generiert sich immer noch aus den großen<br />

Märkten. Aber es kommen jetzt viele kleinere Beträge dazu.<br />

Brasilien liegt jetzt bei drei Prozent. Da hat man früher null<br />

CDs verkauft.<br />

Okay, von null auf drei Prozent, das ist eine ordentliche Menge.<br />

Und ganz ordentliches Geld. Das kommt von den Playlists. Wenn<br />

man einen Track in eine Playlist von Spotify, Apple oder Amazon<br />

heben kann, lohnt sich das.<br />

Es kommt also nicht auf die Verfügbarkeit in Streaming-<br />

Diensten an, sondern es zählt, was in eine Playlist kommt?<br />

Genau. Wir haben auch eigene Playlists, teilweise mit 500.000 oder<br />

einer Million Follower. Naxos hat eine Playlist, die heißt „Piano de<br />

Fundo“, die verdient ein enormes Geld. Das ist Hintergrund-<br />

Klaviermusik.<br />

Das ist kaufmännisch sicherlich erfreulich, mit Klassik in seiner<br />

Vielfalt und Qualität hat das aber nicht viel zu tun. Neue<br />

Aufnahmen kann man sich da eigentlich sparen und statt dessen<br />

um Playlist-Plätze ringen?<br />

Nein, also ich mache das nicht so. Wir haben ja immer noch 200<br />

neue Aufnahmen im Jahr allein bei Naxos. Zusammen sind es mit<br />

unseren anderen Labels vielleicht 350 Neuvertonungen im Jahr.<br />

Aber warum eigentlich? Wenn sich das schlecht verkauft oder es<br />

jeder schon in einer anderen Einspielung hat?<br />

Aber deswegen bin ich ja im Geschäft: neues Repertoire zu<br />

entdecken, neue Künstler zu entdecken ... Sonst macht das ja<br />

keinen Spaß mehr. Mit dem immer gleichen Standardrepertoire<br />

wird’s tatsächlich schwierig, auch für Top-Künstler.<br />

Playlists verändern die Kunst. Wir hören kein Werk mehr, wir<br />

hören nur noch Tracks?<br />

Natürlich ist da immer auch ein Link zum jeweiligen Album,<br />

73


L E B E N S A R T<br />

obwohl die meisten Leute das tatsächlich kaum nutzen. Außer es<br />

sind spannende Projekte und Reihen. Wir machen zum Beispiel<br />

alle 24 Versionen aller Bruckner-Sinfonien in den nächsten drei,<br />

vier Jahren für das Bruckner-Jubiläum. Wir können uns solche<br />

Projekte heute leisten, weil das Geld übers Streaming reinkommt.<br />

Viele renommierte Labels wurden in den letzten Jahren verkauft<br />

und produzieren nur noch eine Handvoll neuer Aufnahmen.<br />

Die haben alle geschlafen. Sie meinten, es geht immer so weiter:<br />

teuer produzieren und zum Hochpreis verkaufen – das geht heute<br />

einfach nicht mehr.<br />

Aber bei Spotify, Amazon und Apple gehen doch so ambitionierte<br />

Produktionen trotzdem völlig unter?<br />

Darum ist ja die Naxos Music Library für die Klassik so wichtig.<br />

Na gut, wir arbeiten auch schon seit 16 Jahre daran. Aber sagen wir<br />

mal so: Die Music Library selbst trägt sich ja eigentlich auch nicht.<br />

Es ist enorm teuer, so eine Plattform zu betreiben. Wir zahlen<br />

allein drei Millionen Dollar im Jahr an ein Content Distribution<br />

Network, das die Musik via Internet an die Hörer ausliefert. Dazu<br />

kommen etwa 100 Leute für die Datenpflege, Kundenservice,<br />

Entwickler und Computerspezialisten – das kostet ein Heidengeld.<br />

Aber es hilft natürlich in all den anderen Bereichen, die wir<br />

machen. Wir können uns das hauptsächlich leisten, weil wir auch<br />

sehr viele eigene Aufnahmen auf der NML draufhaben.<br />

Sie waren ja schon sehr früh in China tätig – für die meisten<br />

Europäer war Asien damals noch am Ende der Welt. Welche<br />

Rolle spielt klassische Musik in China?<br />

Zum Beispiel die Provinz Sichuan, beziehungsweise die Stadt<br />

Chengdu, möchte gern eine Zentrale für Musik sein. „Chengdu can<br />

do“ läuft da im Fernsehen. Ich kenne den Dirigenten. Das ist einer<br />

unserer Hausdirigenten, der das Orchester dort aufbaut. Der will<br />

richtig investieren. Es gibt auch immer wieder Stimmen innerhalb<br />

der Politik, die diese Hinwendung und diese Investments in die<br />

Kultur als Verwestlichung kritisieren. Man muss immer vorsichtig<br />

sein, dass nicht doch mal wieder ein Rückschlag kommt.<br />

Oder Long Yu, der Initiator des Bejing Music Festivals ...<br />

Den kenne ich, seit er zwölf Jahre alt war. Sein Großvater ist Ding<br />

Shande, der berühmte chinesische Komponist der Langer-Marsch-<br />

Sinfonie. Die Rechte dafür hatte ich erworben, da war Long zwölf<br />

Jahre alt. Und sein Bruder, der inzwischen mein Geschäftspartner<br />

in China ist, war acht Jahre alt. So lange bin ich da schon. (lacht)<br />

Man kann Yu Long wirklich als den Begründer der klassischen<br />

Musikkultur in China sehen. Die Familie ist enorm gut politisch<br />

vernetzt. Seine Mutter war mal Direktorin einer meiner Firmen.<br />

Eine gute Pianistin, sie hat auch für uns aufgenommen. Und die<br />

Tante ist Geigenlehrerin am Konservatorium in Schanghai.<br />

Gibt’s inzwischen auch ein Publikum?<br />

Ja, aber selten ein zahlendes Publikum. Zahlendes gibt es nur für<br />

bekannte chinesische Künstler, zum Beispiel beim Bejing Music<br />

Festival, aber was in den Provinzen stattfindet, da wird noch viel<br />

investiert. Es gibt inzwischen einen Klassik-Videokanal und<br />

mittlerweile 80 Orchester. <strong>19</strong>82 gab’s nur zwei: eins in Peking und<br />

eins in Schanghai. So hat sich das entwickelt.<br />

Welche Künstler verkaufen sich in China? Sind das die europäischen<br />

Stars oder chinesische Künstler?<br />

Bei den Violinisten sind es Siqing Lu, Tianwa Yang, Ning Feng und<br />

der Cellist Liwei Qin. Bei den Pianisten natürlich Lang Lang, aber<br />

auch Yuja Wang. Also die chinesischen verkaufen sich wirklich<br />

sehr gut – die Chinesen sind da recht patriotisch.<br />

n<br />

Klaus Heymann privat<br />

Wie halten Sie sich fit?<br />

Japanische Frau, veganes Essen mit Fisch und<br />

ohne Öl und viel Sport.<br />

Wie lange essen Sie schon vegan?<br />

Seit vier Jahren. Ich wollte einfach keine Pillen<br />

schlucken. Der Kardiologe hatte mir damals gesagt,<br />

ich solle jetzt dies gegen hohen Blutdruck<br />

und jenes gegen Cholesterin nehmen. Ich hatte<br />

aber gerade ein Buch gelesen und meinte: „Ach<br />

was, ich mach jetzt mal vegan!“ Nach einem<br />

Monat waren alle Werte unter denen, die er mir<br />

empfohlen hatte. Was ich erwähnen sollte: Wir<br />

haben eine Haushälterin, die kocht fantastisch<br />

vegan. Unsere Gäste wissen oft gar nicht, dass es<br />

sich um vegane Gerichte handelt. Und es ist erstaunlich:<br />

Man kann so viel essen, wie man will,<br />

und ist eigentlich immer satt. Sie macht Hamburger<br />

aus Pilzen, dazu eine wunderbare Portwein-<br />

Soße. Es wird sehr viel mit Wein gekocht, anstatt<br />

Salatöl nehmen wir einen herrlich klebrigen Süßwein<br />

– es schmeckt einfach toll. Im Hotel haben<br />

wir eine Suite mit einer kleinen Küche, und unsere<br />

Haushälterin ist oft mit dabei und kocht, was<br />

meine Frau auf dem Markt eingekauft hat.<br />

Das ist natürlich auch eine Lösung.<br />

Vor allem das Frühstück! Morgens gibt es sehr<br />

viel frisches Obst, eine fettfreie Gemüsesuppe,<br />

da wird dann Reispulver reingerührt, und das ist<br />

dann mein Frühstück.<br />

Manchmal gibt’s anschließend noch einen Kaffee<br />

Klaus Heymann und seine Frau, die<br />

Geigerin Takako Nishizaki<br />

mit Mandel- oder Sojamilch. Zum Mittagessen<br />

einen Salat mit fettfreiem Dressing und wieder<br />

eine fettfreie Gemüsesuppe. Fisch kommt ebenfalls<br />

fettfrei auf den Tisch. Wir bauen auch unser<br />

eigenes Gemüse an in Hongkong – wir haben einen<br />

Schrebergarten außerhalb der Stadt gemietet.<br />

Also essen wir eigentlich nur unser eigenes<br />

Gemüse, das organisch angebaut wird. Und Fisch,<br />

den meine Frau in Neuseeland gefangen hat.<br />

Ihre Frau fischt?<br />

Ja, wir haben einen zweiten Wohnsitz in Neuseeland,<br />

wo wir jedes Jahr vier bis fünf Monate verbringen.<br />

Wir chartern ein Fishing Boat, laden<br />

Freunde ein und gehen dann fischen. Anfang Mai<br />

sind wir mit 60 Kilo Fisch zurückgekommen, jetzt<br />

sind immer noch 40 Kilo im Gefrierschrank.<br />

Wie sieht ein Tag bei Heymanns aus?<br />

Ich stehe morgens immer um 6.30 Uhr auf und<br />

gehe für eine Stunde an meinen Laptop. Um acht<br />

Uhr kommt meine Frau runter, dann wird erst<br />

mal gefrühstückt, Kaffee getrunken, ein bisschen<br />

Smalltalk gemacht. Dann zurück an meinen Laptop,<br />

bis zum Mittagessen, das um zwölf Uhr auf<br />

dem Tisch steht. Danach eine Stunde Mittagsschlaf,<br />

mindestens, und zurück zum Laptop.<br />

Schließlich gehe ich meine fünf Kilometer laufen,<br />

und wenn ich nach Hause komme, gibt’s ein Glas<br />

Wein. Abendessen, noch ein Glas Wein, Laptop,<br />

noch ein Glas Wein vorm Schlafengehen so gegen<br />

23.30 Uhr. Ist ein langer Tag, aber relaxed. In<br />

Hongkong spiele ich einmal die Woche Golf, in<br />

Neuseeland dreimal die Woche. Also ich bin<br />

heute gesünder als vor 30 Jahren.<br />

Und wie lange wollen Sie das noch machen?<br />

Wie geht das weiter mit Naxos, wenn Sie keine<br />

Lust mehr haben?<br />

Ich habe eine sehr gute Mitarbeiterin, Astrid<br />

Angvik, eine Norwegerin, die in Hongkong lebt.<br />

Sie hat Musik studiert, einen MBA und arbeitet<br />

seit Jahren im Naxos-Führungskreis. Dazu gehören<br />

in jedem Land gute Leute wie Matthias<br />

Lutzweiler in Deutschland. Nicht anders in England<br />

und in den USA. In Japan macht’s mein Neffe,<br />

und Mohamed El Wakil verantwortet die globale<br />

Logistik. Wenn da irgend etwas passiert, kann ich<br />

jederzeit einspringen, sozusagen als Nothilfe. n<br />

74 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


WOHER KOMMT<br />

EIGENTLICH …<br />

… der Smart Speaker ?<br />

VON STEFAN SELL<br />

Am Anfang war Siri. Und Siri kam von<br />

Apple. Ein intelligenter Assistent, den<br />

man mittels Spracheingabe alles fragen<br />

kann, was einen interessiert. Wie wird<br />

das Wetter? Von wem ist Die Kleine Nachtmusik?<br />

Wie heißt die Hauptstadt von Italien? Diese Fragen<br />

spricht man einfach ins Handy und – klick! – da kommt<br />

die Antwort. Das Prinzip stammt aus der Märchenwelt.<br />

Schon der Spiegel der Königin in Schneewittchen ließ sich in<br />

Sachen Schönheit befragen. Fragt man heute Siri: „Spieglein, Spieglein<br />

an der Wand, sag, wer ist der/die Schönste im ganzen Land?“,<br />

antwortet Siri: „Schneewittchen? Bist du das?“ – „Nein!“ Zweiter<br />

Versuch: „Siri, ich frage dich noch mal, sag, wer ist der Schönste im<br />

ganzen Land?“ Darauf Siri: „Du bist am schönsten hier, aber (!) …<br />

Quatsch, du bist eindeutig am schönsten!“ Sowohl Siri als auch der<br />

Spiegel aus Schneewittchen sind Informationsmedien, die der<br />

Recherche dienen.<br />

Der wahre Smart Speaker von heute kann nicht nur Informationen<br />

beschaffen, sondern auch Dienste erfüllen. Dazu stellt man,<br />

clever & smart, in seinem Haus einen intelligenten Lautsprecher<br />

auf, der einerseits sendet, sodass man hören kann, andererseits alles<br />

empfängt, was man spricht, egal, wo man sich gerade im Raum<br />

befindet. So lassen sich Befehle erteilen und Wünsche äußern, die<br />

via Smart Speaker erfüllt werden.<br />

Folgt man der Bibel, ist das „nichts Neues unter der Sonne“.<br />

Man denke an den Besen des alten Hexenmeisters aus Goethes Zauberlehrling<br />

oder an das Märchen Vom süßen Brei. Hier reichte ein<br />

Wort, und der Topf begann zu kochen. Leider ließ in beiden Fällen<br />

Missbrauch das Ganze im Chaos enden. Heute ist der beliebteste<br />

Smart Speaker Alexa von Amazon, für dessen Namen die einstige<br />

Bibliothek von Alexandria Pate stand. Sie war der frühe Traum einer<br />

universellen Bibliothek. Gerüchten zufolge legte jedoch Cäsar im<br />

Hafen der Stadt unachtsam Feuer. Das Feuer sprang über, und die<br />

Bibliothek brannte bis auf die Grundmauern nieder. Eine andere<br />

Version erzählt, die Araber hätten sie in Schutt und Asche gelegt.<br />

Viel profaner klingt diese Variante vom Ende der Bibliothek: Den<br />

Statthaltern fehlte schlicht und ergreifend das Geld, die Bibliothek<br />

dauerhaft in Schuss zu halten.<br />

Alexa verschafft nicht nur Zugang zu Büchern, Informationen<br />

und Wissen aller Art, sondern eröffnet ungeahnte Möglichkeiten<br />

im Bereich des Musikhörens. So lassen sich bekannte Streamingdienste<br />

wie Spotify, Deezer oder – speziell für<br />

klassische Musik – Idagio mit den sogenannten<br />

„Skills“ von Alexa ansteuern. Da heißt es dann:<br />

„Alexa, frage Idagio, um mir Beethovens Wut<br />

über den verlorenen Groschen zu spielen.“ Gleich<br />

darauf landet die erwünschte Wut im Wohnzimmer.<br />

Man muss nicht mal wissen, dass Beethoven selbst<br />

dieses Rondo Alla ingharese quasi un Capriccio betitelte.<br />

Wenn einem Beethoven gefällt, könnte ja auch Mozart von Interesse<br />

sein. Nach und nach schwingt sich das Allwissen des Smart<br />

Speakers auf die individuellen Bedürfnisse seines Besitzers ein und<br />

macht eigene Vorschläge, die von Mal zu Mal präziser und stetig<br />

treffsicherer werden.<br />

Bittet man Alexa, sie möge das Portal zu „Lang Langs Musical<br />

Journey“ öffnen, begrüßt der weltberühmte Pianist persönlich: „Hi<br />

everyone, this is Lang Lang and welcome to my Alexa Skill.“ Er<br />

fragt, ob man ältere Episoden hören möchte oder die aktuelle von<br />

dieser Woche. Entscheidet man sich für die aktuelle, berichtet er<br />

freudig von seiner Neuerscheinung. Auf Wunsch spielt er Für Elise<br />

und erklärt, welches Mysterium sich hinter der Widmung dieses<br />

Werkes verbirgt.<br />

Besitzen auch Google Home, der Apple HomePod und andere<br />

die Fähigkeit, mit Streamingdiensten zu verbinden, Reminder für<br />

den Alltag zu schaffen, das Auto, wo immer es auch steht, abzusperren,<br />

die Heizung anzuwerfen oder das Licht einzuschalten, steckten<br />

doch all diese Skills bereits in Aladins Wunderlampe. Diese im<br />

Standby-Modus schlummernde Öllampe wurde durch Reibung in<br />

den Aktiv-Modus versetzt und war bereit, auf Ansage Wünsche<br />

aller Art zu erfüllen. Selbst einen Palast zu bauen, war für den Geist<br />

der Wunderlampe kein Problem. Denkbar wäre bei ausreichend<br />

gedeckter Kreditkarte, dass der Smart Speaker einen Skill hat, der<br />

nicht nur den Eierkocher anstellt oder Musik aus der Wüste Gobi<br />

erklingen lässt, sondern mittels eines 3-D-Druckers in Nullkommanix<br />

den Wunsch nach einem Eigenheim erfüllt.<br />

Übrigens: In der Version der Brüder Grimm ist es keine Wunderlampe,<br />

sondern Das blaue Licht. Was natürlich zu Alexa viel<br />

besser passt, bedeutet doch der sich hellblau drehende Lichtkreis:<br />

„Ich starte!“, das konstante Hellblau in Richtung des Wünschenden:<br />

„Ich arbeite gerade an deiner Anfrage!“ und der Wechsel zwischen<br />

hell- und dunkelblauem Licht: „Ich reagiere!“ Worauf auch<br />

immer.<br />

n<br />

75


Exklusive Musikreisen<br />

mit der ZEIT<br />

JETZT<br />

BUCHEN!<br />

Freuen Sie sich mit ZEIT REISEN auf die musikalischen Höhepunkte 20<strong>19</strong>/2020!<br />

Unsere Musikexperten begrüßen Sie herzlich und haben ein spannendes<br />

Rahmenprogramm und interessante Begegnungen für Sie ausgewählt.<br />

Hamburg – Ballett, Oper und Genuss<br />

Zum Jahreswechsel zeigt die Hamburgische Staatsoper<br />

Wagners »Lohengrin« mit Klaus Florian Vogt<br />

und Tschaikowskys Ballett »Der Nussknacker« in einer<br />

Choreografie von John Neumeier. Besichtigen Sie das<br />

Orgelwerk von St. Michaelis, und genießen Sie ein besonderes<br />

Silvesterdinner in Ihrem Hotel Grand Elysée.<br />

Termin: 28.12.20<strong>19</strong> – 1.1.2020 Preis: ab 2.150 €<br />

zeitreisen.zeit.de/hamburg-jahreswechsel<br />

Breslau – Nationales Musikforum<br />

Erleben Sie zum Jahreswechsel Kultur und Musik im<br />

wunderschönen Breslau mit seinen Museen, dem<br />

gotischen Dom, der prachtvollen barocken Universität<br />

und der schönen historischen Altstadt. Besuchen Sie<br />

im Musikforum die Händel-Oper »Acis und Galatea«<br />

unter der Leitung von Jaroslaw Thiel mit Ian Bostridge<br />

und die Silvestergala in der Breslauer Oper.<br />

Termin: 29.12.20<strong>19</strong> – 1.1.2020 Preis: ab 2.090 €<br />

zeitreisen.zeit.de/silvester-breslau<br />

Berlin – Feuerwerk der Musik<br />

Die großen Orchester der Stadt überbieten sich mit<br />

bekannten Namen und ausgesuchten Programmen.<br />

Unter Chefdirigent Kirill Petrenko und mit Starsopranistin<br />

Diana Damrau führen die Berliner Philharmoniker<br />

den Reigen der Silvesterkonzerte an, gefolgt vom<br />

Staatsballett Berlin mit Tschaikowskys »Nussknacker«.<br />

Termin: 29.12.20<strong>19</strong> – 1.1.2020 Preis: ab 1.990 €<br />

zeitreisen.zeit.de/berlin-jahreswechsel<br />

Fotos: M. Grotowski, Felix Broede, Bettina Stöß | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg<br />

Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gern!<br />

Ihre Ansprechpartnerin: Solveig Goldbaum<br />

040/32 80-3725<br />

Bestellen Sie jetzt den<br />

Musikreisen-Katalog 2020!<br />

www.zeit.de/musikreisen


REISE & KULTUR<br />

themenspecial 10. Jahrgang | Herbst & Winter 20<strong>19</strong><br />

DEM<br />

HIMMEL<br />

SO NAH<br />

MUSIK, KUNST UND<br />

KULTUR AN DEN<br />

SCHÖNSTEN<br />

ORTEN DER WELT<br />

SALZBURG<br />

Brauchtum triff Moderne:<br />

Die Stadt an der Salzach<br />

gibt der Welt eine Bühne<br />

BREMEN<br />

Kultur, Natur und gute Laune:<br />

Advent in zauberhafter<br />

Seefahrerkulisse<br />

ÖSTERREICH<br />

Ein Weinland ist zurück<br />

FOTO: TOURISMUS SALZBURG GMBH<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 77


R E I S E & K U L T U R<br />

BRAUCHTUM<br />

UND MODERNE<br />

Alpenländische Bräuche, ungewöhnliche Ausstellungen und aufregende Musikfestivals<br />

locken in der Vorweihnachtszeit nach Salzburg.<br />

FOTOS: TOURISMUS SALZBURG GMBH; NEUMAYR<br />

78 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


Konzert im Großen Saal des Mozarteums<br />

Die Adventszeit lässt die barocke Stadt an der<br />

Salzach in stimmungsvollem Glanz erstrahlen.<br />

Die Weihnachtsmärkte auf dem Domplatz und<br />

an anderen Orten der Stadt verbreiten Vorfreude auf das<br />

Fest. Und das Salzburger Adventsingen im Großen Festspielhaus<br />

schenkt Besinnung bei alpenländischen Weisen<br />

und dem Spiel vom Sterngucker. Auf fruchtbare Weise<br />

mischt sich nostalgisches Brauchtum mit zeitgenössischen<br />

Künsten. Während Krampus- und Perchtenläufe<br />

in den Raunächten den Winter austreiben, zeigen Compagnien<br />

der internationalen Zirkus-Szene beim „Winterfest“<br />

im Volksgarten neue Zirkuskunst.<br />

Prachtvolle Bauwerke, kostbare Kunstschätze und<br />

eine lebendige Museumslandschaft laden zu Entdeckungen<br />

ein. Das Salzburger Museum der Neuen Residenz<br />

zeigt Porträts von Barbara Krafft, die 18<strong>19</strong> posthum das<br />

bekannteste Porträt Mozarts malte. Das Museum der<br />

Moderne Salzburg in spektakulärer Lage auf dem<br />

Mönchsberg setzt sich unter dem Titel „Die Spitze des<br />

Eisbergs“ mit der Anordnung von Bildern im Ausstellungsraum<br />

auseinander. Herausgefordert von den Essays<br />

des Dichters und Künstlers Brian O’Dohesty über den<br />

neutralen Galerieraum, präsentiert es seine heterogene<br />

Sammlung unter maximaler Ausnutzung der Wandfläche.<br />

Und im Rupertinum in der Altstadt zeigt es „A Mind<br />

of Winter“ von Walter Martin und Paloma Muñoz. Das<br />

Künstlerpaar, das seit <strong>19</strong>94 zusammenarbeitet, bildet die<br />

Abgründe menschlicher Verhältnisse in Form von<br />

Schneekugeln ab, in denen Reisende in ausweglosen Situationen<br />

gestrandet sind.<br />

Festspiele gibt es in Salzburg praktisch immer. Das<br />

Musikfestival Dialoge spaziert in die Stadt hinaus. Unter<br />

dem Motto „Ortswechsel“ verlassen die Musiker den<br />

Konzertsaal und spielen in den Cafés, Hotels und auf öffentlichen<br />

Plätzen. Im Mozartjahr 2006 in der Besinnung<br />

auf Mozart als zeitgenössischen Komponisten seiner Zeit<br />

entstanden, schafft es heutigen Komponisten ein Podium.<br />

Und für die Mozartwoche im Januar kündigt Intendant<br />

Rolando Villazón ein Ereignis an: Robert Wilson<br />

inszeniert Mozarts Bearbeitung von Händels Messias-Oratorium.<br />

Das Festival bildet den Auftakt zu einem besonderen<br />

Jubiläum: Am 22. August <strong>19</strong>20 verwirklichte Max<br />

Reinhardt zum ersten Mal seinen Traum vom Zusammenklang<br />

barocker Architektur, Musik und Theater, als<br />

die Posaunen des Jüngsten Gerichts über den Domplatz<br />

schallten und die Rufe von den Türmen den sterbenden<br />

Jedermann zur Buße mahnten. „Großes Welttheater –<br />

100 Jahre Salzburger Festspiele“ ist der Titel einer<br />

Landesausstellung, die Einblicke in die Geschichte und<br />

Bedeutung der Festspiele eröffnet.<br />

INFORMATIONEN<br />

Tourismus Salzburg<br />

+43-(0)662-88 98 70<br />

www.salzburg.info<br />

www.mozarteum.at<br />

www.museumdermoderne.at<br />

www.salzburgeradventsingen.at<br />

SALZBURGER PACKAGES<br />

Pauschalangebote für eine Reise nach<br />

Salzburg im Advent, an Weihnachten<br />

oder Silvester mit kulturellen und<br />

kulinarischen Extras.<br />

Mehr Infos dazu unter:<br />

www.salzburg.info/pauschalen<br />

Sonderveröffentlichung/Anzeigen/Präsentationen 79


R E I S E & K U L T U R<br />

crescendo Sonderveröffentlichung | 80<br />

LEBENDIGE TRADITION<br />

Die Hansestadt Bremen lockt das ganze Jahr über mit Kunst, Kultur und Genuss.<br />

FOTOS: WFB WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG BREMEN GMBH / VINCENT VAN GOGH, SELBSTPORTRAIT MIT GRAUEM FILZHUT, 1887,<br />

ÖL AUF LEINWAND, VAN GOGH MUSEUM, AMSTERDAM (VINCENT VAN GOGH FOUNDATION)<br />

Sie ist die Heimat der weltberühmten<br />

tierischen Stadtmusikanten<br />

und geprägt von 1.200 Jahren reicher<br />

Tradition: Bremen, die märchenhafte<br />

Hansestadt an der Weser. Ob auf<br />

dem historischen Marktplatz, auf dem<br />

die ehrwürdige Figur des Roland thront<br />

und der Blick auf das prachtvolle Rathaus<br />

und den imposanten Dom fällt, ob<br />

in Bremens ältestem Stadtviertel, der Schnoor, oder an<br />

der Uferpromenade Schlachte – an unzähligen Plätzen in<br />

der Bremer Innenstadt lässt sich der Reiz und die besondere<br />

Aura dieser Stadt erspüren. Dabei besticht das Stadtbild<br />

nicht nur durch eindrucksvolle Bauten, sondern auch<br />

durch reichlich Natur. So finden sich zauberhafte Gartenanlagen,<br />

idyllische Parks und üppige Grünflächen und ist<br />

auch das Seefahrer-Flair der Stadt durch die Nähe zum<br />

Fluss bis heute erhalten.<br />

Jenseits der Tradition ist Bremen aber weit mehr. So<br />

beheimatet die geschichtsträchtige Stadt das europäische<br />

Zentrum für Luft und Raumfahrt, ist sie eine pulsierende<br />

Universitätsstadt und darüber hinaus Standort der Überseestadt,<br />

eines der größten europäischen Städtebauprojekte,<br />

das den ehemaligen Hafenrevieren neues Leben<br />

einhaucht. Einzigartig ist auch das Museumsangebot, so<br />

präsentiert die Bremer Kunsthalle ab<br />

<strong>19</strong>. <strong>Oktober</strong> die spektakuläre Sonderausstellung<br />

„Ikonen“ und spürt darin<br />

anhand von ausgewählten Kunstwerken<br />

aus zehn Jahrzehnten dem Phänomen<br />

der kultischen Verehrung nach, wobei<br />

die Spanne von Vincent van Gogh bis<br />

hin zu Jeff Koons reicht. Im Universum<br />

Bremen wiederum ist unter dem Motto<br />

„Der mobile Mensch – Deine Wege. Deine Entscheidungen.<br />

Deine Zukunft“ eine spannende Sonderausstellung<br />

zur Mobilität der Zukunft zu erleben. Außerdem laden<br />

das Überseemuseum und das Science Center botanika zu<br />

erfahrungsreichen Rundgängen ein.<br />

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen – entsprechend<br />

gibt es das ganze Jahr über Anlass für farbenfrohe<br />

und genussvolle Feierstunden. So ist hier Deutschlands<br />

ältestes Volksfest, der Freimarkt, zu Hause und finden<br />

zahlreiche weitere Festivals statt, darunter das Musikfest<br />

Bremen und das Festival Maritim. Besonders stimmungsvoll<br />

wird es im Advent, wenn die Schiffe am Kai in blaues<br />

Licht getaucht werden. Ein atmosphärischer Weihnachtsmarkt<br />

direkt vorm UNESCO-Welterbe Rathaus und ein<br />

Mittelaltermarkt direkt an der Weserpromenade runden<br />

das urige Ambiente eindrucksvoll ab.<br />

INFORMATIONEN<br />

Hotels, Tickets, Reiseangebote<br />

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+49-(0)421-308 00 10<br />

oder info@bremen-tourism.de<br />

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lebendig? Bremen bietet attraktive<br />

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80 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


HTOI PT E LTZREIIFLFET<br />

Daniel-Hope-Kolumne<br />

„ES GEHT AUCH UM BEZIEHUNGEN“<br />

Einst war Andreas Capello Geschäftsführer eines Seilbahnunternehmens. Seit 34 Jahren ist er<br />

Intendant des Südtirol Festivals in Meran. Sein Geheimnis: Beständigkeit und Qualität.<br />

Daniel Hope: Andreas, du bist einer der<br />

am längsten amtierenden Intendanten<br />

der Welt – ist das richtig?<br />

Andreas Capello: Das kann gut sein. Ich<br />

bin jetzt 56 und hatte das Glück, vor 34<br />

Jahren im Rahmen des Jubiläums „150<br />

Jahre Kurstadt Meran“ das Südtirol<br />

Festival gründen zu können. Da ich<br />

qualitativ hervorragende Leute einladen<br />

konnte, ist es schnell zu einem bedeutenden<br />

Festival gewachsen.<br />

Der Blick auf das Line-up zeigt eine<br />

Weltklasseaufstellung! War das von dir<br />

so geplant, oder war das eher ein Traum?<br />

Ich hatte von Anbeginn den Wunsch,<br />

große Interpreten nach Meran zu holen,<br />

weil über die Interpretation beim Publikum<br />

Kommunikation und Verständnis<br />

aufgebaut wird. Wenn Musik undeutlich<br />

gespielt wird, dann bleibt sie eine unverstandene<br />

Sprache. Ein guter Interpret wird<br />

die Musik so spielen, dass der Funke sofort<br />

überspringt. Das Publikum will von einem<br />

Konzert etwas mit nach Hause nehmen.<br />

Und ich bemühe mich eben, Programme<br />

zu gestalten, die Zufriedenheit und<br />

Glücksgefühle hervorrufen.<br />

Das Festival-Team ist immer noch das<br />

gleiche wie vor über 30 Jahren. Ist das<br />

eines deiner Geheimnisse des Erfolgs?<br />

Es ist wirklich eine einzigartige Situation,<br />

dass das Team seit der Gründung unverändert<br />

geblieben ist: Hermann Schnitzer<br />

als Präsident, ich als künstlerischer Leiter,<br />

Ursula Schnitzer als Grafikerin. Auch bei<br />

Buchhaltung und Vertragswesen hat sich<br />

nichts geändert. Das ist in Europa wohl<br />

einzigartig. Jeder von uns weiß, was seine<br />

Aufgabe ist. Ich muss auch nichts delegieren<br />

– es ist schon alles delegiert. Das ist<br />

viel Zeitersparnis und Erleichterung in der<br />

Kommunikation.<br />

Ich durfte in diesem Jahr vier Konzerte<br />

hier spielen, drei mit dem Zürcher<br />

Kammerorchester – logistisch perfekt!<br />

Du bist ja ein Stammgast unseres<br />

Festivals, bist jedes Mal mit mehreren<br />

Konzerten dabei, sozusagen ein „nicht<br />

deklarierter Artist in Residence“. Viele<br />

Veranstalter haben vielleicht nicht den<br />

Mut, Künstler über Jahre zu einem<br />

Festival einzuladen. Aber damit baut man<br />

Bindung zum Publikum auf. Das ist ganz<br />

wichtig. Im Zeitalter der Medien denkt<br />

man ja, das sei nicht notwendig, da man<br />

ja alles in kürzester Zeit bewerben kann.<br />

Doch ist damit noch keine emotionale<br />

Beziehung entstanden. Kommt aber ein<br />

Künstler jedes Jahr wieder, schafft man<br />

eine starke Identifikation zwischen<br />

Publikum und Künstler. Das sollte man<br />

wieder mehr pflegen, anstatt nur das<br />

kurzlebige Produkt im Auge behalten. Es<br />

geht auch um Beziehungen.<br />

Für die wenigen Menschen, die Meran<br />

vielleicht noch nicht kennen: Was<br />

würdest du ihnen sagen?<br />

Meran ist eine Stadt mit sehr hoher<br />

Lebensqualität. Das haben die Touristen<br />

bereits vor 180 Jahren entdeckt. Deshalb<br />

ist Meran, obwohl klein, immer schon<br />

international gewesen. Sehr viele Künstler<br />

im musikalischen und literarischen<br />

Bereich sind Stammgäste geworden. Der<br />

europäische Hochadel hat sich eingefunden.<br />

Gleichzeitig – und das ist der große<br />

Gewinn – brachten sie einen großen<br />

intellektuellen Hintergrund mit. Meran<br />

war immer schon ein Schmelztiegel<br />

kultureller Schichten aus ganz Europa.<br />

Deshalb ist es auch eine sehr tolerante,<br />

weltoffene Stadt. Die liberale Haltung und<br />

die Neugier auf das intellektuelle Weltgeschehen<br />

zeichnen Meran aus.<br />

Was machst du eigentlich neben deinem<br />

Job hier als künstlerischer Leiter?<br />

Inzwischen leiste ich mir den Luxus, dass<br />

ich fast nur noch künstlerischer Leiter<br />

bin. Ich unterrichte noch am Musikgymnasium<br />

in Meran. In der Vergangenheit<br />

aber habe ich ganz unterschiedliche Dinge<br />

gemacht, die mit Musik gar nichts zu tun<br />

hatten. Ich war 22 Jahre lang Geschäftsführer<br />

eines Seilbahnunternehmens und<br />

22 Jahre Präsident vom Kurhaus und vom<br />

Stadttheater in Meran, zwölf Jahre von<br />

der Therme Meran, einer der schönsten<br />

Europas. Ich war politisch an vorderster<br />

Front tätig. Jetzt widme ich mich ganz der<br />

Musik. Das Festival steckt immer noch in<br />

einer Entwicklungsphase. Und wir haben<br />

für die Zukunft sehr viele Ideen.<br />

Du hast einen eigenen Festival-Wein<br />

eingeführt – sein Name: „Crescendo“!<br />

Genau. Der Wein brauchte einen musikalischen<br />

Namen – unser Präsident hat ganz<br />

spontan „Crescendo“ gesagt. Das passte!<br />

Als eifriger Leser ist mir natürlich die<br />

Namensgleichheit aufgefallen. Ich finde<br />

das sehr sympathisch, denn auch<br />

<strong>CRESCENDO</strong> ist ein wunderbares Medium<br />

mit einer wunderbaren Redaktion. n<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: PRIVAT<br />

82<br />

w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>19</strong>


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02.11.<strong>19</strong><br />

Stuttgart<br />

05.11.<strong>19</strong><br />

Dresden<br />

06.11.<strong>19</strong><br />

Frankfurt<br />

22.11.<strong>19</strong><br />

Hamburg<br />

29.11.<strong>19</strong><br />

Hannover<br />

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Düsseldorf<br />

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