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SILVANA SCHMID: LOPLOPS GEHEIMNIS · MAX ERNST UND LEONORA CARRINGTON IN SÜDFRANKREICH (Büchse der Pandora) · ISBN 978-3-88178-338-1

Max Ernst (1891–1976) hat Zeit seines Lebens eine Lücke in seinem Lebenslauf gelassen: Die Jahre rund um den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Sie hatten ihn zunächst in ein Dorf an der südfranzösischen Ardèche verschlagen, dann in meh­rere Lager für Angehörige feindlicher Nationen. Nach seiner Flucht traf er in Marseille auf die amerikanische Millionenerbin und Kunstliebhaberin Peggy Guggenheim, die sich seiner annahm. 1938 bis 1941 – Krieg, Frankreichs Zusammenbruch, die Emigration: Max Ernst gelangen bedeutende Werke, viele von ihnen inspiriert von Leonora Carrington, einer eng­lischen Oberschicht-Tochter mit viel schwarzem Humor, deren innere Bildwelt in fast magischer Weise mit der seinen über­einstimmte – und von der ihn der Krieg bald brutal trennen sollte. Als Silvana Schmid zufällig auf das Haus in St. Martin d’Ardèche stieß, das Ernst und Carrington bewohnt hatten, stellte sie fest, daß all die skurrilen Geister und Totems, mit denen das Paar die Fassade geschmückt hatte, fehlten. Nur das hohe »Loplop«-Relief war noch vorhanden. In einer ebenso poetischen wie kriminalistischen Reportage gibt sie einen Überblick über die vergessenen Jahre von Max Ernst und die künstlerischen An­fänge der 2011 in Mexico-Stadt verstorbenen Leonora Carrington.

Max Ernst (1891–1976) hat Zeit seines Lebens eine Lücke in seinem Lebenslauf gelassen: Die Jahre rund um den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Sie hatten ihn zunächst in ein Dorf an der südfranzösischen Ardèche verschlagen, dann in meh­rere Lager für Angehörige feindlicher Nationen. Nach seiner Flucht traf er in Marseille auf die amerikanische Millionenerbin und Kunstliebhaberin Peggy Guggenheim, die sich seiner annahm. 1938 bis 1941 – Krieg, Frankreichs Zusammenbruch, die Emigration: Max Ernst gelangen bedeutende Werke, viele von ihnen inspiriert von Leonora Carrington, einer eng­lischen Oberschicht-Tochter mit viel schwarzem Humor, deren innere Bildwelt in fast magischer Weise mit der seinen über­einstimmte – und von der ihn der Krieg bald brutal trennen sollte.
Als Silvana Schmid zufällig auf das Haus in St. Martin d’Ardèche stieß, das Ernst und Carrington bewohnt hatten, stellte sie fest, daß all die skurrilen Geister und Totems, mit denen das Paar die Fassade geschmückt hatte, fehlten. Nur das hohe »Loplop«-Relief war noch vorhanden.
In einer ebenso poetischen wie kriminalistischen Reportage gibt sie einen Überblick über die vergessenen Jahre von Max Ernst und die künstlerischen An­fänge der 2011 in Mexico-Stadt verstorbenen Leonora Carrington.

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Silvana Schmid<br />

Loplops Geheimnis<br />

Max Ernst und Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

anabas


Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Silvana Schmid<br />

Loplops Geheimnis<br />

Max Ernst und Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Silvana Schmid<br />

Loplops Geheimnis<br />

Max Ernst und Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Anabas<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek:<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in <strong>der</strong><br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind<br />

im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Originalausgabe <strong>·</strong> 1. Auflage 2003 <strong>·</strong> 2. Auflage 2013<br />

Der Text von Silvana Schmid erschien erstmals 1996 in Köln. Er wurde<br />

für die vorliegende Publikation überarbeitet und durch die Beiträge zu<br />

den Werken von Leonora Carrington und Max Ernst in <strong>der</strong> Zeit von 1937<br />

bis 1941 sowie die zahlreichen Abbildungen erweitert. Das Buch dokumentiert<br />

und interpretiert damit auch erstmals die ganze mit Saint-Martin<br />

d’Ardèche verbundene Werkphase <strong>der</strong> beiden Künstler.<br />

Gestaltung und Ausstattung: Peter Grosshaus (dwb), Wetzlar<br />

Umschlagfoto: Günter Kämpf und Vilma Link, Anabas Verlag<br />

Gesamtherstellung: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar<br />

© 2002, 2003, 2013 by Anabas-Verlag GmbH & Co. KG, Wetzlar<br />

© 2002 by VG Bild-Kunst, Bonn, für die Werke von Max Ernst<br />

und Leonora Carrington<br />

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Die Verwertung <strong>der</strong> Texte und Bil<strong>der</strong> ohne Zustimmung des Verlags<br />

ist urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Nachdruck und<br />

Vervielfältigung je<strong>der</strong> Art, Übersetzung, Bearbeitung, Mikroverfilmung,<br />

Speicherung o<strong>der</strong> Aufbereitung – auch in Auszügen – sowie für die<br />

Verarbeitung mit elektronischen Medien.<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1<br />

Anabas Verlag GmbH & Co. KG in <strong>der</strong><br />

Majuskel Medienproduktion GmbH<br />

Postfach 2820 <strong>·</strong> D-35538 Wetzlar<br />

digitalakrobaten@gmail.com<br />

www.digitalakrobaten.de<br />

4


009 Prolog<br />

013 Der diskrete Monsieur Le Laurier<br />

016 Elfen werden zu Bein<br />

023 Aline und Leonora<br />

030 Der Vogelobre Hornebom<br />

038 Das Kaleidoskop dreht sich<br />

043 Miraldalocks geht um<br />

049 Ein wenig Ruhe<br />

054 Es regnet wie<strong>der</strong> über Europa<br />

063 Der Zusammenbruch<br />

069 Geisterzüge unterwegs<br />

077 Loplop wird verramscht<br />

081 Herzen zu Le<strong>der</strong><br />

092 Loplops Rache<br />

098 Auf nach Kafkamerika<br />

109 Epilog<br />

115 Leonora Carrington, Werke 1937–1941<br />

Auf dem Weg zum eigenen Stil<br />

131 Max Ernst, Werke 1937-1941<br />

Kunst gegen Krieg und Terror<br />

182 Bibliografie<br />

183 Biografische Notiz<br />

Inhalt<br />

5<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Max Ernst und Leonora Carrington, La rencontre, 1939–1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Foto: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

6<br />

Hier können Sie dieses Buch sofort und bequem via amazon direkt beim Verlag bestellen :<br />

45 https://www.amazon.de/gp/offer-listing/387038<strong>338</strong>0/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=<strong>978</strong>387038<strong>338</strong>1&qid=1589227749&sr=8-1&dchild=1<br />

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(…)<br />

Und wenn sie ’ s dann wie<strong>der</strong> regnen lassen<br />

über europa<br />

über kafkasien und kafkamerika<br />

nach verbrachtem hau in taubheit und trübsal<br />

und ganzer gewalt<br />

statt fröhlicher gesellen und liebe und weisheit<br />

und werden wie sich ’ s geziemt ihre köpfe zu stein<br />

ihre elfen zu bein<br />

ihre herzen le<strong>der</strong>n<br />

und hölzern ihre fe<strong>der</strong>n<br />

so kehrt das schnabelpaar den hartgesottenen<br />

göttern den rücken<br />

(aus: „das schnabelpaar“ von Max Ernst, 1953)<br />

7<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

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Das Max-Ernst-Haus in Saint Martin d’Ardèche 1989:<br />

windschief, verschachtelt, bröckeln<strong>der</strong> Putz.<br />

Foto: Jürgen Pech<br />

8<br />

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wo vor jahren ein haus stand<br />

steht jetzt ein berg<br />

wo vor jahren ein berg stand<br />

steht jetzt ein stern<br />

(aus „das schnabelpaar“ von Max Ernst)<br />

Prolog<br />

Auf einem Hügelzug in <strong>der</strong> Ardèche, nördlich von Avignon und nahe<br />

dem Rhône-Ufer stehe das Haus. Ein echtes Gespensterhaus, geschmückt<br />

mit Malereien, Flachreliefs und Skulpturen, <strong>der</strong> Garten<br />

drum herum, die Mauern, das Innere bevölkert von Fabelwesen<br />

aller Art. Üppig sei es, skurril, voller Geheimnisse – ein kleines surrealistisches<br />

Gesamtkunstwerk. In dem Haus habe <strong>der</strong> deutsche<br />

Maler Max Ernst irgendwann vor dem Zweiten Weltkrieg gelebt.<br />

Später, in den fünfziger Jahren, sei das Haus verlassen gewesen,<br />

etwas verkommen und anscheinend von <strong>der</strong> Öffentlichkeit wenig<br />

beachtet. Jedenfalls habe niemand ständig darin gewohnt und auch<br />

um die Kunstwerke in und ums Haus scheine sich niemand gekümmert<br />

zu haben. Das Dorf heiße Saint-Martin o<strong>der</strong> so ähnlich. Es<br />

müsse ganz in <strong>der</strong> Nähe sein von dem Ort, wo wir, mein Lebensgefährte<br />

und ich, beabsichtigten, ein Haus zu kaufen.<br />

Ein Freund hatte uns in <strong>der</strong> Schweiz vom Max Ernst-Haus in <strong>der</strong><br />

Ardèche erzählt, als wir von unserer Absicht berichteten, in naher<br />

Zukunft in <strong>der</strong> Provence einen Teil unserer Zeit zu verbringen. Die<br />

Beschreibung des verlassenen Hauses packte mich in unerklärlich<br />

heftiger Weise, regte meine Phantasie an, machte mich neugierig.<br />

„Saint-Martin“ – ich schrieb den Namen in meine Agenda.<br />

Monate später, unser provençalisches Haus war seit Wochen eingerichtet,<br />

fand ich zufällig auf einer Landkarte unserer Umgebung<br />

den Namen aus meinem Notizbuch. Wie<strong>der</strong> packte mich die Neugier.<br />

Das Haus, in dem Max Ernst gelebt hatte, wollte ich suchen.<br />

9<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


In Max Ernsts autobiografischen Notizen unter <strong>der</strong> Jahreszahl 1938<br />

hatte ich einen Hinweis gefunden: „M.E. verlässt die Surrealistengruppe,<br />

zieht mit Leonora Carrington nach Saint-Martin d’Ardèche bei<br />

Pont Saint-Esprit, etwa 50 km nördlich von Avignon. Kauft ein Haus<br />

und schmückt es mit Wandgemälden und Flachreliefs.“ Zwei von den<br />

fünf knappen Zeilen, die <strong>der</strong> Künstler im Jahr 1963 für einen<br />

Katalogtext verfasst hat, sind <strong>der</strong> überraschend detaillierten Ortsangabe<br />

gewidmet. Mir erschien das als eine versteckte Auffor<strong>der</strong>ung,<br />

das Haus zu suchen und seine Geschichte zu ergründen.<br />

Die Literatur, die mir zugänglich war, lieferte wenig konkrete<br />

Informationen über die Jahre, während denen <strong>der</strong> deutsch-französische<br />

Surrealist und seine englische Gefährtin in dem Haus lebten.<br />

Einzig die Skulpturen, von denen unser Tessiner Freund erzählt<br />

hatte, sind dokumentiert: überlebensgroße, aus Mörtel und zufälligen<br />

Fundgegenständen in das Gemäuer im Garten eingefügte<br />

Minotauren, Sirenen und Masken. Und an <strong>der</strong> Hausmauer ein riesiges<br />

Flachrelief, darstellend Loplop, Max Ernsts Lieblingsfigur.<br />

Auch von den Bewohnern des Hauses in <strong>der</strong> Ardèche hatte ich ein<br />

Bild gefunden: Max Ernst und Leonora Carrington, fotografiert von<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Fotoreporterin Lee Miller im Sommer 1939 in<br />

Saint-Martin. Max, schon weißhaarig, aufrecht, mit strahlenden<br />

Augen in die Linse blickend. Schützend, besitzend hat er für die<br />

Fotografin seinen Arm um das Mädchen gelegt, das sich klein<br />

macht in seiner Umarmung, und dessen Lächeln sich im<br />

Ungewissen verliert.<br />

An einem Sommer-Sonntag fuhr ich zum ersten Mal nach Saint-<br />

Martin. Eine herbe Enttäuschung: verstopfte Zufahrtstraßen, im<br />

Dorf ein Knäuel von Autos, gebuckelten Kanus und mit nautischen<br />

Accessoires bestückten Menschen. Ich hatte keine Ahnung, dass<br />

sich Max Ernsts Refugium in <strong>der</strong> Zwischenzeit zu einem weltweit<br />

bekannten Kanuten-Paradies gemausert hat.<br />

Ein zweiter Besuch nach den Ferien. Das Bild, das sich jetzt meinen<br />

Augen darbot, entsprach eher meinen Erwartungen. Das Dorf<br />

lag verträumt und ziemlich verlassen in <strong>der</strong> Nachmittagssonne.<br />

10<br />

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Sandfarben verputzte Mauern, eine schwungvolle, an Drahtseilen<br />

über die Ardèche gespannte Brücke. Jenseits des Flusses eine steil<br />

abfallende, schrundige Felswand, wie von M. E. gemalt. Mitten im<br />

Dorf, vom Dorfplatz am Fluss ins Dorfinnere führend, eine Rue<br />

Max Ernst. Auf Wunsch zeigte man mir auch das Bistrot, in dessen<br />

Obergeschoss sich <strong>der</strong> Künstler einquartiert hatte. Es ist jetzt ein<br />

Zeitungsladen, heißt „Maison de la presse“ und sieht banal nach<br />

Kodak und Gauloises filtre aus.<br />

Im Syndicat d’Initiatives, dem Verkehrsverein, gab man mir<br />

freundlich aber ziemlich wi<strong>der</strong>willig Auskunft. Ja, das Max Ernst-<br />

Haus sei bewohnt, von einer Familie aus Lyon, die ihre Ruhe haben<br />

wolle. Nein, besichtigen könne man es nicht. Das heißt, doch, natürlich,<br />

von außen könne ich es schon sehen. Die junge Frau am<br />

Schalter beschrieb mir den Weg.<br />

Die asphaltierte Straße führt durch Wiesen und Obstbäume zu<br />

einem neuzeitlichen mittelständischen Wohnviertel. Nach ein<br />

paar hun<strong>der</strong>t Metern, dort wo <strong>der</strong> Blick frei wird auf die Ebene<br />

und den Fluss, steht zur rechten Hand ein altes, aber offensichtlich<br />

bewohntes Haus. Etwas windschief ist es, verschachtelt, <strong>der</strong><br />

gelbliche Putz voller Flecken. An <strong>der</strong> talwärts gewandten Mauer<br />

sind drei Figuren zu erkennen: ein zweistöckiger Riese, dessen<br />

ausgestreckte Hände und knollige Nase weit aus <strong>der</strong> Mauer ragen.<br />

Daneben eine Riesin mit runden Brüsten und einem kokett zur<br />

Seite gewandten Kopf. Zu Füßen des Giganten ein Kind mit zwei<br />

Flügeln, zum Abheben bereit. Das muss Loplop sein, <strong>der</strong> König<br />

<strong>der</strong> Vögel, Max Ernsts ganz privates Gespenst, das ihn durch sein<br />

ganzes Werk begleitet hat.<br />

Ich hatte es also gefunden, das Gespensterhaus. Und ich war ziemlich<br />

enttäuscht. Was ich hier vorfand, war nur ein Abklatsch dessen,<br />

was man mir beschrieben hatte. Keine Malereien, keine Skulpturen.<br />

Und auch das übriggebliebene Relief in einem beklagenswerten<br />

Zustand. Feuchtigkeitsflecken, brüchiger Zement, Flickwerk. Dem<br />

Riesen bröckelte ein Arm ab, auch an seinem Kopf nagte <strong>der</strong> Rost.<br />

Und Loplop, <strong>der</strong> Ärmste, hatte sein Geschlecht verloren.<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Je länger ich dastand, um so weniger konnte ich es fassen. Da<br />

war einerseits dieses Dorf, das den großen Künstler, <strong>der</strong> einmal sein<br />

Gast war, mit einer nach ihm benannten Straße geehrt hat. Da stand<br />

an<strong>der</strong>erseits dieses Haus, das eigentlich eine Kultstätte des Surrealismus<br />

sein müsste, seines kostbaren Schmuckes fast vollständig<br />

beraubt. Und auch das Relief machte einen trostlosen Eindruck –<br />

ein Meisterwerk <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunst, ein Millionenwert, anscheinend<br />

dem Zerfall geweiht. Und kein Mensch schien sich darum zu<br />

scheren.<br />

Ich stieg die Straße hoch, entlang <strong>der</strong> Mauer, die das große<br />

Gundstück umgibt. Dahinter sind mehrere Häuser zu erkennen,<br />

frühere Ställe vermutlich, die <strong>der</strong> neue Besitzer renoviert und ausgebaut<br />

hat. Ich ging weiter, verlor mich in den Fußwegen rund um<br />

das Haus. Weit unter mir glänzte <strong>der</strong> Fluss in <strong>der</strong> untergehenden<br />

Sonne.<br />

Als ich zurückkam von meinem Rundgang, tauchte die Dämmerung<br />

die Wölbungen <strong>der</strong> drei Figuren in ein mildes Licht, ließ<br />

ihre Wunden verschwinden und den Zauber ahnen, <strong>der</strong> einst von<br />

diesem Ort ausgegangen war. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Sie<br />

erzählen eine Geschichte, eine Geschichte voll Leidenschaft und<br />

Trauer. Jedenfalls eine Geschichte ohne Happy End.<br />

Ich strich über Loplops rissige Wange. „Au revoir, Loplop. Du<br />

wirst Dich an mich gewöhnen müssen. Ich komme wie<strong>der</strong>, Dein<br />

Geheimnis will ich ergründen.“<br />

Im Weggehen drehte ich mich noch einmal um. Die Umrisse des<br />

Hauses waren im Dämmerlicht versunken. Am noch hellen Himmel<br />

stand jetzt ein Stern.<br />

12<br />

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Der diskrete Monsieur Le Laurier<br />

Beim nächsten Schritt half mir <strong>der</strong> Zufall. Er war ziemlich struppig,<br />

hieß Caspar und hatte eine spontane Zuneigung zu mir gefasst.<br />

Ein paar Tage nach meinem ersten Besuch trieb mich die Neugier<br />

nochmals zum Loplop-Haus. Ich wollte nachsehen, ob irgendwo <strong>der</strong><br />

Name des Besitzers angeschrieben steht. Weiß ich erst einmal, wie<br />

er heißt, dachte ich, könnte ich ihn anrufen, mich erkundigen nach<br />

dem Schicksal <strong>der</strong> Skulpturen. O<strong>der</strong> mir wenigstens seine Erklärung<br />

für <strong>der</strong>en Verschwinden anhören.<br />

Ich parke vor dem Haus und winke Loplop zu – er grinst verschmitzt<br />

zurück. Das Grundstück auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Straßenseite ist<br />

mit einem Schwimmbad olympischen Ausmaßes bestückt. Ein Hund<br />

bellt mir entgegen, rennt mich beinahe um, springt japsend an mir<br />

hoch. Er wird von einem braungebrannten weißhaarigen Herrn in<br />

Shorts zurückgepfiffen. Doch Caspar lässt nicht von mir ab.<br />

Monsieur packt ihn am Halsband. „Keine Angst“, sagt er,<br />

„Caspar ist nicht sehr böse.“ Ich streichle den Köter, stelle mich vor,<br />

Monsieur murmelt unverständlich seinen Namen. Ich sei eine<br />

Journalistin aus <strong>der</strong> Schweiz und interessiere mich für Max Ernst,<br />

sage ich. Der Herr lächelt jetzt merklich weniger freundlich: Bitte<br />

keine Reportage, wehrt er ab. Doch irgendwie scheint sich die<br />

Sympathie des Hundes auf den Herrn zu übertragen. Wenn ich<br />

wolle, sagt er, könne ich mir das Haus anschauen.<br />

Madame gesellt sich zu uns. Die beiden führen mich vom<br />

Eingangstor über eine steile Treppe zur Terrasse. Am Treppenfuß<br />

ein lebensgroßer Pferdekopf von Leonora Carrington aus Stein.<br />

Dahinter, unter dem Terrassendach, ein verblichenes Fresko von<br />

Max Ernst mit kaum mehr erkennbarem Motiv. Die Wohnküche ist<br />

kahl, anscheinend kaum verän<strong>der</strong>t seit damals. Hinter <strong>der</strong><br />

Eingangstür ein im Originalzustand belassener Waschtisch und<br />

Steintrog, von Max Ernst und Leonora Carrington gemeinsam<br />

13<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


geformt und gekachelt. Liebevoll vom jetzigen Besitzer restauriert,<br />

betont Monsieur. Im Inneren eines Küchenschranks, gemalt von<br />

Leonora, wie<strong>der</strong>um ein Pferd. Sein eigentümlich unwirklicher Blick<br />

hat 50 Jahre überdauert. Ein leises Frösteln lässt mich nähertreten,<br />

um seinen Zauber zu ergründen. Doch Monsieur bremst: „Davon<br />

existieren Fotos.“ Wo sind sie? „Beim Denkmalschutz.“ Aha.<br />

An <strong>der</strong> Wand hängt ein Ölbild. Es kommt mir bekannt vor. Ein<br />

Max Ernst? Der Hausherr wehrt bescheiden ab: „Nein, das könnte<br />

ich mir nicht leisten.“ Es sei nur die Kopie eines Werks des berühmten<br />

Malers, ein Geschenk von einem Freund.<br />

Monsieur und Madame sind weltgewandte, umgängliche Menschen.<br />

Trotzdem will aus unserem Geplau<strong>der</strong> kein rechtes Gespräch<br />

werden. Journalisten werden zwar einigermaßen immun gegen das<br />

unangenehme Gefühl, ein Eindringling zu sein. Aber hier im Haus<br />

über <strong>der</strong> Ardèche bleibt das Misstrauen zwischen uns hängen wie<br />

ein kalter Hauch. Er lässt jede Frage aggressiv und jede Antwort wie<br />

ein wi<strong>der</strong>williges Zugeständnis klingen.<br />

So erfahre ich bloß bruchstückweise, wie das Paar zum Max<br />

Ernst-Haus gekommen ist. Monsieur, ein Kosmetik-Industrieller aus<br />

Lyon, hatte während des Krieges die kleine Fabrik unten am Fluss<br />

erworben. Vom Fenster aus ist das inzwischen verlassene Gebäude<br />

bei <strong>der</strong> Brücke zu sehen. Die Gegend habe ihm gefallen. Man habe<br />

beschlossen, hier mit den damals noch kleinen Kin<strong>der</strong>n die Ferien<br />

zu verbringen. Im Hotel unten am Fluss erkundigte man sich nach<br />

einem passenden Mietobjekt. Der Hotelbesitzer bot dieses Haus an,<br />

es befand sich in seinem Besitz.<br />

Die Dekorationen habe man amüsiert zur Kenntnis genommen.<br />

Dass sie von einem berühmten Künstler stammen, sei ihnen damals<br />

kaum bewusst gewesen. Später habe er das Haus kaufen können.<br />

Wann war das? „In den fünfziger Jahren.“<br />

Ich mache mir beim Zuhören so meine Gedanken. Um 1955,<br />

wenige Jahre vor <strong>der</strong> Zürcher Ausstellung, war Max Ernst schon<br />

sehr bekannt. Beson<strong>der</strong>s in Frankreich, wo die Surrealisten in den<br />

zwanziger und dreißiger Jahren ein wichtiges Stück zeitgenössi-<br />

14<br />

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scher französischer Kunstgeschichte geschrieben hatten. Max Ernst<br />

war schließlich einer ihrer hervorragenden Vertreter.<br />

Wirklich keine Ahnung gehabt, Monsieur, wer Max Ernst war?<br />

Das frage ich natürlich nicht. Denn erstens verbietet die<br />

Zurückhaltung des Paares indiskrete Fragen. Und zweitens ahne<br />

ich, dass hier mit verdeckten Karten gespielt wird. Aber ich erwähne<br />

immerhin vorsichtig den großen Wert, den die Kunstwerke darstellen.<br />

Doch Monsieur beeilt sich, dies zu verneinen: „Pas grand’<br />

chose,“ sagte er: „Um sie zu verkaufen, müsste man sie abmontieren.<br />

Und das kann man nicht – sie sind ein Bestandteil des Hauses<br />

und deshalb unverkäuflich.“ Das leuchtet ein.<br />

Das Haus steht unter Denkmalschutz? „Oui, c’est classé“. Der<br />

Staat habe sich auch verpflichtet, das Fresko von Max Ernst auf <strong>der</strong><br />

Terrasse zu restaurieren. Doch im Moment fehle das Geld. Ich wage<br />

einen vorsichtigen Vorstoß: „Gibt es noch mehr Plastiken – vielleicht<br />

draußen im Garten?“ „Non, c’est tout…“<br />

„C’est tout.“ Das klingt abschließend, meine Zeit ist abgelaufen.<br />

Monsieur geleitet mich hinaus. Er scheint erleichtert, dass ich gehe,<br />

bricht mir zum Abschied einen Zweig vom Lorbeerbaum. Nicht<br />

ohne erneut zu betonen, dass er keine Reportage wünsche. Er habe<br />

schon reichlich Umtriebe mit den vielen Neugierigen, beson<strong>der</strong>s seit<br />

im deutschen Fernsehen ein Film über Max Ernst gelaufen sei, in<br />

dem das Haus zu sehen war.<br />

Immerhin ringe ich ihm die Erlaubnis ab, das Relief zu fotografieren.<br />

Ich melde meine Absicht an, mit einem Fotografen wie<strong>der</strong>zukommen.<br />

Nachdem sich Monsieur verabschiedet hat, warte ich noch eine<br />

Weile vor dem Haus. Dann schleiche ich zum Briefkasten und lese<br />

den Namen des Besitzers ab.<br />

Nennen wir ihn Laurier, Edouard Le Laurier.<br />

15<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Elfen werden zu Bein<br />

Es ist kalt geworden im Midi. Eines Morgens liegt <strong>der</strong> Garten weiß<br />

vor unseren Fenstern. Die Elstern zeichnen mit ihren Füßen japanische<br />

Buchstaben auf den Platz vor dem Haus. Aber schon Stunden<br />

danach ist <strong>der</strong> Winterspuk verflogen, ein Nieselregen erinnert fatal<br />

an Schweizer Verhältnisse.<br />

Max und Leonora sind in Vergessenheit geraten. Doch dann, kurz<br />

vor Weihnachten, Nachrichten über Loplop: eine Journalisten-<br />

Kollegin in Paris, die Kunstkritikerin Doris von Drathen, berichtet,<br />

dass eine Pariser Galerie gegenwärtig Skulpturen von Max Ernst<br />

zeigt. Der Titel <strong>der</strong> Ausstellung laute „Les sculptures de Saint-<br />

Martin d’Ardèche“.<br />

Die verschwundenen Skulpturen von Saint-Martin?<br />

Mit dem TGV fährt man in knapp drei Stunden von Montélimar<br />

nach Paris. Gare de Lyon, Quai Voltaire, Boulevard St. Michel. Das<br />

rattert und tost und stinkt – beißende Stadtluft, gestresste, hetzende,<br />

blasse Menschen. Zu Fuß durchs Quartier Latin. Ich komme<br />

nicht nach mit Schauen, bleibe an Gesichtern, Schaufenstern, Hausfassaden<br />

hängen. Muss wie<strong>der</strong> lernen, mit Scheuklappen durch die<br />

Straßen zu gehen, damit mir nicht schwindlig wird.<br />

Place de l’Odéon, die Galerie in <strong>der</strong> Rue Mazarine. Ein Schock.<br />

Was hier ausgestellt ist, sind nicht die Originale <strong>der</strong> Skulpturen<br />

vom Loplop-Haus, son<strong>der</strong>n Bronze-Abgüsse davon. Verdattert stehe<br />

ich vor einem brutalen Abklatsch von Max Ernsts zarten Fabelwesen.<br />

Der kleine Loplop von <strong>der</strong> Hauswand in Saint-Martin, aus<br />

eiskaltem Eisen und mit einem metallenen Pflanzenblatt zwischen<br />

den Beinen, dort wo an <strong>der</strong> Hauswand in Saint-Martin eine brüchige<br />

Lücke klafft.<br />

Und drumherum ein Sammelsurium von bronzenen Nixen,<br />

Minotauren, Masken und skurrilen Köpfen. Das ganze Panoptikum<br />

<strong>der</strong> Chimären, die nicht nur Max Ernsts Fantasien bevölkerten, son-<br />

16<br />

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<strong>der</strong>n offenbar auch sein Haus und seinen Garten in Saint-Martin.<br />

Und im Gegensatz zum Relief an <strong>der</strong> dortigen Hauswand alles in<br />

ausgezeichnetem Zustand.<br />

Die Dreiergruppe des Reliefs ist zerlegt, in einen Kopf, Tête de<br />

Loplop und eine Platte, auf <strong>der</strong> das geflügelte Kind, Loplop ailé, klebt.<br />

Alles brandneu und speckig glänzend. Insgesamt ein Dutzend Bronzen<br />

sind ausgestellt: zwei Teile des Loplop-Reliefs, eine Femme demi<br />

tête, zwei Masken, <strong>der</strong> abgeschnittene Kopf <strong>der</strong> Sphinx mit dem Titel:<br />

Tête de Minotaure. Ich glaube, in <strong>der</strong> Entrée des phantômes den<br />

Abguss <strong>der</strong> fehlenden Skulptur über dem Fenster in Saint-Martin zu<br />

erkennen. Und da ist sie, wenigstens in Bronze, die Sirène ailée, die<br />

in Lauriers Garten fehlt. Zwei weitere Wandreliefs, vermutlich aus<br />

dem Hausinnern, und ein Eulenkopf (Tête de chouette).<br />

Ich frage nach Preisen, versuche sie im Kopf zusammenzuzählen.<br />

Gegen eineinhalb Millionen Schweizer Franken errechne ich für die<br />

fünfte Edition <strong>der</strong> Bronze-Abgüsse, die hier – laut Katalog – zu<br />

sehen ist. Mindestens vier weitere Editionen müssen schon auf dem<br />

Markt sein. Macht zusammen sechs Millionen.<br />

In <strong>der</strong> geschleckten Atmosphäre <strong>der</strong> eleganten kleinen Galerie<br />

wirken Max Ernsts Gespenster völlig deplaziert. Meine Kollegin<br />

Doris verwickelt den Galeristen in ein Fachgespräch über die prinzipielle<br />

Fragwürdigkeit von nachträglichen Abgüssen und über die<br />

Authentizität <strong>der</strong> ausgestellten Bronzen. Monsieur T. legt großen<br />

Wert auf die Feststellung, dass das Projekt, die Skulpturen von<br />

Saint-Martin in Bronze zu gießen, von Max Ernst selber stammte.<br />

Ausgeführt hatte er es allerdings nie. Erst 1989, nach seinem Tod,<br />

sei es wie<strong>der</strong> aufgegriffen worden.<br />

Ich mische mich ins Gespräch ein. „Wie<strong>der</strong> aufgegriffen, von<br />

wem? Von Monsieur Le Laurier?“ Nervös klappt <strong>der</strong> Galerist die<br />

Augenli<strong>der</strong> auf und nie<strong>der</strong>. Später verstehe ich warum: We<strong>der</strong> im<br />

Katalog noch in <strong>der</strong> Ausstellung ist <strong>der</strong> Name Le Laurier erwähnt.<br />

Ich beruhige ihn: Ich wohne bei Saint-Martin und sei deshalb mit<br />

den örtlichen Verhältnissen vertraut. Aber er antwortet ausweichend.<br />

Dorothea Tanning, Ernsts Witwe und Erbin, habe aktiv an<br />

17<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Der geflügelte Loplop in Bronze: brandneu und speckig glänzend. Courtesy:<br />

Galerie Touchaleaume, Paris<br />

18<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Der geflügelte Loplop am Haus in Saint-Martin d’Ardèche nach <strong>der</strong> Restaurierung.<br />

Foto: Anabas, 2001<br />

19<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


<strong>der</strong> Realisierung <strong>der</strong> Bronzen mitgearbeitet. Und außerdem verfüge<br />

er natürlich über Authentizitätsatteste. Monsieur Susse, <strong>der</strong> Gießer,<br />

habe noch zu Lebzeiten des Künstlers mit den Vorarbeiten für die<br />

Abgüsse begonnen.<br />

Genug des Geplau<strong>der</strong>s, jetzt will ich endlich eine Antwort auf die<br />

Frage, die mich hierhergetrieben hat: „Wo sind die Originale dieser<br />

Skulpturen?“<br />

Wie<strong>der</strong> wird <strong>der</strong> Kunsthändler vage. Aber schließlich erfahre ich<br />

doch Konkreteres: Zwei davon seien in <strong>der</strong> Schweiz. Das Original<br />

<strong>der</strong> größten Plastik, die Ernst je geschaffen hat – Die Sphinx und<br />

die Sirene – wolle er, Monsieur T., zurückkaufen, sie wie<strong>der</strong> nach<br />

Frankreich bringen. Er stecke mitten in den Verhandlungen. Im<br />

übrigen verfüge er über die Rechte <strong>der</strong> gesamten fünften Edition <strong>der</strong><br />

Bronzeabgüsse. Ob ich einen kaufen wolle?<br />

Monsieur T. schickt uns in den Hof hinter seiner Galerie. Er<br />

gehört zum Palast einer Versicherungsgesellschaft. Da glänzt in <strong>der</strong><br />

Wintersonne, zu voluminös, um in <strong>der</strong> kleinen Galerie Platz zu finden,<br />

<strong>der</strong> sperrige Abguss von Max Ernsts Riesenskulptur. 303 mal<br />

239 mal 147 Zentimeter gegossener Bronze, darstellend La Sphinx<br />

et la Sirène, Verkaufspreis 1,5 Millionen Francs (knapp 400 000<br />

Schweizer Franken). Wuchtig haut <strong>der</strong> bronzene Minotaurus seine<br />

Metallpranke in den Fischleib <strong>der</strong> vor ihm hingegegossenen Sirene.<br />

Mir wird mulmig. Ich schließe die Augen, sehe vor mir das Foto des<br />

Originals: Behutsam legt auf meinem inneren Bild das dreifach<br />

gehörnte Fabelwesen seine rechte Vor<strong>der</strong>pfote auf die Sirene, die<br />

ihm zu Füßen liegt. Leicht und schwebend, geformt von den sensibeln<br />

Händen des Künstlers, aus Holz- und Metallteilen, Zweigen,<br />

Fundstücken und Mörtel. Geschaffen, um als mächtiger Fetisch sein<br />

zerbrechliches Glück zu beschützen.<br />

Wir sind bedrückt, aber klüger als zuvor. So wird das wohl gewesen<br />

sein: Der größte Teil von Maxens Wandschmuck, so ziemlich<br />

alles, was nicht fest mit dem Haus verbunden war, wurde herausgebrochen,<br />

fortgebracht, in mühseliger Restaurierungsarbeit wie<strong>der</strong><br />

zusammengefügt und schließlich versilbert. Und zuvor in Bronze<br />

20<br />

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Sphinx und Sirene in <strong>der</strong> Pariser Galerie:<br />

Wuchtig haut <strong>der</strong> Minotaurus seine Metallpranke in den Fischleib.<br />

Courtesy: Galerie Touchaleaume, Paris<br />

21<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


gegossen und ebenfalls zu Geld gemacht. Eine wahre Fließbandproduktion<br />

haben sie losgetreten. Und alle kassieren: Max Ernsts<br />

Witwe wohl, diverse Galeristen. Vor allem unser Monsieur Le<br />

Laurier.<br />

Ja und? Warum eigentlich nicht? Abgüsse bestehen<strong>der</strong> Kunstwerke<br />

sind legale Praxis im Kunsthandel – das bestätigt mir die<br />

Kunstfachfrau Doris. Le Laurier war ja wohl durch den Kauf des<br />

Hauses in den Besitz <strong>der</strong> Skulpturen gekommen, glaubte sich also<br />

wohl zu Recht dazu befugt, darüber zu verfügen, Bronzeabgüsse<br />

davon machen zu lassen, die Originale zu amputieren und zu verkaufen.<br />

Dann aber hätte er mir das alles eigentlich ruhig erzählen können.<br />

O<strong>der</strong> etwa nicht? Was sagt wohl <strong>der</strong> Denkmalschutz dazu?<br />

Loplops Rätsel hat mich wie<strong>der</strong> gepackt. Beim Abschied gibt mir<br />

Doris einen Tip, <strong>der</strong> mir weiterhelfen könnte. Sie habe im Pariser<br />

Goethe-Institut erfahren, in Saint-Martin wohne eine Frau, die sich<br />

darum bemühe, die Erinnerung an Max Ernst wachzuhalten. Doris<br />

steckt mir ihre Telefonnummer zu. Die Dame heißt Aline Mazet.<br />

Ich nehme mir vor, sie kennenzulernen.<br />

22<br />

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Aline und Leonora<br />

Aline Mazet strahlt mich mit lebhaften Augen unter grauem<br />

Wuschelhaar an. Die drahtige Sechzigerin ist in Saint-Martin geboren.<br />

Sie hat später in Paris studiert und an einem Mädchengymnasium<br />

<strong>der</strong> Kapitale unterrichtet. Seit <strong>der</strong> Staat sie in den Ruhestand<br />

versetzt hat, wohnt sie wie<strong>der</strong> im elterlichen Haus in Saint-<br />

Martin, nahe <strong>der</strong> Rue Max Ernst – ein hübsches Steinhaus hinter <strong>der</strong><br />

Kirche, mit gelbem Putz und roten Blumen vor den Fenstern.<br />

Wir trinken Tee und reden. Wir reden von Max und Leonora, wie<br />

man über gemeinsame Bekannte tratscht, wo je<strong>der</strong> auftischt, was er<br />

zu wissen glaubt. Auf Aline Mazets Schreibtisch liegt ein Stapel von<br />

Büchern und Katalogen. Wir studieren gemeinsam die Abbildungen<br />

des Loplop-Hauses aus den dreißiger Jahren. Max hingegossen auf<br />

einem Mäuerchen unter einer steinernen Nixe. Max auf <strong>der</strong> Leiter<br />

bei <strong>der</strong> Arbeit am Relief. Unter dem Fenster entdecken wir auf<br />

einem alten Foto die große Skulptur, die jetzt, in Bronze gegossen,<br />

in <strong>der</strong> Pariser Galerie steht.<br />

Ich frage nach dem Dorfklatsch über das Loplop-Haus und seine<br />

Bewohner. Aline berichtet.<br />

Die zugeknöpfte junge Frau, die mir im Verkehrsverein so wi<strong>der</strong>willig<br />

Auskunft gab, war niemand an<strong>der</strong>es als die Schwiegertochter<br />

des Hausbesitzers. Sie hilft beim Touristenbüro aus und kanalisiert<br />

gleichzeitig die Neugierigen. Madame Le Laurier stammt aus altem<br />

Lyoner Industriellen-Geschlecht. Ihre Familie hat während Generationen<br />

eine Hautcrème hergestellt, <strong>der</strong>en Name den Franzosen früher<br />

so geläufig war wie heute „Crème Nivéa“. Die stillgelegte Fabrik<br />

neben <strong>der</strong> Brücke unten am Fluß habe wohl ihrer Familie gehört.<br />

An die beiden exzentrischen Auslän<strong>der</strong>, „Monsieur Erneste“ und<br />

„L’Anglaise“ erinnert man sich gern im Dorf. Die Alten, die sie noch<br />

selber erlebt haben, mochten sie, trotz ihrer ausgefallenen<br />

Lebensweise. Man erzählt sich noch heute Geschichten über sie.<br />

23<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Aline Mazet kennt diese Geschichten vom Hörensagen. Sie hat zwar<br />

bis vor kurzem in Paris gelebt, aber den Klatsch über die beiden<br />

Künstler, die in ihrem Dorf gelebt haben, hat sie bei ihren Besuchen<br />

im Elternhaus mitbekommen.<br />

Im Dorf geht das Gerücht, „Monsieur Erneste“ sei nach dem<br />

Krieg aus Amerika nach Saint-Martin zurückgekommen. Er habe<br />

Bil<strong>der</strong> abholen wollen, die ihm und Leonora gehörten und die<br />

irgendwo eingelagert waren. Doch die seien nicht mehr dagewesen.<br />

Außerdem habe er versucht, das Haus zurückzukaufen, doch auch<br />

das sei ihm nicht gelungen, da <strong>der</strong> neue Besitzer einen zu hohen<br />

Preis verlangt habe. Wutentbrannt habe „Le Max“ Saint-Martin wie<strong>der</strong><br />

verlassen. „C’est un village pourri“, „ein verfaultes Dorf“, habe<br />

er damals geschimpft.<br />

Und auch zwei Schuldige an Max Ernsts Enttäuschung über seine<br />

Rückkehr nach Saint-Martin hat man im Dorf ausgemacht. Keine<br />

Dorfleute, zwei Zugewan<strong>der</strong>te. Der eine aus Marseille, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

aus dem Norden Frankreichs. Der aus Marseille war früher Kellner<br />

im Hotel unten an <strong>der</strong> Ardèche und <strong>der</strong> spätere Besitzer des Loplop-<br />

Hauses. Er sei damals, während des Krieges, gemeinsam mit seiner<br />

Patronne auf rätselhafte Weise zum Haus mit den vielen Reben<br />

gekommen. Betrunken hätten sie die Anglaise gemacht, und ihr<br />

dann das Haus abgeluchst, geht die Legende. Der zweite Bösewicht,<br />

<strong>der</strong> Mann aus Nordfrankreich, habe Max Ernsts zurückgelassene<br />

Bil<strong>der</strong> an sich genommen und sie für viel Geld weiterverkauft.<br />

Und Monsieur Le Laurier, was erzählt man vom ihm?<br />

Le Laurier gelte als ein Grandseigneur. Er sei ein guter Patron<br />

gewesen, in seiner Fabrik haben viele Leute vom Dorf gearbeitet.<br />

Seine Söhne seien hier aufgewachsen, gehörten zum Dorf. Von<br />

Laurier sage man nur Gutes, berichtet Aline Mazet.<br />

Dorfgeschichten – ob das alles stimmt? O<strong>der</strong> ob die Leute nur<br />

nachplappern, was einer dahergeredet hat beim Wein? Vielleicht<br />

war Laurier doch an Ernsts Verstimmung schuld? Vielleicht. So rätseln<br />

wir, war er sogar <strong>der</strong> Große Unbekannte, <strong>der</strong> Max Ernsts Bil<strong>der</strong><br />

hinter seinem Rücken verkauft hat. Vielleicht will er deshalb nicht<br />

24<br />

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darüber reden? Seit wann gehört ihm das Haus, wann ist Max Ernst<br />

zurückgekommen, warum hat er sein Haus verkauft, wo waren die<br />

Bil<strong>der</strong>, die ihm abhanden gekommen sind? Und wo sind die verschwundenen<br />

Skulpturen?<br />

Aline zuckt die Achseln. Sie weiß es nicht.<br />

Auf <strong>der</strong> Heimfahrt rüttelt <strong>der</strong> Mistral an meinem Auto. Er lässt<br />

die Blätter an den Bäumen flattern, kippt die zwei Dampffahnen <strong>der</strong><br />

Atom-Kühltürme von Pierrelatte flach in die blaue Luft. Gutgelaunt<br />

fahre ich durch die Weinfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ardèche heimwärts – berauscht<br />

vom blendenden Licht. In meiner Tasche habe ich ein paar engbeschriebene<br />

Blätter, Aline Mazet hat sie mir vor <strong>der</strong> Abfahrt zugesteckt.<br />

Max Ernsts junge Geliebte habe sie seit jeher fasziniert. Sie<br />

habe sie deshalb als Vertreterin des Surrealismus für eine Arbeit<br />

mit ihren Schülerinnen ausgewählt und über sie einen Text<br />

geschrieben. Der liege seit langem in ihrer Schublade. Mit einem<br />

verlegenen Lächeln fügt sie hinzu: „Vielleicht wird daraus irgendwann<br />

mal ein Buch.“<br />

So lerne ich die junge Frau kennen, die mit Max Ernst im Loplop-<br />

Haus gewohnt hat: Leonora Carrington, 60 Jahre später betrachtet<br />

und beschrieben von <strong>der</strong> Französin Aline Mazet. Hier Alines Text in<br />

freier deutscher Bearbeitung:<br />

Ein feuchtwarmer Apriltag des Kriegsjahres 1917 in <strong>der</strong> nordenglischen<br />

Industriegrafschaft Lancashire. In <strong>der</strong> Nursery eines Herrschaftshauses<br />

flennt ein dunkllockiges Baby in seiner tüllbesetzten<br />

Wiege. Leonora Mary Carrington hat das Licht einer Welt voller<br />

Spitzen, gekräuselter Rüschen und purpurner Samtportieren erblickt.<br />

Einer Welt, in <strong>der</strong> diskrete Diener und willige Mägde über das<br />

glänzende Parkett huschen, um die strenge Herrschaft nicht zu<br />

stören. Es ist eine Welt, in <strong>der</strong> befohlen, gehorcht und gebetet, in <strong>der</strong><br />

nur leise gestritten und stumm gelitten wird.<br />

Ihr unnahbarer Vater Harold Wilde Carrington gebietet als unumschränkter<br />

Herrscher über ein florierendes Textilveredelungswerk.<br />

Er wird es später an den Chemiegiganten Imperial Chemical In-<br />

25<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


dustries (I.C.I.) verkaufen und damit <strong>der</strong>en Hauptaktionär werden.<br />

Seine Gattin Maureen darf sich dafür eine blühende Fantasie leisten.<br />

Schließlich ist ihre Tante Maria Edgeworth, eine Romanciere, fast<br />

ebenso berühmt wie <strong>der</strong>en Zeitgenossin Jane Austen. Und ihr Onkel<br />

war in seiner Studienzeit gar mit keinem Geringeren befreundet als<br />

mit James Joyce. Mama Maureen bedient sich ihrer Fantasie, um<br />

sich eine sehr vornehme Herkunft zu erdichten, die bis zum österreichischen<br />

Kaiser Franz Joseph zurückreicht.<br />

Leonora pfeift auf Herkunft, auf Tanten und Onkel. Leonora ist<br />

gar nicht zufrieden mit sich und <strong>der</strong> Welt. Sie ist noch sehr klein und<br />

sie versteht nichts von den Spleens und Sorgen <strong>der</strong> Erwachsenen,<br />

von denen man sie geflissentlich fernhält. Sie weiß nur, dass sie ihre<br />

Matrosenklei<strong>der</strong> nicht mag, und nicht ihre Spitzenkragen und bauschigen<br />

Röckchen. Später wird sie sich eh vom Großen Zauberer in<br />

ein Pferd verwandeln lassen. O<strong>der</strong> wenigstens in einen Jungen.<br />

Mit vier Jahren sitzt Leonora im weißen Kleid in einem<br />

Kin<strong>der</strong>auto auf dem Kiesweg des Schlosses Crookney bei Lancaster,<br />

Papa Carrington ist sehr reich geworden, man hat einen standesgemäßeren<br />

Wohnsitz gefunden. Ein richtiges Schlösschen mit runden<br />

Erkern an den Ecken und Giebeln und Türmen und gotischen<br />

Spitzbögen. Für das störrische Kind Leonora hat man eine irische<br />

Nurse engagiert, für die drei Brü<strong>der</strong> eine französische Gouvernante<br />

und einen englischen Hauslehrer, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Astronomie verschrieben<br />

hat.<br />

Leonora lauscht den unheimlichen Märchen ihrer irischen Nurse,<br />

versunken in die einzige Welt, in <strong>der</strong> sie sich zu Hause fühlt – die<br />

Welt <strong>der</strong> Zauberer und Gnomen und huschenden Waldgeister. Willig<br />

lässt sie sich von <strong>der</strong> Nanny in das Wun<strong>der</strong>land <strong>der</strong> Alice entführen,<br />

wo die Elefanten klein sind und die Mäuse riesig. Sie hört zu und<br />

macht sich ihren Reim. Aber eigentlich kennt sie nur eine Passion:<br />

Zeichnen.<br />

Mit neun Jahren muss sie in die Klosterschule Holy Grave in<br />

Chelmsford bei Essex, wo sie endlich rechnen und richtig schreiben<br />

lernen soll. Meistens zeichnet sie auch dort, und wenn sie schreibt,<br />

26<br />

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schreibt sie ihre eigene Sprache, ohne jeden Sinn für Kalligrafie,<br />

Orthografie und Grammatik. Die Nonnen halten sie für geistesgestört<br />

und schicken sie schließlich zu den Eltern zurück. Der Bischof<br />

von Lancaster sorgt persönlich dafür, dass ein neues Kloster sie aufnimmt.<br />

Zwei Jahre dauert Leonoras zäher Kampf gegen die züchtigen<br />

Nonnen. Dann ist sie wie<strong>der</strong> zu Hause.<br />

Die Familie berät sich. Die Familie fällt ihr Urteil: Leonora, wi<strong>der</strong>spenstig<br />

zwar, aber – eine Carrington! – nicht unbegabt, sollte womöglich<br />

ihren Eltern keine Schande bereiten und deshalb vorläufig<br />

einmal von <strong>der</strong> Bildfläche verschwinden. Bei Miss Penrose in<br />

Florenz, wo höheren Töchtern die Kanten abgeschliffen werden, und<br />

später in einem ebenso kostspieligen Internat in Paris, wird man sie<br />

vorbereiten auf ihren Eintritt in die Gesellschaft, in die sie gehört.<br />

Die Toskana. Brauntöne, Ocker, Hellblau, Gold und Zinnober.<br />

Braune Erde, azurblauer Himmel, in purem Gold verdorrte Fel<strong>der</strong>,<br />

Mohn. Endlich kann Leonora ungehin<strong>der</strong>t zeichnen, durch die<br />

Museen streifen, die Bil<strong>der</strong> in sich aufnehmen, die die Maestri des<br />

14. und 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts gemalt haben – Sassetta, Francesco di<br />

Giorgio, Giovanni di Paolo.<br />

Doch die unbeschwerten Florentiner Jahre vergehen wie im<br />

Traum. Und Leonora entrinnt nicht <strong>der</strong> Welt, in die sie geboren<br />

wurde. Die Eltern Carrington planen für ihre Tochter eine große<br />

Zukunft. Und eine große Zukunft heißt um 1930 für ein Mädchen<br />

<strong>der</strong> britischen Upper Class eine brillante Heirat. Denn Leonora ist<br />

nicht nur reich, sie ist auch hinreißend schön, witzig und – how very<br />

attractive – dazu noch künstlerisch begabt.<br />

Leonora wird 17 Jahre alt, und soll am Hof vorgestellt werden.<br />

„The Season“, die Bälle, die Parties – das gnadenlose Heiratskarussell<br />

dreht sich um die vielversprechende Debütantin. Leonora<br />

lächelt, Leonora tanzt, Leonora knickst. Walzer, Quadrille, Menuett.<br />

Leonora dreht sich im Kreis. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei<br />

– ihr Kopf fliegt davon. Sie hat jetzt einen Pferdekopf. Stolz trägt sie<br />

ihn durch den gleißenden Trubel. Bis hinauf zum Thron <strong>der</strong> Queen.<br />

Die sinkt ohnmächtig zu Boden.<br />

27<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Der von den Eltern ersehnte Bräutigam bleibt aus, die geschniegelten<br />

Verehrer scheitern an <strong>der</strong> abweisenden Kühle des schönen<br />

Fräuleins. Leonora darf sich in London bei <strong>der</strong> Akademie Amédée<br />

Ozenfant einschreiben und ein Zimmer in einer einfachen Pension<br />

beziehen. Ozenfant ist ein Kenner <strong>der</strong> Avantgarde und teilt seine<br />

Begeisterung über die neuen Strömungen <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />

Malerei seinen Eleven mit. Leonora erfährt vom Surrealismus, von<br />

Malern, die weniger mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Realität beschäftigt sind<br />

als mit den Bil<strong>der</strong>n, die in ihrem Unbewussten schlummern.<br />

Auch Leonora zeichnet ihre inneren Bil<strong>der</strong> – am liebsten zeichnet<br />

sie Pferde, aber auch Affen und gefleckte Leoparden und bunte<br />

Vögel. Es können auch Clowns sein, großmäulige Hampelmänner,<br />

die <strong>der</strong> Welt eine Nase drehen.<br />

Es ist anzunehmen, dass Leonora vom Manifest des Surrealismus<br />

gehört hat, in dem André Breton 1924 die Ziele seiner Gruppe<br />

formuliert hat. Der Aufruf, aus dem Käfig <strong>der</strong> Vernunft auszubrechen<br />

und den Geist aus den Fesseln des gesunden Menschenverstandes<br />

zu befreien, muss ihr sicherlich gefallen haben. Aber<br />

eigentlich interessieren sie solche Theorien nicht, sie rennen bei ihr<br />

offene Türen ein.<br />

Es ist glühend heiß im Juni 1936. Mit den ersten kühlenden<br />

Gewittern bricht über London unvermittelt <strong>der</strong> Surrealismus herein.<br />

Die Kulturredakteure <strong>der</strong> großen Zeitungen haben zur angekündigten<br />

Ausstellung „International Surrealist Exhibition“ ihre Meinung<br />

schon im voraus gemacht. Mit Kunst, so beschließen sie, habe das<br />

Kuriosum Surrealismus nichts zu tun. Hochnäsig schicken sie ihre<br />

Klatschreporter in die Burlington Gallery.<br />

Doch sie haben sich gründlich getäuscht. Zu Hun<strong>der</strong>ten, zu<br />

Tausenden strömen die Wissensdurstigen herbei – Junge und Alte,<br />

Intellektuelle und Künstler, Philosophen, Bürger und Sozialisten.<br />

Auch Leonora ist da – in <strong>der</strong> ehrwürdigen Burlington Gallery begegnet<br />

sie erstmals den Originalen <strong>der</strong> großen Zeitgenossen – Pablo<br />

Picasso, Paul Klee, Man Ray, René Magritte, Marcel Duchamp und<br />

Max Ernst.<br />

28<br />

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Später schenkt ihr ihre Mutter das Surrealismus-Buch des<br />

Kunsthistorikers Herbert Read. Auf dem Umschlag ein Bild, das<br />

Leonora den Atem raubt: „Zwei Kin<strong>der</strong> von einer Nachtigall<br />

bedroht“. Von Max Ernst. Und im nächsten Sommer eröffnet <strong>der</strong> englische<br />

Surrealist Roland Penrose in <strong>der</strong> Mayor Gallery eine Ausstellung<br />

von Max Ernst. Leonora ist eingeladen zu einem Dinner zu<br />

Ehren des Künstlers. Leonora lernt Max Ernst kennen. Aber eigentlich<br />

kennt sie ihn schon lange – er hat das Bild gemalt, das sie in<br />

ihrem Herzen trägt. Max Ernst spricht kaum englisch, ihr Französisch<br />

ist mehr als holprig. Aber was soll ’ s? Loplop und das junge<br />

Mädchen verstehen sich – sie sprechen ihre eigene Sprache.<br />

Loplop und das junge Mädchen sind ein Paar.<br />

Max Ernst ist geschieden, wie<strong>der</strong> verheiratet, mittellos und<br />

26 Jahre älter als Leonora. Vater Carringtron setzt alle Hebel in<br />

Bewegung, um die skandalöse Liaison seiner Tochter zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Er strengt eine Klage an gegen die Bil<strong>der</strong> des verfluchten Surrealistenpacks.<br />

„Reine Pornografie!“, schnaubt <strong>der</strong> einflussreiche<br />

Mr. Carrington. Doch alles Schimpfen, Drohen, Verbieten nützt<br />

nichts. Leonora wird in den Kreis <strong>der</strong> Surrealisten aufgenommen,<br />

die sich zu Max Ernsts Ausstellung in London versammelt haben.<br />

Der Londoner Roland Penrose mit seiner Gefährtin Lee Miller, Paul<br />

Eluard mit seiner Geliebten Nusch. Max Ernst mit seiner neuen englischen<br />

Freundin Leonora. In einem kleinen Landgasthof in<br />

Cornwall wird Leonora die Windsbraut des Max Ernst.<br />

Kurz danach verlässt Max London. Leonora begleitet ihn nach<br />

Paris.<br />

29<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Der Vogelobre Hornebom<br />

Das also war Leonora Carrington damals, 1937, als sie in London<br />

Max begegnete. Und Max, wer war eigentlich Max?<br />

Max war natürlich M. E., Max Ernst <strong>der</strong> Große, <strong>der</strong> berühmte<br />

Maler, Erfin<strong>der</strong> neuer malerischer Ausdrucksmittel, <strong>der</strong> Frottagen,<br />

Collagen, Assemblagen. Max Ernst war <strong>der</strong> Dadaist, <strong>der</strong> Surrealist<br />

<strong>der</strong> ersten Stunde, <strong>der</strong> gutaussehende Weißhaarige mit den kalten<br />

Augen und dem spöttischen Lächeln auf dem glatten Hochglanzpapier<br />

<strong>der</strong> ihm gewidmeten Monografien. Max Ernst war <strong>der</strong><br />

Maler <strong>der</strong> im Unbewussten begrabenen Landschaften, <strong>der</strong> seine<br />

strahlend farbige Fabelwelt bevölkerte mit fantastischen Geschöpfen<br />

und Gestrüppen und leuchtenden Gestirnen vor durchsichtigen<br />

Himmeln, von denen ich mich forttragen lasse, weit von mir weg bis<br />

hinein in meine eigene traumverlorene Kin<strong>der</strong>-Bil<strong>der</strong>welt.<br />

Begegnet bin ich Max Ernst und seinen Werken zum ersten Mal<br />

1962 anlässlich einer Ausstellung im Kunsthaus Zürich. Den<br />

Katalog jener Ausstellung besitze ich noch. Und dank dieses<br />

Dokuments lerne ich 30 Jahre später M.E. näher kennen. Denn für<br />

diesen Katalog <strong>der</strong> Doppelausstellung, die hintereinan<strong>der</strong> im<br />

Wallraf-Richartz-Museum Köln und im Kunsthaus Zürich gezeigt<br />

wurde, hat M.E. seine „Biografischen Notizen“ verfasst und ihnen<br />

den Untertitel „Wahrheitsgewebe – Lügengewebe“ gegeben.<br />

Und bei näherem Hinsehen blinzelt zwischen den in zeitgemäß<br />

nüchternen Groteskbuchstaben gesetzten Zeilen des Katalogtextes ein<br />

ganz an<strong>der</strong>er Max hervor als die majestätische Kultfigur, die seine<br />

Biografen aus seinen Lebensdaten und seinem Werk destilliert haben.<br />

Denn Max Ernst war nicht nur M.E. <strong>der</strong> Große. Max Ernst war<br />

auch Max, war Dadamax, war Schnabelmax, war Loplop, <strong>der</strong> oberste<br />

<strong>der</strong> Vögel. Max war, wie Michel Butor dichtete, „l’homme aux<br />

yeux fous qui voulait tuer la peinture“. Max war <strong>der</strong> Mann mit den<br />

irren Augen, <strong>der</strong> eine neue Malerei erfand.<br />

30<br />

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Sein Vater war ein katholischer Taubstummenlehrer und<br />

Sonntagsmaler in Brühl im Rheinland. Im Jahr 1898, als Max sieben<br />

war, malte sein Vater ein Bild nach <strong>der</strong> Natur: Bäume im<br />

Vorgarten. Lei<strong>der</strong> störte ein unschön gewachsener Ast die Komposition.<br />

Vater Ernst verbannte den falschen Ast aus seinem Bild.<br />

Doch <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zwischen <strong>der</strong> Realität und seiner Kunst ließ<br />

ihm keine Ruhe. An<strong>der</strong>ntags ging er hin und sägte den Ast ab. Jetzt<br />

stimmte das Bild.<br />

In Max aber keimte erster Wi<strong>der</strong>stand gegen den gnadenlosen<br />

Realismus <strong>der</strong> väterlichen Malerei.<br />

Als Max 15 war, starb Hornebom, Maxens treuester Freund. Der<br />

Vogelobre Hornebom war ein buntgescheckter rosaroter Kakadu.<br />

Tot lag er eines Morgens im Käfig – gleichzeitig vernahm Max die<br />

Nachricht von <strong>der</strong> Geburt seiner Schwester Loni. Der Schock über<br />

den Zusammenprall von Geburt und Hingang, von Schwester und<br />

Kakadu, von Mensch und Vogel raubte Max die Sinne, er fiel in<br />

Ohnmacht.<br />

Max Ernsts Biograf Jürgen Pech, <strong>der</strong> im Katalog des Max-Ernst-<br />

Kabinetts in Brühl die Episode ausführlich überliefert, berichtet<br />

von einer Serie von hysterischen Krisen, Exaltationen und Depressionen,<br />

die den Heranwachsenden in <strong>der</strong> Folge heimsuchten:<br />

eine „gefährliche Vermischung“ von Realem und Irrealem sei in seinem<br />

Hirn entstanden. Bäume, Ungeheuer, Steine, Insekten, Berge,<br />

Gifte, Irre und Magier hätten sich in seinem Kopf eingenistet.<br />

Vermutlich waren sie es, die den sensiblen Jüngling daran hin<strong>der</strong>ten,<br />

ein strammer deutscher Normalbürger zu werden.<br />

So beginnt <strong>der</strong> Knabe Max zu malen, zunächst Konventionelles:<br />

Landschaften, Selbstporträts. Max macht Abitur. Und Max liest. Er<br />

„verschlingt wahllos alles, was ihm an Literatur in die Hände gerät,<br />

lässt sich von allem beeinflussen, lässt sich gehen, nimmt sich wie<strong>der</strong><br />

zusammen, usw. Resultat: Chaos im Kopf“. Max erlebt das Irreale,<br />

das Chaotische, das Ungereimte in seinem Innern als Bedrohung.<br />

Doch Max lernt auch seine Vernunft zu gebrauchen, um seine<br />

Fantasmen zu beherrschen. Und allmählich beginnt er, die<br />

31<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Fähigkeit erwerben, im Zwiespalt zwischen Realität und Fantasie zu<br />

leben, in <strong>der</strong> Spannung, die schöpferisches Handeln auslöst und<br />

begleitet. In seinen Fantasien erkennt er die Quelle seiner Inspiration,<br />

die Vernunft braucht er, um im Alltag zu bestehen.<br />

So beginnt Maxens Balanceakt, <strong>der</strong> Balanceakt jedes Künstlerlebens.<br />

Die eigenen Obsessionen zu hegen, aus ihnen zu schöpfen.<br />

Und dennoch weiterzuleben, ohne den Boden <strong>der</strong> Realität unter den<br />

Füßen zu verlieren.<br />

1914. Max ist 23 und muss in den Krieg. „Heulen, Fluchen,<br />

Kotzen hilft nichts.“ Er lernt auch im Wahnsinn des Krieges nicht<br />

unterzugehen. Er überlebt. Und 1916, mitten in all dem „Stumpfsinn.<br />

Ekel und Greuel“ erreicht ihn frohe Kunde aus Zürich, „ausgerechnet<br />

aus Zürich.“ DADA.<br />

Dada war da. Dada war dada. Aus Max wird Dadamax.<br />

Er bekommt Ehe-Urlaub, heiratet Louise Strauss, Kunsthistorikerin,<br />

stellvertretende Geschäftsleiterin des Wallraff Richartz-<br />

Museums in Köln. 1920 kommt Sohn Jimmy auf die Welt.<br />

Doch Dada war halt da. Und Max ist auch Max <strong>der</strong> Verführer, <strong>der</strong><br />

schöne Köpfeverdreher und Frauenmann. 1922 Ferien in Tirol mit<br />

Freunden und Freundinnen, mit den Dadaisten Hans Arp und<br />

Tristan Tzara aus Zürich, den Dada-Sympathisanten Paul und Gala<br />

Eluard aus Paris. Max verfällt <strong>der</strong> attraktiven Gala, Gala und Paul<br />

verfallen dem attraktiven Max.<br />

Dada zerbricht Maxens Ehe. Er verlässt Louise und seinen Sohn<br />

Jimmy, fährt nach Paris zu den Eluards. Das Trio wird unzertrennlich,<br />

haust zusammen, malt zusammen, erfindet zusammen eine<br />

neue, bunte, reiche, luftige Welt. Und amüsiert nimmt Max zur<br />

Kenntnis, dass ihn in seiner deutschen Heimat die Nationalsozialisten<br />

auf die Liste <strong>der</strong> „Entarteten Künstler“ setzen.<br />

In Paris wird 1925 aus Dada eine neue Geistesströmung. André<br />

Breton formuliert das Manifest des Surrealismus, das Irrationalität<br />

zum schöpferischen Prinzip erhebt, jenseits jeglicher ethischen o<strong>der</strong><br />

ästhetischen Überlegung. Das Unbewusste, von Sigmund Freud<br />

einige Jahrzehnte zuvor erstmals benannt und beschrieben, gilt den<br />

32<br />

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Surrealisten als Quelle allen künstlerischen Schaffens. Und das<br />

Irreale, das Magische soll für<strong>der</strong>hin in allen Lebensbereichen die<br />

aufklärerische Diktatur <strong>der</strong> Logik ersetzen. Die Surrealisten inthronisieren<br />

anstelle <strong>der</strong> Ratio die Allmacht des Traumes, das zweckfreie<br />

Spiel des Denkens, das „magische Diktat“.<br />

Das magische Diktat, eine berauschende, befreiende Alternative,<br />

<strong>der</strong> sich Schnabelmax und seine Weggefährten verschreiben. Sie<br />

verspricht den direkten Zugang zu den schöpferischen Kräften <strong>der</strong><br />

Fantasie mittels radikalen Realitätsverlustes. Die Quintessenz <strong>der</strong><br />

Psychose als Programm, ohne Rücksicht auf die Freudsche Erkenntnis,<br />

dass im Unbewussten auch die Kehrseite des Wun<strong>der</strong>baren<br />

schlummert, die destruktiven Ängste, Zwänge und Obsessionen,<br />

die mit qualvoller Unerbittlichkeit unsere Kräfte verschleißen<br />

und unsere Kreativität blockieren können.<br />

Die Surrealisten leben gefährlich zwischen Traum und Alptraum,<br />

geben sich magischen Exerzitien hin, brechen lustvoll aus dem<br />

Gefängnis <strong>der</strong> Ratio aus. Sie veranstalten spiritistische Sitzungen<br />

und konsumieren unheimliche Mengen Alkohol, immer nach dem<br />

Motto: „Das Wichtigste ist, niemals nüchtern zu werden.“ Und sie<br />

verehren den Irrsinn – den Irrsinn <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en – als einen schöpferischen<br />

Zustand allerhöchster Authentizität, einen Zustand <strong>der</strong><br />

Freiheit von jeglicher sozialen Konditionierung. Dass die Realität<br />

auch Künstler zwingt, sich den Gesetzen <strong>der</strong> ordnenden Vernunft,<br />

die den Alltag beherrschen, zu unterwerfen, wollen sie zunächst<br />

nicht wahrhaben.<br />

Noch genießen sie die Wonnen <strong>der</strong> Rebellion, <strong>der</strong> Auflehnung<br />

gegen alle Konventionen, gegen die Fesseln des Althergebrachten –<br />

in ihrem Leben und in ihrer Kunst. Und erst in Ansätzen erahnen<br />

einige von ihnen die Möglichkeit, die <strong>der</strong> in Europa aufkeimende<br />

Faschismus ihnen darbietet, ihre rebellische Pose in eine sinnvolle<br />

politische Aktion umzusetzen.<br />

Doch <strong>der</strong> Balanceakt auf dem schwankenden Seil <strong>der</strong> Un-<br />

Vernunft ermüdet. Erste Spuren eines Abspaltungsprozesses werden<br />

sichtbar. Breton schreibt seine „Nadja“, sein autobiografisches<br />

33<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Journal <strong>der</strong> Begegnung mit einer schönen Irren – ein raffiniertes<br />

Realitäts- und Fiktionsgewebe. Die Irre ist Nadja, das zarte Mädchen,<br />

das durch die Straßen von Paris geistert und den bourgeoisen<br />

Schöngeist fasziniert.<br />

Mit „Nadja“ schreibt Breton die Parabel einer narzisstischen<br />

Spiegelbeziehung: Mit medialer, beinahe magischer Einfühlungsgabe<br />

erahnt das übersensible Mädchen Nadja jede Regung seines<br />

Verehrers und spiegelt ihm so eine Seelenverwandschaft vor, die<br />

den eitlen Flaneur durch die „Leichtigkeit, Originalität und die Tiefe<br />

seiner Gedanken“ bezaubert.<br />

Doch Nadja, so wie Breton sie sieht, ist vor allem ein männliches<br />

Hirngespinst. Rein sei sie, schwärmt Breton. Rein und ungreifbar,<br />

die Kindfrau, die erotische Windsbraut. Und Nadja sei auch mutig.<br />

Sie sei die Übermütige, „die erst mit ihrem Kopf die Gitterstäbe <strong>der</strong><br />

Logik, des hassenswertesten aller Gefängnisse, auseinan<strong>der</strong>stemmt<br />

und dann einen Arm nachschiebt.“ Und die sich bei diesem<br />

Kraftakt das Genick bricht.<br />

Breton lässt sich von Nadja vergöttern, verführen, inspirieren.<br />

Auf die Schwerelose, die ihm keinen Wi<strong>der</strong>stand entgegensetzt, projiziert<br />

er seinen Traum von <strong>der</strong> fessellosen Liebe. Aber abends kehrt<br />

er heim in den sicheren Hafen seiner Ehe. Seine Nadja, die sich weigert,<br />

„die Gedanken mit dem Gewicht ihrer Schuhe zu beschweren“<br />

(Nadja/Breton), endet schließlich im Irrenhaus.<br />

Ätherische Frauengestalten. „les mariées du vent“ schweben<br />

fortan durch das Leben und die Werke <strong>der</strong> Surrealisten. Die<br />

Windsbräute helfen einigen von ihnen, sich einzurichten zwischen<br />

den Zwängen <strong>der</strong> Realität und <strong>der</strong> Freiheit <strong>der</strong> Fantasie. Das Nadja-<br />

Muster macht Schule. Man lebt am Rand <strong>der</strong> Vernunft, inspirieren<br />

lässt man sich von den fantasiebegabten Gefährtinnen, die wie<br />

bunte Schmetterlinge durch den Horizont <strong>der</strong> Pariser Surrealisten<br />

flattern. So kann man stehen bleiben auf dem Boden <strong>der</strong> Realität –<br />

die Qualen des Wahns delegiert man an die inspirierenden Musen.<br />

Ob Nadja wirklich gelebt hat, o<strong>der</strong> ob sie eine Erfindung von<br />

André Breton war – die Frage ist umstritten. Der Filmer Jean<br />

34<br />

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Aurenche jedenfalls, <strong>der</strong> die Drehbücher <strong>der</strong> ersten Filme aus dem<br />

Kreis <strong>der</strong> Surrealisten verfasste, hat ihr in seinen 1994 erschienenen<br />

Memoiren einen Namen gegeben: „Bretons Nadja war meine<br />

Schwester Marie-Berthe.“<br />

Marie-Berthe Aurenche, eine blutjunge bildhübsche Exzentrikerin<br />

irrlichterte durch die Kreise <strong>der</strong> Pariser Surrealisten. Mit ihren grellen<br />

Kostümen, ihren versponnenen Späßen und spleenigen Allüren<br />

bezauberte sie die Künstler. Sie las ihnen aus <strong>der</strong> Hand und vernebelte<br />

ihnen den Kopf. Eine erotische Nixe, die den bürgerlichen<br />

Konventionen eine Nase drehte. Für Max und seine Gefährten eine<br />

betörende Quelle <strong>der</strong> fantastischen Inspiration. Jean Cocteau und<br />

Jacques Prévert verehrten sie. Dass Marie-Berthe Aurenche, ebenso<br />

wie Bretons Nadja, vor allem eine labile junge Frau war, die unter<br />

bedrängenden Ängsten und Krisen litt, kümmerte ihre schwärmerischen<br />

Verehrer wenig. Breton lässt seine Nadja fallen, noch bevor sich<br />

das Portal <strong>der</strong> Irrenanstalt hinter ihr schließt.<br />

Max heiratete Marie-Berthe Aurenche, nachdem ihr honoriger<br />

Vater, ein hoher Polizei-Funktionär, ihm unmissverständlich bedeutet<br />

hatte, dass er eine wilde Ehe mit seiner Tochter niemals dulden<br />

werde. Die Ehe war eine Folge von wilden Eskapaden, Brüchen,<br />

Versöhnungen. Irgendwann wurde Marie-Berthe schwanger. Max<br />

zwang sie, das Kind abzutreiben. Die Abtreibung war eine Metzelei,<br />

von <strong>der</strong> sich Marie-Berthe nur schwer erholte.<br />

Einmal warf sie sich in die Seine, um zu sterben. Doch das<br />

Wasser war kalt. Sie schwamm ans an<strong>der</strong>e Ufer und wurde gerettet.<br />

Max liebte sie, Max brauchte sie. Ein Bild aus dieser Zeit zeigt<br />

Max und Marie-Berthe als liebendes Paar. Ein überraschend bürgerlicher<br />

Anblick: Max im dunkeln Anzug mit Gilet, mit schneeweißem<br />

Hemd und buntem Schlips, in beschützen<strong>der</strong> Pose über ihr<br />

thronend, die Augen fest in die Kamera gerichtet. Sie klein und zart<br />

unter seiner Achselhöhle hervorguckend, mit staunenden, fragenden<br />

Kin<strong>der</strong>augen unter den niedlichen Ponyfransen.<br />

Der Meister hat seine Windsbraut gefunden. Sie besorgt für ihn<br />

die gefährlichen Höhenflüge ins Reich <strong>der</strong> Unvernunft, er selbst<br />

35<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


leibt mit beiden Füßen auf dem Boden stehen. So bleibt die<br />

Absturzgefahr unter Kontrolle.<br />

Marie-Berthe erfindet jeden Tag neue Träume, um ihren Magier zu<br />

betören. Max bewun<strong>der</strong>t sie. Max betrügt sie unablässig. Und Max<br />

verachtet sie. Wenn sie den Freunden endlose Fischsuppen kocht, die<br />

sie – weil das Geld nicht für viele Esser reicht – immer wie<strong>der</strong> mit<br />

Wasser verdünnt, wenn sie aus abgelegten Klei<strong>der</strong>n einer befreundeten<br />

Couturiere ihre extravaganten Roben schnei<strong>der</strong>t, wenn sie ihre<br />

dramatischen Eifersuchtsanfälle inszeniert, lacht Max über seine<br />

Windsbraut. Ihn interessiert letztlich nur eines – seine Malerei.<br />

Doch unversehens hat sich <strong>der</strong> Himmel über Europa verdüstert.<br />

Die Euphorie <strong>der</strong> Nachkriegsjahre ist verflogen. In Spanien mähen<br />

Francos Milizen den republikanischen Wi<strong>der</strong>stand nie<strong>der</strong>. In Italien<br />

stampfen die schwarzen Stiefel <strong>der</strong> Faschisten den Weg für den<br />

Diktator frei. In Deutschland jubeln die verführten Massen das mör<strong>der</strong>ischste<br />

System des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts an die Macht.<br />

Paris ist Zufluchtsort für viele Flüchtlinge aus den umliegenden<br />

Diktaturen. In den Cafés des Sechsten Arrondissements, wo die<br />

Künstler leben, verdrängen harte politische Diskussionen die<br />

Gedankenflüge <strong>der</strong> surrealistischen Revolution.<br />

Das Spiel ist aus, das magische Diktat hat ausgedient. Mit<br />

Fantasie allein lässt sich <strong>der</strong> mör<strong>der</strong>ischen Realität des Faschismus<br />

nicht beikommen. Die meisten Surrealisten schlagen sich auf die<br />

Seite <strong>der</strong> Antifaschisten, Eluard wird Kommunist, Breton wird<br />

Trotzkist.<br />

Max gehört zu denen, die sich nicht entscheiden wollen. Max will<br />

Schnabelmax, will Loplop bleiben. Die Surrealisten-Gruppe bricht<br />

auseinan<strong>der</strong>.<br />

1937, als er in London Leonora Carrington kennenlernt, geht ein<br />

Abschnitt im Leben des Max Ernst zu Ende. Er ist seit gut zehn<br />

Jahren mit Marie-Berthe verheiratet. Eine Ehe voller zerbrechlicher<br />

Nahtstellen. Doch Max, so wenigstens glaubt sein damaliger<br />

Schwager Jean Aurenche, hängt noch immer an Marie-Berthe.<br />

„Er telefonierte oft mit ihr, bat sie auch, nach London zu kommen.“<br />

36<br />

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Marie-Berthe gehorcht einmal mehr. Splitternackt unter einem<br />

enganliegenden feuerroten Kleid, das vom Busen bis zu den Knieen<br />

aufgeschlitzt ist, trifft sie in Londons Victoria-Station ein. „Es ist das<br />

Kleid, das einer betrogenen Frau gebührt. Sie verdient nichts<br />

Besseres“ sagt sie beim Verlassen des Zuges zu Max.<br />

Die Kindfrau hat ihre Unschuld verloren, die Realität hat die beiden<br />

eingeholt. Doch Max schweigt. Denn Loplop hat seine neue<br />

Windsbraut schon gefunden.<br />

Und noch glaubt er, aussteigen zu können aus <strong>der</strong> bedrängenden<br />

Weltgeschichte. In <strong>der</strong> Ardèche, dem abgeschiedenen Tal im Süden<br />

Frankreichs, aus dem Marie-Berthe stammt, kennt er einen magischen<br />

Ort. Zehn Stunden Bahnfahrt entfernt von Paris, Welten entfernt<br />

vom großstädtischen Schmelztiegel, in dem sich Kunst und<br />

Politik zu einem unverdaulichen Klumpen zusammengebraut<br />

haben.<br />

Leonora, das Londoner Upper-Class-Mädchen mit <strong>der</strong> überbordenden<br />

Fantasie und dem kühlen britischen Humor, begleitet ihn<br />

auf die Reise ins südliche Wun<strong>der</strong>land.<br />

37<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Das Kaleidoskop dreht sich<br />

An manchem Samstag dieses Winters fahre ich durch die schnurgerade<br />

Platanenallee nach Pont Saint-Esprit zum Markt, um einzukaufen und<br />

um Aline Mazet zu treffen. Der Pont, die Brücke über die Rhône, ist tausend<br />

Meter lang und siebenhun<strong>der</strong>t Jahre alt. Er hat zahllose bedrohliche<br />

Hochwasser und ungezählte ebenso verheerende motorisierte<br />

Blechlawinen heil überstanden. Er führt direkt zum Marktplatz, wo sich<br />

jeden Samstag Marktfahrer, Hausfrauen, Flanierer Touristinnen und<br />

Touristen zusammenfinden. Hier ist <strong>der</strong> Markt noch Mittelpunkt des<br />

gesellschaftlichen Lebens – auch für uns Besucher aus dem Norden.<br />

In gegenläufigen Strömen wälzt sich das Menschengewühl unter<br />

zwei Reihen imposanter Platanen vorbei an den vollbeladenen<br />

Ständen. Über Auberginen, Kohlköpfen, Lauchstengeln, Honigtöpfen,<br />

Schweinslenden, Seifen und aromatischen Gewürzen hüpfen<br />

Scherzworte. Es duftet nach Oliven und Knoblauch. Wenn es<br />

windet, decken die Marktfahrer ihre Waren mit groben Netzen zu,<br />

stecken die klammen Finger in rosarote Gummihandschuhe. So<br />

gerüstet, trotzen sie dem bissigsten Mistral.<br />

Im Café de la Bourse ist es warm, die Sonne scheint zwischen den<br />

kahlen Ästen <strong>der</strong> Bäume auf das Glasdach. Wir erzählen uns gegenseitig<br />

von unseren neuen Erkenntnissen über Max und Leonora.<br />

Aline neigt zu einer verklärenden Sicht des attraktiven Paares. Ich<br />

hingegen empfinde eine stille Wut auf Maxens subtil ausbeuterische<br />

Beziehung zu seinen schwärmerischen Groupies, die sich willig in<br />

den Part fügen, den <strong>der</strong> große M.E. ihnen zuweist.<br />

Max <strong>der</strong> Zauberer, Max <strong>der</strong> zärtliche Beschützer, Max <strong>der</strong> skrupellose<br />

Weiberheld. Leonora die einfallsreiche Muse, Leonora das<br />

hilflose Opfer. Es ist wie ein Kaleidoskop: Wenn man schüttelt, verän<strong>der</strong>t<br />

sich das Bild. Wir schütteln und schauen und nicht immer<br />

stimmen unsere Bil<strong>der</strong> überein. Aber die Wi<strong>der</strong>sprüche öffnen die<br />

Augen für neue Facetten.<br />

38<br />

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Aus unseren Gesprächen kristallisiert sich allmählich unser<br />

Buchprojekt. Aline, einstmals eine leidenschaftliche Freizeit-<br />

Dichterin und Büchernärrin, schreibt längst für die Schublade.<br />

Auch bei mir stapeln sich die Tagebuchnotizen. Wir beschließen,<br />

gemeinsam für zwei Bücher – eine französischsprachige Version aus<br />

ihrer, eine deutschsprachige aus meiner Sicht – zu recherchieren.<br />

Wir ahnen, dass unsere Texte verschieden ausfallen werden. Aline<br />

scheint es vor allem darum zu gehen, die Erinnerung wachzuhalten<br />

an den großen Künstler und seine Muse, die ihrem Dorf die Ehre<br />

erwiesen haben. Ich möchte schreiben über die Dämonen, die ihre<br />

Liebe bedrohten und über die Strategien, die Max und Leonora entwickelten,<br />

um sie zu bändigen. Und auch über den skrupellosen<br />

Umgang ihrer Nachfahren mit den sichtbaren Zeugnissen ihrer<br />

Liebe.<br />

Und beide wollen wir gemeinsam in Erfahrung bringen, was sich<br />

damals – zwischen dem Sommer 1937 und dem Herbst 1939 –<br />

abgespielt hat droben im Haus auf dem Hügel von Les Aliberts.<br />

Aline kennt einen Nachbarn <strong>der</strong> Familie Le Laurier. Er wohnt<br />

einen Steinwurf vom Loplop-Haus entfernt. Als Kind hat er Max und<br />

Leonora in Saint-Martin erlebt. Aline ruft ihn an. Schiebt die<br />

„Schweizer Journalistin, die sich für Max Ernst interessiert“ vor.<br />

Bittet ihn, uns zu einem Gespräch zu empfangen. Insgeheim hoffen<br />

wir, auch etwas über die verschwundenen Skulpturen zu erfahren.<br />

Der ergraute Ingenieur, nennen wir ihn Monsieur Serrault, empfängt<br />

uns in seinem eleganten Haus. Ziegelfarbener Backstein, Holz<br />

und Glas, mo<strong>der</strong>ne Architektur mit provençalischem Einschlag,<br />

eine Rarität in dieser ländlichen Gegend. Er entschuldigt seine<br />

Gattin, sie sei erkältet. Aline blickt ungläubig, sie vermutet offenbar<br />

Verdunkelungsstrategien. Doch Monsieur Serrault ist gesprächig.<br />

Er hängt seinen Gedanken nach. Und erinnert sich:<br />

„Ich war zwölf Jahre alt. Hier oben gab es keine Häuser, außer<br />

dem Gehöft, das jetzt den Lauriers gehört. Es stand mitten in einem<br />

Rebberg. Im Dorf lebten vielleicht 300 Leute. Es gab drei Cafés.<br />

Eines davon gehörte „Fonfon“. Sie hieß eigentlich Alphonsine<br />

39<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Garrigou. Max Ernst und Leonora Carrington waren Stammgäste<br />

bei ihr. Ihn nannten sie im Dorf „Le Max“ o<strong>der</strong> „Monsieur<br />

Erneste“.<br />

Die beiden wurden scharf beobachtet. Ein Bauer hat, wenn er im<br />

Freien arbeitet, immer ein Auge frei. Nicht Zeit zum Reden, o<strong>der</strong><br />

zum Nähertreten, aber zum Beobachten schon. Und zu sehen gabs<br />

da einiges! Wenn die beiden runter zum Fluss zum Baden gingen,<br />

pflegten sie den steilen Weg durch die Reben zu nehmen. Die<br />

Badeslips trugen sie dabei mit Vorliebe auf dem Kopf. Splitternackt<br />

gingen sie. So wenigstens erzählte man sich im Dorf, ich selber habe<br />

es nie gesehen. Sie sei gut in Form gewesen, die Leonora. Erst wenn<br />

sie unten ankamen, zogen sie die Badehosen wie<strong>der</strong> an. Man war<br />

sich einig im Dorf: „Auslän<strong>der</strong> sind Spinner.“<br />

Wenn Monsieur Serrault sagt, Leonora war „gut in Form“, lässt<br />

er beide Hände von oben nach unten um ihre gewölbte imaginäre<br />

Silhouette gleiten. Diese Geste wie<strong>der</strong>holen alle Alten im Dorf,<br />

wenn sie von <strong>der</strong> „Anglaise“ reden. Und in Monsieur Serraults<br />

Augen blitzt heute noch ein lustvolles Funkeln:<br />

„Sie schockierten uns alle, die beiden. Fast jeden Abend gingen sie<br />

zu Fonfon, ließen sich mit Wein vollaufen. O<strong>der</strong> mit Marc. Es war die<br />

Kneipe, wo die Alten Belote spielten. Keine saubere Kneipe, Fonfon<br />

ließ die gebrauchten Gläser in einem Kübel mit Wasser liegen. Wenn<br />

jemand zu trinken verlangte, fischte sie eins aus dem Eimer.<br />

Ich verkehrte im Ernst-Haus, als es noch den Vianos gehörte. Ich<br />

half ihnen bei <strong>der</strong> Weinernte. Damals hing im unteren Zimmer eine<br />

große Leinwand, ein Wald in <strong>der</strong> Nacht mit Fle<strong>der</strong>mäusen. Die<br />

Leinwand war an die Mauer geklebt. Wir glaubten, es sei ein<br />

Fresko. Aber Ende <strong>der</strong> vierziger – o<strong>der</strong> war es Anfang <strong>der</strong> fünfziger<br />

Jahre? – ist Max Ernst zurückgekommen und hat sich die Leinwand<br />

geholt. Er hätte damals gern das Haus zurückgekauft, aber es war<br />

ihm zu teuer.<br />

Er ist später zweimal wie<strong>der</strong>gekommen. Einmal war er begleitet<br />

von Madame de Ménile vom Museum in Houston in Texas. Sie ist<br />

die Tochter vom Großindustriellen Schlumberger. Sie hat versucht,<br />

40<br />

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das Haus von den Lauriers zurückzukaufen. Aber Le Laurier wollte<br />

es nicht mehr hergeben. Ich denke, <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> wegen, die inzwischen<br />

erwachsen sind und sich in den Ställen drumherum installiert<br />

haben. Da Ernst seine Werke nicht zurückkaufen konnte, hat<br />

er von den Lauriers die Einwilligung eingeholt, davon Abgüsse<br />

machen zu lassen.“<br />

Wenn das Gespräch stockt, helfen wir nach. Harmlose Fragen,<br />

wir haben längst gemerkt, dass Monsieur für Kritik an Le Laurier<br />

nicht empfänglich ist. Aber beiläufig zum Schluss fällt dann doch<br />

die Frage:<br />

„Wo sind die Skulpturen jetzt?“<br />

Ebenso beiläufig die Gegenfage: „Welche Skulpturen?“<br />

„Die Skulpturen im Garten.“<br />

„Die sind immer noch dort. O<strong>der</strong> etwa nicht? Vielleicht sind sie<br />

auch in Sicherheit gebracht worden. Ach ja, ich erinnere mich: Sie<br />

sind in Sicherheit. Aber genau weiß ich es nicht. Ich war schon<br />

lange nicht mehr im Haus...“<br />

Auf dem Heimweg fragen wir uns, ob wir wohl Gespenster gesehen<br />

haben. Ob das ganze Rätsel um die verschwundenen<br />

Skulpturen nicht eine einfache Lösung findet: Die Kunstwerke sind<br />

noch immer in Lauriers Besitz, in Sicherheit. In einem Museum?<br />

O<strong>der</strong> im Saferaum einer Großbank? Das klingt einleuchtend.<br />

Warum bloß hat Laurier davon nichts gesagt?<br />

Etwas später besucht mich Aline und bringt ein dickes Kuvert.<br />

„Von einer Freundin, einer Galeristin in Avignon. Du wirst Dich<br />

wun<strong>der</strong>n.“ Ich öffne: lose Blätter, Fotokopien. Offensichtlich <strong>der</strong><br />

Katalog einer Versteigerung aus dem Juni 1991: „VENTE AUX<br />

ENCHERES PUBLIQUES. Trois sculptures originales majeures<br />

<strong>MAX</strong> <strong>ERNST</strong>.“<br />

Ich halte den Atem an, lese weiter. Und da steht es unmissverständlich:<br />

„Am Sonntag, 23. Juni 1991 gegen 21 Uhr werden im<br />

Hotel Président in Genf drei Skulpturen aus Saint-Martin öffentlich<br />

versteigert. Sirène ailée, Schätzwert 725 000/870 000 Schweizer<br />

Franken; Sphinx et la Sirène, Preis auf Anfrage, Buste au poisson et<br />

41<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

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<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


tortue, Schätzwert 870 000 bis 1,16 Mio Schweizer Franken.“<br />

Gesamter Schätzwert also rund drei Mio Schweizer Franken. Unter<br />

„Herkunft“ figuriert Edouard le Laurier, als Versteigererin eine<br />

nicht näher definierte „Collection de la Sphinx“.<br />

Endlich etwas Konkretes über den Verbleib <strong>der</strong> Skulpturen von<br />

Saint-Martin. Ich stürze ans Telefon. Aber lieber würde sich <strong>der</strong><br />

Auktionator die Zunge abbeißen, als mir zu sagen, an wen und ob<br />

überhaupt er die Werke verkaufen konnte. Nur eines verrät er mir:<br />

Zwei davon seien in großen Sammlungen in <strong>der</strong> Schweiz.<br />

Eine Zürcher Kunsthändlerin, die ich als nächste anrufe, erinnert<br />

sich vage, von <strong>der</strong> Versteigerung gehört zu haben. „Die Skulpturen“,<br />

fällt ihr dazu ein, „wurden herumgeboten.“ Von wem, habe<br />

sie vergessen. Aber soviel sie sich erinnert, waren sie bei einer Bank<br />

deponiert. Mehr sei darüber schwerlich zu erfahren. Denn Sammler,<br />

so erklärt sie mir, haben „aus verschiedenen Gründen“ keine<br />

Lust, über ihre Akquisitionen zu prahlen. „Was für Gründe?“<br />

„Sicherheitsgründe“, sagt sie. Und, verschämt hüstelnd: „Und<br />

Steuergründe.“<br />

Meine letzte Hoffnung: <strong>der</strong> Ausstellungsmacher Harald Szeemann.<br />

Er ist ein alter Freund und kennt die Kunstzene wie seine<br />

Hosentasche. „Könntest Du für mich herausfinden ...?“ Doch auch<br />

Szeemann kann nicht. O<strong>der</strong> will er nicht? Kunstsammler sind nun<br />

mal diskrete Menschen, das scheint in ihrer Natur zu liegen. O<strong>der</strong><br />

an den Grauzonen in ihren Steuererklärungen betreffend ihre<br />

Sammlungen.<br />

Immerhin weiß ich jetzt, dass im Max Ernst-Jahr 1991, im Jahr<br />

des 100. Geburtstags des Künstlers, in Genf die Sphinx, die Geflügelte<br />

Sirene aus dem Garten in Saint-Martin und <strong>der</strong> Doppelkopf,<br />

<strong>der</strong> den hässlichen weißen Fleck über dem Fenster des Loplop-<br />

Hauses hinterlassen hat, für rund drei Millionen Franken in Genf<br />

feilgeboten wurden. Und allmählich verliere ich die Hoffnung,<br />

jemals zu erfahren, wie es dazu gekommen ist. Der Handel mit<br />

Kunst scheint unter die Kategorie <strong>der</strong> äußerst diskreten Geschäfte<br />

zu fallen.<br />

42<br />

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Miraldalocks geht um<br />

Eine Libelle schaukelt über <strong>der</strong> glitzernden Wasserfläche des<br />

Schwimmbeckens. Poesie um die Jahrtausendwende – mit leisem<br />

Chlorgeruch. Doch die Flüsse, auch die Ardèche, sind heute zu verschmutzt,<br />

um darin zu baden. Ich vertiefe mich in Leonora<br />

Carringtons Novellenband. Die Kurzgeschichte Little Francis<br />

schrieb sie 1937 und 1938 in Saint-Martin in englischer Sprache. In<br />

dieser Kurzgeschichte verarbeitete sie schon damals ihren ersten<br />

Herbst mit Max an <strong>der</strong> Ardèche. Ungefähr gleichzeitig schrieb sie<br />

einen an<strong>der</strong>en Text, <strong>der</strong> dem Novellenband den Titel gab, La maison<br />

de la peur (The House of Fear) in Französisch.<br />

Leonoras Prosa riecht nach Spätsommer – und nach bedingungsloser<br />

Hingabe an Max. Und dennoch steigt aus den Seiten <strong>der</strong> beiden<br />

Novellen ein beißendes Räuchlein auf, ein eigenartig bitterer Hauch.<br />

Klick, mein inneres Kaleidoskop dreht sich: Der Rauch verdichtet<br />

sich zu einem neuen Bild – holt die Realität auch dieses Paar ein?<br />

Staubige Hundstagshitze über dem Dorfplatz an <strong>der</strong> Ardèche.<br />

Nach einem langen, trockenen Sommer ist <strong>der</strong> Fluss fast verstummt.<br />

Nur noch träge rinnt er. Fonfons schwerer Wein liegt wie Blei hinter<br />

den Li<strong>der</strong>n, lässt die Gedanken versanden. Max schnarcht auf<br />

einem Felsen. Die Sonne hat sein Haar in weißen wolkigen Flocken<br />

getrocknet. Leonora sitzt auf dem Sand, die Füße im kühlen Wasser.<br />

Ein Schwarm winziger Fische flitzt um ihre Fesseln. Sie hört den<br />

lustigen Schnörkeln seines Atems zu. Die röchelnden Töne purzeln<br />

aus seinen Lippen, rollen über den Sand und vermengen sich mit<br />

dem sanften Plätschern des Flusses. Leonora fühlt, dass sie niemals<br />

einen Mann so sehr lieben wird wie Max.<br />

Später steigen sie den schmalen Weg hinauf zu den verfallenden<br />

Mauern von Aiguèze. Je näher sie dem Dorf kommen, um so verlassener<br />

liegt es da. Aus den Mauerritzen steigen gespenstische<br />

Schatten. Eine Ziege hat sich in den Gassen verirrt. In ihren<br />

43<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Gestank gehüllt, steht sie stolz unter einem Torbogen und blickt mit<br />

Schlangenaugen den Eindringlingen entgegen. Max bückt sich. Er<br />

pflückt einen Strauß des zu seinen Füßen würzig duftenden Krauts.<br />

Später wird er es an <strong>der</strong> Sonne trocknen und sich daraus mit<br />

Reispapier, das ihm Leonora aus dem Tabakladen geholt hat, eine<br />

Zigarette drehen. Tief zieht er ihren berauschenden Rauch in die<br />

Lunge. Und erzählt das Märchen von Miraldalocks.<br />

„Es war einmal ein Mädchen. Es hieß Miraldalocks, und war das<br />

hässlichste Mädchen mit den schönsten Haaren <strong>der</strong> Welt. Eines<br />

Nachts verliebte sich ein Zauberer in den Duft ihrer Locken. Als er<br />

morgens ihr Gesicht sah, erschrak er so sehr, dass er das Mädchen<br />

packte und tief in <strong>der</strong> Erde vergrub. Nur ihr Haar ließ er draußen.<br />

Daraus ist dieses Kraut geworden. Es heißt heute noch Miraldalocks.“<br />

Der Rauch, den Max aus Miraldalocks Locken saugt, ist ein<br />

Narkotikum. „Eine Art Marihuana“, erinnert sich Leonora in ihrer<br />

Erzählung Little Francis, „noch wirksamer als Alkohol“. Max berauschte<br />

sich an Miraldalocks, „Miraldalocks“, schreibt Leonora,<br />

„befreite ihn von seiner Angst, jemals wie<strong>der</strong> nüchtern zu werden.“<br />

Ob Max Leonoras dunkle Locken streichelte, während er von<br />

Miraldalocks erzählte?<br />

„Uncle Ubriaco“, <strong>der</strong> „besoffene Onkel“, heißt Max in Leonoras<br />

Novelle über jene Tage. Leonora verwandelt sich in den Knaben<br />

Francis, <strong>der</strong> in blin<strong>der</strong> Verehrung seinem Onkel folgt. Leonora war<br />

Francis und Miraldalocks, Leonora war das Kind und die Frau, die<br />

Kindfrau, die Windsbraut.<br />

Leonora befreite Max von <strong>der</strong> Angst, nüchtern zu werden.<br />

Denn Leonora hatte kapituliert vor <strong>der</strong> Macht des großen<br />

Magiers, <strong>der</strong> schützend seinen Arm um sie gelegt hatte. Willig überließ<br />

sie sich ihren Fantasien, ließ sich überschwemmen von ihren<br />

inneren Bil<strong>der</strong>n, ihren Höhenflügen und Dämonen. Und eilfertig<br />

bot sie ihm die Ausgeburten ihrer ungezügelten Fantasie dar, die ihn<br />

bezauberten. So erfüllte sie die Aufgabe <strong>der</strong> Windsbraut: Ihn zu füttern<br />

mit ihren Hirngespinsten und sie zu ersticken, seine Angst,<br />

dass die Quelle seiner Inspiration versiegen könnte.<br />

44<br />

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Die Liebenden haben sich im Dachzimmer über Fonfons lärmiger<br />

Kneipe eingerichtet. Sie braten in <strong>der</strong> Sonne, sie schwimmen, sie<br />

erzählen sich Geschichten. Die Tage am Fluss vergehen im Flug.<br />

Manchmal arbeiten sie gemeinsam. Leonora zeichnet und schreibt,<br />

Max schreibt o<strong>der</strong> bastelt, malt aber kaum in diesen ersten Monaten<br />

mit Leonora. Abends lassen sie sich von Fonfon den hausgemachten<br />

Marc kredenzen. Scharf beobachtet von den knorrigen Alten vom<br />

Dorf. Der weißhaarige Mann und das Mädchen. Le Max et<br />

l’Anglaise.<br />

Was war das ein süßes Leben, sagte Leonora im Gespräch, das<br />

ihre Biografin Marina Warner fünfzig Jahre später mit ihr führte.<br />

„Es war das Paradies.“<br />

Max hat damals das Vorwort zu Leonoras Novelle La maison de la<br />

peur geschrieben. Es trägt den Untertitel Loplop présente la mariée du<br />

vent (Loplop stellt die Windsbraut vor). Aus je<strong>der</strong> Zeile steigt <strong>der</strong> Duft<br />

<strong>der</strong> heißen Spätsommertage von Saint-Martin. Und gut kommt er<br />

selbst dabei weg, Max <strong>der</strong> Große: „Seht diesen Mann: Stolz steht er<br />

aufrecht, bis zu den Knien im Wasser. Leidenschaftliche Liebkosungen<br />

haben auf seinem prächtigen perlfarbenen Körper leuchtende<br />

Spuren hinterlassen. Was tut er bloß, <strong>der</strong> Mann mit seinem türkisen<br />

Blick, die Lippen gerötet von üppiger Begierde?“<br />

Und die Windsbraut, was tut sie, seine Windsbraut?<br />

Sie liest. Und sie schreibt. Sie schreibt Little Francis und La maison<br />

de la peur. Der Meister ergötzt sich an ihren Versuchen. Er dichtet<br />

über sie in seinem Vorwort:<br />

„Kann sie lesen? Kann sie Französisch schreiben ohne Fehler?<br />

Was für Holz brennt sie, um sich daran zu wärmen? Sie wärmt<br />

sich an ihrem intensiven Leben, an ihrem Geheimnis, ihrer<br />

Poesie. (…) Sie hat nichts gelesen, aber alles getrunken. Sie kann<br />

nicht lesen. Aber die Nachtigall hat sie gesehen, wie sie auf einem<br />

Stein saß und las.“<br />

War es wirklich das Paradies?<br />

Manchmal war es jedenfalls die Hölle. Denn Marie-Berthe, die<br />

verlassene Ehefrau, hatte ihren Gatten und seine junge Geliebte auf-<br />

45<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


gestöbert. Tauchte bei Fonfon auf, fauchte, flehte und flennte. Und<br />

wie<strong>der</strong> einmal war Max hin- und hergerissen zwischen seinen<br />

Windsbräuten, mochte we<strong>der</strong> die eine noch die an<strong>der</strong>e lassen. „Er<br />

war ein schwacher Mann“, sagte Leonora später.<br />

Im Herbst verließ Max Saint-Martin und Leonora. Er fuhr nach<br />

Paris, um wie Leonora in Little Francis zynisch vermerkt, seinen<br />

„genitalen Verpflichtungen“ gegenüber Marie-Berthe nachzukommen.<br />

Alleingelassen in Fonfons düsterem Wirtshaus, verlor<br />

Leonora fast den Verstand.<br />

In Little Francis beschreibt sie die Qualen <strong>der</strong> Eifersucht und <strong>der</strong><br />

Verlassenheit, die sich in eine wilde Orgie fantastischer Heimsuchungen<br />

verwandeln. Von Wahnvorstellungen getrieben, irrt sie<br />

verzweifelt durch die gespenstischen Mauern von Aiguèze. Sie trifft<br />

das hässliche Mädchen Miraldalocks, von Miraldalocks lässt sie<br />

sich in das Land <strong>der</strong> bösen Geister entführen. Ihr Kopf verwandelt<br />

sich in den Kopf eines Pferdes. Nach langen Irrungen lockt ihre<br />

Rivalin, Marie-Berthes Ebenbild Amelia, sie mit einer List nach<br />

Paris. Die beiden geraten sich in die Haare. Amelia schlägt mit<br />

einem Hammer so lange auf den Pferdeschädel ein, bis darin ein<br />

großes Loch klafft. Little Francis nimmt ein böses Ende: Das Blut<br />

fließt in Strömen und bildet einen kleinen Teich auf dem Boden.<br />

Francis stirbt fast augenblicklich.<br />

Leonora überlebte, traurig, verzweifelt, verwirrt. „Ich glaubte,<br />

Max würde niemals zurückkommen. Ich wusste nicht, was aus mir<br />

werden sollte,“ erzählt sie 50 Jahre später ihrer Biografin Marina<br />

Warner.<br />

Sie blieb in Saint-Martin. Und wartete. Fonfon fütterte sie<br />

schlecht und recht durch den Winter. Abends hockten die beiden<br />

Frauen nebeneinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kneipe. Die wohlerzogene Lady und<br />

die schlampige Wirtin. Die extravagante junge „Anglaise“ war zur<br />

lokalen Sehenswürdigkeit geworden. Wenn sich ein spendabler<br />

Gast, etwa ein durchreisen<strong>der</strong> Handelsvertreter, ins Bistrot verirrte,<br />

hatte Leonora ihn zu unterhalten. Wenn dann <strong>der</strong> Champagner auf<br />

den Tisch kam, war Fonfon zufrieden.<br />

46<br />

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Im Frühling kehrte Max endlich zu Leonora zurück. Er hatte sich<br />

von Marie-Berthe getrennt. Der dunkle Schatten über ihrer Liebe<br />

war ausgeräumt. Doch nicht für lange.<br />

47<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Leonora Carrington vor dem Tor des Hauses (aus ihrem Fotoalbum),<br />

Saint-Martin d’Ardèche, 1938<br />

Fotograf: wahrscheinlich Max Ernst<br />

Bildquelle: Max-Ernst-Kabinett, Stadt Brühl<br />

48<br />

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Ein wenig Ruhe<br />

Am 15. August 1938, so steht es im schwarzen Folianten des<br />

Grundbuches zu Privas geschrieben, kaufte Leonora Mary Carrington,<br />

geboren am sechsten April neunzehnhun<strong>der</strong>tsiebzehn in<br />

Clayton Green Chorley (England), wohnhaft und nie<strong>der</strong>gelassen in<br />

<strong>der</strong> Rue Jacob Nummer zwölf im sechsten Arrondissement in Paris,<br />

vom Kleinbauern Roumaigne Fontenille ein Haus mit verschiedenen<br />

Nebenbauten und 260 Hektar Land in Les Aliberts bei Saint-Martin<br />

d’Ardèche, zum Preis von 2000 anciens francs.<br />

Warum trat Leonora als Käuferin auf und nicht Max Ernst? War<br />

die Tochter eines englischen Großindustriellen ganz einfach besser<br />

bei Kasse? O<strong>der</strong> ahnte Max, <strong>der</strong> von den Nazis geächtete<br />

„Entartete“ schon damals, dass es bald einmal für einen deutschen<br />

Staatsbürger nicht ratsam sein würde, in Frankreich Eigentum zu<br />

besitzen? Verdun war erst vor 20 Jahren gefallen.<br />

Es ist ein Haus aus dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t, seit langem verlassen<br />

und in schlechtem Zustand. Man erreicht es über einen Fußweg<br />

vom Dorf, zehn Minuten vielleicht, eine Viertelstunde.<br />

Eine Treppe führt zum Eingang, man tritt direkt in die Küche ein.<br />

Drinnen ein Steinboden, ein Schüttstein aus Stein, ein kleiner<br />

Kamin. Dahinter ein zweites kleines Zimmer, eine Treppe zum<br />

Obergeschoss. Aus dem ersten Stock ein wun<strong>der</strong>barer Blick auf<br />

Aiguèze, das Dorf jenseits <strong>der</strong> Ardèche, das verlassen ist, weil alle<br />

Männer im Krieg von 1914/18 gestorben sind.<br />

Max und Leonora öffnen die Fenster weit. Wer sich ein altes Haus<br />

zu eigen macht, wie<strong>der</strong>holt ganz selbstverständlich die Gesten <strong>der</strong>er,<br />

die dort früher lebten. Mit großen Schritten durchschreiten sie die<br />

Räume, um Maß zu nehmen und um die Böden zu prüfen. Sie<br />

befreien die Wände von Spinnweben, leeren die Jutesäcke voller<br />

Schnüre, mit denen man die Weinstöcke aufgebunden hatte. Sie<br />

heben die Gegenstände auf, die sich in Jahrzehnten angesammelt<br />

49<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


haben: Nägel, Schlüssel, Haken, Drahtenden, Scherben, vom<br />

Dorfschmied geformte Werkzeuge. Max sammelt diese Utensilien,<br />

legt sie, zusammen mit den geschnitzten und gebrauchten Hölzern,<br />

in eine Ecke des Zimmers.<br />

Eine glückliche, produktive Zeit beginnt. Max arbeitet gleichzeitig<br />

am Relief, an mehreren großen Skulpturen im Garten, am Fresko<br />

an <strong>der</strong> Terrassenwand. Leonora bemalt das Innere des Küchenschranks,<br />

später nimmt auch sie eine Skulptur in Angriff. Es wird<br />

ihre erste sein, unter <strong>der</strong> Anleitung von Max. Ein Pferdekopf.<br />

Vor allem schreibt Leonora. Auf einer alten Portable tippt sie ihre<br />

Novellen, in denen sich Frauen in Pferde verwandeln, von Ängsten<br />

gehetzte Menschen die fantastischsten Abenteuer bestehen, in<br />

Häusern und Landschaften, für die die Ruinen, die Schluchten, die<br />

Felsen <strong>der</strong> Ardèche das gespenstische Szenario abgeben. Sie<br />

schreibt in ihrem Kau<strong>der</strong>welsch von Französisch und Englisch, dessen<br />

sie sich in ihren Gesprächen mit Max bedient und das Max<br />

„ihre reine und wahre Sprache“ nennt.<br />

Max und Leonora inspirieren einan<strong>der</strong> zu einem fantasievollen<br />

Leben voller Spiele und Späße. Gemeinsam heben sie ab in eine Welt,<br />

in <strong>der</strong> die Realität ihre scharfen Konturen verliert, in <strong>der</strong> nichts zählt<br />

und alles erlaubt ist. Wie König und Königin im Märchen sitzen sie<br />

auf ihren goldenen Sesseln, ziehen an den feinen Fäden, die sie<br />

gesponnen haben, lassen die Puppen tanzen. Was kümmert sie das<br />

Gemetzel, das die Mächtigen anrichten, draußen in <strong>der</strong> kalten Welt<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en? Leonora ist Wachs in Maxens Händen. Auf den leisesten<br />

Wink reagiert sie, immer bereit, ihm ein Schnipsel darzubieten<br />

aus ihrem magischen Kin<strong>der</strong>wun<strong>der</strong>land, in dem die Pferde fliegen<br />

und die Vögel spöttische Reime krächzen. Freunde, die aus England<br />

und Paris anreisen, verzehren mit Galgenhumor die Mahlzeiten, die<br />

Leonora zusammenbraut – nicht selten finden sie darin Büschel ihrer<br />

eigenen Haare wie<strong>der</strong>, die Leonora ihnen heimlich nachts abgeschnitten<br />

und später zu strähnigen Speisen verarbeitet hat. Ein<br />

Sammler wird mit Kaviar aus Sagokörnern, in Tinte gefärbt,<br />

beglückt. Leonora empfängt die Gäste in Roben aus Spitzen und<br />

50<br />

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Fransen, die ihr ihre italienische Freundin, die Künstlerin Leonor<br />

Fini, aus ihrem Kostümfundus mitgebracht hat. Leonoras Humor<br />

trägt unverkennbar die Züge <strong>der</strong> britischen Limericks, jener keineswegs<br />

stubenreinen Kin<strong>der</strong>verse, die in trockener Ironie Naives und<br />

Schreckliches zusammenreimen. So stammt Little Francis, Leonoras<br />

Ebenbild in <strong>der</strong> gleichnamigen Novelle, verfasst im Winter 1937/38<br />

in Saint-Martin, aus Harry Grahams Ruthless Rhymes for Heartless<br />

Homes, einer Sammlung gänzlich unübersetzbarer „erbarmungsloser<br />

Reime für herzlose Heime“:<br />

Little Francis home from school<br />

swung the baby by his tool:<br />

Mother screamed, Auntie shud<strong>der</strong>ed,<br />

Father muttered, „I ’ ll be buggered!“<br />

Nanny said, „Naughty Francis!<br />

You ’ re ruined babys future chances.“<br />

Ironie und Horror, die typisch britische Mischung, begeisterte Max.<br />

Vielleicht täuschte sie ihn darüber hinweg, dass hinter den Scherzen<br />

des verspielten Mädchens aus London manchmal das kalte Grauen<br />

aufschien.O<strong>der</strong> hatten sich in jenen Zwischenkriegsjahren nicht nur<br />

die Surrealisten, son<strong>der</strong>n die Menschen überhaupt häuslich eingerichtet<br />

im Grenzraum zwischen Übermut und Schrecken?<br />

Im September 1938 unterzeichnen in München Neville Chamberlain,<br />

Edouard Daladier, Adolf Hitler und Benito Mussolini den Vertrag,<br />

<strong>der</strong> scheinbar den Krieg verhin<strong>der</strong>t und dafür Deutschland<br />

ermächtigt, das tschechoslowakische Grenzgebiet in Böhmen und<br />

Mähren zu besetzen. Maxens 17jähriger Sohn Jimmy hat ein Visum<br />

für die U.S.A. ergattert und ist im Juni in New York gelandet. Seine<br />

jüdische Mutter Lou lebt in einer schäbigen Pension in Paris und<br />

wartet auf bessere Zeiten. Wie viele ihrer Leidensgenossen kann sie<br />

nicht glauben, dass in <strong>der</strong> Heimat Goethes, Heines und Beethovens<br />

<strong>der</strong> organisierte Terror etwas an<strong>der</strong>es sein könnte als eine vorübergehende<br />

Verirrung.<br />

51<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Max Ernst bei <strong>der</strong> Arbeit am Loplop-Relief, Saint-Martin d’Ardèche, 1939<br />

Bildquelle: Max-Ernst-Kabinett, Stadt Brühl<br />

52<br />

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Das Leben ist in jenen Tagen nicht leicht in Frankreich.<br />

Seit langem ist das Land gespalten, in eine katholische und eine<br />

laizistische Hälfte. Noch immer sitzt <strong>der</strong> Schock <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Revolution <strong>der</strong> Oligarchie in den Knochen. Seit die Volksfront<br />

regiert, eine Koalition aus Sozialisten und Kommunisten, fürchtet<br />

eine verunsicherte Rechte den Ausbruch <strong>der</strong> proletarischen<br />

Revolution.<br />

Auf den Pavillons <strong>der</strong> Weltausstellung 54 Meter über <strong>der</strong> Seine<br />

flattert <strong>der</strong> Reichsadler – nur 33 Meter entfernt vom kraftstrotzenden<br />

Paar, das die Rote Fahne mit dem Hammer und <strong>der</strong> Sichel <strong>der</strong><br />

Sowjetunion hochhält. Das Bürgertum hört halbherzig den<br />

„Appeasement“-Schalmeien zu, die große Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

hofft, 20 Jahre nach dem Ende des furchtbaren Weltkrieges,<br />

<strong>der</strong> Frankreich an<strong>der</strong>thalb Millionen Tote gekostet hat, nicht noch<br />

einmal aufs Schlachtfeld gezwungen zu werden.<br />

Doch die Willkür <strong>der</strong> Diktatoren lenkt die Weltgeschichte in eine<br />

an<strong>der</strong>e Richtung. Die Proklamation des Protektorats Böhmen und<br />

Mähren durch das Hitler-Regime im Sommer 1938 lässt ahnen,<br />

dass sich <strong>der</strong> deutsche Territorialhunger nicht auf die deutschen<br />

Min<strong>der</strong>heiten in Osteuropa beschränken wird. Im Herbst meldet<br />

Mussolini seinen Anspruch auf Nizza, Savoyen, Korsika und<br />

Tunesien an.<br />

München ist gescheitert.<br />

53<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Es regnet wie<strong>der</strong> über Europa<br />

Für Max und Leonora ist es ein brutales Erwachen aus ihrer magischen<br />

Traumwelt. Am 1. September 1939 morgens um 4.45 Uhr<br />

fällt Hitlers Wehrmacht über Polen her. Zwei Tage danach, am<br />

3. September 1939 um 17 Uhr, sechs Stunden nach London, erklärt<br />

die französische Regierung Deutschland den Krieg.<br />

Max lebt seit 18 Jahren in Frankreich. Er fühlt sich längst nicht<br />

mehr als Deutscher, schon eher als Franzose, hat sich auch – dank<br />

<strong>der</strong> Interventionen von Marie-Berthe Aurenches erzürntem Vater<br />

freilich erfolglos – um die französische Staatsbürgerschaft bemüht.<br />

Mit <strong>der</strong> Kriegserklärung ist er unversehens zum „feindlichen<br />

Auslän<strong>der</strong>“ geworden. Denn im Krieg zählt nur <strong>der</strong> Pass, die<br />

Gesinnung wird zur unüberprüfbaren Nebensache.<br />

Ein feindlicher Auslän<strong>der</strong>, Bürger eines Landes, mit dem man<br />

Krieg führt, wird als Gefahr für die öffentliche Sicherheit, als möglicher<br />

Spitzel, Spion o<strong>der</strong> Saboteur betrachtet. Eine <strong>der</strong> ersten<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> französischen Behörden nach <strong>der</strong> Kriegserklärung<br />

besteht daher darin, die „unerwünschten Auslän<strong>der</strong>“ einzusammeln<br />

und in Lager einzuweisen. Am 5. September 1939 und in den<br />

folgenden Tagen for<strong>der</strong>t die französische Regierung über Rundfunk<br />

und auf Anschlägen an den Mauern <strong>der</strong> Rathäuser alle deutschen<br />

Staatsangehörigen männlichen Geschlechts von 17 bis 50 Jahren<br />

auf, sich unverzüglich in den Sammellagern zu melden. Max ist 48<br />

Jahre und fünf Monate alt. 200 Deutsche folgen diesem Ruf schon<br />

am ersten Tag – Max ist nicht unter ihnen.<br />

Wie ein Erdbeben erleben die vielen deutschen Antifaschisten in<br />

Südfrankreich die Ankündigung ihrer Internierung in dem Land, in<br />

dem sie sich bisher so sicher gefühlt haben. Einer von ihnen ist <strong>der</strong><br />

Schriftsteller Lion Feuchtwanger. In seinem Buch Der Teufel in<br />

Frankreich hat er die Tage und Wochen nach dem Kriegsausbruch<br />

beschrieben.<br />

54<br />

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Die Nachricht von <strong>der</strong> Internierung <strong>der</strong> Deutschen vernahm<br />

Feuchtwanger im Radio. „Die Landschaft verlor mir ihre Farbe,<br />

mein ganzes Leben seinen Geschmack.“ Noch zögerte <strong>der</strong> Schriftsteller,<br />

<strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung Folge zu leisten, sich zu melden. Aber am<br />

Tag danach schon klingelte sein Telefon. In barschem Ton wurde<br />

ihm mitgeteilt, er habe sich bei <strong>der</strong> „Mairie“, <strong>der</strong> Gemeindekanzlei<br />

seines Wohnortes Sanary-sur-Mer zu melden. Dort werde man ihm<br />

einen Passierschein für die Reise nach Aix-en-Provence ausstellen.<br />

Bestimmungsort: das in <strong>der</strong> Nähe von Aix gelegene Flüchtlingslager<br />

Les Milles. Am nächsten Tag bestieg Feuchtwanger das Taxi, das<br />

ihn ins Lager bringen sollte. Seine Frau durfte zu Hause bleiben.<br />

Wir wissen nicht, wie Max sich in jenen Tagen verhalten hat. Es ist<br />

anzunehmen, dass auch er die Hiobsbotschaften <strong>der</strong> ersten Kriegstage<br />

am Radio verfolgte. Möglicherweise aber lebte er so fern <strong>der</strong> Realität,<br />

dass ihm <strong>der</strong> Ausbruch des Krieges entging. Vielleicht auch glaubte er<br />

sich in seinem Wolkenkuckucksheim sicher. Jedenfalls verstieß er<br />

gegen das Dekret vom 5. September und blieb in Saint-Martin.<br />

Wenige Tage danach ein lautes Klopfen an <strong>der</strong> Tür. Mit Schrecken<br />

sieht Leonora die zwei Gendarmen, die ein Paar Handschellen<br />

bereithalten. Der rasche Scherz, <strong>der</strong> ihr einfällt, erstirbt ihr auf den<br />

Lippen. Gebieterisch verlangen die Männer nach Max. Sie führen<br />

ihn ab und überführen ihn in das Gefängnis von Largentière bei<br />

Aubenas in <strong>der</strong> nördlichen Ardèche. Hier ist Max einer von 25<br />

Häftlingen, die von fünf Offizieren und zehn Unteroffizieren<br />

bewacht werden.<br />

Max bleibt sechs Wochen in Largentière. Leonora folgt ihm, mietet<br />

ein Zimmer in einer kleinen Herberge in <strong>der</strong> Nähe. Max vertreibt<br />

sich die Zeit mit Malen, Leonora deckt ihn mit Farben und Pinseln<br />

ein und schleppt Esswaren herbei. Wenn er neue Leinwände<br />

braucht, fährt sie nach Saint-Martin und holt das Gewünschte. Max<br />

darf auch für den Lagerkommandanten ein Bild mit dem Titel<br />

„Souvenir de Largentière“ malen. Doch es fällt nicht zur Zufriedenheit<br />

des „Capitaine-Chef“ aus: „Sie haben kein Recht, so etwas zu<br />

malen!“ wettert <strong>der</strong>, als er das Gemälde sieht.<br />

55<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Ziegelei in Les Milles bei Aix-en-Provence, wo Max Ernst<br />

drei Monate bis Dezember 1939 interniert war.<br />

Bildquelle: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

Ende Oktober bringt man auch Max, wie vor ihm Feuchtwanger,<br />

nach Les Milles bei Aix-en-Provence. Leonora bleibt allein in Saint-<br />

Martin zurück.<br />

Max Ernst hat die Monate im Flüchtlingslager Les Milles in seiner<br />

Autobiografie nicht erwähnt. Feuchtwanger hingegen hat<br />

Tagebuch geführt und seine Notizen später im amerikanischen Exil<br />

zum Roman Der Teufel in Frankreich verarbeitet. Der „Teufel“, das<br />

Gegenstück zum „Herrgott in Frankreich“, ist für den deutschen<br />

Schriftsteller <strong>der</strong> Satan, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Flut von Dekreten, Gesetzen und<br />

Reglements sitzt, mittels <strong>der</strong>er Frankreich regiert wird. Und <strong>der</strong><br />

Teufel ist auch die träge Gangart des aufgeblähten bürokratischen<br />

Apparates, <strong>der</strong> diese Regeln anzuwenden hat.<br />

Leidenschaftslos, in kühlem Reportagestil, schil<strong>der</strong>t Feuchtwanger<br />

die seltsame Hölle, in die es die deutschen Flüchtlinge in<br />

den ersten Kriegsmonaten verschlagen hat. Les Milles ist ein Dorf<br />

wie viele in Südfrankreich. Weingüter, Reben, Oliven, ockerfarbene<br />

Steinhäuser. Und dazwischen auf einem riesigen kahlen Areal an<br />

<strong>der</strong> Bahnlinie die Ziegelei. Mehrere kleine Nebengebäude, das<br />

56<br />

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Hauptgebäude, drei Stockwerke hoch, langgestreckt, aus gelben<br />

Ziegelsteinen. Spitz-giebeliges Dach, dahinter zwei hohe Schornsteine.<br />

„Da die Höfe die meiste Zeit des Tages in greller Sonne<br />

lagen, wirkte das Innere des Gebäudes zwiefach dunkel. Überdies<br />

war es erfüllt von Ziegelstaub. Verdickter, festgetretener Ziegelstaub<br />

machte den Boden uneben, zerbröckelnde, sich in Staub auflösende<br />

Ziegel lagen in Massen herum, Staub, Staub war überall.“<br />

In diesem Staub, in diesen düsteren Hallen verbringen Feuchtwanger,<br />

Max Ernst und ihre Schicksalsgenossen den größten Teil des<br />

Lageralltags. „Hier aßen und schliefen wir, auf diese Räume waren wir<br />

angewiesen, wenn es regnete o<strong>der</strong> wenn, was in dieser Gegend häufig<br />

ist, <strong>der</strong> Wind die Höfe zu einer einzigen Staubwolke machte. Und<br />

selbst bei strahlendem Wetter flüchten sich die Lagerinsassen vor <strong>der</strong><br />

sengenden Sommersonne <strong>der</strong> Provence in das Gebäude.“<br />

1850 Internierte sind im Oktober 1939 in Les Milles untergebracht:<br />

Vor allem Reichsdeutsche, das heißt Deutsche, Österreicher,<br />

Polen, Tschechoslowaken, aber – aus eher unerfindlichen<br />

Gründen – auch Luxemburger, Belgier und Skandinavier, die im<br />

Chaos <strong>der</strong> ersten Kriegswochen in den Netzen <strong>der</strong> französischen<br />

Bürokratie hängengeblieben sind.<br />

Wer Glück hat, haust im Erdgeschoss, in den Nischen zwischen<br />

den alten Brennöfen. Hier in den „Katakomben“ finden sich jede<br />

Nacht die Schlaflosen ein. Sie haben eine Spielbank eingerichtet,<br />

einen Speisesaal, einen Versammlungsraum. Sie reden, sie spielen<br />

Karten, sie vertreiben sich irgendwie die endlosen Tage und Nächte.<br />

Feuchtwangers Beschreibungen entwerfen das triste Bild des<br />

Lageralltags in Les Milles. Die verwahrlosten Gestalten, die den riesigen<br />

Hof zwischen den Fabrikgebäuden bevölkerten und die sich –<br />

je<strong>der</strong> auf seine Weise – irgendwie mit den Umständen arrangiert<br />

hatten. Die allgegenwärtigen roten Ziegel, <strong>der</strong>en Staub in alle Ritzen<br />

und Poren drang. Als Begleitmusik das scherbelnde Geklapper, das<br />

aus den Ecken tönte, wenn die aus mühsam zusammengetragenen<br />

Ziegeln improvisierten Möbel, die Tische, Stühle und Mäuerchen<br />

bei <strong>der</strong> leisesten Belastung einstürzten.<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Auf den Höfen ein ständiges Gehen und Laufen. Die Männer fanden<br />

sich zu Gruppen zusammen, um zu schwatzen, die neuesten<br />

Gerüchte zu kolportieren, die wenigen eingeschmuggelten Zeitungen<br />

zu lesen. Glückliche Besitzer eines Exemplars vermieteten es<br />

zur zeitlich scharf abgegrenzten Lektüre und standen daneben, um<br />

darüber zu wachen, dass <strong>der</strong> Lesende die gemietete Zeit nicht überschritt.<br />

Meistens warteten sie auf irgendetwas. Sie standen Schlange vor<br />

den Büros und warteten zum Beispiel auf Geld. Man hatte es ihnen<br />

abgenommen und sie konnten es in kleinen Summen einfor<strong>der</strong>n,<br />

um sich im Schwarzhandel mit Esswaren, Zigaretten, Zeitungen einzudecken.<br />

O<strong>der</strong> sie standen an, um sich beim Arzt zu melden. O<strong>der</strong><br />

um Esswaren abzuholen, die ihnen zugeteilt waren.<br />

Im Hof schwelte ein beißen<strong>der</strong> Gestank. Er stammte von den vier<br />

Latrinen, die zwei internierte Architekten, <strong>der</strong> Rom-Preisträger<br />

Konrad Wachsmann und <strong>der</strong> Tempelhof-Erbauer Zippert entworfen<br />

hatten. Aus Abfallbrettern notdürftig zusammengenagelt, mit vier<br />

Löchern und Blechschüsseln ausgestattet, ersetzten sie die<br />

Erdlöcher, die zuvor demselben Zweck gedien hatten. Sie mussten<br />

für fast 2000 Menschen reichen, waren ständig besetzt, endlose<br />

Warteschlangen bildeten sich davor. Drinnen gab es kein Wasser,<br />

dafür Millionen von Fliegen. Feuchtwanger wird fast pathetisch,<br />

wenn er das prekäre Glücksgefühl beschreibt, das er empfand, als<br />

ihm einer, dessen Bedürfnis weniger dringend war, seinen Platz in<br />

<strong>der</strong> Warteschlange abtrat. Und die Demütigung, den Hass gegen<br />

den herrischen Wachsoldaten, <strong>der</strong> ihm den mühsam erstandenen<br />

Spitzenplatz wie<strong>der</strong> streitig machte.<br />

Gegessen wurde an langen Tischen, aus Blechnäpfen, die niemals<br />

richtig sauber waren, in denen <strong>der</strong> Kaffee schmeckte wie die Suppe<br />

vom Vortag. Und in allem <strong>der</strong> Geschmack des Broms, das man den<br />

Männern ins Essen mischte, um ihre sexuellen Triebe zu dämpfen.<br />

Von Max Ernst gibt es wenig Nachrichten aus dieser Zeit. Sicher<br />

ist, dass er in Les Milles seinen guten Freund Hans Bellmer aus dem<br />

Umfeld <strong>der</strong> Pariser Surrealisten traf, mit dem er eine Nische in den<br />

58<br />

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Katakomben bezog. Der französische Autor André Fontaine berichtet,<br />

Ernst habe auch in Les Milles an neuen Techniken gearbeitet.<br />

Ernst und Bellmer malten und zeichneten fast unablässig, um – wie<br />

Max später erwähnte – „ihre Wut und ihren Hunger zu besänftigen“.<br />

Möglich, dass die beiden Surrealisten die groteske Lagersituation<br />

besser ertrugen, als viele ihrer weniger fantasiebegabten Leidensgenossen.<br />

Fontaine überliefert eine Bemerkung Bellmers beim Anblick<br />

des gespenstischen Szenarios im ersten Stockwerk <strong>der</strong><br />

Ziegelei: „Diese Rä<strong>der</strong>werke, diese Pressen, diese Männer, diese<br />

Hackmesser – welch prophetisches Schauspiel! Welch eine surrealistische<br />

Welt!“<br />

Es gibt aus Les Milles ein Porträt Bellmers von Max Ernst: ein<br />

Kopf aus Ziegelsteinen zusammengefügt. Ziegelsteine auch auf <strong>der</strong><br />

beklemmenden Collage, die Bellmer und Ernst gemeinsam bastelten:<br />

Zwei Männer liegen regungslos am Boden, zwei Frauen beugen<br />

sich über sie. Die vier Figuren hängen – in Gold gerahmt – an einer<br />

Wand aus Ziegeln. Die Hand des einen Mannes, <strong>der</strong> Max Ernst sein<br />

könnte, ragt aus dem Rahmen und hält ein skelettartiges<br />

Knochengebilde fest, das im Begriff ist, sich wie ein Gespenst in<br />

einer Öffnung in <strong>der</strong> Ziegelwand zu verflüchtigen. Doch die Öffnung<br />

– sie hat die Form eines hochhackigen Frauenschuhs – führt nicht<br />

ins Freie, son<strong>der</strong>n nur noch tiefer in die Mauer … Für heutige<br />

Zeitgenossen einer historischen Mauerbeseitigung eine wahrhaft<br />

prophetische Allegorie.<br />

Max Ernst sei ein unauffälliger Lagerinsasse gewesen, erinnert<br />

sich <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Schweiz lebende Historiker Werner Rings, <strong>der</strong> als<br />

junger Student in Les Milles interniert war. Rings hatte sich <strong>der</strong><br />

Gruppe von Intellektuellen und Künstlern angeschlossen, die ihre<br />

Abende im Erdgeschoss <strong>der</strong> Ziegelei, in <strong>der</strong> „Katakombe“ – so<br />

benannt nach dem Berliner Kabarett <strong>der</strong> Vorkriegsjahre – verbrachte.<br />

Zu ihnen zählt Rings neben Max Ernst den Maler Hans Bellmer,<br />

den Filmcutter Oswald Hafenrichter (Mädchen in Uniform, Der<br />

Dritte Mann), den ehemaligen preußischen Offizier und Maler Gert<br />

Kaden, den Maler Werner Lawes, den Herausgeber einer Musik-<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

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<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


zeitschrift Heinrich Strobel, den Bildhauer Peter Lipman Wulf, den<br />

kommunistischen Schriftsteller Peter Kast, den späteren Churchill-<br />

Übersetzer Franz Fein, den Violinisten Fritz Rikko.<br />

Die Katakombe-Abende waren kurzweilig. Bühnenstücke wurden<br />

eigens dafür verfasst, Kabaretttexte geschrieben. Max inszenierte<br />

neue Varianten <strong>der</strong> Gesellschaftsspiele, mit denen sich die<br />

Surrealisten vergnügt hatten. Man trank, man erzählte Witze und<br />

vertrieb mit schwarzem Galgenhumor die endlose Zeit.<br />

Gelassen sei er gewesen, <strong>der</strong> Max Ernst, erinnert sich Rings, und<br />

gebraucht die Adjektive „leise“, „zäh“, „langsam“, „konzentriert“,<br />

um ihn zu beschreiben. An seine Gestalt, in ein dunkles Cape gehüllt<br />

durch die Hallen und Höfe streifend, „wie ein Ritter auf<br />

den Glasfenstern <strong>der</strong> deutschen Kathedralen“ erinnert sich <strong>der</strong><br />

Historiker Fontaine. Mit dem Dichter Ferdinand Hardekopf habe<br />

Ernst, so Fontaine, viele Stunden diskutierend verbracht, „über<br />

Gide, Malraux, Maupassant, Zola, die Dadaisten.“ Beim abendlichen<br />

gemeinsamen Essen habe er die leeren Käseschachteln eingesammelt,<br />

um auf <strong>der</strong>en weißem Boden zu zeichnen. Er zeichnete<br />

immer dasselbe: den Kopf einer schönen Frau. Es war stets dasselbe<br />

Gesicht, dieselbe Frau, aus allen möglichen Blickwinkeln.<br />

Er sagte nie, wer sie war. Es war Leonora.<br />

Frauenbesuche, wie sie im Gefängnis von Largentière toleriert<br />

wurden, sind in Les Milles nicht möglich. Sicher hat Leonora trotzdem<br />

versucht, Max zu sehen. So wie die Frauen, die Lion<br />

Feuchtwanger beschreibt: „Sie gingen auf <strong>der</strong> staubigen Landstraße<br />

auf und ab, stundenlang, tagelang, um vielleicht für eine halbe<br />

Minute das Gesicht des Mannes zu erspähen.“ Irgendeiner überbrachte<br />

die Nachricht: „X., Deine Frau ist da!“ Dann hastete <strong>der</strong><br />

Glückliche ins Obergeschoss, streckte den Kopf zum Fenster hinaus,<br />

um über die Mauer hinweg zu sehen. Gelang es endlich, den<br />

Blickkontakt herzustellen, dann „schrie er ihr etwas zu und sie verstand<br />

nicht und er schrie noch einmal und sie schrie zurück, und<br />

dann kamen die Wachen und jagten die Frau fort, und sie jagten den<br />

Mann vom Hof, es war ein jämmerliches Schauspiel.“<br />

60<br />

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Ein Glück für Max, dass er in Paris gute Freunde hat. Paul Eluard<br />

schreibt an den Staatspräsidenten persönlich. Max Ernst, einer <strong>der</strong><br />

„bewun<strong>der</strong>nswürdigsten Maler“, sei seit Kriegsbeginn interniert:<br />

„Ein einfacher, stolzer, loyaler Mensch“ sei er und Eluards bester<br />

Freund. Er besitze in Saint-Martin d’Ardèche ein kleines Häuschen,<br />

das er selbst gebaut und ausgeschmückt habe. „Man lasse ihn dorthin<br />

zurückkehren, er wird sich von dort nicht bewegen.“ Eluard verbürge<br />

sich für ihn, <strong>der</strong> Staatspräsident solle Gnade walten lassen.<br />

Der Brief wirkt: Am 23. Dezember 1939 wird Max freigelassen.<br />

Er kehrt nach Saint-Martin zurück. Nach drei endlosen Monaten<br />

wie<strong>der</strong> bei Leonora.<br />

Es ist die Zeit <strong>der</strong> „drôle de guerre“. Polen, wo <strong>der</strong> Krieg wütet,<br />

ist fern. Zwar stecken 4,5 Millionen Franzosen in Uniform. Doch<br />

das Leben in den Städten und Dörfern des Midi hat sich wenig verän<strong>der</strong>t.<br />

Zu essen gibt es genug, wenn auch mit Restriktionen. An<br />

manchen Tagen wird kein Fleisch verkauft, an an<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Alkohol<br />

verboten. In den Lokalzeitungen, die stark zensiert sind, erscheint<br />

viel Nebensächliches, Tröstliches, Verharmlosendes.<br />

Die französischen Intellektuellen mögen ihn nicht, diesen abwesenden,<br />

in Watte verpackten Krieg. Jean Paul Sartre, auch er<br />

in Uniform, notiert am 20. November 1939 in seinen Carnets de<br />

la drôle de guerre: „Der Krieg war nie ungreifbarer als in diesen<br />

Tagen. Er fehlt mir, denn schließlich, wenn er nicht existiert – was<br />

zum Teufel habe ich hier zu suchen?“<br />

Für Max und Leonora aber kündigt sich ein neuer Frühling an. Max<br />

erholt sich vom Lager. Er malt ein Bild mit dem Titel Un peu de calme<br />

(Ein wenig Ruhe) – ein Wald aus Fischgräten und dichtem Blätterwerk.<br />

Es wird eines seiner Hauptwerke. Fast 20 Jahre später wird er es aus<br />

dem Keller in Saint-Martin holen, in dem es 17 Jahre lang gelegen<br />

hatte. Er wird den Wald mit einen großen bunten Vogel und den<br />

Himmel mit einem feenhaft schwebenden Luftwesen ergänzen.<br />

Er beendet auch die Arbeiten am Haus. Die Hausgeister des<br />

Loplop-Reliefs zeigen <strong>der</strong> verrückt gewordenen Welt den Vogel.<br />

Die Geflügelte Sphinx, die Sirene auf <strong>der</strong> Treppe zum Garten, die<br />

61<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Doppelbüste über dem Fenster, Leonoras Pferdeköpfe scheinen das<br />

Haus zu beschützen. Max lebt von Zuwendungen seines französischen<br />

Freundes Joë Bousquet, <strong>der</strong> ihm Bil<strong>der</strong> abkauft. Leonora<br />

wird von ihren Eltern in England finanziell unterstützt. Ob allerdings<br />

die Transfers aus London auch in Kriegszeiten eintreffen, wissen<br />

wir nicht.<br />

Der Kriegsfrühling 1940 bricht an, und damit die dramatischsten<br />

Monate in Frankreichs jüngerer Geschichte. Am 10. Mai 1940<br />

beginnt <strong>der</strong> Blitzkrieg. Hitlers Truppen fallen in Holland ein, am<br />

15. Mai überrennen sie Belgien und Luxemburg. Frankreich fällt.<br />

Eine neue Verhaftungswelle schwemmt tausende neuer Internierter<br />

in die französischen Lager. Auch Max entrinnt ihr nicht: Ein<br />

Taubstummer im Dorf gibt an, ihn überrascht zu haben, als er mit<br />

einer Taschenlampe dem Feind Signale morste. Der Feind ist zwar<br />

noch 1000 Kilometer entfernt und die Taschenlampen galten bloß<br />

den Weinbergschnecken, welche die Einheimischen in den Aliberts<br />

suchten. Doch die Denunziation wird ernstgenommen. Wie<strong>der</strong><br />

erscheinen Gendarmen unter <strong>der</strong> Tür, wie<strong>der</strong> Handschellen.<br />

Um den 20. Mai wird Max erneut in Les Milles eingeliefert, wo<br />

jetzt etwa 3000 Flüchtlinge interniert sind. Leonora läuft hinter dem<br />

Wagen her, <strong>der</strong> Max entführt. Unten im Dorf, im Hotel des<br />

Touristes, weint sie sich aus. Die Wirtin, Berthe Granier, tröstet sie<br />

und schenkt ihr den Cognac ein, <strong>der</strong> ihr hilft, zu vergessen.<br />

Ob Berthe Granier schon in diesem Moment eine Gelegenheit<br />

wittert, <strong>der</strong> Anglaise das Haus und die dazugehörigen Reben abzuluchsen?<br />

Ob sie die klingelnden Kassen übermütig gemacht haben?<br />

Denn ihr Hotel ist so voll belegt, wie noch nie. Vom Krieg vertriebene<br />

Menschen aus Holland, Belgien und Luxemburg suchen in den<br />

Dörfern Südfrankreichs Zuflucht, auch Saint-Martin ist von<br />

Flüchtlingen überrannt.<br />

Am 10. Juni 1940 erklärt Mussolini Frankreich den Krieg. Jeden<br />

Tag erwarten die Südfranzosen den Einfall italienischer Truppen<br />

aus dem Osten. Und unaufhaltsm stößt Hitlers Wehrmacht gegen<br />

Süden vor.<br />

62<br />

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Der Zusammenbruch<br />

Manchmal, wenn sie morgens aufwacht nach ein paar Stunden<br />

Schlaf, wenn die Sonne auf ihr Kopfkissen scheint und die Katze<br />

sich an ihre Füße schmiegt, wenn sie sich wohlig streckt und das<br />

Licht durch ihren Körper rieselt – manchmal frühmorgens ist sie für<br />

einen Augenblick glücklich. Bis die Erinnerung sie einholt. Wie<br />

flüssiges Blei schießt sie durch die Blutbahnen zum Herz, bildet<br />

einen schweren Klumpen, lässt den Atem stocken, legt sich schwarz<br />

und schwer hinter die Li<strong>der</strong>, drückt auf die Tränendrüsen, ist überall.<br />

Die Erinnerung an das Unheil: „Max ist fort. Ich bin allein.“<br />

Sie rappelt sich hoch, tastet sich durch das dunkle Treppenhaus<br />

hinunter in die Küche. In einer Flasche bewahrt sie ein Gebräu aus<br />

Orangenblüten, das ihr den Magen zusammenzieht und ihr hilft,<br />

sich zu übergeben. Für einen Moment löst sich <strong>der</strong> Klumpen in<br />

ihrem Magen. Der Klumpen ist das Unrecht, ist die ungeheuerliche<br />

Ungerechtigkeit, die ihr wi<strong>der</strong>fahren ist, die sie nicht verdauen, die<br />

sie nur herauskotzen kann. Vielleicht, denkt sie, verscheuchen die<br />

Krämpfe in ihrem Magen die entsetzliche Einsamkeit.<br />

Leonora ist knapp 23 Jahre alt und denkbar schlecht gerüstet, um<br />

die Ereignisse, die ihr Schicksal in diesen Tagen bestimmen, zu<br />

durchschauen. Für historische o<strong>der</strong> politische Zusammenhänge hat<br />

sie sich nie interessiert, was in diesen Tagen in Europa geschieht,<br />

hat sie nur am Rand zur Kenntnis genommen. Als gelehrige Windsbraut<br />

<strong>der</strong> Surrealisten hat sie gelernt, nur ihren Gefühlen zu vertrauen.<br />

Denn je irrationaler, je emotionaler, je ichbezogener ihre<br />

Interpretationen <strong>der</strong> Realität ausfielen, umso gewisser war ihr <strong>der</strong><br />

Applaus von Max und seinen Freunden. Als Soldaten an die Tür poltern,<br />

und drohen, sie zu erschießen, weil nachts in <strong>der</strong> Nähe ihres<br />

Hauses ein Licht gesehen wurde, beeindruckt sie das denn auch<br />

kaum. „Ich wusste einfach, dass ich nicht zum Sterben bestimmt<br />

war“, erklärt sie später ihre Furchtlosigkeit.<br />

63<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Maxens Verschwinden empfindet sie schlicht als einen neuen<br />

Verrat, als eine monströse, unerklärliche und völlig unerträgliche<br />

Kränkung. Hilflos lässt sie sich vom Schmerz über die erlittene<br />

Ungerechtigkeit überschwemmen, ein unbestimmtes Gefühl <strong>der</strong><br />

Schuld verschärft die Qualen. Nie hat sie gelernt, sich mit Hilfe<br />

ihrer Vernunft abzugrenzen gegen den Ansturm <strong>der</strong> Emotionen.<br />

Ihre Situation ist in <strong>der</strong> Tat verzweifelt. Die wenigen Bekannten<br />

im Dorf sind mit den Sorgen beschäftigt, die <strong>der</strong> Krieg in jede einzelne<br />

Familie getragen hat. Ihre eigenen Angehörigen sind unerreichbar,<br />

unversöhnlich verbittert und wütend obendrein über den<br />

Umgang <strong>der</strong> Tochter mit den sittenlosen Pariser Bohémiens.<br />

Leonora verlässt das Haus, geht hinaus, ins Freie. Im hellen Licht<br />

ist die Schwere leichter zu ertragen, körperliche Arbeit beruhigt sie.<br />

Sie arbeitet in den Reben, sie wie<strong>der</strong>holt die Handgriffe, die sie mit<br />

Max von den Bauern gelernt hat. Die Reben blühen, es ist die Zeit,<br />

in <strong>der</strong> man sie mit Kupfersulfat besprühen muss. Mühselig schleppt<br />

sie die schwere Kanne von Rebstock zu Rebstock und spritzt das türkisfarbene<br />

Gift in die Stauden.<br />

Mit einer Hacke arbeitet sie im Kartoffelacker, gräbt die erdigen<br />

Knollen aus, von denen sie sich in diesen Wochen ernährt. Stundenlang<br />

hackt sie, entwickelt ungeahnte Kräfte, gräbt mit bloßen Händen<br />

im steinigen Boden, bis die Haut reißt. Wenn sich auf ihrer Stirn die<br />

Schweißtropfen bilden, fühlt sie sich wohler. Mit dem Schweiß, so<br />

glaubt sie, tritt das Unreine, das Ungerechte, das Quälende aus ihrem<br />

Körper aus. Wenn sie Durst hat, trinkt sie Wein, <strong>der</strong> Rausch heizt<br />

ihre Fantasien an.<br />

Manchmal gelingt es ihr, ihre Albträume in Worte zu fassen. In zwei<br />

Wochen schreibt sie sich Anfang Mai 1940 das Theaterstück Das Fest<br />

<strong>der</strong> Lämmer vom Leib. Ein wildes Epos über ein perverses familiäres<br />

Beziehungsgeflecht, in dem Liebe mit Herrschsucht einhergeht, in<br />

dem geköpfte Schafe, Hühner und Hirten, vermenschlichte Hunde,<br />

herrische Großbürger und sadistische Kin<strong>der</strong> die Bühne bevölkern.<br />

Im Fest <strong>der</strong> Lämmer verarbeitet sie denselben Konflikt wie in<br />

Little Francis: Verlassenheit und Eifersucht. In leichter Abwandlung<br />

64<br />

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agieren dieselben Personen wie in <strong>der</strong> ein Jahr zuvor, nach Max’<br />

erstem Verschwinden aus Saint-Martin geschriebenen Novelle. Der<br />

Knabe Francis verwandelt sich jetzt in das Mädchen Theodora,<br />

Rosaline, die Rivalin aus Little Francis heißt jetzt Elizabeth und<br />

Theodora ist auf sie ebenso eifersüchtig wie Francis auf Rosaline.<br />

Die zwei Frauen zerkratzen sich die Gesichter bis Blut fließt.<br />

Der Dritte im Dreieck, „Uncle Ubriaco“, des kleinen Francis<br />

heißgeliebter beduselter Onkel, spaltet sich im Lämmerfest in zwei<br />

Figuren: Philip, <strong>der</strong> dem Ingwerwein ergebene, übelriechende<br />

alternde Gatte und Jeremy, die schneeweiße Lichtfigur, ein<br />

Mondgespenst ohne Kopf, dem die 18jährige Theodora rettungslos<br />

verfallen ist. Philip, <strong>der</strong> die Züge von Leonoras Vater trägt, traktiert<br />

seine junge Frau mit sadistischer Kälte. Jeremy liebt sie zärtlich,<br />

entschwindet aber immer wie<strong>der</strong>, überlässt sie verzweifelt ihrem<br />

Schicksal. Bevor er sie verlässt, verspricht er ihr, wie<strong>der</strong>zukommen.<br />

Aber nur, wenn sie zwei Bedingungen erfüllt: Schön muss sie bleiben,<br />

schön, fröhlich und jung. Und außerdem: „Du musst stets am<br />

Rand <strong>der</strong> Hölle leben. Sonst werde ich Dich nicht mehr lieben.“<br />

Fassungslos weinend sinkt Theodora darauf in die Knie.<br />

Unverhüllt bringt Leonora in ihrem Albtraum-Drama zum Ausdruck,<br />

woran sie leidet: an <strong>der</strong> Unfähigkeit von Max, die Beschützerrolle,<br />

die er als älterer Liebhaber übernommen hat, auszufüllen.<br />

Und am Windsbraut-Zwang, <strong>der</strong> sie dazu verdammt, am<br />

„Rand <strong>der</strong> Hölle“, am Rand des Wahnsinns zu leben, um ihm den<br />

Stoff für seine fantastischen Schöpfungen zu liefern.<br />

Die Welt um Leonora ist geborsten und ihr Körper ist das<br />

Zentrum des Zerfalls. Sie ist besessen von <strong>der</strong> Vorstellung, dass sich<br />

in ihrem Magen, dort wo <strong>der</strong> bleierne Klumpen sitzt, das ganze<br />

Unrecht dieser verrotteten Welt versammelt hat.<br />

Drei Jahre später hat Leonora den Ausbruch <strong>der</strong> Psychose nach<br />

Maxens Verschwinden so detailliert wie möglich beschrieben. Unter<br />

dem Titel Down Below hat sie diese Erzählung 1944 als Novelle<br />

publiziert und damit einmal mehr die Hochachtung <strong>der</strong> Surrealisten<br />

errungen. Die „absolute Deregulierung <strong>der</strong> Sinne“, die Breton so<br />

65<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


verehrte, hat sie schmerzvoll erlitten und in ihrem sachlich-ironischen<br />

Stil überraschend nachvollziehbar beschrieben.<br />

Nach drei Wochen setzt die Ankunft einer alten englischen Freundin,<br />

Catherine, mit ihrem ungarischen Gefährten Michel ihrer<br />

Einsamkeit ein Ende. Die beiden sind aus Paris vor den Deutschen<br />

geflüchtet und suchen im scheinbar noch sicheren Süden bei<br />

Leonora Unterschlupf.<br />

In diesen Tagen erlebt Frankreich das größte Desaster seiner<br />

Geschichte: hun<strong>der</strong>ttausend Tote for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Krieg allein im Juni<br />

1940, doppelt so viele Verwundete, die Eroberung von zwei Dritteln<br />

seines Territoriums und die totale Demütigung seiner Befehlshaber.<br />

Die deutschen Truppen stoßen bedrohlich rasch gegen Süden vor,<br />

die Gerüchte über ihr Näherrücken jagen sich in den Dörfern und<br />

Städten <strong>der</strong> Ardèche und <strong>der</strong> Provence.<br />

Die beiden angereisten Freunde Catherine und Michel drängen<br />

Leonora zur Flucht nach Spanien. Leonora zögert anfangs, will noch<br />

warten auf Max, willigt schließlich ein. „Spanien“, schreibt sie in<br />

Down Below, „bedeutete für mich eine Entdeckung.“ Und zudem<br />

die Möglichkeit, in Maxens Pass ein Visum stempeln zu lassen.<br />

Diesen Pass mit seinem Bild lässt sie nicht aus den Händen. „Es<br />

war, wie wenn ich Max mit mir trüge.“<br />

18. Juni 1940. Die deutschen Truppen sind bei Lyon, rücken<br />

nach Süden vor, die Abreise ist beschlossen. Jetzt gilt es,<br />

Reisepapiere zu beschaffen und über das Haus zu verfügen. Michel<br />

überredet sie, mit ihm zum Kantonshauptort Bourg Saint-Andéol zu<br />

fahren, um den vorgeschriebenen „Sauf-Conduit“, die Reiseerlaubnis,<br />

zu erwirken. Die Straßen sind verstopft mit flüchtenden<br />

Menschen.<br />

Der Beamte in Bourg Saint-Andéol zuckt die Achseln. Er will <strong>der</strong><br />

exaltierten jungen Auslän<strong>der</strong>in keine Papiere ausstellen. In <strong>der</strong><br />

Tasche hat Leonora die Adresse eines Notars. Berthe Granier, die<br />

Wirtin des Hôtel des Touristes in Saint-Martin, wo sie sich nach<br />

Maxens Verhaftung ausweinte, hat sie ihr zugesteckt. Der Notaire,<br />

ein Freund <strong>der</strong> Wirtin, werde ihr beistehen, hat Madame Granier<br />

66<br />

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<strong>der</strong> verwirrten Leonora vesprochen. Er werde ihr helfen, ihre seit<br />

dem Ausbleiben von Papa Carringtons Zuwendungen in unerschwingliche<br />

Höhen angestiegene Getränkeschulden irgendwie zu<br />

begleichen. Und obendrein werde er sich um das Haus und um die<br />

dort zurückgelassenen Habseligkeiten von Max und Leonora kümmern.<br />

Der Notar, Albert Josef Aimé Pagès aus Saint-Martin d’Ardèche,<br />

ist tatsächlich bereit ihr zu helfen. Und wie er hilft! In einer halben<br />

Stunde ist Leonora alles los, was Max und sie im vergangenen Jahr<br />

mit ihren Händen und ihrem Genie geschaffen haben: das Haus, die<br />

Reben, das Relief, die Skulpturen im Garten, die Wandmalereien,<br />

alle Bil<strong>der</strong>, die Max und sie in Saint-Martin gemalt haben, ihre<br />

Möbel. Und die Kunstwerke <strong>der</strong> surrealistischen Freunde, die Max<br />

gehörten, obendrein.<br />

Der findige Monsieur Pagès bedient sich einer einfachen<br />

Methode, die sowohl Leonora Carringtons Wunsch, möglichst rasch<br />

abzureisen und Berthe Graniers Lust auf das Haus droben in den<br />

Reben befriedigt. Er fertigt ein Papier aus, mit dem Leonora die<br />

Wirtin des Hôtel des Touristes in Saint-Martin ermächtigt, das Haus<br />

mit allem, was drin ist, im Namen und im Auftrag von Leonora<br />

zu verkaufen. Der Verkaufspreis wird auf 20 000 Francs festgelegt<br />

und Berthe Granier ermächtigt, alle Handlungen zu vollziehen, die<br />

<strong>der</strong> Verkauf des Hauses nach sich zieht: die Quittung über den<br />

Kaufpreis auszustellen, den Termin des Hausbezugs durch den<br />

neuen Besitzer festzulegen und in Leonoras Abwesenheit alle nötigen<br />

Formalitäten für den Besitzerwechsel zu erledigen.<br />

Leonora unterschreibt die Vollmacht, <strong>der</strong> Notar leitet sie an<br />

Berthe Granier weiter. Ob Leonora für Haus, Land, Möbel und die<br />

Kunstwerke von Max und ihr selbst je einen Franc Bargeld gesehen<br />

hat, wissen wir nicht. Wir können nur ahnen, dass sie in jenem<br />

Augenblick erleichtert ist, sich mit einer Unterschrift zu befreien<br />

von all dem, was in den letzten drei Jahren ihr Leben ausgemacht<br />

hat. Und von allem, was sie daran hin<strong>der</strong>t, vor den heranrückenden<br />

deutschen Truppen zu fliehen.<br />

67<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


In Down Below berichtet sie, wie sie vom Notar nach Hause<br />

zurückkehrte und ihren Koffer hervorholte. Wie sie die Nacht damit<br />

verbrachte, ihre Habseligkeiten zu ordnen und zu entscheiden, was<br />

im Koffer Platz finden sollte und was sie zurücklassen wollte. Am<br />

nächsten Morgen half ihr die Dorflehrerin, endlich zu dem ersehnten<br />

Stempel zu kommen, mit dem die Mairie bescheinigte, dass sie<br />

aus Saint-Martin abreisen durfte.<br />

Am nächsten Morgen, am 20. Juni 1940, dem Tag, an dem<br />

Frankreichs Regierung den Waffenstillstand mit Hitler abschließt,<br />

schreibt Leonora einen Zettel für Max: „Fahre mit Catherine nach<br />

Spanien. Erwarte Dich in Estremadura.“ Dann setzt sich Catherines<br />

klappriges Fiat-Coupé mit den drei jungen Leuten in Bewegung,<br />

Richtung Nîmes, Montpellier, Barcelona. Am Steuer sitzt Catherine,<br />

getrieben von <strong>der</strong> Angst, von den Hitler-Soldaten vergewaltigt zu<br />

werden. Auf den Vor<strong>der</strong>sitz zwischen Catherine und Michel hat sich<br />

Leonora geklemmt. Auch sie ist von Angst besessen, aber für sie<br />

sind die heranrückenden deutschen Soldaten keine Vergewaltiger,<br />

son<strong>der</strong>n eiskalte, seelen- und körperlose Roboter.<br />

20 Minuten südlich von Saint-Martin steht <strong>der</strong> Wagen still.<br />

Catherine und Michel klappen die Motorhaube hoch. Leonora hört<br />

Catherine sagen: „Die Bremsen klemmen.“ In diesem Moment verwandelt<br />

sich ihre heillose Ohnmacht in unheimliche Allmacht, beginnt<br />

ihre krankhafte Identifikation mit <strong>der</strong> Außenwelt. „Ich war das Auto,<br />

das Auto war ich. Es klemmte, weil ich klemmte, eingeklemmt zwischen<br />

Saint-Martin und Spanien wie ich war. Und ich war zutiefst<br />

erschrocken über die Macht, die ich scheinbar über die Dinge hatte.“<br />

Ein Glück, dass Leonora nicht ahnt, was ihr zweifellos wie ein weiterer<br />

erschrecken<strong>der</strong> Beweis ihrer Allmacht erschienen wäre. Sie weiß<br />

nicht, dass, während sie mit Catherine und Michel südwärts Richtung<br />

Spanien flüchtet, auch Max von Les Milles nach Spanien aufbricht.<br />

Mit 2000 deutschen Lagerinsassen auf <strong>der</strong> Flucht vor den Deutschen.<br />

Eingepfercht in einen Waggon des Zuges, <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

„train-phantôme“, „Geisterzug“, als tragikomische Marginalie des<br />

20. Juni 1940 in die französische Geschichte eingegangen ist.<br />

68<br />

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Geisterzüge unterwegs<br />

Auch in <strong>der</strong> Ziegelei von Les Milles ist in den Tagen vor dem 20.<br />

Juni 1940 <strong>der</strong> Teufel los. Die Nachricht vom Vorrücken <strong>der</strong> Hitler-<br />

Truppen Richtung Süden erfüllt die meisten Lagerinsassen mit<br />

berechtigter Panik. Sie sind unter schwierigsten Umständen vor den<br />

Nazis aus Deutschland geflüchtet. Ob jüdische Wissenschaftler,<br />

Kaufleute o<strong>der</strong> Intellektuelle, wie <strong>der</strong> kommunistische Schriftsteller<br />

Lion Feuchtwanger, o<strong>der</strong> nicht-jüdische Antifaschisten wie <strong>der</strong> „entartete“<br />

Künstler Max Ernst – sie alle hocken in Les Milles in einer<br />

furchtbaren Falle. Die Übergabe des Lagers an die Deutschen wäre<br />

für sie alle tödlich.<br />

In „Teufel in Frankreich“ beschreibt Feuchtwanger die heikle<br />

Aufgabe, die er in dieser Situation übernommen hat. Trotz seines<br />

mangelhaften Französisch haben ihn nach einer hitzig durchdiskutierten<br />

langen Nacht die Kameraden zum Lager-Kommandanten<br />

abgeordnet. Er und neun an<strong>der</strong>e Delegierte sollten den Capitaine<br />

überreden, diejenigen unter den Insassen, die gefährdet sind, so<br />

schnell wie möglich aus dem Bereich <strong>der</strong> vorrückenden deutschen<br />

Truppen zu bringen.<br />

Nach längeren Verhandlungen erzielen Feuchtwanger und die<br />

an<strong>der</strong>en Unterhändler einen halben Erfolg: Der Kommandant<br />

erklärt sich bereit, eine erste Siebung vorzunehmen, um die Gefährdeten<br />

von den Nicht-Gefährdeten auszusortieren. Denn im Lager<br />

gibt es zwar eine Mehrheit von Antifaschisten; eine Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong><br />

Lagerinsassen aber ist Hitler-freundlich o<strong>der</strong> neutral, sieht deshalb<br />

gelassen den heranrückenden Deutschen entgegen und hofft, von<br />

den Siegern aus dem Lager befreit zu werden.<br />

Die Aussicht auf einen langwierigen Überprüfungsprozess durch<br />

die Lagerleitung erfüllt Feuchtwanger mit Entsetzen: Eine solche<br />

Sichtung ist kaum durchzuführen, wird jedenfalls Wochen in Anspruch<br />

nehmen. Dabei hat sich im Lager die Nachricht verbreitet,<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


die Deutschen stünden 30 Kilometer südlich von Lyon, also wenige<br />

Stunden von Les Milles entfernt.<br />

Feuchtwanger hat die rettende Idee. „Lassen Sie die Leute selber<br />

entscheiden, ob sie die Strapazen eines Abtransports auf sich nehmen<br />

wollen. Lassen Sie Listen zirkulieren, nur wer wirklich gefährdet<br />

ist, wird sich eintragen und die Strapazen einer Flucht auf sich<br />

nehmen“, bestürmt er den Capitaine.<br />

Und <strong>der</strong> hat ein Einsehen. Achtundvierzig Stunden später haben<br />

sich von den rund 3000 Männern 2010 in die Listen eingetragen.<br />

Am Morgen des 22. Juni, zwei Tage nachdem Leonora in Saint-<br />

Martin den Fiat bestiegen hat, klettert Max, wie die an<strong>der</strong>en 2009<br />

Lagerinsassen, in einen Waggon mit <strong>der</strong> Aufschrift: „Acht Pferde<br />

o<strong>der</strong> vierzig Mann“. Die Wagen „sahen ungeheuer ramponiert aus“,<br />

berichtet Feuchtwanger, „aber trotzdem war es ein Zug, er stand<br />

auf Schienen, die Schienen führten weiter, führten fort aus dem Bereich<br />

<strong>der</strong> Nazi-Truppen, führten in die Sicherheit.“ Etwa 60 Leute<br />

quetschten die Wachsoldaten in jeden Waggon, an Sitzen o<strong>der</strong><br />

Liegen war nicht zu denken.<br />

Und endlich setzt sich <strong>der</strong> Konvoi in Bewegung, durchquert<br />

Marseille, fährt über die Rhône. Eng ineinan<strong>der</strong> verkeilt schwitzen<br />

die Männer unter <strong>der</strong> Juni-Sonne, jammernd-depressiv die einen,<br />

aufgekratzt-witzelnd die an<strong>der</strong>n. Max schweigt. Der Zug rattert weiter<br />

durch Arles, Sète. Die Fahrt dauert endlos, es wird Nacht, es<br />

wird Tag. Toulouse, Tarbes, Lourdes, Pau.<br />

Einmal hält <strong>der</strong> Zug auf offener Strecke neben <strong>der</strong> Landstraße.<br />

„Ich konnte mein Aug und mein Hirn nicht losreißen von dieser<br />

Landstraße“, schreibt Feuchtwanger, „von dem Anblick <strong>der</strong> wüsten,<br />

heillos verknäuelten Prozession, die sich über diese Landstraße<br />

bewegte. Es waren Fahrzeuge je<strong>der</strong> Art, vom ältesten Handkarren bis<br />

zum mo<strong>der</strong>nsten Auto, bepackt alles, ungeheuerlich bepackt alles<br />

und vollgestopft, Matratzen überall auf dem Verdeck <strong>der</strong> Autos, wahrscheinlich<br />

zum Schutz gegen Fliegerangriffe. Und zwischen diesen<br />

Fahrzeugen drängten sich Pferde, Radfahrer, Maultiere, Fußgänger,<br />

alle <strong>der</strong> nahen spanischen Grenze zustrebend.“<br />

70<br />

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Irgendwo in dieser endlosen Prozession bewegt sich auch <strong>der</strong><br />

Fiat, in dem Leonora mit ihrem Köfferchen und Maxens Pass<br />

glaubt, <strong>der</strong> Freiheit entgegenzufahren. Leonora nimmt ihre<br />

Umgebung nicht mehr richtig wahr. In ihren kranken Fantasien<br />

sieht sie Sarg an Sarg entlang <strong>der</strong> Straße. „Ich war von Angst erfüllt.<br />

Das ganze stank nach Tod“, schreibt sie in Down Below.<br />

Auch Max hat später seine kafkaeske Flucht kurz beschrieben:<br />

„Der Zug hielt bei je<strong>der</strong> Weinstaude, bei jedem Kartoffelacker“.<br />

Zweieinhalb Stunden hält er auch im Bahnhhof von Carcassonne,<br />

wo Maxens Freund Joë Bousquet wohnt. Max erwägt, abzuhauen,<br />

doch er erinnert sich an einen Brief von Joë, drei Tage vor <strong>der</strong><br />

Abfahrt in Les Milles eingetroffen, mit <strong>der</strong> versteckten Warnung:<br />

„Unmöglich in Carcassonne auch nur eine Maus unterzubringen.“<br />

Nach vier Tagen Hungers und Qualen erreicht <strong>der</strong> Zug sein vorläufiges<br />

Ziel: den Bahnhof von Bayonne. Eine Hafenstadt, die<br />

Hoffnung auf ein Schiff, das die Internierten sicher nach Marokko<br />

bringen wird. Doch dann statt <strong>der</strong> Rettung die Hiobsbotschaft: „Die<br />

Deutschen kommen!“ Die „boches“, plötzlich hier unten im Süden,<br />

nahe <strong>der</strong> spanischen Grenze? Sind sie geflogen?<br />

Keine Zeit zum Rätseln. Wie<strong>der</strong> setzt sich <strong>der</strong> Konvoi in<br />

Bewegung, diesmal in umgekehrter Richtung, wie<strong>der</strong> zurück<br />

Richtung Marseille…<br />

Erst viel später erfährt Max, woran für ihn und seine 2000<br />

Kameraden damals die rettende Flucht übers Meer gescheitert war.<br />

Ein Anruf des Lagerkommandanten an den Bahnhofvorstand von<br />

Bayonne war missverstanden worden: „Ich komme mit 2000<br />

Boches“, hatte <strong>der</strong> Zugführer die Ankunft seines Flüchtlingszuges<br />

angemeldet. 2000 Deutsche, dachte sich <strong>der</strong> Stationsvorstand, das<br />

muss ein ganzes Nazi-Bataillon sein: „Hau ab – die Deutschen kommen“,<br />

schrie er deshalb dem Zugführer bei <strong>der</strong> Einfahrt des Zuges<br />

im Bahnhof von Bayonne entgegen. Und dieser gehorchte, wendete<br />

den Zug, rumpelte in umgekehrter Richtung wie<strong>der</strong> davon, machte<br />

so seinen Zug zum Geisterzug, <strong>der</strong> vor sich selbst davonfuhr. Und<br />

diesmal ostwärts, direkt den Nazi-Truppen entgegen.<br />

71<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Wie<strong>der</strong> ein Halt auf offener Strecke. Das Gerücht, Frankreich<br />

habe einen Waffenstillstand unterschrieben. Die schwarzumrandete<br />

Frontseite einer zufällig gefundenen Zeitung – das Gerücht ist<br />

wahr. Der Zug rattert wie<strong>der</strong> los, hält schießlich bei einer großen,<br />

mit Steinen übersäten Wiese in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Stadt Nîmes. Die<br />

Internierten dürfen aussteigen und auf <strong>der</strong> Wiese übernachten. Am<br />

nächsten Morgen bringt man sie in das Lager Saint Nicolas, einem<br />

alten Herrschaftshaus in <strong>der</strong> Nähe von Nîmes.<br />

Für Max ist die Reise zu Ende. Leonora ist unterdessen in Andorra<br />

gestrandet. Hier wartet sie mit ihren Gefährten auf ein Visum<br />

nach Spanien. Ihr Begleiter Michel hofft auf die Hilfe von Leonoras<br />

einflussreichem Vater. Telegramm um Telegramm geht an die<br />

Adresse von Harold Carrington, c/o Imperial Chemical Industries in<br />

London ab.<br />

Und Carringtons Beziehungen funktionieren. Eines Morgens steht<br />

ein Dorfpfarrer vor <strong>der</strong> Tür mit einem dreckigen Stück Papier – ein<br />

Visum für Spanien für Leonora und Catherine. Michel muss in<br />

Andorra zurückbleiben, Leonora und Catherine fahren im Fiat nach<br />

Barcelona. Am nächsten Tag besteigen sie einen Zug nach Madrid.<br />

Madrid, Anfang August 1940. Leonora wan<strong>der</strong>t durch die Straßen<br />

in einem Zustand tiefster Verwirrung und zugleich höchster Wahrnehmungsschärfe.<br />

„Es war nicht mehr nötig, Geräusche, Berührungen<br />

o<strong>der</strong> Gefühle in rationale Begriffe o<strong>der</strong> Wörter zu übersetzen.<br />

Ich verstand jede Sprache in ihrem beson<strong>der</strong>en Umfeld: Geräusche,<br />

Gefühle, Farben, Formen usw. und jede Ausdrucksweise fand ihre<br />

Entsprechung in mir und gab mir eine angemessene Antwort.“<br />

Leonora lässt sich berauschen von ihrer scheinbaren Allmacht: „Ich<br />

verehrte mich in solchen Augenblicken, ich verehrte mich, weil ich<br />

mich als vollständig empfand. Ich war alles, alles war in mir.“<br />

Am 23. August wird Leonora in eine private Nervenheilanstalt in<br />

Santan<strong>der</strong> eingeliefert. Der lange Arm des Harold Carrington hat<br />

zugelangt. Mit Hilfe <strong>der</strong> spanischen Vertretung des Chemiegiganten<br />

I.C.I. erwirkt Carrington, dass ein Madri<strong>der</strong> Psychiater und <strong>der</strong> britische<br />

Konsul seine Tochter für unheilbar geisteskrank erklären.<br />

72<br />

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Leonora erwacht aus tiefer Bewusstlosigkeit, unter den kalten<br />

Blicken einer spanisch-deutschen Pflegerin. Und es beginnt die<br />

Leidenszeit, die Leonora drei Jahre später in Down Below geschil<strong>der</strong>t<br />

hat. Ihre Umgebung nimmt sie wahr als eine Mischung von<br />

Gefängnis, Folterkammer und streng hierarchisch geglie<strong>der</strong>ter<br />

Hölle. An ihr Bett gebunden, in ihrem Kot belassen, von brutalen<br />

Pflegern in ihrem Wi<strong>der</strong>stand gebrochen, erleidet sie den Horror<br />

<strong>der</strong> Injektionen mit einem Medikament, das sie in epileptische<br />

Zustände versetzt, aus denen sie völlig erschöpft und verwirrt aufwacht.<br />

In ihren Visionen vereinigen sich Menschen und Tiere, <strong>der</strong> Mond,<br />

<strong>der</strong> Heilige Geist zu einem skurrilen Universum, in dessen Zentrum<br />

sie selbst agiert. Sie stellt komplizierte mathematische Berechnungen<br />

an, um sich im verschlungenen Kosmos ihres Wahns zurechtzufinden.<br />

Und mit ungebrochener Kraft kämpft sie sich ihrem Ziel entgegen:<br />

nach Down Below, dem tiefstgelegenen Gebäude des Irrenhauses<br />

versetzt zu werden, in dem sie zugleich die höchste und die<br />

tiefste Stufe wähnt: das Paradies und die Freiheit. Ihre Fantasien werden<br />

angeheizt durch die verwirrenden Auskünfte ihrer Pfleger, mit<br />

denen sie wilde Kämpfe austrägt. Unerbittlich schlägt sie sich um<br />

ihre Befreiung.<br />

Max spielt in diesem Kampf eine überraschend nebensächliche<br />

Rolle. Zwar hat die brutale Trennung von ihm die Krise ausgelöst,<br />

doch Down Below lässt ahnen, dass Leonoras monatelanger Kampf<br />

im Irrenhaus von Santan<strong>der</strong> nicht nur eine Befreiung aus <strong>der</strong><br />

Psychose ist, son<strong>der</strong>n auch eine Befreiung von Max. Eine dramatische<br />

Befreiung aus den Fesseln einer Rolle, die sie gehin<strong>der</strong>t hat,<br />

sich als Frau und als Künstlerin zu entwickeln.<br />

Die Eltern Carrington scheint das schlechte Gewissen zu plagen.<br />

Zwar bemühen sie sich nicht persönlich um ihre kranke Tochter.<br />

Aber sie schicken immerhin Nanny zu ihr. Nanny war ihre Nurse als<br />

Kind. Nanny setzt sich an ihren Bettrand in Santan<strong>der</strong> und weint.<br />

Nanny und Dr. Morales, <strong>der</strong> Klinikleiter, wollen sie überreden, zu<br />

ihren Eltern nach England zurückzukehren.<br />

73<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


In diesem Augenblick, so schreibt Leonora, klärt sich ihr Geist.<br />

Denn Leonora will auf keinen Fall zu ihren Eltern, aber auch<br />

nicht – so lässt sie durchblicken – zu Max zurückkehren. Leonora<br />

ist jetzt bereit, aus eigener Kraft in ein erwachsenes Leben aufzubrechen.<br />

In <strong>der</strong> Klinikbibliothek trifft sie einen alten Herrn, <strong>der</strong> nach<br />

einem langen Blick in ihre Augen die entscheidenden Worte spricht:<br />

„Sie werden nicht mehr lange hierbleiben.“ Der alte Herr,<br />

Echeverria heißt er, nimmt sich ihrer an, spricht mir ihr, behandelt<br />

sie wie ein vernunftbegabtes erwachsenes Wesen. Sie redet von<br />

ihren Ängsten und Wahnvorstellungen, er findet rationale Erklärungen,<br />

die sie überzeugen. „Ich lernte, dass Cardiazol eine einfache<br />

Injektion war und nicht ein hypnotischer Effekt, dass Don<br />

Luis, <strong>der</strong> Klinikchef, nicht ein Hexer war, son<strong>der</strong>n ein Schuft, dass<br />

Covadonga, Amachu und Down Below nicht Aegypten, China und<br />

Jerusalem waren, son<strong>der</strong>n Pavillons für die Verrückten. Und dass<br />

ich sobald wie möglich hier heraus musste.“<br />

Echeverria entmystifiziert die Rätsel, die sie seit Monaten, vielleicht<br />

seit Jahren, vielleicht seit ihrer Kindheit bedrängt haben. Der<br />

alte Herr, <strong>der</strong> weiß, wie es in ihr aussieht, versieht die Windsbraut<br />

mit einem Paar handfesten Stiefeln, <strong>der</strong>en Gewicht sie auf die Erde<br />

herunterzieht.<br />

Die Landung ist hart aber befreiend.<br />

Ein Zufall bringt Leonora in Kontakt mit einem zweiten mitfühlenden<br />

und vernunftbegabten Helfer. Es ist ein entfernter<br />

Cousin, halb Brite, halb Spanier, <strong>der</strong> als Arzt im Spital von<br />

Santan<strong>der</strong> arbeitet. Er setzt sich beim britischen Konsulat in Madrid<br />

für Leonoras Freilassung ein. Und die Eltern Carrington haben ein<br />

Einsehen: Leonora wird nach Madrid entlassen, wo sie Papa<br />

Carringtons spanischen I.C.I.-Vertretern übergeben wird. Leonora,<br />

so haben ihre Eltern beschlossen, soll aus dem kriegsgebeutelten<br />

Europa entfernt und von Lissabon aus nach Südafrika in eine psychiatrische<br />

Privatklinik eingewiesen werden.<br />

74<br />

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Als Leonora hört, dass sie nach Lissabon überführt werden soll,<br />

willigt sie listig ein. Denn als sie mit Catherine in Madrid war, hatte<br />

sie eine kurze Begegnung mit einem alten Bekannten aus Pariser<br />

Tagen: Renato Leduc, ein Stierkampf-Aficionado aus dem Umfeld<br />

von Picasso. Sie hatte ihn in einem Madri<strong>der</strong> Tanzkaffee, unter<br />

strenger Aufsicht ihrer Bewacherin, wie<strong>der</strong>erkannt und erfahren,<br />

dass er auf dem Weg nach Lissabon sei. Renato Leduc, davon war<br />

Leonora überzeugt, würde ihr helfen – er hatte ihr schon in Paris zu<br />

verstehen gegeben, dass er sie mochte.<br />

Willig überlässt sie sich <strong>der</strong> Führung einer von Carringtons I.C.I.-<br />

Vertretern engagierten Wärterin. Die bringt sie nach Estoril, wo sie<br />

warten soll, bis ihr Schiff nach Südafrika abfährt.<br />

In Estoril gelingt es Leonora an einem kühlen Herbsttag, ihre<br />

Wärterin davon zu überzeugen, dass sie mit ihr in die wenige<br />

Kilometer entfernte Hauptstadt fahren muss. Handschuhe müsse<br />

sie kaufen, <strong>der</strong> Winter komme und sie habe kalte Hände, sagt<br />

Leonora.<br />

Sie legt sich einen Plan zurecht, wie sie in Lissabon ausreißen<br />

wird. Renato Leduc will sie suchen.<br />

75<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


76<br />

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Loplop wird verramscht<br />

Vorsaison. Ich spaziere in Saint-Martin entlang <strong>der</strong> Ardèche, nähere<br />

mich dem Hôtel des Touristes, wo ein einsamer Gast auf <strong>der</strong> sonnenüberfluteten<br />

Terrasse seinen Kaffee trinkt. Das Lokal scheint<br />

düster nach dem hellen Licht am Fluss. Eine Kaffeemaschine glänzt<br />

auf dem Tresen im hinteren Raum, hinter dem noch heute, so wie<br />

vermutlich schon vor 55 Jahren, auf langen Regalen die Flaschen<br />

aufgereiht sind. Rechts eine Tür, die zur Küche führt. Sie steht<br />

offen, ich werfe einen Blick in den spärlich möblierten Raum.<br />

Dort könnte sie gesessen haben, die Berthe Granier an jenem Tag<br />

im Juni 1940. Ich seh’ sie vor mir am Küchentisch, die Nickelbrille<br />

auf <strong>der</strong> Nase. Dicht hinter ihr, über ihre Schulter gebückt, <strong>der</strong><br />

Kellner Louis. Beide starren gebannt auf das Papier, das <strong>der</strong> Notar<br />

vorbeigebracht hat.<br />

Ob es wirklich stimmt, was <strong>der</strong> Maître Pagès gesagt hat? Dass dieser<br />

lumpige Fetzen Papier mit <strong>der</strong> Unterschrift <strong>der</strong> Anglaise genügt,<br />

um es zu kriegen, das Haus oben in Les Aliberts, mit dem<br />

Badezimmer und den neuen Fliesen und Fenstern und Türen, mit<br />

all den vielen Reben. Dass ihnen das einfach so in den Schoß fallen<br />

soll, wo sie doch gar nicht viel dafür getan haben. Wo sie doch bloß<br />

<strong>der</strong> Anglaise geholfen haben zu fliehen vor den Boches, und vorher<br />

ihre Schulden zu begleichen. Ein happiger Betrag war da zusammengekommen<br />

– sie hat viel getrunken, die Anglaise. Ganz beson<strong>der</strong>s<br />

seit sie den Monsieur Erneste fortgebracht haben.<br />

Ob <strong>der</strong> am Ende nicht wie<strong>der</strong>kommt, <strong>der</strong> Monsieur Erneste, jetzt<br />

nach dem Waffenstillstand? Ob er sie nicht vertreibt und selber wie<strong>der</strong><br />

einzieht, wo doch alles, was er hat, noch drinnen ist im Haus,<br />

all die Bil<strong>der</strong> und die schönen Möbel und die Farben und all das<br />

Gerümpel und die vielen Bücher und Papiere?<br />

Jedenfalls sollten sie sich beeilen, hat <strong>der</strong> Notar gesagt, man weiß<br />

nie in diesen verrückten Zeiten, wo sich alles von einem Tag zum<br />

77<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


an<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> än<strong>der</strong>n kann. So hat er auch gleich einen Termin<br />

abgemacht: Morgen, am 26. Juni, eine Woche nach <strong>der</strong> überstürzten<br />

Abfahrt <strong>der</strong> verrückten Anglaise mit ihren Copains, sollen sie<br />

beide vorbeikommen in seiner Anwaltskanzlei. Man werde den<br />

Vertrag unterschreiben und dann den Handel im Grundbuch eintragen<br />

lassen. Und dann gehöre das Haus ihnen. Und niemand<br />

könne es ihnen mehr streitig machen, hat er gesagt, <strong>der</strong> Maître<br />

Pagès. Und <strong>der</strong> muss es schließlich wissen.<br />

Am 26. Juni 1940 geht <strong>der</strong> eigentümliche Handel dann tatsächlich<br />

über die Bühne. Der Grundbuchbeamte von Privas hat ihn mit seiner<br />

spitzen Fe<strong>der</strong> in krakeliger Handschrift ins Grundbuch eingetragen.<br />

Über vier Seiten zieht sich <strong>der</strong> Text, <strong>der</strong> besagt, dass Leonora Mary<br />

Carrington, wohnhaft in Paris in <strong>der</strong> Rue Jacob 12, dem Kellner<br />

Louis Jean Viano von Marseille, wohnhaft in Saint-Martin d’Ardèche,<br />

sämtliche immobilen und mobilen Güter <strong>der</strong> Parzellen 163 und 98 in<br />

Les Aliberts verkauft. Vertreten lasse sich Mademoiselle Carrington<br />

in dieser Transaktion durch die Wirtin Berthe Granier, die eine notariell<br />

beglaubigte Vollmacht vorgelegt habe, die sie, Madame Berthe<br />

Granier ermächtige, das Geschäft zu vollziehen.<br />

Bargeld fließt bei diesem son<strong>der</strong>baren Geschäft keines. Der Notar<br />

bescheinigt kurzerhand, Mademoiselle Carrington habe ihm<br />

erklärt, vom Käufer Louis Viano 20 000 Francs in bar erhalten zu<br />

haben.<br />

So rasch und schmerzlos haben Loplop und seine luftigen Eltern<br />

den Besitzer gewechselt. Und mit ihm alles, was Max Ernst im<br />

Sommer 1940 besaß: seine Bil<strong>der</strong>, seine Bücher, seine Sammlung<br />

von Werken <strong>der</strong> befreundeten Surrealisten. Der ganze Inhalt des<br />

Hauses in Les Aliberts, sämtliche darin sich befindenden „mobilen<br />

Güter“ gingen ein paar Tage nach <strong>der</strong> Unterzeichnung des deutschfranzösischen<br />

Waffenstillstands ganz legal in den Besitz des<br />

Marseiller Kellners Louis Viano über.<br />

O<strong>der</strong> wenigstens: fast legal. Denn mit Sicherheit konnte Leonora<br />

zwar über das Haus, das ihr gehörte, verfügen. Wohl kaum aber<br />

über den darin sich befindlichen Besitz ihres Gefährten, des deut-<br />

78<br />

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schen Bürgers Max Ernst. In Leonoras detaillierter Schil<strong>der</strong>ung<br />

ihrer letzten Tage in Frankreich gegenüber ihrer englischen<br />

Biografin Marina Warner ist jedenfalls kein Hinweis darauf zu finden,<br />

dass Max sie bei seiner Verhaftung o<strong>der</strong> später je zu einem solchen<br />

Vorgehen ermächtigt hätte. Bekannt ist hingegen sein Entsetzen,<br />

als er in Les Milles erstmals von den „furchtbaren Verwicklungen“<br />

(Jimmy Ernst) in Saint-Martin Wind bekam.<br />

Die Jahre vergehen. Einmal ist auch <strong>der</strong> Krieg zu Ende. Berthe<br />

Granier und Louis Viano haben geheiratet. Sie wohnen im Loplop-<br />

Haus, pflegen die Reben, keltern daraus den Wein, den sie im Hotel<br />

unten an <strong>der</strong> Ardèche verkaufen. Einzig <strong>der</strong> Kram <strong>der</strong> beiden<br />

Künstler, <strong>der</strong> sich noch immer im Haus befindet, stört noch eine<br />

Zeitlang. Ein Glück, dass schließlich <strong>der</strong> nette Monsieur L. aus<br />

Aiguèze – ein Freund von Monsieur Erneste übrigens und ein guter<br />

Kunde unten im Restaurant – sich bereit erklärt hat, die ganzen<br />

Bil<strong>der</strong> und die vielen Papiere im Haus wegzuräumen. Vielleicht<br />

hätte er ihnen sogar Geld dafür gegeben – er war ziemlich scharf auf<br />

das Zeug, <strong>der</strong> Monsieur L. Doch das war Ehrensache: „Niemals hätten<br />

meine Eltern dafür Geld von Monsieur L. angenommen“, beteuert<br />

die Tochter des Ehepaars Viano, Louise, 55 Jahre später treuherzig<br />

meiner Kollegin Aline Mazet.<br />

Ehrlich: Etwas unheimlich sind sie den neuen Hausbewohnern<br />

schon, die bescheuerten Gespenster im Garten und an den Wänden<br />

des Hauses. Aber man gewöhnt sich dran, sieht bald gar nicht mehr<br />

hin. Nur manchmal, wenn das Licht schräg auf die Hauswand fällt,<br />

packt sie ein ungutes Gefühl. Das Grinsen des kleinen Kerls unten<br />

an <strong>der</strong> Mauer … es erinnert unangenehm an die beiden Auslän<strong>der</strong>,<br />

die einmal hier gewohnt haben. Und irgendwie ist es bedrohlich,<br />

dieses blöde Lächeln. Als ob er sie verarschen wollte, schaut er<br />

drein, <strong>der</strong> Zwerg.<br />

Dabei war doch alles ganz legal. Ja, ganz legal. Ganz legal ist<br />

folgerichtig auch die nächste Eintragung, die Aline und ich im<br />

Grundbuch zu Privas gefunden haben. Sie erfolgte am 26. März<br />

1957.<br />

79<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Es ist <strong>der</strong> Tag, an dem dem Lyoner Kosmetikindustriellen<br />

Edouard Le Laurier das Geschäft seines Lebens gelang. An diesem<br />

Tag erwarb er von <strong>der</strong> Witwe Viano, geborene Berthe Granier, 1,62<br />

Hektar Land samt Haus in Les Aliberts mit allem Drum und Dran<br />

zum Preis von 300 000 alten Francs.<br />

Auf die Frage nach dem damaligen Kaufwert <strong>der</strong> Summe muss <strong>der</strong><br />

Beamte des Grundbuchamtes ziemlich lange nachdenken. Er rechnet<br />

und rechnet und kommt zum Schluss: „Für 300 000 Francs konnten<br />

Sie damals ein Auto <strong>der</strong> Marke Citroën Deux-Chevaux kaufen.“<br />

Uns stockt <strong>der</strong> Atem. Ein Deux-Chevaux für die Sphinx, die<br />

Sirene, das Loplop-Relief und ein halbes Dutzend weitere<br />

Skulpturen und Gemälde. Ein Deux-Chevaux für ein Haus mit<br />

Rebland und mehreren Nebengebäuden. Ein Deux-Chevaux für das<br />

Paradies und die Hölle, den Ort <strong>der</strong> Träume, <strong>der</strong> Tränen und <strong>der</strong><br />

Seligkeit von Max und Leonora …<br />

80<br />

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Herzen zu Le<strong>der</strong><br />

Zu gern hätten wir erfahren, was sich wirklich abgespielt hat, damals<br />

in den fünfziger und sechziger Jahren im Loplop-Haus. Schon möglich,<br />

dass das Lyoner Industriellenpaar Le Laurier, als es das Ferienhaus<br />

mietete, wirklich nicht wusste, wer Max Ernst war. Möglich<br />

auch, dass die glücklichen Käufer des ganzen surrealistischen Biotops<br />

damals erst anfingen, auf den Namen zu achten, vielleicht aus <strong>der</strong><br />

Zeitung die Nachrichten ausschnitten, die auf den Kulturseiten dann<br />

und wann auftauchten. Sie in ein Mäppchen legten und sich, als sie<br />

zahlreicher wurden, begannen zu fragen, ob sie es nicht kaufen sollten,<br />

das Haus mit den vielen Skulpturen des aufsteigenden Stars.<br />

Möglich, dass sie in <strong>der</strong> Zeitung lasen, dass die französische<br />

Großindustriellentochter Dominique de Ménile im Museum zu<br />

Houston, das sie leitete, eine Ausstellung seiner Bil<strong>der</strong> organisierte.<br />

Und eher anzunehmen, dass sie 1954, nach M.E.’s Rückkehr aus<br />

den U.S.A., vom Kunstpreis <strong>der</strong> Venediger Biennale erfuhren:<br />

„Edouard, hast Du’s gelesen? Max Ernst wird berühmt…“ Dass sie<br />

wie<strong>der</strong> einen Ausschnitt ins Mäppchen legten, 1958, anlässlich <strong>der</strong><br />

Ausstellung in einer Pariser Galerie. Und wie<strong>der</strong> einen, als die<br />

Biografie von Patrick Waldberg erschien und La Hune, die Pariser<br />

Buchhandlung, zu Ehren von M. E., dem neugebackenen französischen<br />

Staatsbürger, seine Bil<strong>der</strong> ausstellte.<br />

So könnte es gewesen sein.Vielleicht war es auch ganz an<strong>der</strong>s.<br />

Fest steht einzig, dass Le Laurier das Loplop-Haus und die dazugehörigen<br />

Dekorationen am 26. März 1957 erworben hat. Was uns,<br />

Aline und mir, noch keineswegs klar war: Ob er diese Dekorationen<br />

überhaupt vom Haus entfernen und wie<strong>der</strong> verkaufen durfte. Denn<br />

Laurier selbst hatte mir bei meinem Besuch im Loplop-Haus gesagt,<br />

das Haus sei unter Denkmalschutz.<br />

Um darüber mehr zu erfahren, mussten wir uns wohl o<strong>der</strong> übel<br />

einmal mehr in Feuchtwangers „Hölle“ <strong>der</strong> französischen Büro-<br />

81<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

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kratie begeben, hoffend, einen auskunftswilligen Beamten zu finden.<br />

Der „Service départemental d’Architecture“, zuständig für<br />

den Denkmalschutz, befindet sich – wie das Grundbuchamt – im<br />

Ardèche-Hauptort Privas.<br />

So wie ich mir Dantes Inferno vorstelle, sehen die alten<br />

Amtshäuser mit ihren verschlungenen Korridoren keineswegs aus –<br />

schon eher wie mittelalterliche Burgen o<strong>der</strong> Spitäler: riesige kubische<br />

Bauten mit imposanten Bruchsteinfassaden und ungezählten<br />

kleinen quadratischen Fenstern. Freundlich und effizient waren<br />

auch die Beamten, mit denen wir zu tun hatten. Sie tauchten in<br />

Aktenschränke, wühlten in Mappen, fanden in kürzester Zeit die<br />

gewünschten Dokumente. Und waren – nach einigem Zögern –<br />

auch bereit, zwei Briefe für uns zu fotokopieren. Zwei Dokumente,<br />

die den Beginn des Ringens enthüllen, das sich 30 Jahre nach Max<br />

Ernsts Abreise aus Saint-Martin zwischen Le Laurier und dem<br />

Denkmalschutz abgespielt hat.<br />

Der erste Brief vom 5. Juni 1985 trägt den Briefkopf <strong>der</strong> Préfecture<br />

des Departements Ardèche. Er ist an das Büro gerichtet, in dem wir<br />

uns befinden. Es ist das Dokument, das die Prozedur einleitete, die<br />

zum Ziel hatte, Haus und Werke unter Denkmalschutz zu stellen. Diese<br />

Prozedur nennt sich in Frankreich eine „instance de classement“:<br />

„Durch Telex vom 31. Mai 1985 hat mich <strong>der</strong> Kulturminister informiert,<br />

dass er, zum Zweck, das Dekor des Hauses von Max Ernst in<br />

Saint-Martin-d ’ Ardèche zu erhalten, unter Anwendung <strong>der</strong> Artikel 1<br />

und 14 des Gesetzes vom 13. Dezember 1913 betreffend die historischen<br />

Monumente, für folgende Immobilien und Mobilien die unter<br />

Schutz-Stellung („Classement“) eingeleitet hat.<br />

– das Haus, einschließlich <strong>der</strong> Außenmauern, die Treppen, die<br />

Terrasse und Dekor, das heißt die Malereien, Skulpturen, Reliefs<br />

und Mosaiken die von Max Ernst geschaffen wurden, die Panneaux,<br />

insbeson<strong>der</strong>e:<br />

– das große äußere Relief, das Dekor <strong>der</strong> gedeckten Terrasse, eine<br />

Sirene auf <strong>der</strong> Treppe, ein Mosaik in <strong>der</strong> Speisekammer, eine<br />

geschmückte Bank;<br />

83<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


84<br />

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– die Türen und Schränke, die von Leonora Carrington bemalt<br />

wurden;<br />

– Ein auf die Mauer gezeichneter Loplop, sowie die demontierten<br />

Dekors: Der Minotaurus und die Sirene, undsoweiter. (…)“<br />

Da steht es also schwarz auf weiss: Immerhin volle sechs Jahre<br />

vor <strong>der</strong> Genfer Auktion setzten sich die Mühlen in Bewegung, die<br />

den Schutz von Haus und Werken zum Ziel hatten. Und dies zum<br />

Zeitpunkt, als zumindest <strong>der</strong> Minotaurus und die Sirene bereits entfernt<br />

worden war. Auch er sollte, laut dem letzten Absatz des<br />

Briefes, nachträglich unter Denkmalschutz gestellt werden.<br />

Und folgerichtig das zweite Schreiben. Es trägt den Kopf des<br />

Kulturministeriums, die Unterschrift eines Chefbeamten <strong>der</strong><br />

„Direction régionale des affaires culturelles“ in Lyon, ist datiert vom<br />

29. Juli 1985 und an den Präfekten <strong>der</strong> Republik Ardèche gerichtet:<br />

„Meine zentrale Administration hat mir soeben das Dossier in<br />

Erinnerung gerufen betreffend das Haus von Max Ernst in Saint-<br />

Martin d’Ardèche, das Gegenstand einer Klassifizierung ist. Man hat<br />

mir zur allergrößten Wachsamkeit geraten.<br />

In <strong>der</strong> Tat sind gewisse Elemente des Dekors vor kurzem demontiert<br />

und verkauft worden, und es gibt immer konkretere und präzisere<br />

Anzeichen dafür, dass weitere Demontagen und Verkäufe drohen.<br />

Angesichts dieses Tatbestandes wäre ich Ihnen zu Dank verpflichtet,<br />

wenn sie eine periodische Kontrolle dieses Besitzes organisieren<br />

würden, wenn nötig mit Hilfe <strong>der</strong> Gendarmerie Nationale.<br />

Ich habe mich dafür verwendet, Kontakte mit dem Besitzer zu<br />

knüpfen, um mit ihm das Einverständnis zur Klassifizierung auszuhandeln.“<br />

(…)<br />

Die Gendarmerie Nationale als Schutzmacht für Meerjungfrauen,<br />

Minotauren und Windsbräute! Monsieur le Directeur Regional zu<br />

allem entschlossen! Was ist bloß geschehen, um ihn danach so<br />

gründlich umzustimmen?<br />

Die Unterschrift auf diesem Brief hilft uns weiter. Es kostet zwar<br />

einigen Aufwand, bis die „ausländische Journalistin, die über Max<br />

Ernst arbeitet“ einen Funktionär aufstöbert, <strong>der</strong> bereit ist, Auskunft<br />

85<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


zu geben. Aber schließlich haben wir sie, die Empfehlung seines<br />

Chefs, uns zu empfangen.<br />

Monsieur X ist Beamter beim Denkmalschutz in Lyon, <strong>der</strong> dem<br />

„Bureau départemental“ in Privas übergeordneten regionalen Behörde.<br />

Er erwartet uns in seinem sachlich-mo<strong>der</strong>nen Büro im alten<br />

Palast an <strong>der</strong> Saône, vor sich eine umfangreiche Akte. Er entnimmt<br />

ihr einige maschinenbeschriebene Blätter, eine chronologische<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Demarchen betreffend die Skulpturen von<br />

Max Ernst in Saint-Martin d’Ardèche. Das zaghafte Lächeln des<br />

Monsieur X bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Ereignisse drückt eine<br />

Mischung von Beflissenheit und Verlegenheit aus. Kein Wun<strong>der</strong>.<br />

Denn die Geschichte, die er zu erzählen hat, ist kein Ruhmesblatt<br />

französischer Amtsführung. Eher eine Kombination von Kafka,<br />

Grand Guignol – und Max Ernst: Loplop in den Mäan<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

französischen Bürokratie. „Das Problem“, bedauert <strong>der</strong> frustrierte<br />

Denkmalschützer, „war Monsieur Le Laurier. Er war dagegen.“<br />

Seine Geschichte beginnt im Jahr 1983, sieben Jahre nach dem<br />

Tod von Max Ernst und acht Jahre vor seinem 100. Geburtstag. In<br />

jenem Frühling, weiß <strong>der</strong> Denkmalschützer, begannen Jacques<br />

Verrière, ein Kunsthändler aus Lyon und das Ehepaar Le Laurier<br />

über den Verkauf <strong>der</strong> Kunstschätze von Saint-Martin zu verhandeln.<br />

Knapp zwei Jahre waren jetzt schon verflossen, seit die Lyoner<br />

Denkmalschützer erstmals vergeblich bei Laurier angeklopft hatten.<br />

Es ist anzunehmen, dass alle nun einsetzenden Bemühungen darauf<br />

abzielten, die im Haus und im Garten angebrachten Werke von Max<br />

und Leonora dem Zugriff des Staates zu entziehen. Dafür kann es<br />

nur einen einleuchtenden Grund geben: Dieser schützende Zugriff<br />

hätte sie unverkäuflich gemacht – und damit wertlos. Wertlos<br />

zumindest für einen Kunstwerk- und Hauseigentümer, <strong>der</strong> sich zwar<br />

von den Kunstwerken, nicht aber vom dazugehörigen Haus trennen<br />

wollte.<br />

Beraten von zwei Lyoner Anwälten schmiedeten Verrière und<br />

Le Laurier ihren Plan: Zunächst sollte Verrière das Kunstgut von<br />

Le Laurier erwerben. Dann sollten die Skulpturen möglichst fach-<br />

86<br />

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männisch entfernt, restauriert und schließlich von Verrière verkauft<br />

werden. Die Kaufsumme in Höhe von mehreren Millionen Francs –<br />

etwa eine halbe Million Euro – sollte <strong>der</strong> Galerist in mehreren<br />

Raten, jeweils nach erfolgtem Weiterverkauf, an das Ehepaar<br />

Le Laurier zahlen.<br />

Im Juli 1983 fährt ein Lastwagen in Saint-Martin vor. Mit Brecheisen,<br />

Hämmern und Meißeln rücken die Demonteure Max Ernsts<br />

zerbrechlichen Chimären zu Leibe. Die Aufgabe ist delikat:<br />

„Je<strong>der</strong>mann kennt Max Ernsts Technik“, sagt ein Fachmann. „Er<br />

verwendete alles, was ihm geeignet schien: Holzstücke, Metallteile,<br />

Blumentöpfe, Gläser, Milchflaschen, um die Formen zu unterlegen.<br />

Dann überkleisterte er sie mit Zement. Keinen Moment dachte er<br />

daran, dass die Figuren je demontiert werden sollten. Dies ist mit<br />

<strong>der</strong> angewandten Technik gar nicht möglich.“<br />

Doch das Kunststück gelingt anscheinend, zumindest halbwegs.<br />

Heil bleibt allerdings keines <strong>der</strong> herausgehämmerten Teile, sie müssen<br />

Stück für Stück aus <strong>der</strong> Mauer herausgebrochen werden. Die einzelnen<br />

Brüchstücke werden dann sorgfältig in Kisten verpackt, damit<br />

sie später wie<strong>der</strong> zusammengesetzt werden können. Zunächst aber<br />

werden die Kisten in die Lyoner Galerie verfrachtet. Der bekannte<br />

Restaurateur J.-P. Archenoult erhält den Auftrag, die Bruchstücke<br />

wie<strong>der</strong> zusammenzufügen. Um die so entstandenen neuen Skulpturen<br />

trag- und transportfähig zu machen, muss <strong>der</strong> Restaurateur sie<br />

auf Sockel o<strong>der</strong> Platten montieren.<br />

Inzwischen begibt sich Verrière auf die Suche nach einem Käufer.<br />

Er fährt nach Amerika, nach Japan. Findet dort eine Stiftung, die<br />

angeblich am Kauf <strong>der</strong> Werke interessiert ist. Mit dieser für ihn und<br />

Le Laurier erfreulichen Nachricht kehrt er nach Frankreich zurück.<br />

Er hofft, die Drohung, dass Max Ernsts Skulpturen nach Asien entschwinden<br />

könnten, mache einem europäischen, wenn möglich<br />

einem französischen Interessenten Beine. Vorsichtshalber bemüht<br />

sich <strong>der</strong> Kunsthändler jedoch gleichzeitig um Exportlizenzen für die<br />

Werke.<br />

Im September 1983 gelingt es Verrière, sowohl das Centre<br />

87<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Pompidou wie auch den Louvre, Frankreichs Nationalmuseum, für<br />

den Kauf <strong>der</strong> Skulpturen von Saint-Martin zu interessieren. Die<br />

Aussicht, dass die bedeutenden Werke des Malers, <strong>der</strong> immerhin<br />

ein prominenter Mitträger des französischen Surrealismus war,<br />

nach Japan entschwinden könnten, missfällt anscheinend <strong>der</strong> nationalen<br />

Kunstkommission, welcher <strong>der</strong> Louvre unterstellt ist.<br />

Die Wochen vergehen. Verrière wartet auf Bescheid aus Paris.<br />

Inzwischen gelingen zwei erste kleinere Transaktionen: Eine Maske<br />

aus dem Loplop-Haus verkauft Christies in London, einen Steinkopf<br />

veräußert ein Pariser Galerist in die Schweiz. Der Louvre gibt seine<br />

Einwilligung für diese beiden Exporte.<br />

Im März 1984 kommt <strong>der</strong> Bescheid aus Japan, dass <strong>der</strong> geplante<br />

Handel platzt. Der Präsident <strong>der</strong> Kulturkommission <strong>der</strong><br />

Nationalversammlung wird mobilisert, um Verrières Wunsch, die<br />

Skulpturen sollten in Frankreich bleiben, an höchster Stelle anzumelden.<br />

An<strong>der</strong>nfalls, droht Verrière, würden sie ins Ausland verkauft.<br />

Im Mai 1984 kauft Verrière die restlichen Skulpturen aus Saint-<br />

Martin. Und wie<strong>der</strong> geschieht das Unerklärliche: Die Museumskommission<br />

des Louvre erteilt im Juni 1984 eine weitere<br />

Ausfuhrbewilligung. Sie betrifft die große Skulptur im Garten, <strong>der</strong><br />

Minotaurus und die Sirene. Der Käufer befindet sich angeblich in<br />

<strong>der</strong> Schweiz. Doch <strong>der</strong> Restaurateur ist noch nicht so weit. Die<br />

Exportbewilligung dient also zunächst einmal dazu, den französischen<br />

Interessenten mit <strong>der</strong> Ausfuhr zu drohen.<br />

Beispielsweise <strong>der</strong> Stadt Marseille. Le Laurier und Verrière bieten<br />

<strong>der</strong>en Museum den Minotaurus und Sirene und den von <strong>der</strong><br />

Fassade in Saint-Martin abmontierten Doppelkopf für 2,2 Millionen<br />

französische Francs an. Und als großzügige Dreingabe will<br />

Monsieur Le Laurier auch das Loplop-Relief an <strong>der</strong> Mauer seines<br />

Hauses abtreten. Das Marseiller Museum zeigt sich sehr interessiert,<br />

die Werke zu erwerben und anlässlich einer für März 1986<br />

geplanten Surrealismus-Ausstellung zu zeigen.<br />

Die Verhandlungen ziehen sich hin. Und in seinem Atelier arbei-<br />

88<br />

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tet <strong>der</strong> Bildhauer Jean-Pierre Archenoult fieberhaft an <strong>der</strong> Restaurierung<br />

<strong>der</strong> Skulpturen. Das Loplop-Relief allerdings, so befindet<br />

ein Experte, kann nicht abmontiert werden, ohne gänzlich zu Bruch<br />

zu gehen.<br />

Als im Frühling 1985 noch immer kein Zuschlag aus Marseille<br />

erfolgt ist, greift Verrière zum letzten Druckmittel. Am 20. Mai lässt<br />

er die Packer kommen, am 23. Mai fährt ein Lastwagen beim Depot<br />

seiner Lyoner Galerie vor; die Kisten werden verladen. Gleichzeitig<br />

versucht Verrière verzweifelt, die säumigen Marseiller zu alarmieren.<br />

Doch <strong>der</strong> Marseiller Gesprächspartner, ein Monsieur Viatte, lässt<br />

sich verleugnen. Der Minotaurus und die Sirene und <strong>der</strong> Doppelkopf<br />

werden dem Zoll in Lyon vorgeführt und dort eingelagert. Zur gleichen<br />

Zeit erhält <strong>der</strong> Galerist Marcel Fleiss in Paris die Erlaubnis, eine<br />

Maske aus dem Loplop-Haus nach Deutschland zu verkaufen.<br />

Und endlich – knapp zwei Jahre nach dem Abbruch <strong>der</strong> Skulpturen<br />

in Saint-Martin – beschließt das Kultur-Ministerium, das über<br />

das französische Kulturgut wacht, die Aufnahme <strong>der</strong> Werke in seine<br />

Listen und damit die Klassifizierung als schützenswertes Kulturgut.<br />

Am 21. Mai 1985 läuft die einjährige Frist an, während <strong>der</strong> jeglicher<br />

„physische Zugriff“ auf die Skulpturen verboten ist. Doch die beiden<br />

Hauptwerke, Der Minotaurus und die Sirene und <strong>der</strong> Doppelkopf mit<br />

Fisch liegen zu diesem Zeitpunkt bereits beim Zoll in Lyon, von wo<br />

aus sie exportiert werden sollen.<br />

Denn mittlerweile hat sich ein Käufer in <strong>der</strong> Schweiz gefunden.<br />

Ob es <strong>der</strong> Auktionator Pierre-Yves Gabus ist, <strong>der</strong> sie sechs Jahre<br />

später in Genf versteigern wird, wissen wir nicht. Was wir von<br />

Denkmalschützer X erfahren: Am Donnerstag, den 23. Mai 1985,<br />

schlägt das Kulturministerium zu. Verrière wird dazu verdonnert,<br />

die geplante Exportaktion abzubrechen.<br />

Verrière wehrt sich mit Händen und Füßen: „Meine Galerie, die<br />

bei mir unter Vertrag stehenden Künstler und selbst das Ehepaar<br />

Le Laurier“ – jammert er in einem Brief an das zuständige Kulturdezernat<br />

– „sind von großen finanziellen Verlusten bedroht.“ Der<br />

Verkauf an den Schweizer Kunsthändler sollte 2,2 Millionen fran-<br />

89<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


zösische Francs einbringen, die aufwendige Restaurierung hat Unsummen<br />

verschlungen.<br />

Und noch einmal hat Verrières Schutzengel in <strong>der</strong> Louvre-<br />

Kommission ein Einsehen: Im Juli 1985 autorisiert die Kommission<br />

den Kunsthändler Verrière, das Geschäft abzuwickeln und den<br />

Minotaurus und den Doppelkopf in die Schweiz zu exportieren –<br />

dies trotz des jetzt wirksamen Denkmalschutzes.<br />

Marseille hingegen hat auf den Ankauf „aus Geldmangel“ verzichtet.<br />

Was den Ausschlag gibt für die plötzlich eingetretene Unlust<br />

<strong>der</strong> potentiellen Käufer lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit<br />

eruieren. Man kann nur ahnen, dass die bevorstehende Klassifizierung<br />

und die Frage nach <strong>der</strong> Authentizität <strong>der</strong> restaurierten<br />

Objekte etwas damit zu tun hatten.<br />

Doch Verrière lässt nicht locker. Ein letztes Mal erhält er am<br />

12. Dezember 1985 von <strong>der</strong> Louvre-Kommission eine Exportlizenz<br />

für zwei unter Schutz stehende Objekte. Sie betrifft die Geflügelte<br />

Sirene und Die drei Elemente. Auch diese Skulpturen verlassen<br />

Frankreich in den folgenden Monaten. Sie verschwinden vermutlich<br />

zunächst einmal im Tresorraum einer Schweizer Bank, wo sie auf<br />

einen endgültigen Käufer harren.<br />

Hier enden die Aufzeichnungen, aus denen Monsieur X sein<br />

Wissen bezieht. Le Laurier und Verrière, sagt er bedauernd, haben<br />

gesiegt. Angesichts <strong>der</strong> surrealistischen Tatsache, dass sein Amt<br />

Kunstwerke unter Denkmalschutz gestellt hat, die bereits mindestens<br />

teilweise zerstört und außerdem auch schon verkauft waren,<br />

zuckt <strong>der</strong> Beamte resigniert die Schultern. „Mangelnde Koordination<br />

unter den zuständigen Ämtern“, sagt er bedauernd. Und<br />

betont noch einmal: „Das Problem war Monsieur Le Laurier. Wenn<br />

ein Besitzer wertvoller Kunstwerke nicht mitspielt, können wir ihn<br />

lei<strong>der</strong> nicht zwingen.“ Er verabschiedet uns mit <strong>der</strong> noch einmal<br />

wie<strong>der</strong>holten Bitte, seinen Namen nicht zu nennen.<br />

Eigentlich, finden Aline und ich, hätte Monsieur Le Laurier diese<br />

Geschichte denen, die sich dafür interessieren, ruhig erzählen können.<br />

Schließlich hat er den ganzen Handel im ausdrücklichen<br />

90<br />

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Einverständnis mit <strong>der</strong> Louvre-Kommission, <strong>der</strong> obersten zuständigen<br />

Behörde des Landes, abgewickelt, bevor <strong>der</strong> säumige Kulturgüterschutz<br />

seines Amtes waltete. Doch irgendwie scheint ihn <strong>der</strong><br />

gelungene Coup nicht ganz glücklich zu machen. Ob die Geschichte<br />

noch weitere Facetten hat, von denen wir immer noch nichts wissen?<br />

Jedenfalls sind unsere Recherchen noch nicht abgeschlossen.<br />

Aline allerdings wun<strong>der</strong>t sich kein bisschen über Monsieur Le<br />

Lauriers Diskretion. Die Franzosen, erklärt sie mir auf dem<br />

Heimweg, hätten ein an<strong>der</strong>es Verhältnis zum Geld als wir Schweizer.<br />

„Ihr Protestanten“, sagt sie, „habt Geldverdienen zum Ethos<br />

und das Geld zum Gott erhoben. Für uns Katholiken ist leicht verdientes<br />

Geld noch immer des Teufels.“<br />

Schon wie<strong>der</strong> ein Teufel in Frankreich. Verzeihen Sie, lieber<br />

Monsieur Le Laurier, dass ich Ihren ganz privaten Teufel aufgespürt<br />

habe. Doch Max’ und Leonoras Geschichte gehört Ihnen nicht, auch<br />

wenn ein gütiges Schicksal Ihnen ihre Werke in die Hand gespielt<br />

hat.<br />

Max’ und Leonoras Geschichte gehört all denen, die sie und ihre<br />

Hirngespinste lieben.<br />

91<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

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Loplops Rache<br />

„Lassen Sie die Finger von dieser Geschichte“, sagte <strong>der</strong> Mann am<br />

an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Strippe. „Ich jedenfalls will damit nichts zu tun<br />

haben.“ Noch vor ein paar Wochen hatte <strong>der</strong> namhafte Pariser<br />

Kunsthistoriker, Sohn eines Freundes von André Breton und Max<br />

Ernst, ganz an<strong>der</strong>s geredet. Die Skulpturen von Saint-Martin, so<br />

erzählte er mir im Atelier einer befreundeten Pariser Malerin, wo<br />

ich ihn zufällig kennengelernt hatte, seien doch vor Jahren schon<br />

mutwillig zerstört, zerhackt und zerhämmert worden. Und als ich<br />

nach Details fragte, gab er mir seine Telefonnummer und for<strong>der</strong>te<br />

mich auf, ihn bei meinem nächsten Pariser Aufenthalt anzurufen.<br />

Er werde mir dann alles erzählen.<br />

Und jetzt dieser abschlägige Bescheid. Insistieren nützte gar<br />

nichts. „Ich kann nichts sagen. Es ist mir zu riskant.“ Das waren die<br />

letzten Worte des schweigsam gewordenen Monsieur L.<br />

Ich hatte meine Versuche, mehr über den Verbleib <strong>der</strong> 1983 aus<br />

Saint-Martin entfernten Skulpturen zu erfahren, nicht aufgegeben,<br />

obschon mein Bericht darüber dank <strong>der</strong> Auskünfte des Lyoner<br />

Denkmalschützers beinahe abgeschlossen war. Ein erneuter Besuch in<br />

<strong>der</strong> Galerie in <strong>der</strong> Rue Mazarine, wo ich vor ein paar Jahren die<br />

Ausstellung <strong>der</strong> Bronzeabgüsse gesehen hatte, zeitigte den ersten<br />

Lichtstrahl im Dunkel. Die größte Plastik, Le Minotaure et la Sirène sei<br />

wie<strong>der</strong> auf dem Markt und könne eventuell, im Falle eines seriösen<br />

Kaufinteresses, in <strong>der</strong> Schweiz besichtigt werden, erklärte <strong>der</strong> Galerist.<br />

Der Kaufpreis sei vermutlich im Zuge des allgemeinen Preisverfalls im<br />

Kunsthandel gesunken. 1992, zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Ausstellung <strong>der</strong><br />

Bronzen in seiner Galerie, lag er bei einer Million Schweizer Franken.<br />

Woher aber einen millionenschweren „seriösen Kaufinteressenten“<br />

nehmen?<br />

Also rannte ich weiter an gegen die Mauer des Schweigens, die<br />

sich um mein Thema aufgebaut hatte. Es war wie verhext: Jedes<br />

Mal, wenn ich eine Lücke fand, durch die ich die Wahrheit zu fas-<br />

92<br />

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sen glaubte, schloss sie sich wie<strong>der</strong> vor meinen Augen. Und kein<br />

Mensch schien daran interessiert, mich über den wirklichen Verlauf<br />

<strong>der</strong> Dinge kundig zu machen. So blieb ein Brief an das Max Ernst<br />

Kabinett in Brühl mit <strong>der</strong> Bitte um Aufklärung unbeantwortet –<br />

infolge eines banalen Missverständnisses, wie sich später herausstellte.<br />

Auch Werner Spies, <strong>der</strong> geistige Sachwalter des Max Ernst-<br />

Erbes, reagierte ausweichend auf alle die Skulpturen betreffenden<br />

Fragen. Er wolle sich nicht in Polemiken verwickeln lassen, erklärte<br />

er Aline, die ihn getroffen hatte, um über Max zu reden.<br />

Schließlich half mir ein Pariser Galerist weiter. Er verwies mich<br />

an den Lyoner Maler Max Schoendorff. Der bekannte französische<br />

Spät-Surrealist habe seit den sechziger Jahren bei Jacques Verrière,<br />

dem inzwischen verstorbenen Lyoner Kunsthändler, <strong>der</strong> mit Le<br />

Laurier den Verkauf <strong>der</strong> Skulpturen betrieb, unter Vertrag gestanden,<br />

ihn also gut gekannt und möglicherweise sogar bei einem seiner<br />

Abstecher ins nahe Saint-Martin begleitet. Er müsse eigentlich<br />

Bescheid wissen.<br />

Mit Aline ein Bummel durch Lyon, die schöne ehemalige Seidenmetropole.<br />

Die Altstadt zwischen Rhône und Saône macht heute<br />

einen festlichen Eindruck. Die Straßencafés sind randvoll. Die<br />

Blumenhändler in <strong>der</strong> Parkanlage <strong>der</strong> Place Bellecour haben riesige<br />

grüne Blätter zu üppigen Sträußen gebunden. Fette, noch grünliche<br />

Tulpenknospen platzen in ihren Kübeln vor Lust, sich zu öffnen. Es<br />

ist seit drei Tagen Frühling.<br />

Und wie<strong>der</strong> ein Gespräch über Max Ernst. „Ich wollte eigentlich<br />

Schriftsteller werden“, erzählt Max Schoendorff, nachdem wir es<br />

uns in den schwarzen Le<strong>der</strong>sesseln seines Studios bequem gemacht<br />

haben. „Dank Max Ernst habe ich verstanden, dass man das, was<br />

man in <strong>der</strong> Literatur und in <strong>der</strong> Philosophie in Worte kleidet, auch<br />

mit bildnerischen Mitteln ausdrücken kann.“<br />

Wir fragen nach Verrière. Schoendorff erzählt: Ein sehr charmanter<br />

junger Mann sei er gewesen. Der verwöhnte Sprössling<br />

einer wohlhabenden Familie <strong>der</strong> besten Lyoner Gesellschaft. Mama,<br />

Gattin eines berühmten Chirurgen, habe dem Lieblingssohn den<br />

93<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Wunsch nach einer eigenen Galerie erfüllt, obschon sie eine „ehrenhaftere“<br />

Beschäftigung für ihn vorgezogen hätte.<br />

War es Verrières Idee, die Skulpturen von Saint-Martin zu kaufen?<br />

Monsieur und Madame Schoendorff überlegen lange. Sie sind sich<br />

jedenfalls sicher, dass es an Versuchen seitens findiger Vertreter des<br />

Pariser Kunsthandels, sich <strong>der</strong> Werke von Saint-Martin zu bemächtigen,<br />

nicht gefehlt habe. Doch Le Laurier habe sie alle abblitzen lassen.<br />

Da habe wohl <strong>der</strong> junge Verrière seine Chance gewittert.<br />

Schließlich müsse <strong>der</strong> Lyoner Arztsohn die Lyoner Industriellenfamilie<br />

Le Laurier gekannt haben. Der Kontakt sei für ihn jedenfalls<br />

leichter herzustellen gewesen als für die Pariser Kollegen.<br />

Und das sei dann wohl auch sein Verhängnis gewesen.<br />

Sein Verhängnis? „ Ja natürlich, sein Verhängnis.“ Die ganze Aktion<br />

Max Ernst habe ihm schließlich nichts als Ärger, Schulden und<br />

rabenschwarzes Pech gebracht.<br />

Rabenschwarzes Pech? Sämtliche Wände des Studios, in dem wir<br />

sitzen, ja alle Wände <strong>der</strong> ganzen geräumigen Fin-de-Siècle-Wohnung<br />

sind vom Fußboden bis zur Decke mit Bücherregalen bedeckt und in<br />

echt surrealistischer Tradition mit Büchern, Schriften, Schallplatten<br />

und wun<strong>der</strong>samen Sammlungen aller Art vollgestopft. Und auch die<br />

Glaswand hinter mir, die das Studio vom Atelier trennt, lässt das Licht<br />

vom Atelier-Glasdach nur durch die Lücken zwischen den davor aufgereihten<br />

Büchern einfallen. Aber <strong>der</strong> Spiegel über dem schwarzen<br />

Marmorkamin gegenüber dem Le<strong>der</strong>sofa spiegelt einen leuchtend blauen<br />

Streifen des Lyoner Frühlingshimmels in den halbdunklen Raum.<br />

Ich starre in den Himmelstreifen und lausche Schoendorffs<br />

Worten. „…nichts als Ärger, Schulden und rabenschwarzes Pech.“<br />

Und ganz allmählich steigt in mir ein eigentümliches Gefühl auf, das<br />

mein Zwerchfell bedrohlich kitzelt. Ich sehe das schiefe Grinsen des<br />

kleinen Loplop an <strong>der</strong> Hausmauer von Saint-Martin vor mir. Und ich<br />

finde, Loplop hat gut lachen: Die Geschichte, die <strong>der</strong> Maler erzählt,<br />

klingt wie die Saga einer wun<strong>der</strong>samen Rache. Der Rache an all<br />

denen, die Maxens und Leonoras Zauberwelt zerstört haben.<br />

„Verrières Absicht“, erzählt Schoendorff weiter, „war zunächst<br />

94<br />

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eigentlich bloß, eine Bronze-Edition <strong>der</strong> Werke von Saint-Martin<br />

herstellen zu lassen.“ Es war 1983, Max war 1976 gestorben, die<br />

Rechte für die Edition lagen bei seinen Erben. Also reiste Verrière<br />

in die U.S.A. Mit Maxens Witwe, Dorothea Tanning, einigte er<br />

sich rasch, sie war mit allem einverstanden. Nicht so Sohn<br />

Jimmy. Er war selber Maler geworden und hatte grundsätzliche<br />

Bedenken gegen die seiner Meinung nach unbefriedigenden<br />

Abgüsse. Als er einsehen musste, dass Jimmy nicht zu überreden<br />

war, kehrte Verrière zunächst unverrichteter Dinge nach Lyon<br />

zurück.<br />

Aus irgendeinem Grund än<strong>der</strong>ten sich jetzt Verrières Pläne. Aus<br />

<strong>der</strong> Absicht, lediglich Abgüsse herzustellen, wurde mit einem Mal<br />

die Notwendigkeit, die Werke von Le Laurier zu erwerben. So landeten<br />

die heimatlosen Loplop-Gespenster im Juli 1983 in <strong>der</strong> Lyoner<br />

Galerie, wo sie „in Kisten verpackt, monatelang, vielleicht jahrelang<br />

herumstanden“, erinnert sich Schoendorff.<br />

Alle Versuche Verrières, so erzählt Schoendorff weiter, die<br />

Originalskulpturen loszuwerden, schlugen fehl. Und so trieb er<br />

seine Bemühungen voran, wenigstens die Abgussrechte zu erhalten.<br />

Und endlich, nach endlosen Verhandlungen, konnte er Jimmy Ernst<br />

überzeugen. Die Verträge wurden vorbereitet, Verrière sollte in die<br />

U.S.A. reisen, um den Handel abzuschließen. Doch dazu sollte es<br />

nicht mehr kommen: Im Februar 1984, nur wenige Tage vor dem<br />

abgemachten Termin, erlag Jimmy Ernst im Alter von nur 62<br />

Jahren einer Herzschwäche.<br />

Vom Lyoner Denkmalschutz wussten wir um das Scheitern von<br />

Verrières Bemühungen, die Max Ernst-Skulpturen zu verkaufen.<br />

Was wir nicht wussten: Seine vielen vergeblichen Reisen unternahm<br />

<strong>der</strong> gesundheitlich angeschlagene Galerist – er war schwerer<br />

Diabetiker – unter zunehmendem psychischen, physischen und<br />

finanziellen Druck. Er war offensichtlich geschwächt und sein körperlicher<br />

Verfall wurde für seinen großen Lyoner Bekanntenkreis<br />

immer offensichtlicher.<br />

Ein paar Verkäufe gelangen dann schließlich doch. Und im<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Frühling 1985, so erinnert sich <strong>der</strong> Maler, schaffte es Verrière endlich,<br />

die zwei Originalskulpturen Le Minotaure et la Sirène und<br />

Deux têtes de Poisson einem Genfer Kunsthändler zu verkaufen.<br />

Doch auch diese Transaktion schlug fehl: denn jetzt wurde <strong>der</strong><br />

Denkmalschutz aktiv. Er blockierte die Ausfuhr <strong>der</strong> Kunstgüter<br />

am Zoll und Verrière wartete vergeblich auf die Bezahlung<br />

<strong>der</strong> Kaufsumme von 2,2 Millionen französischen Francs (damals<br />

ca. 300 000 Dollar) durch den Schweizer Käufer. Und auch später<br />

blieb <strong>der</strong> Genfer Kunsthändler die Kaufsumme schuldig.<br />

Die Lyoner Galerie stand vor dem Ruin. 1986 starb Jacques<br />

Verrière an <strong>der</strong> Immunschwäche Aids. Er hinterließ einen Schuldenberg,<br />

in dem die fehlgeschlagene Aktion „Skulpturen von<br />

Saint-Martin“ mit rund an<strong>der</strong>thalb Millionen Francs zu Buche<br />

stand. Es war <strong>der</strong> Pariser Gießer Susse, <strong>der</strong> sich bei Verrières<br />

Mutter um die Abgussrechte bewarb, und dem die Nachwelt die<br />

schließlich doch noch zustandegekommene Edition <strong>der</strong> Bronzeabgüsse<br />

verdankt.<br />

Dass <strong>der</strong> Genfer Käufer <strong>der</strong> Originale – wie man sich in<br />

Insi<strong>der</strong>kreisen erzählt – kurz danach ebenfalls Konkurs anmelden<br />

musste, passte zur Pechserie, die die ganze Operation von Anbeginn<br />

an begleitetet hatte.<br />

„Und warum“, frage ich Schoendorff, als er seine Geschichte zu<br />

Ende erzählt hat, „warum denn eigentlich die ganze Geheimniskrämerei<br />

um Loplop. Warum die Weigerung meines Pariser<br />

Bekannten, Monsieur L., darüber Auskunft zu geben, warum das<br />

Gerücht, die Skulpturen seien zerstört worden?“ Schoendorff lacht:<br />

„Aberglaube, alles nur Aberglaube und üble Kolportage!“ Die ganzen<br />

Hiobsbotschaften rund um die Aktion Demontage und Verkauf,<br />

die Mischung von objektiven Schwierigkeiten, von Klatsch und<br />

Gerüchten, die böse Pariser Zungen eifrig schürten, weil sie dem<br />

Lyoner Kunsthandels-Newcomer einen Erfolg missgönnt hätten –<br />

das alles habe einen düsteren Mythos geschaffen, eine Art Fluch,<br />

<strong>der</strong> über den Skulpturen von Saint-Martin laste.<br />

Ein Fluch, von dem übrigens auch Monsieur Le Laurier betroffen<br />

96<br />

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sei. Denn auch ihm, glaubt Schoendorff, habe die Operation<br />

„Demontage“ letztlich nicht sehr viel eingetragen.<br />

Warum das Ehepaar Le Laurier die Geister an ihrem Haus denn<br />

überhaupt loswerden wollten, möchte ich schließlich von<br />

Schoendorff wissen. Seine Antwort ist erstaunlich einfach: „Weil sie<br />

ihnen nicht gefielen.“ Seine Frau steuert eine an<strong>der</strong>e Version bei:<br />

„Weil die Le Lauriers Lyoner sind.“ Und die Lyoner seien Banausen.<br />

Auf meinen Einwand, Kulturmuffel gebe es überall und vermutlich<br />

selbst in Paris, wandte Frau Schoendorff folgendes ein: Ein Pariser<br />

Banause sei ein Banause, <strong>der</strong> sich schäme, ein Banause zu sein und<br />

<strong>der</strong> deshalb alles tue, um nicht als ein solcher zu erscheinen. Ein<br />

Lyoner Banause dagegen sei stolz, ein Banause zu sein.<br />

Heimfahrt auf <strong>der</strong> Autobahn A7, im stinkenden Strom <strong>der</strong> beladenen<br />

Laster und <strong>der</strong> südwärts fahrenden Automobile. Im Kopf die<br />

vielen losen Loplop-Enden, die nicht zusammenpassen wollen. Vor<br />

den Augen das Bild jenes an<strong>der</strong>en Stroms vor 55 Jahren, <strong>der</strong> Max<br />

und Leonora südwärts trug. Die heillos verknäuelte Prozession <strong>der</strong><br />

Flüchtenden, als <strong>der</strong> Krieg alle Dämme zerstört und alle Träume<br />

zum Platzen gebracht hatte. Als die Traumtrümmer trieben auf dem<br />

Strom <strong>der</strong> Zeit, sich dann, nach dem Waffenstillstand, stauten zu<br />

einem chaotischen Haufen.<br />

Die Rätsel, die Loplop uns aufgegeben hat, sind Nachkriegsgeschichten,<br />

Traum-Trümmer-Geschichten, in denen sich auf zufällige<br />

Weise zusammenfügt, was eigentlich zusammen gar nicht<br />

gehört. Schwemmholz <strong>der</strong> Geschichte, von dem sich bediente, wer<br />

schlau war, und wer die sich bietenden Gelegenheiten wahrzunehmen<br />

wusste.<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

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Auf nach Kafkamerika<br />

Loplops Geheimnis ist gelüftet. Aber die Geschichte von Schnabelmax<br />

und seiner Nachtigall ist noch nicht zu Ende. Denn noch mehrmals<br />

werden sich ihre verschlungenen Wege durch die Wirren des<br />

Kriegsfrühlings 1941 kreuzen. Getrennt, ohne Nachrichten voneinan<strong>der</strong>,<br />

versuchen beide, den kriegsgebeutelten Kontinent zu<br />

verlassen. Im August 1940 ist Leonora in die Klinik von Santan<strong>der</strong><br />

eingeliefert worden. Max ist zu dieser Zeit aus dem Lager bei Nîmes<br />

ausgerissen – wenige Tage bevor er ohnehin entlassen worden<br />

wäre.<br />

In Frankreich herrscht Waffenruhe. Doch die Ruhe ist trügerisch.<br />

Und gefährlich, beson<strong>der</strong>s für die aus den Lagern entlassenen antifaschistischen<br />

Deutschen. Denn Absatz 19 des Waffenstillstandsvertrags,<br />

den sich Frankreichs Kriegshelden-Marschall Pétain von<br />

den deutschen Siegern hat diktieren lassen, verpflichtet Vichy, sämtliche<br />

von den Nazi-Behörden namentlich genannten deutschen<br />

Bürger in Frankreich auf Wunsch ans Reich auszuliefern. Max<br />

Ernst, <strong>der</strong> entartete Künstler und notorische Antifaschist, muss also<br />

je<strong>der</strong>zeit damit rechnen, erkannt, verraten, verhaftet und ausgeliefert<br />

zu werden.<br />

Das Land ist in zwei Hälften geteilt. Nördlich einer Demarkationslinie,<br />

die von Gex in <strong>der</strong> Nähe von Genf bis hinunter zur atlantischen<br />

Küste bei Spanien verläuft, ist das Land direkt dem<br />

Oberbefehl <strong>der</strong> Besetzer unterstellt, mit <strong>der</strong> strikten Weisung an alle<br />

Beamten, sich den deutschen Befehlen zu fügen. Der südliche Teil,<br />

wo Max sich versteckt hält, nennt sich „Zone libre“ und ist nicht<br />

direkt besetzt. Doch das faschistische Vichy-Regime hat das ganze<br />

Land mit einem dichten Netz von Spitzeln, Zensoren und Polizisten<br />

überzogen, die streng darüber wachen müssen, dass sich kein<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen die Siegermacht und ihre Statthalter regt. Denn<br />

von England aus sendet die BBC jeden Tag die Auffor<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong><br />

98<br />

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Résistance des Generals de Gaulle beizutreten, <strong>der</strong> im Londoner<br />

Exil die Befreiung seines Landes vorbereitet.<br />

Max ist also untergetaucht. Und zwar gründlich. So spurlos, dass<br />

heute niemand zuverlässig Auskunft über die Umstände seiner<br />

Rückkehr geben kann. Max Ernsts Biograf Werner Spies bringt die<br />

Nachrichtenlage über diese entscheidende Phase im Leben des Max<br />

Ernst auf einen einfachen Nenner: „Es war zu schmerzhaft für ihn,<br />

um je darüber zu reden.“<br />

Aline Mazet und ich haben, mit Unterbrechungen, drei Jahre auf<br />

unsere Recherchen verwendet. Während <strong>der</strong> ganzen Jahre, in<br />

denen sich die Steinchen im Loplop-Puzzle allmählich zu einem<br />

stimmigen Bild zusammenfügten, blieben die Monate vom Herbst<br />

1940 bis zum Sommer 1941 in einem rätselhaften Nebel. In den verfügbaren<br />

Quellen, in vielen Gesprächen mit Dorfbewohnern und<br />

Menschen aus Max’ und Leonoras Umfeld ergaben sich zwar<br />

Hinweise auf seine Aktivitäten in dieser Zeit. Doch merkwürdig: Sie<br />

sind allesamt ungenau und voller Ungereimtheiten. Und allmählich<br />

begriffen wir, dass Max Ernst selbst die Verwirrung gestiftet hat, die<br />

sich seither in den Köpfen seiner Biografen breitmachte.<br />

Das hat zunächst einmal historische und politische Gründe: <strong>der</strong><br />

Krieg, die Repression im Vichy-Regime, die Zwänge <strong>der</strong> Klandestinität,<br />

die mannigfachen Gefahren und die daraus abgeleitete anhaltende<br />

Scheu aller Betroffenen, Namen und präzise Daten zu nennen.<br />

Dazu kommt, dass M. E. einer jener Geschichtenerzähler war,<br />

die über ihr Leben lieber die stets gleichen Anekdoten zum Besten<br />

geben, als die dahinter verborgenen Emotionen preiszugeben.<br />

Entscheidend aber für Max Ernsts blinde Flecken sind vermutlich<br />

psychologische Gründe. Leonoras Verwirrung nach seiner Verhaftung<br />

und <strong>der</strong> unsinnige Hausverkauf müssen in ihm einen Sturm<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlicher Emotionen ausgelöst haben, Wut, sicher zeitweilig<br />

Hass, aber auch Scham, Zärtlichkeit und Solidarität. Und einen Berg<br />

von Schuldgefühlen gegenüber <strong>der</strong> verlassenen jungen Geliebten, die<br />

er schon einmal, um sich in Paris um seine damalige Gattin Marie-<br />

Berthe zu kümmern, allein in Saint-Martin sitzengelassen hatte. Und<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


die er schon damals bei seiner Rückkehr am Rand des Abgrunds geistiger<br />

Verwirrung wie<strong>der</strong>fand. So hat er es wohl vorgezogen, in seinen<br />

späteren Erzählungen das Thema zu vermeiden, die Rolle, die<br />

Leonora in seinem Leben gespielt hat, zu vertuschen und die<br />

Verwicklungen um Haus und Habe mit Schweigen zu übergehen.<br />

Doch nicht nur Max selbst streute <strong>der</strong> Nachwelt Sand in die<br />

Augen. Da sind auch all die an<strong>der</strong>en Beteiligten, die ein Interesse<br />

daran haben, die Spuren aus jenen Tagen zu verwischen. Etwa die<br />

Schar <strong>der</strong> Kunsthändler und Profiteure, die sich inzwischen zu<br />

Schleu<strong>der</strong>preisen <strong>der</strong> Zeugnisse aus jener Zeit bemächtigt haben.<br />

Und nicht zuletzt die Hinterbliebenen, die eifrig am Mythos Max<br />

Ernst stricken – je<strong>der</strong> an <strong>der</strong>jenigen Version, die den eigenen<br />

Interessen am ehesten entspricht.<br />

So mussten Aline und ich lernen, die Quellen kritischer zu lesen.<br />

Und aus dem von Max Ernst, seinen diversen Gefährtinnen und den<br />

an<strong>der</strong>en Profi- und Hobby-Biografen gewirkten Wahrheits- und<br />

Lügengewebe die losen Enden heraus zu picken, sie mit den von uns<br />

gefundenen Fäden zu verknüpfen. Erst jetzt begannen sich die<br />

Umrisse <strong>der</strong> Wahrheit über die Monate nach <strong>der</strong> Flucht von Max<br />

aus dem Lager Saint-Nicolas im Herbst 1940 abzuzeichnen.<br />

Der einzige Augenzeuge, <strong>der</strong> darüber wirklich Bescheid weiß, ist <strong>der</strong><br />

ehemalige Kaufmann Maurice L., <strong>der</strong> schon in Max’ Ardècher Jahren<br />

im Dorf Aiguèze auf dem an<strong>der</strong>en Flussufer wohnte. Zur Zeit unserer<br />

Recherchen lebte er noch, war aber sehr betagt, krank und gebrechlich.<br />

Über ihn sind in Saint-Martin viele Geschichten im Umlauf. Wenig<br />

schmeichelhafte Gerüchte, die ihm nachsagen, er habe sich nach dem<br />

Krieg in undurchsichtiger Weise an mannigfachen Kunstgegenständen,<br />

die Max Ernst ihm anvertraute, bereichert. Unsere Versuche, mit ihm<br />

ins Gespräch zu kommen, scheiterten. Maurice L., so sagte uns seine<br />

Frau, sei zu gebrechlich, um Besuche zu empfangen.<br />

Max und Leonora hatten Monsieur L. in Saint-Martin kennengelernt.<br />

Max schätzte ihn als Partner fürs Schachspiel und ging<br />

manchmal mit ihm fischen. Im Herbst 1940 wurde <strong>der</strong> Zufallsbekannte<br />

Maurice L. zur Schlüsselfigur in Max Ernsts Leben.<br />

100<br />

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Mühselig zu Fuß, manchmal ein Stück weit mitgenommen von<br />

einem Bauern auf seinem Karren o<strong>der</strong> einem klapprigen Laster, <strong>der</strong><br />

in Richtung Ardèche unterwegs war, schweigsam, umsichtig darauf<br />

bedacht, nicht als „sale boche“ erkannt zu werden, hatte Max die<br />

hun<strong>der</strong>t Kilometer von Saint-Nicolas bis in sein Dorf zurückgelegt.<br />

Wir müssen annehmen, dass er in sein Haus zurückgekehrt war,<br />

nicht ahnend, dass es inzwischen den Besitzer gewechselt hatte.<br />

Verschlossene Türen. Fremdes Gerät im Garten, fremde Menschen<br />

im Haus. Keine Spur von Leonora. Max schwant Übles. Die<br />

unbekannten Männer, die hier zu überwintern scheinen, gestatten<br />

ihm großzügig, im Haus zu übernachten. Am nächsten Morgen läuft<br />

Max ins Dorf. Wem kann er noch trauen? Seinen beiden Wirtinnen,<br />

Fonfon und Berthe Granier? O<strong>der</strong> sind auch sie zum Vichy-<br />

Marschall übergelaufen?<br />

Vielleicht war’s <strong>der</strong> Briefträger – Max erwähnt ihn in einer seiner<br />

Anekdoten – <strong>der</strong> ihm reinen Wein einschenkte über Leonoras<br />

Verzweiflungstat. Vielleicht waren es die Vianos selbst, die es ihm<br />

auf ihre Weise beibrachten. Jedenfalls dauert es nicht lange, bis <strong>der</strong><br />

Flüchtling erkannt und wie<strong>der</strong> verhaftet wird. „Monsieur Erneste,<br />

tun Sie das nicht...“ Handschellen. Und wie<strong>der</strong>um Les Milles.<br />

Nicht für lange. Max muss zurück ins Dorf. Er muss wissen, was<br />

mit Leonora, was mit dem Haus geschehen ist. Er hält es im Lager<br />

nicht länger aus, die Flucht muss ein zweites Mal gelingen.<br />

Vielleicht wird ihm Monsieur L., <strong>der</strong> Bekannte aus Aiguèze, helfen?<br />

Wie<strong>der</strong> in Saint-Martin. Diesmal ist Maxens Lage verzweifelt. Ohne<br />

einen Franc, seiner gesamten Habe beraubt, von den Nazis und dem<br />

Vichy-Regime verfolgt, von <strong>der</strong> erneuten Verhaftung und <strong>der</strong><br />

Auslieferung bedroht, steht er da. Monsieur L.’s Angebot, ihn bei sich<br />

zu verstecken, ist seine Rettung. Dankbar muss er angenommen haben.<br />

Jetzt beginnt Max, sich aus dem Untergrund zu organisieren. Er<br />

schreibt seinem Freund Joë Bousquet in Carcassonne. Der hilft ihm<br />

mit etwas Geld aus. Und er zerbricht sich den Kopf, wie er sein<br />

Haus zurückbekommen könnte. Vor allem aber will er möglichst<br />

viele seiner Bil<strong>der</strong> herausholen, bevor es zu spät ist.<br />

101<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Kalte, sternenklare Nacht. Der Mistral fegt um die Ecken, haut<br />

einen lockeren Fensterladen an die Brüstung, schluckt das<br />

Geräusch <strong>der</strong> Schritte auf dem hartgetretenen Weg, verwischt die<br />

Schreie eines Käuzchens. Ohnmächtig ducken sich die Hausgeister<br />

in ihren Mauernischen, während ihr Schöpfer um die Ecke<br />

schleicht. Er kennt den Schlitz in <strong>der</strong> Mauer, durch den er in den<br />

feuchten Keller schlüpfen kann.<br />

Soll er sein letztes großes Gemälde, Ein wenig Ruhe, von <strong>der</strong> steinernen<br />

Wand im Keller lösen, wo er es im Frühling, als die Farbe<br />

noch feucht war, notdürftig befestigt hatte? Doch die Leinwand – ein<br />

Meter achtzig mal drei Meter fünfundzwanzig – ist zu sperrig. Er<br />

wi<strong>der</strong>steht <strong>der</strong> Versuchung. Schleicht sich über die steile Treppe ins<br />

Obergeschoss. Hängt dort ein paar seiner kleineren Bil<strong>der</strong> ab, rollt<br />

sie behutsam zusammen. Nimmt sie unter den Arm und verschwindet,<br />

lautlos wie er gekommen ist, in <strong>der</strong> schützenden Nacht.<br />

Und irgendwie bringt er es fertig, zu malen. Maurice L. hat Jahre<br />

danach, nach Max Ernsts Tod im Jahr 1976, dem Journalisten eines<br />

Lokalblatts erzählt: „Ich habe während drei Monaten täglich zugeschaut,<br />

wie M.E. einen Pelzmantel gemalt hat.“ Der „Pelzmantel“<br />

muss das pompöse rote Fe<strong>der</strong>kleid sein, in das Max die Braut, auf<br />

seinem Bild L ’ habillement de l ’ épouse eingekleidet hat. Die Braut ist<br />

Leonora.<br />

Max malt, Max wartet. Bald wird es Winter, und noch immer<br />

kein Sterbenswort von Leonora. Max streckt seine Fühler nach<br />

Marseille aus. Dort warten einige seiner Freunde aus Paris und aus<br />

Les Milles auf eine Möglichkeit, in die U.S.A. auszureisen.<br />

Marseille ist in jenen Monaten <strong>der</strong> Wartesaal für viele europäische<br />

Antifaschisten, die hoffen, von hier aus in ein sicheres Land emigrieren<br />

zu können. Einige von ihnen – wie Feuchtwanger – sind aus<br />

Les Milles und an<strong>der</strong>en Lagern hier gelandet. An<strong>der</strong>e – wie André<br />

Breton – sind aus dem besetzten Paris in die „Zone libre“ geflüchtet.<br />

Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e haben sich in mehreren beschwerlichen Etappen<br />

ihrer Flucht vor den Nazis bis hierher durchgeschlagen, in <strong>der</strong><br />

Hoffnung, einen Weg in die Freiheit zu finden.<br />

102<br />

Hier können Sie dieses Buch sofort und bequem via amazon direkt beim Verlag bestellen :<br />

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Die Schlüsselfigur <strong>der</strong> Emigration in die U.S.A. ist <strong>der</strong> amerikanische<br />

Journalist Varian Fry, Kopf und Seele des American Rescue<br />

Committee. Das Komitee, eine Gründung <strong>der</strong> Präsidentengattin<br />

Eleanor Roosevelt auf Anregung des U.S.-Emigranten Thomas<br />

Mann, betreibt die Rettung europäischer Künstler und Intellektueller<br />

aus Marseille. Und zwar gegen die Wi<strong>der</strong>stände <strong>der</strong><br />

Bürokraten des U.S.-Außenministeriums, das die Vichy-Regierung<br />

anerkannt hat.<br />

Unter den misstrauischen Blicken von Marschall Pétains<br />

Spitzeln, serviler amerikanischer Konsularbeamter und <strong>der</strong><br />

Gestapo geht <strong>der</strong> unerschrockene Varian Fry seinem subversiven<br />

Job nach, unterstützt von Vichy-feindlichen französischen und ausländischen<br />

Helfern. Und von einer bunten Schar von Oppositionellen,<br />

die ihm helfen, Pässe zu fälschen, geheime Routen zu organisieren,<br />

Geld zusammenzutrommeln.<br />

Eine seiner finanziellen Stützen ist die amerikanische Kunstsammlerin<br />

und Mäzenin Peggy Guggenheim. Und Peggy wird bald<br />

über Maxens weiteres Schicksal bestimmen.<br />

Max kennt sie flüchtig, sie besitzt bereits mehrere Bil<strong>der</strong> von ihm.<br />

Einmal war sie auch in seinem Atelier in Paris aufgetaucht, hatte<br />

es eigentlich auf ein Bild von Max abgesehen, rauschte dann schließlich<br />

mit einer Leinwand von Leonora davon. Peggy Guggenheim<br />

lebte seit den zwanziger Jahren in Europa, in jenem Herbst 1940<br />

wohnte sie in Grenoble. Von dort aus reiste sie mehrmals nach<br />

Marseille, um sich um die Verschiffung ihrer umfangreichen<br />

Kunstsammlung in die U.S.A. zu kümmern. Dort traf sie Varian<br />

Fry. Sie willigte ein, für mehrere namhafte Künstler die Kosten des<br />

Flugtickets in die U.S.A. zu übernehmen.<br />

Max nimmt aus seinem Versteck Kontakt auf mit den Freunden<br />

aus Les Milles, die in Marseile überwintern. Als er hört, dass Peggy<br />

in Marseille aufgetaucht ist, beschließt er, sich an sie um Hilfe zu<br />

wenden. Offenbar glaubt er immer noch an eine Möglichkeit, den<br />

Verkauf des Loplop-Hauses rückgängig zu machen. Ein hoffnungsloses<br />

Unterfangen, angesichts des Paragraphen 19 des Waffenstill-<br />

103<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


standsvertrages und <strong>der</strong> Gefahr, von übel wollenden Dorfbewohnern<br />

o<strong>der</strong> vom trickreichen Maître Pagès als deutscher<br />

Antifaschist denunziert zu werden.<br />

Dennoch schreibt er an Peggy. Bittet sie um 6000 Francs und um<br />

eine Bestätigung für einen Anwalt, dass sie die Skulpturen an seinem<br />

Haus in Saint-Martin kenne, und dass diese mindestens<br />

175 000 Francs wert seien. Mag sein, dass er plant, sich mit den<br />

6000 Francs von Leonoras Trinkschulden bei <strong>der</strong> Wirtin Berthe<br />

Granier loszukaufen. Und mit <strong>der</strong> Bestätigung des Werts <strong>der</strong><br />

Skulpturen zu beweisen, dass <strong>der</strong> Verkauf für lumpige 20 000<br />

Francs nur in illegaler Manier hatte abgewickelt werden können.<br />

In seinem Bittschreiben an Peggy erwähnt er auch, was er sich<br />

inzwischen zu Leonoras Kurzschlusshandlung zusammengereimt<br />

hat: Dass Leonora den Verstand verloren habe, dass sie das Haus<br />

mit einem fiktiven Vertrag verkauft habe an einen Franzosen, um es<br />

vor den Deutschen zu retten. Dass dieser Franzose die Situation missbraucht<br />

habe, um sich das Haus anzueignen. Er vermute Leonora<br />

in Spanien, möglicherweise in einem dortigen Irrenhaus.<br />

Peggy bemerkt dazu in ihren Memoiren, Maxens Nachrichten<br />

über Leonoras Geisteszustand seien ihr damals ziemlich kaltschnäuzig<br />

vorgekommen. Später habe sie dann erfahren müssen,<br />

wie leidenschaftlich Max noch immer an Leonora hing.<br />

Maxens Leidenschaft für Leonora lässt Peggy nicht kalt. Denn die<br />

lebenslustige Amerikanerin hat ein Auge auf den schönen Max<br />

geworfen. Sie tut ihm den erbetenen Gefallen, sichert ihm – im<br />

Tausch gegen Bil<strong>der</strong> – die Bezahlung seiner Überfahrt in die U.S.A.<br />

zu und schickt ihm die gewünschte Bescheinigung über den Wert<br />

<strong>der</strong> Skulpturen von Saint-Martin, die sie von einer Publikation in<br />

den „Cahiers d’Art“ her kennt.<br />

Doch jetzt scheint sich Max von <strong>der</strong> Aussichtslosigkeit seines Plans<br />

überzeugt zu haben. Wie<strong>der</strong> unternimmt er eine geheime Reise durch<br />

den Untergrund. Schlägt sich irgendwie durch bis zum 60 Kilometer<br />

nördlich gelegenen Städtchen Ucel, wo ein Freund aus Marie-Berthes<br />

Zeiten, Georges Hillaire, als Sous-Préfet amtiert. Von ihm, <strong>der</strong> einzi-<br />

104<br />

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gen Amtsperson, <strong>der</strong> er jetzt noch vertrauen kann, erhofft er sich den<br />

„Sauf-Conduit“, die Reiseerlaubnis, ohne die er Saint-Martin nicht verlassen<br />

kann. Und Georges Hillaire tut ihm den Gefallen, fertigt ein<br />

Ausreise-Visum an und setzt seinen schwungvollen Unterschrifts-<br />

Schnörkel auf das einzige legale Reisepapier, das Max jetzt besitzt.<br />

Seinen Pass hat Leonora mit nach Spanien genommen.<br />

Anfang Dezember 1940. Max schreibt an seinen Sohn Jimmy, <strong>der</strong><br />

in New York einen 15-Dollar-pro-Woche-Job als Ausläufer im<br />

Museum of Mo<strong>der</strong>n Art gefunden hat. Er solle alle Hebel in<br />

Bewegung setzen, um die Überfahrt für ihn zu organisieren. Jimmy<br />

Ernst wendet sich an seinen Boss, MoMA-Direktor Alfred Barr, und<br />

<strong>der</strong> leitet Jimmys Anliegen an Varian Fry weiter.<br />

So finden wir im Winter 1940/41 Max in Marseille. In seinem<br />

unverwüstlichen schwarzen Umhang, mit ziemlich vielen aufgerollten<br />

Leinwänden unter dem Arm und ein paar Habseligkeiten ist er<br />

hier eingetroffen, um auf ein Visum und den Flug in die U.S.A. –<br />

bezahlt von seiner neuen Gönnerin Peggy Guggenheim – zu warten.<br />

Auch Leonora ist unterwegs. In Lissabon gelingt es ihr, die<br />

Bewacherin, die sich ihr im Auftrag <strong>der</strong> Eltern Carrington an die<br />

Fersen geheftet hat, abzuschütteln. Ein Taxi bringt sie in die mexikanische<br />

Botschaft. Sie fragt nach ihrem alten Verehrer Renato<br />

Leduc. Er ist im Moment nicht auffindbar. Sie lässt nicht locker, gibt<br />

vor, von <strong>der</strong> Polizei verfolgt zu sein. Sie ist kreideweiß, ihre großen<br />

schwarzen Augen glühen, sie zittert am ganzen Körper. Der mexikanische<br />

Botschafter glaubt ihr und versichert ihr, sie befinde sich<br />

hier auf mexikanischem Boden in Sicherheit.<br />

Irgendwann trifft <strong>der</strong> Freund aus Pariser Zeiten tatsächlich in <strong>der</strong><br />

Botschaft ein. Und wie sie es sich erhofft hat, nimmt er Leonora bereitwillig<br />

unter seine Fittiche. Er bietet ihr an, sie in Mexiko vor ihren<br />

Eltern in Sicherheit zu bringen. Später wird er ihr vorschlagen, ihn zu<br />

heiraten, um die Prozedur zu vereinfachen. Leonora willigt ein. Sie<br />

fühlt sich bei Renato wohl, <strong>der</strong> väterliche Freund scheint ihr die<br />

Geborgenheit zu geben, die sie jetzt dringend braucht, um sich von den<br />

traumatischen Monaten in Saint-Martin und Santan<strong>der</strong> zu erholen.<br />

105<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Max hat sich inzwischen in Marseille sehr mit seiner Gönnerin<br />

Peggy angefreundet. Peggy ist bis über beide Ohren in Max verliebt.<br />

Himmlisch findet sie ihn. „Im Lager zum Skelett abgemagert und<br />

fabelhaft gewachsen“, schwärmt sie in ihren Memoiren. Sie bemuttert<br />

ihn, erwirbt Bil<strong>der</strong> von ihm, kauft ihm einen weißen<br />

Lammfellmantel. Und Max müsste nicht Max sein, wenn diese<br />

Freundschaft nicht zwischen den feinen Laken von Peggys<br />

Marseiller Viersterne-Hotel enden würde.<br />

Max wohnt mit mehreren an<strong>der</strong>en Fry-Schützlingen in Air-Bel,<br />

einer schlossähnlichen alten Villa, von Varian Fry für seine<br />

Flüchtlinge angemietet. Er trifft hier André Breton, seinen Intim-<br />

Feind aus den Pariser Surrealisten-Zeiten. Sie feiern Versöhnung.<br />

Max hängt seine aus Aiguèze geretteten Bil<strong>der</strong> an langen Schnüren<br />

zwischen die Bäume des alten Parks, um etwas Geld zu verdienen.<br />

Peggy deckt sich begeistert ein.<br />

In seinem Buch „Auslieferung auf Verlangen“ beschreibt Varian<br />

Fry die abenteuerliche Stimmung im Schloss Air-Bel. Eine zusammengewürfelte<br />

Gruppe von Künstlern und Intellektuellen, <strong>der</strong>en<br />

Frauen, Geliebte, Ex-Frauen und Kin<strong>der</strong> vertreibt sich unter André<br />

Bretons Anleitung mit den Zeichen- und Schreibspielen <strong>der</strong><br />

Surrealisten die Wartezeit – unter tausend Hoffnungen, Ängsten<br />

und Ungewissheiten. In <strong>der</strong> Emigranten-Herberge brodelt die<br />

Gerüchteküche. Nachrichten, halbe und vollständige Informationen<br />

verbreiten sich auf vielen rätselhaften Wegen. Hat Max hier erfahren,<br />

dass Leonora in Lissabon ist?<br />

Lissabon wird jedenfalls sein nächstes Ziel. Sobald Varian Fry<br />

ihm die nötigen Papiere verschafft hat, verabschiedet er sich von<br />

Peggy. Sie bleibt in Marseille, um noch einige Formalitäten für die<br />

gemeinsame Überfahrt und den Abtransport ihrer Sammlung zu<br />

erledigen. Sie verabreden sich in Lissabon.<br />

Als Peggy an einem lauen Frühlingstag mit ihren zwei Teenager-<br />

Kin<strong>der</strong>n in Lissabon ankommt, erwartet Max sie am Bahnhof. Er<br />

nimmt sie zur Seite und sagt, er habe eines schlimme Nachricht für<br />

sie. „Ich habe Leonora gefunden. Sie ist in Lissabon.“<br />

106<br />

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Peggy ist, was man in den U.S.A. „a good sport“ nennt. Sie lässt<br />

sich nicht anmerken, wie hart <strong>der</strong> Schlag sie trifft. „Ein Schwertstoß<br />

ging durch mein Herz“, berichtet sie. Doch sie macht gute Miene<br />

zum bösen Spiel, hofft, trotz gegenteiliger Ratschläge ihrer Freunde,<br />

Max doch noch für sich zu gewinnen. Die folgenden Wochen sind<br />

ein Horror für sie.<br />

Wir sind auf Peggys nicht eben objektive Schil<strong>der</strong>ungen angewiesen,<br />

um zu erfahren, was sich im Frühling 1941 in Portugal zwischen<br />

Max und Leonora abgespielt hat. Jedenfalls sehen sie sich<br />

jeden Tag. Als Leonora – wie Peggy berichtet – in ein Krankenhaus<br />

eingeliefert wird, um sich einer Brustoperation zu unterziehen, sitzt<br />

Max Stunde für Stunde an ihrem Krankenbett: „Sie verbrachten den<br />

ganzen Tag mit Lesen und Zeichnen in perfekter Harmonie. Er war<br />

vollkommen glücklich, wenn er mit ihr war. Und todunglücklich<br />

ohne sie.“<br />

Peggy ist überzeugt, dass Max alles versucht hat, um Leonora<br />

zurückzugewinnen. Sie glaubt auch, dass Leonora sich nicht entscheiden<br />

kann zwischen dem glühend eifersüchtigen Renato Leduc,<br />

den sie inzwischen geheiratet hat, und Max. Max verabscheut seinen<br />

früheren Freund Renato, macht sich lustig über ihn, nennt ihn<br />

einen „homme inférieur“. Peggy glaubt, dass Leonora eigentlich we<strong>der</strong><br />

Renato noch Max haben will. „Leduc war wie ein Vater für sie“,<br />

schreibt Peggy. „Max war immer wie ein Baby. Er konnte niemandes<br />

Vater sein. Ich glaube, sie brauchte mehr als alles einen Vater, <strong>der</strong><br />

ihr Gleichgewicht stützte und <strong>der</strong> sie davor bewahrte, wie<strong>der</strong> verrückt<br />

zu werden.“<br />

Maxens Gefährtinnen geraten schließlich aneinan<strong>der</strong>. Peggy<br />

schreit Leonora an, sie solle sich entwe<strong>der</strong> endgültig für Max entscheiden,<br />

o<strong>der</strong> ihn ihr überlassen. Leonora sei aus allen Wolken<br />

gefallen, berichtet sie. Sie hatte keine Ahnung von Max’ neuer Love<br />

Story, die er geflissentlich vor ihr verbarg. Nur aus Mitleid sehe sie<br />

ihn noch, habe sie Peggy erklärt, doch sie werde ihn sofort fallenlassen.<br />

Peggy wie<strong>der</strong>um erzählt die Episode brühwarm ihrem Max,<br />

<strong>der</strong> seinerseits darob so wütend wird, dass Peggy <strong>der</strong> Ruhe willen<br />

107<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Leonora bittet, ihre Rendez-Vous mit Max fortzusetzen. Doch<br />

Leonora hält ihr Versprechen und verabschiedet sich von Max.<br />

Renato Leduc und Peggy Guggenheim sind gleichermaßen erleichtert.<br />

Am 13. Juli 1941 ist es so weit. Nach endloser Wartezeit besteigt<br />

Max mit Peggy und ihren Kin<strong>der</strong>n einen Clipper <strong>der</strong> Pan American<br />

Airways nach New York. Kurz darauf schifft sich Leonora mit<br />

Renato Leduc in Lissabons Hafen ein – ebenfalls Richtung New<br />

York.<br />

Das nunmehr getrennte Schnabelpaar dreht Europa den Rücken.<br />

108<br />

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Epilog<br />

Die Not ist eine schlechte Kupplerin. Und es sind zwei ziemlich<br />

zufällig zusammengewürfelte Paare, die im Sommer 1941 in New<br />

York landen. Der alternde mexikanische Diplomat und Stierkampf-<br />

Experte Renato Leduc, <strong>der</strong> mit Argusaugen über seine labile englische<br />

Gattin Leonora Carrington wacht. Und <strong>der</strong> vom Schicksal arg<br />

geschundene deutsche Surrealist Max Ernst, <strong>der</strong> sich von seiner<br />

betuchten amerikanischen Beschützerin Peggy Guggenheim verwöhnen<br />

lässt.<br />

Nach einem kurzen Zwischenhalt als „feindlicher Auslän<strong>der</strong>“ auf<br />

<strong>der</strong> Immigranten-Auffanginsel Ellis Island – eine von Maxens Lieblings-Anekdoten<br />

aus dieser Zeit – kann Jimmy Ernst seinen Vater<br />

am New Yorker Pier in die Arme schließen. Ein Leben in Freiheit<br />

und im Wohlstand kann beginnen.<br />

Es fängt nicht eben vielversprechend an. Denn kurz nach Max’<br />

Ankunft erreicht auch die „Exeter“, auf <strong>der</strong> sich Mr. & Mrs. Renato<br />

Leduc eingeschifft haben, den Hafen von New York. Leonora kommt<br />

mit Kisten voll Bil<strong>der</strong>n an – viele davon Leinwände von Max, die er<br />

in seinem Fluggepäck nicht mitnehmen konnte.<br />

Und so nimmt die unvollendete Romanze ihren Fortgang. Die<br />

Augenzeugen Jimmy Ernst und Peggy Guggenheim schil<strong>der</strong>n übereinstimmend<br />

die unvermin<strong>der</strong>te Faszination <strong>der</strong> beiden getrennten<br />

Liebenden für einan<strong>der</strong>. Jimmy Ernst: „Nie wie<strong>der</strong> habe ich eine so<br />

merkwürdige Mischung von Verzweiflung und Euphorie in meines<br />

Vaters Zügen gesehen wie nach dem ersten Wie<strong>der</strong>sehen <strong>der</strong> beiden<br />

in New York. Einen Augenblick lang war er wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mann, den<br />

ich aus Paris kannte – lebendig, brillant, witzig und mit sich selbst<br />

im Reinen – und dann wie<strong>der</strong> sah ich auf seinem Gesicht den<br />

schrecklichen Albtraum, <strong>der</strong> so oft vor dem Erwachen sich einstellt.<br />

Je<strong>der</strong> Tag, an dem er sie sah, endete auf diese Weise …“ Und Peggy:<br />

„Max war so verrückt nach Leonora, dass er es nicht zu verbergen<br />

109<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


vermochte.“ Und sie kolportiert in ihren Memoiren das Gerücht,<br />

das André Breton in den New Yorker Surrealisten-Kreisen verbreitet:<br />

Dass Max so lange in Lissabon geblieben sei, weil er sich nicht<br />

von Leonora trennen konnte, „<strong>der</strong> einzigen Frau“, so Breton, „die<br />

Max je geliebt hat.“<br />

Max richtet sich im neuen Wohlstand häuslich ein. Er kleidet<br />

sich extravagant, stellt für sich einen goldenen Sessel in die<br />

gemeinsame Wohnung, legt sich eine Sammlung von Hopi-<br />

Indianer-Puppen an. Die französische Schriftstellerin Anaïs Nin<br />

beschreibt ihn an Peggys Seite in ihrem Tagebuch (1939–1944):<br />

„Früher hatte er mich an den Zauberer Merlin erinnert; jetzt ist er<br />

vom Reichtum ausgestopft. Er hat keine Antennen, er scheint aus<br />

Sägespänen zu bestehen.“<br />

Es sieht beinahe so aus, als ob sich Max an Peggy dafür rächen<br />

wolle, dass Leonora sich standhaft weigert, zu ihm zurückzukehren.<br />

Er verhed<strong>der</strong>t sich in zahllosen Affairen. Und obschon Peggy durchsetzt,<br />

dass er sie auch noch heiratet, ist diese „unmögliche Verbindung“<br />

(Jimmy Ernst) zum Scheitern verurteilt.<br />

Der endlosen Love Story setzt schließlich Renato Leduc ein Ende.<br />

Ein gutes Jahr nach <strong>der</strong> Ankunft des Quartetts in <strong>der</strong> neuen Welt<br />

verlässt er New York und bringt Leonora in seine Heimat nach<br />

Mexico City. Loplop hat seine Windsbraut endgültig verloren.<br />

Kurz danach, im Dezember 1942, lernt Max in New York eine<br />

dunkelhaarige, attraktive junge surrealistische Malerin kennen. Sie<br />

heißt Dorothea Tanning. Er besucht sie in ihrem Atelier, um Bil<strong>der</strong><br />

von ihr für die Ausstellung „31 Women Painters“ in Peggys Galerie<br />

auszusuchen. Er sieht das Selbstporträt auf ihrer Staffelei, es gefällt<br />

ihm, er rät ihr, es Birthday zu nennen.<br />

Max kommt an<strong>der</strong>ntags wie<strong>der</strong>. Er spricht kaum Englisch, Dorothéa,<br />

wie er sie nennt, kein Französisch. So vermeidet man Gespräche,<br />

spielt abendelang Schach. Dann zieht er samt seinen Hopi-<br />

Puppen in ihre Wohnung ein und erklärt ihr, von nun an mit ihr<br />

zusammenleben zu wollen. Peggy ist unglücklich, tröstet sich aber<br />

bald mit dem französischen Maler Marcel Duchamp.<br />

110<br />

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Max Ernsts neue Gefährtin, Dorothy Tanning aus Galesburg,<br />

Illinois, ist jung, hübsch und begabt. Aber eine Windsbraut ist sie<br />

nicht. Sie steht mit beiden Füßen auf dem Boden <strong>der</strong> Vereinigten<br />

Staaten von Amerika, wehrt sich mit aller Kraft gegen die Rolle, die<br />

Max seinen Frauen zugedacht hat. Und findet im Lauf <strong>der</strong> Jahre<br />

tatsächlich ihren eigenen Platz als Künstlerin.<br />

Es war ein harter Kampf. Ein Galerist, <strong>der</strong> mit dem Paar eng verbunden<br />

war, schil<strong>der</strong>t lächelnd seine Erfahrungen mit den beiden<br />

Künstlern: „Niemals durfte man bloß von einer Ausstellung von<br />

Max Ernst reden. Immer musste gleichzeitig auch eine Ausstellung<br />

von Frau Tanning geplant werden. Sonst konnte sie sehr unangenehm<br />

werden.“<br />

Das Paar lebte in New York, später in einem selbstgezimmerten<br />

Haus in <strong>der</strong> Wüste von Arizona. 1950 kehrte Max, begleitet von<br />

Dorothea, erstmals nach Frankreich zurück. In ihrem autobiographischen<br />

Buch Birthday beschreibt Dorothea den gemeinsamen<br />

Abstecher nach Saint-Martin und den Besuch des Loplop-Hauses.<br />

„Erwartet hatte ich etwas postkartenhaft Pittoreskes (…) nicht aber<br />

die beherrschende Existenz seiner Totems. Von je<strong>der</strong> Brüstung,<br />

je<strong>der</strong> Treppenstufe, jedem Türsims, jedem Mäuerchen beugten sie<br />

sich über mich wie ein Stammesrat, <strong>der</strong> mich prüfte ...“<br />

Innen im Keller „ein Steilgewölbe, erfüllt vom üblichen Schimmelgeruch,<br />

<strong>der</strong> ganz plötzlich Teil eines traumhaften Augenblicks<br />

ist, als ich am an<strong>der</strong>en Ende des Raums einen dichten hohen Wald<br />

erblicke, schwarz in <strong>der</strong> schummrigen Höhle ...“ Es ist Max Ernsts<br />

im Loplop-Haus zurückgebliebenes Bild Ein wenig Ruhe. Dorothea<br />

zieht es von <strong>der</strong> Wand, rollt es zusammen, läuft damit den steilen<br />

Abhang hinunter. Max wird es ihr später schenken.<br />

An<strong>der</strong>e Augenzeugen beschreiben einen späteren Besuch von<br />

Max in Saint-Martin und seinen gescheiterten Versuch, das Haus<br />

zurückzukaufen. Doch <strong>der</strong> neue Besitzer setzt den Preis hoch an,<br />

zu hoch. Max zieht sich frustriert zurück. Wutschnaubend soll er<br />

das Dorf verlassen haben, beraubt und geplün<strong>der</strong>t sei er sich vorgekommen.<br />

111<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


1955 lässt sich das Paar in Huismes in <strong>der</strong> Touraine nie<strong>der</strong>. 1965<br />

kauft Max einen Abhang in Saillans im Hinterland von Toulon.<br />

Dorothea entwirft darauf ihr Traumhaus – eine Mischung von kalifornischem<br />

Heimatstil und französischer Mittelstandsvilla. Max<br />

lässt sie gewähren. Er hat offensichtlich gelernt, die Wünsche seiner<br />

Partnerin zu respektieren.<br />

Im Mai 1975 erleidet Max in seiner letzten Pariser Wohnung an<br />

<strong>der</strong> Rue de Lille einen Hirnschlag. Dorothea pflegt den halbseitig<br />

Gelähmten. In <strong>der</strong> Nacht zum 1. April 1976, dem Tag seines<br />

85. Geburtstags, stirbt Max Ernst.<br />

Nach ihrer endgültigen Trennung von Max ist auch Leonora reif<br />

für eine neue Liebe. In Mexiko trennt sie sich bald in aller<br />

Freundschaft vom väterlichen Renato Leduc. Im Intellektuellenzirkel<br />

von Mexico City, wo viele europäische Emigranten leben,<br />

lernt sie den ungarischen Fotografen Emerico Weisz kennen. Er<br />

wird ihr Lebensgefährte. 1946 heiraten die beiden, haben später<br />

zwei Söhne miteinan<strong>der</strong>.<br />

Ihr inneres Gleichgewicht hat Leonora wie<strong>der</strong>gefunden. Sie malt<br />

und schreibt, wird eine prominente Vertreterin <strong>der</strong> südamerikanischen<br />

Variante des Surrealismus – auf einer Auktion in New York<br />

1994 wird eine ihrer Leinwände für stolze 244 000 Dollar versteigert.<br />

Zur Zeit unserer Recherchen lebt Leonora Carrington abwechselnd<br />

in den U.S.A. und in Mexico. 1994 fand in Mexico City eine<br />

große Austellung mit 77 Bil<strong>der</strong>n von ihr statt. Sie ist eine schöne<br />

und imponierende alte Dame geworden – rebellisch, ironisch, maliziös<br />

und störrisch wie eh und je. Wein trinkt sie noch immer gern<br />

und ihr englisch-französisches Sprachgemisch hat sie inzwischen<br />

mit Spanisch angereichert. Ihr Herz gehört den Unterdrückten –<br />

den Tieren, den Indios, den Frauen. Auf die Frage einer mexikanischen<br />

Journalistin nach ihrer Meinung zu Marcos, dem mexikanischen<br />

Rebellenführer, sagt sie: „Man müsste wissen, wie er mit seinen<br />

Frauen umgeht …“<br />

In den siebziger Jahren, nach dem Tod von Max, sind im Pariser<br />

Kunsthandel eine Reihe bisher verschollener Werke von Max Ernst<br />

112<br />

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aufgetaucht. Mehrere Pariser Galeristen haben Monsieur L. aufgestöbert<br />

und sind bei ihm fündig geworden. Zahlreiche Leinwände<br />

wechselten damals von den Wänden seines Hauses in Aiguèze in<br />

Pariser Galerien – nicht nur Bil<strong>der</strong> von Max Ernst, auch solche seiner<br />

surrealistischen Freunde.<br />

Im Frühling 1994 ist mir selbst in einer Pariser Galerie ein Stoß<br />

alter Skizzenbücher von Leonora angeboten worden. Abgenützte<br />

Ringbücher mit hun<strong>der</strong>ten von Zeichnungen, datiert Anfang <strong>der</strong><br />

dreißiger Jahre. Leonora war damals etwa 17 Jahre alt. Mein Herz<br />

klopft – nach all den Daten, Zitaten und Zeugnissen aus Zweiter<br />

Hand endlich etwas zum Anfassen. Ich fahre mit dem Finger den<br />

Bleistift-Strichen nach. Und plötzlich wird Leonora für mich ein<br />

Wesen aus Fleisch und Blut – war sie das nicht, die hübsche Kleine<br />

mit den schwarzen Locken, die da eben vorbeigehuscht ist, draußen<br />

vor <strong>der</strong> Glastür auf <strong>der</strong> Rue Bonaparte?<br />

Auf <strong>der</strong> Rückseite einer <strong>der</strong> Skizzen ein Echtheitsattest, ausgestellt<br />

von Monsieur L. aus Aiguèze: „Ich, <strong>der</strong> Unterzeichnete M. L.<br />

bestätige, dass diese Zeichnung aus den Skizzenblöcken von<br />

Leonora Carrington stammt, die sie mir anlässlich ihres Aufenthalts<br />

in Saint Martin d’Ardèche gegeben hat.“<br />

Alles deutet darauf hin, dass Leonora ihre alten Skizzenblöcke im<br />

verkauften Haus zurückgelassen hat. Und dass Monsieur L. sie mit<br />

allen dort verbliebenen Bil<strong>der</strong>n, den ganzen Papieren, dem Kram von<br />

Max und Leonora im Loplop-Haus gefunden und – als Gefälligkeit<br />

gegenüber den neuen Hausbesitzern Viano-Granier – weggetragen<br />

hat: „Ein Glück, dass <strong>der</strong> nette Monsieur L. das ganze Gerümpel ausgeräumt<br />

hat…“ klingt die Stimme <strong>der</strong> Viano-Tochter Louise in meinen<br />

Ohren. Und recht hatte sie: Ihre Eltern hatten schließlich nicht nur<br />

das Haus, son<strong>der</strong>n auch sämtliche darin befindlichen „mobilen<br />

Güter“ dank <strong>der</strong> von Leonora unterzeichneten Vollmacht rechtlich<br />

erworben und konnten somit darüber vefügen.<br />

Auch <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>handel, den Monsieur L. im Lauf <strong>der</strong> folgenden<br />

Jahre abwickelte, war demnach ziemlich legal. So legal wie alles an<strong>der</strong>e,<br />

was nach dem 20. Juni 1940 mit dem Loplop-Haus geschehen ist.<br />

113<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

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Leonora jedenfalls hat, so erklärte mir <strong>der</strong> Pariser Galerist, <strong>der</strong><br />

Leonoras Skizzen anbot, seinen Bemühungen um ein Echtheitsattest<br />

eine Abfuhr erteilt. Erinnerungen – das hat sie 1994 einer<br />

mexikanischen Interviewerin erzählt – interessieren sie nicht.<br />

Beson<strong>der</strong>s Erinnerungen an Max. Und Briefe, die sie auf ihre<br />

Liebesgeschichte mit ihm ansprechen, beantwortet sie grundsätzlich<br />

nicht. Das haben auch Aline und ich erfahren.<br />

Leonora Carrington weiß wohl warum: „Niemals werde ich mich<br />

in einer Jugend versteinern lassen, die nicht mehr ist“, schreibt sie<br />

1986 in einem Brief an ihren französischen Verleger. Und bittet ihn,<br />

den Brief zu veröffentlichen. Zur Lektüre für alle, die in ihr nichts<br />

an<strong>der</strong>es sehen wollen als eine Figur im Mythos um Max Ernst.<br />

Es ist wie<strong>der</strong> Sommer. Ein letztes Mal bahne ich mir meinen Weg<br />

durch Saint-Martins Kanuten, parke in unverdächtiger Nähe des<br />

Loplop-Hauses. Gehe das letzte Wegstück zu Fuß, bleibe stehen vor<br />

<strong>der</strong> Mauer mit dem Relief. In den drei Jahren, seit wir uns kennen,<br />

scheint mir Loplops Gesicht flacher geworden zu sein, die breiten<br />

Lippen seines Froschmauls weiter abgebröckelt, sein versteinertes<br />

Lächeln kaum mehr wahrnehmbar.<br />

Seine leeren Augenhöhlen glotzen blind an mir vorbei.<br />

Bald werden die Herbststürme über die brüchigen Figuren fegen,<br />

wird <strong>der</strong> Regen weiter waschen an ihren Umrissen, bis die Zeit sie<br />

löscht. Bis auch das letzte Raunen <strong>der</strong> Künstler, die die Welt mit<br />

ihren Träumen verän<strong>der</strong>n wollten, verstummt.*<br />

Für Max Ernst ist Loplop an <strong>der</strong> steilen Hausmauer von Saint-<br />

Martin gestorben. In seinem späteren Werk kommt <strong>der</strong> Oberste <strong>der</strong><br />

Vögel nicht mehr vor.<br />

Die Zeit <strong>der</strong> Träume ist vorbei.<br />

* Da das Haus von Max Ernst und Leonora Carrington nun unter Denkmalschutz steht, wurden<br />

im Jahr 2000 umfangreiche Restaurierungsarbeiten an den verbliebenen Werken <strong>der</strong><br />

beiden Künstler vorgenommen (s. auch S. 145/145ff.)<br />

114<br />

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Leonora Carrington, Werke 1937–1941<br />

Auf dem Weg zum eigenen Stil<br />

115<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Leonora Carrington, Doppelporträt Max und Leonora<br />

Saint-Martin d’Ardèche, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Courtesy: Dallas Ernst<br />

116<br />

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Zwei blaugekleidete Mädchen tänzeln übers Blatt, ein putziger Hase<br />

stapft mit einem Skistock durch den Wald, eine Dame im eleganten<br />

Abendkleid schaut ins Weite und hebt abwehrend die Hände – drei<br />

von rund 400 Zeichnungen und Aquarellen, aufgehoben in 19 Skizzenblöcken<br />

<strong>der</strong> Marke „Spirax Sketchbook“. Der Galerist Marcel<br />

Fleiss in Paris bietet sie seit Jahren zum Kauf an. Zwei davon sind datiert<br />

1931 und 1935, Leonora Carringtons 14. und 18. Lebensjahr.<br />

Eher konventionell geht es in Leonoras frühen Skizzenbüchern<br />

zu. Es sind typische Arbeiten eines talentierten jungen Mädchens,<br />

das seit seiner fühesten Kindheit gezeichnet hat. Ihre Motive sind<br />

meistens <strong>der</strong> umliegenden Realität abgeguckt: Straßenszenen,<br />

Bistrot-Situationen, Interieurs. Englische, französische und deutsche<br />

Ortsnamen lassen auf Reise-Skizzen schließen. Schöpft sie aus<br />

ihrer Imagination, kommen meistens Tiere und Menschen, aber<br />

auch Motive aus frühen Comics zur Darstellung. Die Eleganz <strong>der</strong><br />

Damen verrät zwar das gehobene Milieu, in dem sich das junge<br />

Mädchen bewegt hat, aber nichts deutet auf eine rebellische Haltung<br />

hin. Und von <strong>der</strong> skurrilen Bildwelt <strong>der</strong> späteren Leonora ist<br />

noch kaum etwas zu finden: Einzig <strong>der</strong> Schwung <strong>der</strong> Bewegungsabläufe<br />

und die Leichtigkeit im Umgang mit den aufgegriffenen<br />

Themen lässt das Talent <strong>der</strong> angehenden Malerin ahnen.<br />

Im Sturmwind <strong>der</strong> Revolutionen<br />

Der auffallende Unterschied zwischen diesen frühen Skizzen und<br />

den nur wenig später entstandenen Frühwerken macht deutlich,<br />

wie sehr die Begegnung mit Max Ernst und den Surrealisten das<br />

Weltbild <strong>der</strong> zwanzigjährigen Leonora erschüttert und revolutioniert<br />

hat. Der Sprung vom Schlosspark von Crookney in den Surrealistendschungel<br />

von Saint-Germain des Près muss einen Kulturschock<br />

von elementarer Kraft ausgelöst haben.<br />

Von Gouvernanten und Internatsvorsteherinnen auf Manieren<br />

getrimmt, durch den Vater, den Industrie-Kapitän Harold W.<br />

117<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Carrington, mit den Hierarchien des Establishments vertraut, durch<br />

die mütterlichen Ambitionen auf den Eintritt in die High Society<br />

gedrillt, landet Leonora an <strong>der</strong> Seite von Max Ernst unvermittelt in<br />

einem Milieu, das sich ausdrücklich <strong>der</strong> kulturellen und politischen<br />

Revolution verschrieben hat.<br />

Angeführt vom kompromisslosen Vordenker André Breton hat sich<br />

eine Gruppe von jungen Männern zusammengeschlossen mit dem<br />

erklärten Ziel, die Welt zu verän<strong>der</strong>n. Dada hat in <strong>der</strong> Kunst, Karl<br />

Marx in <strong>der</strong> Politik, Sigmund Freud in ihren Seelen den Boden vorbereitet,<br />

und <strong>der</strong> am eigenen Leib erfahrene Wahnsinn des Krieges hat<br />

ihnen die Richtung gewiesen. 1924 prägte André Breton das Wort<br />

„Surrealismus“, sein Manifest setzte er einer neuen Erklärung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte gleich. Was die Surrealisten darunter verstanden,<br />

war das Recht auf eine bedingungslose Freiheit <strong>der</strong> Gedanken, jenseits<br />

aller ästhetischen und moralischen Normen. Den hierarchischen<br />

Kadavergehorsam <strong>der</strong> Kriegszeit wollten diese ehemaligen Soldaten<br />

durch ihre neue Art des gemeinsamen Schaffens, Lebens und Liebens<br />

ersetzen. Ihre Gesetze sollten we<strong>der</strong> bewusst erarbeitet, noch von<br />

eingefahrenen Traditionen abgeleitet sein. Einzig den freigesetzten<br />

Impulsen aus dem Unbewussten wollten sie gehorchen – in ihrer<br />

Kunst wie in ihrem Leben.<br />

Die Wirkung dieser Befreiung war ungeheuer. In einem nie<br />

dagewesenen schöpferischen Raptus stürzten sich die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gruppe, immer gemäß ihren Neigungen und Talenten, in das<br />

Wagnis <strong>der</strong> ungebremsten Kreation. Indem sie die bisher gültigen<br />

Normen über Bord warfen und nach neuen Ausdrucksweisen<br />

suchten, nahmen sie praktisch alle Ausdrucksformen <strong>der</strong> Avantgarde<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vorweg.<br />

Unter Verzicht auf die an <strong>der</strong> Akademie erlernten Regeln <strong>der</strong><br />

Malkunst erfanden sie einen neuen Umgang mit den Materialien. Sie<br />

assemblierten, klebten und kombinierten, sie bauten Kästen, überschritten<br />

Rahmen, zerschnitten Leinwände – so wie es kein Künstler<br />

vor ihnen, aber Generationen von Kunstschaffenden des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

nach ihnen taten. Malten sie, wählten sie Motive, die sie<br />

118<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Aus den Skizzenblöcken <strong>der</strong> Leonora Carrington, ca. 1935<br />

Talentproben eines gesitteten jungen Mädchens.<br />

Bleistift und Aquarell auf Papier<br />

Galerie mille neuf cent deux mille, Paris<br />

Fotos: Marcel Fleiss<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

119<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


nicht in <strong>der</strong> Natur, son<strong>der</strong>n in ihren Visionen und Obsessionen fanden<br />

– und nahmen so den fantastischen Realismus vorweg. Mit dem unkontrollierten<br />

Hantieren mit Farbe und Lösemitteln initiierten sie<br />

den abstrakten Expressionismus und die spontanen Malstile <strong>der</strong> 50er<br />

Jahre. Für ihre Ausstellungen bauten sie ganze Kunstgalerien zu skurrilen<br />

Höhlen um, so wie die Pop-Artisten in den späten Sechzigern.<br />

Mit ihren Installationen und mit ihren Bildtiteln nahmen die Surrealisten<br />

auch die Konzept-Kunst vorweg. In <strong>der</strong> Kombination von<br />

Malerei, Skulptur und Poesie, mit Piktogrammen und Bildgedichten<br />

überwanden sie die Grenzen <strong>der</strong> künstlerischen Disziplinen. Mit<br />

dem Einsatz <strong>der</strong> Fotografie und ihrer Verfremdung ebneten sie dem<br />

Einzug <strong>der</strong> Fototechniken den Weg in die Kunst, <strong>der</strong> Ende des 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts mit <strong>der</strong> Video Art seine logische Fortsetzung erlebte.<br />

Für ihre Objekte – noch nannten sie sie Skulpturen – war den<br />

Surrealisten kein Material zu gering, nicht das in <strong>der</strong> Natur gefundene<br />

„Objet trouvé“ – die „Arte povera“ nahm später den Trend<br />

auf; und nicht das Metallteil aus dem Müll – die Metallplastiker <strong>der</strong><br />

zweiten Jahrhun<strong>der</strong>thälfte konnten sich von ihnen inspirieren lassen.<br />

Im Sturm <strong>der</strong> surrealistischen Tabubrüche findet sich die zwanzigjährige<br />

Leonora an <strong>der</strong> Seite ihres neuen Liebhabers so gut wie<br />

möglich zurecht. Mitgerissen vom Wirbel <strong>der</strong> Revolutionen wirft<br />

auch sie die angelernten Verhaltensweisen über Bord, Mama<br />

Carringtons verhasste Society-Regeln ebenso wie den im Malunterricht<br />

erlernten Umgang mit Farben und Formen. Kein Wun<strong>der</strong>,<br />

dass auch sie in dieser Umgebung rasch zu einem neuen, zu<br />

ihrem eigenen Malstil findet, dem sie später lebenslang treu sein<br />

wird – das Beispiel ihres 1937 in Paris gemalten Selbstporträts<br />

A l’Auberge du Cheval d’Aube (S. 122) zeigt es. Und mit hinreißen<strong>der</strong><br />

Boshaftigkeit veräppelt sie jetzt in ihren Novellen und<br />

Romanen die aristokratischen Umgangsformen, denen sie sich<br />

noch vor kurzem wi<strong>der</strong>willig aber folgsam gebeugt hatte. Begeistert<br />

feiert André Breton noch Jahre später in seiner Anthologie<br />

de l’humour noir ein Diner, auf dem sie sich die entblößten Füße<br />

hingebungsvoll mit Senf einsalbte.<br />

120<br />

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Verschlungene Wege<br />

Ungeklärt ist die Frage, wie die Skizzenblöcke <strong>der</strong> Leonora<br />

Carrington von London in die Ardèche gelangt sind. Die Frage ist<br />

insofern interessant, als sie mancherlei Aufschluss gibt über diesen<br />

bisher verdrängten Abschnitt im Leben <strong>der</strong> beiden Künstler. Lagen<br />

ihre frühen Zeichnungen Leonora so sehr am Herzen, dass sie<br />

das umfangreiche Paket mitnahm, als sie mit Max ausriss nach<br />

Paris? Hat sie sie bei einem späteren Besuch im elterlichen Schloss<br />

Crookney abgeholt? O<strong>der</strong> waren sie ein Mitbringsel <strong>der</strong> Mama<br />

Carrington aus England, eine mütterlich-mahnende Reminiszenz<br />

aus besseren Zeiten? Ein Besuch <strong>der</strong> Lady ist im Dorf überliefert.<br />

Mit halb ehrfürchtigem, halb verschmitztem Lächeln erzählen die<br />

Alten von ihrer Luxuskarosse auf dem Platz unter den Platanen.<br />

Die Juwelen an ihrem Hals, so glauben sie sich zu erinnern, hätten<br />

geglitzert wie die Sonnenkringel auf dem Fluss.<br />

Ein Hinweis auf den verschlungenen Weg <strong>der</strong> Zeichenblöcke in<br />

die Öffentlichkeit vermittelt die Frage nach ihrer Authentizität. Der<br />

Galerist garantiert sie wohl, kann aber kein Echtheitsattest <strong>der</strong><br />

Künstlerin vorlegen. Zwar habe er, so klagt er, Leonora mehrmals<br />

in dieser Sache angeschrieben, aber niemals eine Antwort von ihr<br />

bekommen.<br />

Ein Echtheitszeugnis liegt aber trotzdem vor. Es stammt von<br />

Monsieur L., einem gelegentlichen Gesprächs- und Schachpartner<br />

von Max Ernst in Saint-Martin d’Ardèche. Er bewohnte im Nachbardorf<br />

Aiguèze ein geräumiges Haus und handelte als Vertreter mit<br />

Kunstbüchern. So dürfte er <strong>der</strong> einzige Dorfbewohner gewesen<br />

sein, für den <strong>der</strong> Begriff „Surrealismus“ kein Fremdwort war. Zwar<br />

haben we<strong>der</strong> Max noch Leonora seinen Namen je erwähnt. Heute<br />

aber ist erwiesen, dass er <strong>der</strong> Unbekannte war, <strong>der</strong> Max Ernst im<br />

Sommer 1940 nach seiner Flucht aus dem Internierungslager bei<br />

sich versteckt hatte. Mit seiner Unterschrift bestätigt er auf <strong>der</strong><br />

Rückseite mehrerer Zeichnungen aus den Blöcken, diese seien ihm<br />

„von Leonora Carrington persönlich übergeben“ worden.<br />

121<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


A l’Auberge du Cheval d’Aube (Selbstporträt), 1937<br />

Öl auf Leinwand<br />

Foto: Marcel Fleiss, Paris<br />

122<br />

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Porträt Max Ernst, ca. 1939, Öl auf Leinwand<br />

Foto: Marcel Fleiss<br />

123<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Dies dürfte so allerdings nicht zutreffen. Wie Leonora ihren letzten<br />

Tag in Saint-Martin verbrachte, ist nämlich bekannt. In „Down<br />

Below“ schil<strong>der</strong>t sie 1943 detailliert, was sie unternahm, nachdem<br />

die Flucht beschlossene Sache war. Kein Wort erwähnt sie von einer<br />

Übergabe irgendwelcher Habseligkeiten an L. Es muss also angenommen<br />

werden, dass alles, was Leonora nicht in ihren Le<strong>der</strong>koffer<br />

packte, im Hause zurückblieb. Bis eines Tages <strong>der</strong> freundliche<br />

Monsieur L. sich erbot, die von den neuen Besitzern unerwünschten<br />

Hinterlassenschaften des Künstlerpaares abzuschleppen.<br />

So wechseln viele <strong>der</strong> in Saint-Martin entstandenen Arbeiten <strong>der</strong><br />

beiden Künstler hinüber auf die an<strong>der</strong>e Seite des Flusses: Leonoras<br />

Manuskripte ebenso wie ein von Max geschnitztes Schachspiel, vermutlich<br />

auch ein paar von Max bemalte Flusssteine. Sicherlich ein<br />

Max gehörendes Bild des Surrealisten-Kollegen Francis Picabia, unter<br />

an<strong>der</strong>en Werken von Max auch das gegenseitige Doppelporträt La<br />

Rencontre (S. 6), das die beiden Künstler gemeinsam gemalt haben.<br />

Auf den son<strong>der</strong>baren Eigentumswechsel angesprochen, hatte<br />

<strong>der</strong> inzwischen verstorbene Monsieur L. eine einleuchtende Begründung<br />

parat: Max Ernst habe ihm aus Dankbarkeit dafür, dass<br />

er ihm während <strong>der</strong> „Occupation“ Unterschlupf gewährte, vor seiner<br />

Emigration in die USA sein Hab und Gut vermacht. Er berief<br />

sich dabei auf einen Brief, in dem M.E. sich bei ihm dafür bedankte,<br />

dass er ihm „das Leben gerettet“ habe.<br />

In Paris aber entwickelte sich in den siebziger Jahren ein<br />

schwunghafter Handel mit den Fundgegenständen aus dem Haus<br />

in Saint-Martin. In Pariser Kunsthandelskreisen ist bekannt, dass<br />

sich vor allem die Galeristen Jean François Gobbi, André François<br />

Petit und Alain Tarica bei L. bedient haben. Bedauernd kommentiert<br />

Marcel Fleiss unter Anspielung auf Leonoras Skizzenblöcke:<br />

„Mir sind nur die Brosamen übriggeblieben.“<br />

Auf dem Umweg über L. kam auch Leonora Carringtons in englischer<br />

Sprache verfasstes autobiografisches Manuskript Little Francis<br />

ans Licht. Es gelangte in die Hände <strong>der</strong> französischen Autorin und<br />

Übersetzerin Jacqueline Chénieux. Ihre einfühlsame französische<br />

124<br />

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Bearbeitung erschien 1986 erstmals beim Verlag Le temps qu‘il fait.<br />

Erst 1987 wurde <strong>der</strong> 50 Jahre zuvor entstandene Text von <strong>der</strong> Autorin<br />

selbst mit Hilfe von Marina Warner und Paul de Angelis für die<br />

Publikation in englischer Sprache überarbeitet. Er ist bei Virago Press<br />

in London im Band The House of Fear erschienen.<br />

Schon 1939 war, noch von Max und Leonora selbst veranlasst, die<br />

in französischer Sprache verfasste Novellensammlung La Dame Ovale,<br />

ohne Korrektur ihrer zahlreichen Grammatik- und Orthografiefehler,<br />

in Paris bei Parisot publiziert worden. Leonora hatte sie 1937 in <strong>der</strong><br />

Ardèche in ihrem skurrilen Kau<strong>der</strong>welsch getippt, Max hatte dazu<br />

die Illustrationen beigesteuert. Mit Hilfe <strong>der</strong> Autorin selbst sind auch<br />

diese Novellen 1987 im Sammelband The House of Fear in englischer<br />

Sprache erschienen.<br />

In Leonoras Kurzgeschichten wimmelt es von groteskem Getier,<br />

von geschwätzigen Pferden und übelriechenden Hyänen. Manierlich<br />

unterhalten sie sich mit ihren aristokratischen Herrschaften und <strong>der</strong>en<br />

aufsässigen Mägden. Sie hassen und morden sich wechselseitig, umgeben<br />

vom steifen Mobiliar ihrer düsteren Häuser: Sie trinken Tee,<br />

Wein und Blut, essen mit Nachtigallen gefüllte Spanferkel und bedienen<br />

sich in ihren stets ausgesucht höflichen Zwiegesprächen <strong>der</strong><br />

ebenso trockenen wie beißend-ironischen Sprechweise, die Englands<br />

Jeunesse dorée an den britischen Eliteschulen pflegt.<br />

Die wahre Sprache<br />

Die Surrealisten liebten diese nonchalante Sprache. Sie kannten sie<br />

aus bösen Kin<strong>der</strong>versen und witzigen Limericks, aus den Büchern von<br />

Jane Austen und Lewis Carroll. Leonora floss sie so selbstverständlich<br />

aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> wie das englisch-französische Sprachgemisch, das sie<br />

für die meisten ihrer in Saint-Martin verfassten Texte benutzt hat.<br />

Max Ernst nannte es „ihre schöne, reine und wahre Sprache“. Leonora<br />

durchsetzte sie mit Bruchstücken aus den Versen ihrer Jugend. So entstammt<br />

<strong>der</strong> Name Francis für den Titel ihrer Novelle aus einem von<br />

125<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Harry Grahams gänzlich unübersetzbaren Ruthless Rhymes for Heartless<br />

Homes – (Erbarmungslose Reime für herzlose Heime).<br />

Der Novellenband La Dame ovale (Die ovale Dame) enthält außer<br />

<strong>der</strong> 1938 geschriebenen Titelerzählung auch La Débutante (Die Debütantin,<br />

1938), L’ordre royal (Der königliche Befehl, 1938), L’amoureux<br />

(Der Verliebte, 1938), und L’oncle Sam Carrington (Onkel Sam<br />

Carrington). Wenig später entsteht die Kurzgeschichte Les Sœurs<br />

(Die Schwestern, 1939), 1940 in einer Zeitschrift publiziert, White<br />

Rabbits (Weiße Kaninchen) und The Seventh Horse (Das siebte Pferd).<br />

Im Jahr danach, 1940, schreibt sie La fête de l’agneau (Das Fest <strong>der</strong><br />

Lämmer), dessen englischer Originaltext verloren gegangen ist.<br />

Sowohl die Novelle Little Francis wie das Drama La fête de l’agneau<br />

sind stark autobiografisch geprägt und können als Schlüsselwerke, als<br />

literarische Verarbeitung <strong>der</strong> in Saint-Martin erlebten traumatischen<br />

Erlebnisse gelesen werden. La Débutante wird 1941 von André Breton<br />

in seine Anthologie de l’humour noir aufgenommen. Sie wird aber<br />

von <strong>der</strong> Zensur <strong>der</strong> Vichy-Regierung verboten und kann erst 1943<br />

erscheinen.<br />

Doch auch als Malerin ist Leonora in <strong>der</strong> Zeit mit Max produktiv.<br />

Mit zwei Gemälden, die inzwischen verloren gegangen sind, ist<br />

die Einundzwanzigjährige schon 1938 in <strong>der</strong> großen Surrealisten-<br />

Ausstellung in <strong>der</strong> Galerie des Beaux-Arts in Paris vertreten, mit<br />

zwei weiteren im gleichen Jahr in <strong>der</strong> Galerie Robert in Amsterdam.<br />

Aus dem Jahr 1938 stammt das Selbstporträt A l’auberge du cheval<br />

d’Aube. Es zeigt Leonora in weißer Reithose und wallendem schwarzem<br />

Haarschopf auf einem blauen Stuhl sitzend. Die Hand hält sie<br />

wie zu einer Liebkosung ausgestreckt nach <strong>der</strong> vor ihr stehenden<br />

Hyäne. Diese ist mit großen mütterlichen Zitzen ausgestattet. Über<br />

ihrem Kopf schwebt ein Schaukelpferd, durch das offene Fenster<br />

ist ein weiteres, durch die Landschaft im Fenster galoppierendes<br />

weißes Pferd wahrzunehmen. Der entscheidende Unterschied zwischen<br />

Leonoras frühen Skizzen und ihren ersten surrealistischen<br />

Bil<strong>der</strong>n ist die neu entwickelte Fähigkeit, ihre Motive aus dem reichen<br />

Schatz ihrer inneren Bildwelt zu schöpfen. In ihrer Farbenwahl<br />

126<br />

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orientiert sie sich weiter an den Vorbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> italienischen Prä-<br />

Raffaeliten.<br />

Im 1939 entstandenen Porträt von Max Ernst verwendet sie die<br />

gleichen Blau- und Rosatöne. Sie hüllt Max in einen roten Mantel, <strong>der</strong><br />

in einem Fischschwanz endet. Er steht zwischen den kalten Blöcken<br />

einer vereisten Landschaft. Im Hintergrund pustet ein zu Eis erstarrtes<br />

Pferd seinen kalten Atem aus. Das Eis, mit dem Leonora Max auf<br />

dem Porträt umgibt, wie<strong>der</strong>holt sich in ihrem Theaterstück Fest <strong>der</strong><br />

Lämmer in <strong>der</strong> schneebedeckten Figur des Jeremy. Der liebt die<br />

Protagonistin zwar zärtlich, entschwindet aber immer wie<strong>der</strong> ins<br />

Nirgendwo. Schließlich verdammt er sie zu ewiger Schönheit und<br />

ewiger Verzweiflung am Rand des Grabes.<br />

Beide Werke sind in <strong>der</strong> Zeit nach Maxens Internierung entstanden.<br />

Die Vereisung ihres weißhaarigen Liebhabers lässt ahnen, welche Gefühle<br />

sie für Max hegte, nachdem er so plötzlich aus ihrem Leben<br />

verschwunden war. Seine Abwesenheit empfand die Zwanzigjährige<br />

als Kränkung. Dass er nicht fähig war, die Rolle des väterlichen Beschützers,<br />

die sie ihm zugedacht hat, zu übernehmen, stürzte sie in eine<br />

schwere Krise. Nur auf dem 1940 entstandenen Doppelporträt<br />

(S. 116) stellt sie Max in etwas liebenswerterer Gestalt dar: flammenumlo<strong>der</strong>t<br />

begegnet er <strong>der</strong> kühlen Schönen, die, neben einem glänzenden<br />

Rappen auf dem Boden sitzend, zu ihm aufschaut. Etwa gleichzeitig<br />

malen beide Künstler gemeinsam ein Doppelporträt (La Rencontre,<br />

S. 6), auf dem Max als vitaler, lebenslustiger Waldschrat erscheint.<br />

Wer auf diesem Bild wen gemalt hat, ist allerdings nicht bekannt.<br />

Unter Maxens Anleitung hat sich Leonora in Saint-Martin d’Ardèche<br />

auch als Bildhauerin versucht. Ein Pferdekopf von ihr mischt sich unter<br />

Ernsts Hausgeister. Und einen Pferdekopf malt sie auch auf die<br />

Innenseite <strong>der</strong> Tür des Küchenschranks. Es sind die einzigen in Saint-<br />

Martin zurückgebliebenen Zeugen ihrer glücklichen Zeit mit Max.<br />

Erhalten sind hingegen die Zeugnisse ihrer dort erlebten Verzweiflung.<br />

Erstmals im Herbst 1938, während Maxens langem Abstecher<br />

nach Paris, und 1940 wie<strong>der</strong> nach seiner Internierung,<br />

bricht die Welt über Leonoras Kopf zusammen. Der Kummer über<br />

127<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Arbeiten von Leonora Carrington im Haus in St. Martin d’Ardèche:<br />

Oben: Pferdekopf in <strong>der</strong> Figur in <strong>der</strong> Loggia (Ausschnitt, s. auch S.147)<br />

rechte Seite: Bemalte Tür zum Garten<br />

Fotos: Anabas<br />

128<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

129<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


sein wie<strong>der</strong>holtes Verschwinden ist <strong>der</strong> Stoff, aus dem Down Below<br />

besteht. Leonora hat die Schil<strong>der</strong>ung ihrer Fahrt in die Hölle <strong>der</strong><br />

Psychose zwar erst 1942 in englischer Sprache nie<strong>der</strong>geschrieben<br />

und 1943 den inzwischen verlorenen Text auf Französisch rekonstruiert.<br />

Doch die Ereignisse, die sie schil<strong>der</strong>t, hat sie im Sommer<br />

1940 erlebt: die totale Isolation in Saint-Martin, die Flucht nach<br />

Spanien, die Einweisung ins Irrenhaus von Santan<strong>der</strong>. Und schließlich<br />

auch ihre Genesung.<br />

Der Text ist in die Literatur eingegangen als eine <strong>der</strong> ersten<br />

und eindrücklichsten Schil<strong>der</strong>ungen einer psychotischen Krise. Erstaunlicherweise<br />

nur wenig beachtet wurde die Geschichte ihrer<br />

Heilung, obschon Leonora in ihrem Text selbst den Schlüssel zu<br />

diesem angeblich geheimnisvollen Vorgang liefert.<br />

In <strong>der</strong> Anstaltsbibliothek, so erzählt sie, trifft sie einen weisen<br />

alten Mann, er heißt Echeverria. Sie fasst Vertrauen zu ihm. Er<br />

nimmt sich ihrer an, geht ein auf ihre Ängste und Fantasien.<br />

Liebevoll reicht er ihr die Hand und führt sie Schritt für Schritt geduldig<br />

in die Realität zurück. Eine nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en entwirrt und<br />

entmystifiziert Echeverria die Wahnvorstellungen, die ihr bisher<br />

den Blick auf die Wirklichkeit verstellten. Unter seiner Anleitung<br />

lernt sie, ihre Wahrnehmungen angemessen zu interpretieren. Und<br />

sie nicht mehr, wie sie es seit ihrer Kindheit geübt hat und wie es<br />

später die Surrealisten von ihr erwartet haben, in fantasievolle<br />

Verdrehungen umzumünzen.<br />

Heilung durch die Konfrontation mit <strong>der</strong> Realität – dreißig Jahre<br />

später haben die italienischen Antipsychiater das Realitätsprinzip als<br />

Therapie für die Psychose entdeckt. In mühseliger Kleinarbeit haben<br />

sie die Rückkehr in die Wirklichkeit und die Lösung ihrer realen, wirtschaftlichen<br />

und gesellschaftlichen Probleme mit ihren Patienten<br />

durchexerziert.<br />

In ihrem Erwachsenenleben hat die surrealistische Malerin Leonora<br />

Carrington die Gratwan<strong>der</strong>ung vollzogen. In ihrer Kunst lehnt sie die<br />

rationale Sichtweise <strong>der</strong> Wirklichkeit ab, ihr Leben aber bewältigt sie<br />

fortan mit beiden Füßen auf dem Boden.<br />

130<br />

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Max Ernst, Werke 1937–1941<br />

Kunst gegen Krieg und Terror<br />

131<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

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Der Hausengel (L’ange du foyer), 1937<br />

Öl auf Leinwand<br />

132<br />

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Halb apokalyptischer Himmelsbote, halb furchterregen<strong>der</strong> Raubvogel<br />

– ein grausiges Monstrum stürzt vom bewölkten Himmel, mit weit<br />

aufgerissenem Schnabel und griffbereit gespreizten Krallen. 1937 hat<br />

Max Ernst das Ungeheuer in zwei Versionen gemalt und beiden<br />

Varianten den Titel Der Hausengel (L’ange du foyer) gegeben.<br />

1937: Die Lebenskrise<br />

Der Titel verweist eigentlich auf ein Malheur im häuslichen Bereich.<br />

Doch Max Ernst selbst und mit ihm seine Interpreten deuten das<br />

Bild als politisches Werk. Eine Vorahnung des Zweiten Weltkriegs,<br />

gemalt mit Blick auf den um sich greifenden Faschismus in Europa.<br />

In <strong>der</strong> Tat erinnert Ernsts bedrohliche Bestie an ein an<strong>der</strong>es politisches<br />

Gemälde, das zu jener Zeit im spanischen Pavillon <strong>der</strong> Pariser<br />

Weltausstellung Aufsehen erregte: Guernica, Pablo Picassos grandiose<br />

Anklage gegen die Bombardierung eines spanischen Städtchens<br />

im Bürgerkrieg.<br />

Der Angriff aus <strong>der</strong> Luft auf die Zivilbevölkerung einer Stadt stellte<br />

eine schockierende Premiere dar. Was ein paar Jahre danach im<br />

Zweiten Weltkrieg zur mör<strong>der</strong>ischen Routine wurde, erprobte am<br />

26. April 1937 eine Staffel deutscher Jagdbomber zum ersten Mal.<br />

Über hun<strong>der</strong>ten von unschuldigen Männern, Frauen und Kin<strong>der</strong>n,<br />

die an jenem Frühlingstag über den Markt in den engen Gassen des<br />

Städtchens bummelten, warfen sie während Stunden ihre Bomben<br />

ab. Anschließend beschossen sie die flüchtenden Menschen gezielt<br />

aus <strong>der</strong> Luft mit Maschinengewehren – zur Unterstüzung des Hitler-<br />

Freundes General Franco, <strong>der</strong> im Marktflecken Guernica ein Zentrum<br />

des baskischen Wi<strong>der</strong>stands vermutete.<br />

„Ich sehe mich noch zähneknirschend vor Wut und erfüllt von<br />

einem völlig neuen Gefühl <strong>der</strong> Angst“, beschreibt Max Ernsts Sohn<br />

Jimmy seine Begegnung mit Picassos Gemälde. „Bis Guernica hatte<br />

<strong>der</strong> Massentod aus den Wolken noch im sicheren Abstand zur<br />

Realität, zum Bereich des Science-fiction-Romans gehört.“ Mit einer<br />

133<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

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„neuen Dimension des Grauens“ sah sich Jimmy konfrontiert – im<br />

Vor-TV-Zeitalter vermochte offenbar ein Gemälde ähnliche Gefühle<br />

auszulösen, wie im September 2001 die Live-Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> einstürzenden<br />

Twin-Towers auf den Mattscheiben <strong>der</strong> Welt.<br />

In den Künstler-Cafés von Saint-Germain waren die Gräuel des<br />

Spanischen Bürgerkriegs tägliches Gesprächsthema. Vor diesem<br />

Hintergrund scheint es wahrscheinlich, dass Max Ernst mit seinem<br />

drohenden Monster ein Gegenstück zu Guernica schaffen wollte.<br />

Führt man sich seine private Lebenssituation vor Augen, kann man<br />

die geballte Bitterkeit in seinem Innern nachvollziehen, die den<br />

Hausengel hervorbrachte.<br />

Anfang Juli 1937 aus London zurückgekehrt, hatte er mit Leonora<br />

eine Wohnung an <strong>der</strong> Rue Jacob im Künstlerviertel Saint-Germain<br />

bezogen. Seiner französischen Frau hatte er den Laufpass gegeben.<br />

Die betrogene Marie-Berthe war verzweifelt, kämpfte um ihr Recht,<br />

machte ihm die Hölle heiß. Ihr Vater, ein hoher Pariser Polizeifunktionär,<br />

drohte mit Repressalien. Eine Ausweisung nach Nazi-Deutschland<br />

aber wäre für den „entarteten“ Künstler katastrophal gewesen.<br />

Ein Horror-Szenario: Von Leonora konnte er nicht lassen, Marie-<br />

Berthes Familie gab ihn nicht frei – in seinem 47. Lebensjahr saß<br />

Max in einer schier ausweglosen Klemme. Sohn Jimmy: „Nachdem<br />

Max Marie-Berthe verlassen hatte, bemühte ihre Familie sich erfolgreich<br />

darum, seinen Namen in Paris unmöglich zu machen.“ Die bittere<br />

Konsequenz: „Unverkaufte Bil<strong>der</strong> aus mehreren zurückliegenden<br />

Jahren stapelten sich jetzt in Mengen überall in <strong>der</strong><br />

Wohnung.“<br />

Finanzielle Enge, amoureuse Klemme – und auch im beruflichemotionalen<br />

Umfeld bahnte sich eine Krise an. Zwar hatten die<br />

Surrealisten Maxens neue Windsbraut wohlwollend in ihrem Kreis<br />

aufgenommen. Doch <strong>der</strong> Zusammenhalt <strong>der</strong> Gruppe war brüchig<br />

geworden. Unterschiedliche politische Auffassungen nagten am<br />

Konsens. Unter <strong>der</strong> autoritären Knute ihres charismatischen Vordenkers<br />

André Breton häuften sich in <strong>der</strong> Gruppe die Spaltungen<br />

und Ausschlüsse.<br />

134<br />

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Als auch Maxens engster Freund, <strong>der</strong> Dichter Paul Eluard, aus<br />

politischen Gründen auf Bretons Abschussliste geriet, fasste er<br />

einen schweren Entscheid: Er beschloss, mit Leonora das heiße<br />

Pflaster von Paris Richtung Süden zu verlassen. Noch war er mit<br />

Marie-Berthe verheiratet, noch war die Trennung von den<br />

Surrealisten nicht offiziell. Doch die Krise hatte ihren Höhepunkt<br />

erreicht.<br />

So lässt sich <strong>der</strong> Hausengel auch als Ausdruck einer Lebenskrise,<br />

als das Ende einer entscheidenen Periode im Leben des Künstlers<br />

lesen. Sie hatte 1922 als Liebesgeschichte zwischen ihm und den<br />

Surrealisten begonnen. Sie endete 1937 mit <strong>der</strong> Ablösung von dieser<br />

fünfzehnjährigen Schicksals- und Schaffensgemeinschaft.<br />

Die neue Schaffensperiode begann im Spätsommer 1937 in Saint-<br />

Martin d’Ardèche wenig spektakulär: mit einer Serie von Buch-<br />

Illustrationen. Das Paar bewohnte ein Zimmer bei <strong>der</strong> Wirtin<br />

Fonfon. Ein Atelier stand Max nicht zur Verfügung. Und so begnügte<br />

er sich zunächst damit, Leonora zum Schreiben zu animieren.<br />

Gerne ließ sie sich dazu überreden, die fabelhaften Abenteuer ihrer<br />

skurrilen Fantasiegeschöpfe in die Form kurzer Novellen zu fassen.<br />

Auf ihrer klapprigen Schreibmaschine tippte sie mit zwei Fingern<br />

ihre surrealen Geschichten.<br />

Max steuerte dazu die kongenialen Illustrationen bei. Er bediente<br />

sich dabei <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> Collage, die er seit den Zwanziger Jahren<br />

bis zur Vollendung entwickelt hatte. Als Fundgruben bewährte<br />

sich seine Sammlung von Fin-de-siècle Bildbänden und Versandkatalogen,<br />

abgegriffenen Schulbüchern, physikalischen und mathematischen<br />

Tafelwerken.<br />

Daraus schnitt er sorgfältig die Vignetten aus, kombinierte sie mit<br />

an<strong>der</strong>en Motiven und montierte daraus die pferdeköpfigen Frauen<br />

und befrackten Skelette, die Leonoras Novellen bevölkern. Mit dem<br />

Stift o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> ergänzte er die entstandenen Figuren, bis das<br />

gewünschte Resultat vorlag. Das heißt für ihn: Bis das, „was vorher<br />

banale Werbung war, meine geheimsten Wünsche erfüllte.” Mit<br />

akribischer Sorgfalt verdeckte er dabei die entstandenen Schnitt-<br />

135<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


stellen. So wirkten seine Montagen als Einheit, gänzlich frei vom<br />

Makel <strong>der</strong> Improvisation, <strong>der</strong> den Collagen weniger begabter<br />

Assembleure oft anhaftet.<br />

In ihren Novellen und Collagen verwirklichten Leonora und Max<br />

ein surrealistisches Prinzip: In ihnen findet zusammen, was keineswegs<br />

zusammengehört. Ob Tierköpfe und Menschenleiber, ob organische<br />

und geometrische Formen – in <strong>der</strong> lust- und kunstvollen<br />

Kombination heterogener Elemente sahen die Surrealisten die<br />

Möglichkeit, eine neue Sichtweise in Gang zu setzen. In Was ist<br />

Surrealismus? beschreibt Max Ernst die „stärksten poetischen Zündungen“,<br />

die sich beim Betrachter angesichts künstlich zusammengeführter<br />

wesensfrem<strong>der</strong> Elemente einstellen.<br />

Mit dieser bipolaren Optik betraten die Surrealisten keineswegs<br />

Neuland. Denn schon die Frühromantiker des Jenaer Kreises hatten<br />

sich hun<strong>der</strong>t Jahre zuvor mit <strong>der</strong> kreativen Konfusion, mit dem<br />

Phänomen des Witzes und <strong>der</strong> Ironie eingehend beschäftigt. Die<br />

„künstlich geordnete Verwirrung“, befand etwa Friedrich Schlegel,<br />

gestatte „einen Durchblick ins Unendliche“. Und zwar durch die<br />

künstlich herbeigeführte Koexistenz von ursprünglich nicht Zusammengehörendem.<br />

Dass Max Ernst die deutsche Romantik seit seinem Literaturstudium<br />

an <strong>der</strong> Universität von Bonn sehr genau kannte, haben die<br />

Max Ernst-Spezialisten immer betont. Ihr Doyen Werner Spies widmete<br />

in seinem Katalog <strong>der</strong> Pariser Max-Ernst-Retrospektive von<br />

1991 dem Einfluss <strong>der</strong> Romantik auf sein Werk ein ganzes Kapitel.<br />

Die Bonner Kunsthistorikerin Ursula Lindau stellte ihrerseits bei<br />

einem Besuch in <strong>der</strong> Bibliothek von Ernsts letztem Wohnhaus fest:<br />

„Es befindet sich dort keine Schiller-Ausgabe, aber alle Romantiker<br />

sind vertreten“, vermerkt sie in ihrem Buch Max Ernst und die<br />

Romantik.<br />

Beim romantischen Schriftsteller Friedrich Schlegel findet Lindau<br />

auch den Kern von Max Ernsts Faszination für Witz und Ironie: Das<br />

ständige gedankliche Kreisen um das Prinzip des Witzes entspreche<br />

einem genuin romantischen Lebensgefühl, das „Grenzen auf-<br />

136<br />

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heben und überschreiten“ wolle. Den strengen Formenkanon und<br />

die starren Lebensformen <strong>der</strong> Klassik zu überwinden, hatten die<br />

jungen Künstler um 1800 mit ihrem Sturm und Drang sich vorgenommen.<br />

Grenzen überschreiten und sie in <strong>der</strong> Überschreitung aufheben –<br />

fasziniert hörten seine neuen Pariser Freunde zu, wenn Max von den<br />

Tabubrüchen <strong>der</strong> Vorfahren erzählte. Die Surrealisten wussten, was<br />

solche Brüche bedeuten. Denn seit dem Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

hatten sich auch ihre Vorläufer befreit von Jahrhun<strong>der</strong>te alten Traditionen.<br />

André Breton, <strong>der</strong> Theoretiker des Surrealismus, bewun<strong>der</strong>t und<br />

beschreibt die Arbeit dieser Vorläufer, die eine Grenze überschritten,<br />

an <strong>der</strong> bislang kein Künstler <strong>der</strong> westlichen Kultur gerüttelt hatte: am<br />

Bestreben aller bisherigen bildenden Kunst, die Natur abzubilden. Mit<br />

unperspektivisch zerstückelten Objekten auf streng geometrisch<br />

geglie<strong>der</strong>ten Flächen hatten sich die Kubisten wie Pablo Picasso o<strong>der</strong><br />

Georges Braque aus <strong>der</strong> Welt des Realen verabschiedet. An<strong>der</strong>e, wie<br />

Piet Mondrian, hatten im eigenen Werk den Weg vom Abbild <strong>der</strong><br />

Natur bis hin zur geometrischen Abstraktion vollzogen. Mit endlosen<br />

Arkadenreihen und unrealen Fluchtlinien hatte sich Giorgio de<br />

Chirico, mit märchenhaften Fantasiewesen Marc Chagall in die Welt<br />

<strong>der</strong> Träume begeben. So hatte eine Generation von Malern und Bildhauern<br />

die letzte Phase <strong>der</strong> figürlichen Darstellung, die abbildende<br />

„Netzhaut-Malerei“ <strong>der</strong> französischen Impressionisten, hinter sich<br />

gelassen.<br />

Doch während in Paris Max und seine Freunde ihre neuen Ideen<br />

vorantrieben, schlug im übrigen Europa das Pendel zurück. Kaum<br />

schien die Renaissance, die Wie<strong>der</strong>geburt <strong>der</strong> klassischen Formensprache<br />

in Malerei und Architektur überwunden, sah sich Europa<br />

erneut mit ihr konfrontiert: In <strong>der</strong> Ausdrucksweise seiner aufstrebenden<br />

Diktaturen feierte das Formenrepertoire <strong>der</strong> Klassik triumphale<br />

Urständ.<br />

Der englische Kunsthistoriker Herbert Read, <strong>der</strong> den Surrealisten<br />

nahestand, nannte um 1937 den neu-alten Feind beim Namen:<br />

137<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


„Der Klassizismus ist das intellektuelle Gegenstück zu politischer<br />

Tyrannei“. Das sei schon immer so gewesen, meint Read, und zählt<br />

vom Mittelalter über die Renaissance die Diktaturen auf, die sich<br />

<strong>der</strong> Klassik als Ausdrucksform bedienten. „Wo immer Märtyrerblut<br />

den Boden befleckt, findet sich auch eine dorische Säule o<strong>der</strong> eine<br />

Statue <strong>der</strong> Minerva.“ Der Klassizismus stelle die Kräfte <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

dar, urteilt Read, sie gelte es, mit den Waffen <strong>der</strong><br />

„Romantik“ zu bekämpfen. Das heißt auch für Read: mit Gefühl,<br />

Geist und Witz.<br />

Frechheit, Respektlosigkeit – sollte die feine Klinge des Geistes eine<br />

wirksame Waffe sein gegen die gigantische Repression diktatorischer<br />

Systeme? Die Surrealisten glaubten daran. Als Max Ernst nach<br />

Guernica erwog, selbst in den Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco<br />

zu ziehen, brachte ihn Paul Eluard von seinem Vorhaben ab: „Dein<br />

Geist ist wirksamer als dein durchlöcherter Leib.“<br />

Und <strong>der</strong> Feind selbst gab ihnen Recht. Dass er das subversive<br />

Potential <strong>der</strong> Kunst erkannte, beweist seine Reaktion auf das zeitgenössische<br />

Schaffen. „Kulturbolschewismus“ nannten die nationalsozialistischen<br />

Kulturbonzen die mo<strong>der</strong>ne Malerei und schickten ihre<br />

Spürhunde in die Museen des Landes. In einer nie dagewesenen<br />

Säuberungsorgie durchpflügten Hitlers Kulturschergen die deutschen<br />

Kunsttempel. 730 Werke von über hun<strong>der</strong>t Malern versammelten<br />

sie zu einer einmaligen Ausstellung in München. Titel: „Entartete<br />

Kunst“.<br />

Später zogen sie mit ihrem subversiven Sammelgut zur Abschreckung<br />

von Stadt zu Stadt. Max Ernst war mit dem großformatigen<br />

Werk Die schöne Gärtnerin als „Verhöhner <strong>der</strong> deutschen<br />

Frau“ vertreten, „dumm“ sei er und „frech“, befanden die<br />

Zensoren. Nicht nur sämtliche deutschen Expressionisten, auch die<br />

Werke abstrakter Auslän<strong>der</strong>, des Schweizers Paul Klee, des Russen<br />

Wassily Kandinsky, des Österreichers Oskar Kokoschka endeten in<br />

ihrem fatalen Bil<strong>der</strong>sturm. Gibt es einen eindrücklicheren Beweis für<br />

die revolutionäre Sprengkraft <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunst?<br />

138<br />

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1938: Mistgabeln in <strong>der</strong> Mauer<br />

15. August 1938 – Datum des Erwerbs des Hauses in Saint-Martin.<br />

Damit beginnt eine neue fruchtbare Periode im Werk von Max<br />

Ernst. Sie wird über ein Jahr dauern. Und sie ist – ein Novum für<br />

den Maler – zunächst fast ausschließlich dem skulpturalen Schaffen<br />

gewidmet.<br />

Die Mauern des Hauses laden zum Dekorieren ein. Sie sind aus<br />

Bruchsteinen aufgeschichtet und mit wenig Zement zusammengehalten.<br />

In ihre losen Ritzen lässt sich leicht einfügen, was Max in<br />

Haus und Garten zusammengelesen hat – Scherben und Töpfe aus<br />

Ton, Drähte, Haken, rostige Schlüssel aus Metall, Mistgabeln und<br />

allerhand kleine landwirtschaftliche Geräte. Und in seinen Gesprächen<br />

mit Leonora haben die Chimären, die in ihren Köpfen<br />

nisten, einen festen Platz. Als freundliche Geister sollen sie fortan<br />

die Mauern schmücken – zum Schutz vor <strong>der</strong> Unbill, vor <strong>der</strong> sie aus<br />

Paris geflüchtet sind.<br />

Auf einem Foto aus <strong>der</strong> Zeit steht Max strahlend vor <strong>der</strong> südlichen<br />

Mauer seines neuen Hauses. Er arbeitet am großen Relief, in<br />

<strong>der</strong> rechten Hand hält er einen Spachtel, in <strong>der</strong> linken die<br />

Maurerkelle. Soeben hat er den Fischleib und den Arm <strong>der</strong> Braut<br />

geformt, <strong>der</strong> Zement ist noch nass. Zuvor hat er in alten Blumentöpfen<br />

die aus <strong>der</strong> Mauer hervortretenden runden Formen gegossen,<br />

in die Mauer eingefügt und sie mit Zement überkleistert. Die<br />

Oberfläche ist rauh geblieben, kaum bearbeitet.<br />

In seinem Werk Mythologie und Mathematik hat <strong>der</strong> Bonner Max<br />

Ernst-Spezialist Jürgen Pech beschrieben, wie Max dabei vorging. Er<br />

integrierte eine bereits vorhandene Wandstütze, um den Körper <strong>der</strong><br />

männlichen Figur zu formen. „Die Gestaltung dieser nackten Zwitterwesen<br />

aus Menschen, Tieren und Vögeln erfolgte in einer additiven<br />

Konstruktion aus bereits vorgefertigten Körperteilen und verbindenden<br />

Gliedmaßen.“ Die Verbindung von Fisch und Vogel, so Pech,<br />

weise dabei auf die Verquickung von Wasser und Luft und damit auf<br />

die surrealistische Aufhebung <strong>der</strong> Gattungsgrenzen hin.<br />

139<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Die Arbeit schreitet unter <strong>der</strong> glühenden Sonne des Midi rasch<br />

voran. Im Lauf des Herbstes und in den folgenden Monaten kommen<br />

zehn weitere Arbeiten hinzu: zwei mit Fresko-Malereien kombinierte<br />

Reliefs in <strong>der</strong> Loggia, ein Mosaik in einem Kellerraum, verschiedene<br />

Masken in <strong>der</strong> Fassade. Auf einer Mauer hinter dem Haus haben die<br />

Chimären (Sphinx und Sirene) Platz gefunden, Ernsts bisher größte<br />

freistehende Skulptur. Das Gelän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Treppe vor <strong>der</strong> Eingangstür<br />

wird mit einer liegenden Sirene geschmückt, auf einem Torpfosten<br />

montiert er eine Heugabel und einen metallenen Löwenkopf – er<br />

stammt von <strong>der</strong> Ecke eines ausrangierten Billardtisches – zum eindrücklichen<br />

Tannhäuser. Der Minnesänger Tannhäuser, so erinnert<br />

Jürgen Pech, war von Venus in einen Zauberberg gelockt worden, aus<br />

dem er nicht mehr zurückkehren konnte.<br />

Die Hausgeister von Saint-Martin umgibt eine eigenartig wi<strong>der</strong>sprüchliche<br />

Aura. Als ob aus ihnen die Euphorie, aber auch die<br />

Verzweiflung, die Max Ernst in Saint-Martin beseelten, abzulesen<br />

wären. Und als ob ihr Schöpfer ihr tristes Schicksal vorausgeahnt und<br />

schon bei ihrer Enstehung in die Wände des Hauses eingemauert<br />

hätte.<br />

1939: Unerwünschter Auslän<strong>der</strong><br />

1939 beginnt Max Ernst auch wie<strong>der</strong> zu malen – in seinen autobiografischen<br />

Notizen erwähnt er die Arbeit an seinem großen Bild Ein<br />

wenig Ruhe. Fest steht auch, dass er bis zum Sommer 1939 an den<br />

Skulpturen rund um sein Haus gearbeitet hat. Auch seiner Passion<br />

für die Galets, runde bemalte Flusssteine aus <strong>der</strong> Ardèche, widmet<br />

er sich. Er hat diese Technik vier Jahre zuvor bei seinem Freund<br />

Alberto Giacometti im felsigen Schweizer Bergeller Tal entwickelt.<br />

Die dort geschaffene Serie von Arbeiten mit abgerundeten Steinen<br />

ist vielfach belegt, fotografiert und katalogisiert. Die Galets von Saint-<br />

Martin hingegen sind verschollen. Im Umfeld von Maxens Dorfbekanntschaften<br />

in Saint-Martin ist im Laufe <strong>der</strong> Jahre <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong><br />

140<br />

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an<strong>der</strong>e Stein aufgetaucht, unsigniert und deshalb wertlos. Wie fast<br />

alles was Max damals besaß, haben sie im Juni 1940 den Besitzer<br />

gewechselt. Die meisten sind seither verloren.<br />

September 1939 – jähes Ende <strong>der</strong> Ruhepause. Für Max Ernst<br />

Handschellen, Internierung in Largentière, später in Les Milles. Umgeben<br />

von hun<strong>der</strong>ten „unerwünschter“ deutscher Staatsbürger je<strong>der</strong><br />

politischen Couleur ist ihm hier nicht oft zum Malen zu Mute. Ein<br />

paar kleine Arbeiten sind dennoch entstanden, eine Serie von witzigtraurigen<br />

Zeichnungen „heimatloser“ Gesellen, die Apatrides. Und<br />

die Collage zu Hans Bellmers Damenschuh in <strong>der</strong> Mauer, eine Gemeinschaftsarbeit.<br />

(S. 156)<br />

Überliefert ist aber, dass Max Ernst in Les Milles an <strong>der</strong><br />

Perfektionierung <strong>der</strong> Technik arbeitete, die schon Victor Hugo bei seinen<br />

Hobby-Malereien angewandt haben soll. Sie hat den Namen<br />

„Decalcomanie“. In Frankreich war damals die Decalcomanie den<br />

Kin<strong>der</strong>n geläufig. So nannten sie die Abziehbil<strong>der</strong>, die sie im Tabakladen<br />

kauften, um damit, nach kurzem Aufweichen in einem Glas<br />

Wasser, bunte Bil<strong>der</strong> auf Papier abzuziehen. Ganz allgemein aber<br />

bezeichnet das Wort jegliche Technik, mit <strong>der</strong> sich ein bestehendes<br />

Bild auf ein Blatt Papier übertragen lässt.<br />

Für Max Ernst bedeutete seine Version <strong>der</strong> Decalcomanie auch<br />

eine Möglichkeit, im Lager, in <strong>der</strong> alten Ziegelei von Les Milles, zu<br />

arbeiten. Alles, was er dazu brauchte, war eine kleine Tischfläche,<br />

Farbtuben, Wasser, ein paar Blatt Papier o<strong>der</strong> Karton o<strong>der</strong> eine<br />

Glasscheibe. Drückte er die Farbe aufs Papier, presste ein zweites<br />

Papier o<strong>der</strong> das Glas auf den nassen Farbtupfer und hob es sorgfältig<br />

ab, blieben auf <strong>der</strong> Unterlage die fantastischsten wolkigen<br />

Strukturen zurück. Sie erinnerten Max an die Stalaktiten in den<br />

Grotten <strong>der</strong> Ardèche und an das wolkige Nadelkleid <strong>der</strong> Zypressen.<br />

Und sie entsprachen seiner Passion für die aus dem Unbewussten<br />

gesteuerte Beschäftigung mit Vorgefundenem. In Les Milles entstanden<br />

so mehrere kleinformatige Bil<strong>der</strong> auf Karton, darunter<br />

Alice in 1939 und Femme se changeant en oiseau. Kleine, sehnsüchtige<br />

Hommages an eine schöne Frau – an Leonora. (S. 158/59)<br />

141<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


1940: Malen im Untergrund<br />

Nach seiner ersten Rückkehr aus dem Lager um Weihnachten 1939<br />

entwickelt er die Decalcomanie zu einer seiner fruchtbarsten Maltechniken.<br />

So wie er bei den Collagen die ausgeschnittenen Figuren<br />

mit dem Stift ergänzte, benützt er jetzt den Pinsel. Mit präzisen<br />

Pinselstrichen hebt er die Verästelungen und Nadelgruppen <strong>der</strong><br />

Zypressenzweige aus den porösen Wolkenformen und ergänzt sie<br />

mit den Gestalten und Gesichtern seiner Visionen. Es entstehen über<br />

zehn Zypressen- und Baumbil<strong>der</strong>, im Januar 1940 die Chimeras in<br />

the Mountains, im Februar A Maidens Dream, und ab März<br />

Swampangel. (S. 166/67)<br />

Im Mai 1940 erneute Internierung, bald danach die Irrfahrt mit<br />

dem Geisterzug, anschließend die Verlegung nach St. Nicolas bei<br />

Nîmes. Von hier flüchtet er, schlägt sich unerkannt bis nach Saint-<br />

Martin durch, findet dort sein Haus in fremden Händen. Kann beim<br />

Schachpartner im benachbarten Aiguèze unterschlüpfen. Und sieht<br />

allmählich ein, dass seine Tage im besetzten Frankreich gezählt sind<br />

– auch in <strong>der</strong> sogenanten „Zone libre“ im Süden.<br />

Und wie<strong>der</strong> malt er, beendet Swampangel. Dank <strong>der</strong> Unterstützung<br />

durch seinen Freund Joë Bousquet kann er ein paar Leinwände<br />

kaufen. Er muss sich die Mittel beschaffen, um nach Marseille zu<br />

flüchten, denn er hofft, sich von dort aus nach New York abzusetzen.<br />

In <strong>der</strong> US-Metropole hat sein Sohn Jimmy eine Anstellung als<br />

Laufbursche im Museum of Mo<strong>der</strong>n Art gefunden. Zum ersten Mal<br />

seit Ein wenig Ruhe nimmt er wie<strong>der</strong> ein großes Format in Angriff:<br />

Die Einkleidung <strong>der</strong> Braut mit Leonoras Porträt im Profil.<br />

Dann, im September, ist es so weit. Max rollt an die zwanzig<br />

Leinwände zusammen und macht sich auf die Reise nach Marseille.<br />

In <strong>der</strong> Villa Air-Bel wird er auf sein Visum warten. Im Garten <strong>der</strong><br />

Villa, an Seilen, die er zwischen die Bäume spannt, hängt er seine<br />

Leinwände auf – es ist seine erste Ausstellung seit dem Ausbruch<br />

des Krieges. Peggy Guggenheim, seine neue Gönnerin, kauft ihm<br />

genügend Bil<strong>der</strong> ab, um seine Passage in die USA zu bezahlen.<br />

142<br />

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In <strong>der</strong> Villa Air-Bel wartet auch André Breton auf ein Visum in die<br />

USA. Man feiert Versöhnung und nimmt unter seiner Anleitung die<br />

Spiele wie<strong>der</strong> auf, mit denen sich die Surrealisten schon in Paris die<br />

Zeit vertrieben hatten. Beson<strong>der</strong>s beliebt ist das Jeu de Marseille,<br />

ein Kartenspiel. Max entwirft dafür Spielkarten (S. 157).<br />

Im Dezember 1940 malt er auch wie<strong>der</strong>. Jetzt hat er die Mittel,<br />

um größere Leinwände zu erwerben. Wie<strong>der</strong> kommt die Decalcomanie<br />

zur Anwendung: Arbre solitaire et arbres conjugaux, Le fascinant<br />

cyprès und Mother and Child. Er beginnt auch die Arbeit an<br />

einem seiner Hauptwerke in Decalcomanie, Europa nach dem<br />

Regen – er wird es erst nach <strong>der</strong> Emigration in die USA fertigstellen.<br />

Und noch einmal widmet Max Leonora einige Arbeiten. Sie lassen<br />

ahnen, dass er jetzt ihre Verzweiflung über seine Internierung<br />

nachvollziehen kann. La fuite (1940) zeigt sie leidensgepeitscht auf<br />

<strong>der</strong> Flucht. Und auch The Spanish Physician (1940) zeugt von zärtlichem<br />

Mitgefühl für die angstvoll fliehende Kindfrau am vor<strong>der</strong>en<br />

Bildrand. In Leonora in the Morninglight (1940) lässt er den Zauber<br />

ihrer Beziehung noch einmal aufleben – die magische Übereinstimmung<br />

ihrer inneren Bil<strong>der</strong>welten.<br />

Und wie<strong>der</strong> rollt Max Ernst seine Leinwände zusammen. Er<br />

schnürt damit ein großes Paket. Nimmt es unter den Arm: Flieht im<br />

Zug über Spanien nach Lissabon. Der Grenzübertritt mit einem<br />

gefälschten Visum ist eine Zitterpartie. Und prompt <strong>der</strong> Schock:<br />

Der Zollbeamte wittert Ungereimtes, konfisziert seinen Pass. Max<br />

greift zum letzten Mittel: Im leeren Wartesaal des Zollgebäudes<br />

packt er seine Bil<strong>der</strong> aus, improvisiert eine Ausstellung. „Zum Glück<br />

sind sie in Decalcomanie – das sieht gepflegt aus“, sagt er sich. Und<br />

die Talentprobe zeitigt Wirkung: Der Zöllner schüttelt Max die<br />

Hand, bewun<strong>der</strong>t seine Kunstfertigkeit. Überreicht ihm den Pass<br />

und hilft ihm, den richtigen Zug in Richtung Lissabon zu finden.<br />

Ein gutes Omen für die Zukunft.<br />

143<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Ausschnitt aus dem großen Relief<br />

144<br />

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Großes Relief auf <strong>der</strong> Fassade des Hauses<br />

in Saint-Martin d’Ardèche, 1938<br />

Zement und Fundstücke. Zustand 2001<br />

Foto: Anabas<br />

145<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Masken über einer Tür im Hof, Saint-Martin d’Ardèche, 1938.<br />

Zement und landwirtschaftliche Geräte<br />

146<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Treppengelän<strong>der</strong> (Aufgang zur Terrasse), 1938. Zement.<br />

Figur (in <strong>der</strong> Loggia), 1938. Öl, Gips.<br />

Alle Fotos auf dieser Doppelseite: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

147<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben:<br />

Gruppe (in <strong>der</strong> Loggia), 1938<br />

Öl, Gips und Metallstücke<br />

links:<br />

Doppelbüste (über einem Fenster),<br />

1938<br />

Zement<br />

148<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Chimären (an <strong>der</strong> Gartenmauer, weibliche Figur, rechts, teilweise zerstört), 1938<br />

Zement und Metallstücke<br />

Alle Fotos auf dieser Doppelseite: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

149<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben: Tannhäuser (Torpfosten von Saint-Martin d’Ardèche,<br />

Heugabel und Löwenkopf von einer Billardtischecke), 1938<br />

Foto: Jürgen Pech, Bonn<br />

unten: Fußboden-Mosaik. Foto: Anabas<br />

150<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Jardin peuplé de chimères, Les Milles 1939<br />

Bleistift auf Papier<br />

Foto: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

151<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Illustrationsvorlagen zu Leonora Carrington, „La dame ovale“, Paris 1939<br />

Collage<br />

152<br />

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L’amoureux, 1939<br />

Illustrationsvorlage zu Leonora Carrington, „La dame ovale“<br />

Collage<br />

153<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

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die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


L’oncle Sam Carrington, 1939<br />

Illustrationsvorlagen zu Leonora Carrington, „La dame ovale“<br />

Collage<br />

154<br />

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Cette terrible cuisine contenant toutes sortes de choses, 1939<br />

Illustrationsvorlage zu Leonora Carrington, „La dame ovale“<br />

Collage<br />

155<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Apatride, Les Milles 1939<br />

Frottage, Bleistift und weiße<br />

Gouache<br />

auf grauem Tonpapier<br />

Figure humaine, 1939<br />

Frottage, Bleistift und<br />

weiße Gouache<br />

auf grauem Papier<br />

156<br />

Hier können Sie dieses Buch sofort und bequem via amazon direkt beim Verlag bestellen :<br />

45 https://www.amazon.de/gp/offer-listing/387038<strong>338</strong>0/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=<strong>978</strong>387038<strong>338</strong>1&qid=1589227749&sr=8-1&dchild=1<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Pancho Villa, 1940<br />

Entwurf einer Spielkarte für das<br />

„Jeu de Marseille“<br />

Farbstift auf Papier<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Ohne Titel, 1940<br />

Entwurf einer Spielkarte für das<br />

„Jeu de Marseille“<br />

Farbstift auf Papier<br />

157<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Alice in 1939, Les Milles 1939<br />

Öl auf Hartfaserplatte<br />

158<br />

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Femme se changeant en oiseau, Les Milles, 1939<br />

Öl auf Leinwand<br />

159<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Gorges du Tarn, ca. 1939. Öl auf Karton<br />

Les peupliers, 1939. Öl auf Papier<br />

Le fascinant cyprès, Les Milles 1939. Öl auf Karton<br />

Les cyprès, ca. 1939. Öl auf Holz<br />

160<br />

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Les créations, les créatures de l’imagination, Les Milles, 1939<br />

Bleistift und weiße Gouache auf braunem Papier von Hans Bellmer<br />

Collage von Max Ernst<br />

Foto: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

161<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Un peu de calme, 1939<br />

Öl auf Leinwand<br />

162<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

163<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Les cyprès, ca. 1939<br />

Öl auf Holz<br />

Les cyprès, ca. 1939<br />

Öl auf Karton<br />

164<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Figure, mythological woman,<br />

ca. 1939/40<br />

Öl auf Karton, auf Leinwand<br />

aufgezogen<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Ohne Titel, ca. 1939/40<br />

Öl auf Karton<br />

165<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben: Chimeras in the mountains, Januar 1940, Öl auf Leinwand<br />

unten: A maiden’s dream about a lake, Februar 1940, Öl auf Leinwand<br />

166<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Swampangel, März-August 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

167<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben: Epiphanie<br />

auch: Dream Landscape, 1940<br />

Öl auf Leinwand.<br />

links: Fascinant cyprès, ca. 1940<br />

Öl auf Karton<br />

168<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

oben: The meal of the Sphinx, 1940. Öl auf Leinwand<br />

Courtesy: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg<br />

Foto: H.R. Wacker<br />

unten: Landscape with lake and chimeras, ca. 1940. Öl auf Leinwand<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

169<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


I saw a grand duchess who lost her shoe, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

170<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

The endless night, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Chimeras in the mountains, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

171<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben: J’ai bu du tabourin, j’ai mangé du cimbal, 1940. Öl auf Karton<br />

rechte Seite: L’habillement de l’épousée (de la mariée), 1940. Öl auf Leinwand<br />

172<br />

Hier können Sie dieses Buch sofort und bequem via amazon direkt beim Verlag bestellen :<br />

45 https://www.amazon.de/gp/offer-listing/387038<strong>338</strong>0/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=<strong>978</strong>387038<strong>338</strong>1&qid=1589227749&sr=8-1&dchild=1<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

173<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


oben:<br />

Leonora in the morninglight, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

unten:<br />

Ohne Titel, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

174<br />

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The painter’s daughters, 1940. Öl auf Leinwand<br />

175<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


176<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

La fuite, 1940. Öl auf Leinwand<br />

linke Seite oben: Arbres minéraux – arbres conjugaux, September 1940.<br />

Öl auf Leinwand<br />

unten: The Spanish physician, auch: Spanish doctor, fat horse and young girl, 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

177<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Arbres solitaires et arbres conjugaux, Marseille 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Foto: Archiv Jürgen Pech, Bonn<br />

178<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Le fascinant cyprès, Marseille 1940<br />

Öl auf Leinwand<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

179<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Stolen mirror, Marseille 1941<br />

Öl auf Leinwand<br />

rechte Seite:<br />

Mother and child, groupe mythologique, auch: Marlene.<br />

Marseille 1940/41<br />

Öl auf Leinwand<br />

180<br />

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Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

181<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Bibliografie<br />

Jürgen Pech, Max Ernst, Fotografische Porträts und Dokumente,<br />

Stadt Brühl<br />

Jürgen Pech, Mythologie und Mathematik,<br />

Ausstellungskatalog Klagenfurt 1997<br />

Werner Spies, Max Ernst, Retrospective,<br />

Ausstellungskatalog Centre Georges Pompidou/Prestel 1991<br />

Max Ernst, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich 1963<br />

Leonora Carrington/Marina Warner, The House of Fear,<br />

Virago Press, London 1989<br />

Jimmy Ernst, Nicht gerade ein Stilleben, Kiepenheuer & Witsch,<br />

Köln 1995<br />

Peggy Guggenheim, Out of this Century, André Deutsch, U.S.A. 1979<br />

Lion Feuchtwanger, Der Teufel in Frankreich, Aufbau, Berlin 1992<br />

Robert O. Paxton, La France de Vichy, Seuil, Paris 1973<br />

Varian Fry, Auslieferung auf Verlangen, Fischer Taschenbuch<br />

Verlag, Frankfurt a.M. 1995<br />

Apropos Leonora Carrington. Mit einem Essay von Tilman<br />

Spengler, Verlag Neue Kritik, Frankfurt a.M. 1995<br />

Leonora Carrington, Le cornet acoustique, Flammarion Paris o.J.<br />

Leonora Carrington, Die ovale Dame, Magische Erzählungen,<br />

Qumran Verlag, Frankfurt a.M. und Paris<br />

Anaïs Nin, Journal 1939–1944, Edition Stock, Paris 1990<br />

Dorothea Tanning, Birthday, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1990<br />

Ursula Lindau, Max Ernst und die Romantik, Wienand Kunstbibliothek<br />

Bonn 1997<br />

André Breton, Nadja, Gallimard, Paris 1964<br />

Jean-Pierre Azema, François Bédarida, La France des années noires,<br />

Seuil, Paris 1993<br />

Herbert Read, The Philosophy of Mo<strong>der</strong>n Art, Meridian Books<br />

New York 1955<br />

182<br />

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Silvana Schmid,<br />

geboren zwischen den beiden Weltkriegen am Zürichsee, wuchs auf<br />

in Zürich, Lugano und Rio de Janeiro. Sie arbeitete als Journalistin<br />

für verschiedene Deutsch-Schweizer Zeitungen, übersetzte Filme,<br />

schrieb Bücher über die Demokratisierung <strong>der</strong> italienischen<br />

Psychiatrie und über das „Rote Bologna“, war Chefredakteurin <strong>der</strong><br />

„Tessiner Zeitung“ und zuletzt Mitarbeiterin <strong>der</strong> „Weltwoche“. Sie<br />

lebt heute in Ascona am Lago Maggiore.<br />

183<br />

Silvana Schmid<br />

Loplopps Geheimnis:<br />

Max Ernst und<br />

Leonora Carrington<br />

in Südfrankreich<br />

Max Ernst (1891–1976)<br />

hat Zeit seines Lebens<br />

eine Lücke in seinem<br />

Lebenslauf gelassen:<br />

Die Jahre rund um den<br />

Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkriegs. Sie hatten<br />

ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen<br />

Ardèche verschlagen,<br />

dann in meh rere Lager<br />

für Angehörige feindlicher<br />

Nationen. Nach<br />

seiner Flucht traf er in<br />

Marseille auf die amerikanische<br />

Millionenerbin<br />

und Kunstliebhaberin<br />

Peggy Guggenheim,<br />

die sich seiner annahm.<br />

1938 bis 1941 – Krieg,<br />

Frankreichs Zusammenbruch,<br />

die Emigration:<br />

Max Ernst gelangen bedeutende<br />

Werke, viele<br />

von ihnen inspiriert von<br />

Leonora Carrington,<br />

einer eng lischen Oberschicht-Tochter<br />

mit<br />

viel schwarzem Humor,<br />

<strong>der</strong>en innere Bildwelt<br />

in fast magischer Weise<br />

mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

– und von<br />

<strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg bald<br />

brutal trennen sollte.<br />

Als Silvana Schmid zufällig<br />

auf das Haus in<br />

St. Martin d’Ardèche<br />

stieß, das Ernst und<br />

Carrington bewohnt<br />

hatten, stellte sie fest,<br />

daß all die skurrilen<br />

Geister und Totems,<br />

mit denen das Paar die<br />

Fassade geschmückt<br />

hatte, fehten. Nur das<br />

hohe »Loplop«-Relief<br />

war noch vorhanden.<br />

In einer ebenso poetischen<br />

wie kriminalistischen<br />

Reportage gibt<br />

sie einen Überblick über<br />

die vergessenen Jahre<br />

von Max Ernst und die<br />

künstlerischen An fänge<br />

<strong>der</strong> 2011 in Mexico-<br />

Stadt verstorbenen<br />

Leonora Carrington.<br />

Broschur. 184 Seiten.<br />

24,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1


Max Ernst (1891–1976) hat zeit seines Lebens eine Lücke in<br />

seinem Lebenslauf gelassen: die Jahre rund um den Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkriegs. Sie hatten ihn zunächst in ein Dorf<br />

an <strong>der</strong> südfranzösischen Ardèche verschlagen, dann in mehrere<br />

Lager für Angehörige feindlicher Nationen. Nach seiner<br />

Flucht landete er schließlich wie viele deutsche Flüchtlinge in<br />

Marseille. Dort traf er die amerikanische Millionenerbin und<br />

Kunstliebhaberin Peggy Guggenheim, die den schönen Max<br />

mitnahm in die neue Welt.<br />

1938 bis 1941 – Krieg, Frankreichs Zusammenbruch, die<br />

Emigration – dramatische und entscheidende Jahre im Leben<br />

des Max Ernst. Es entstanden einige seiner wichtigsten Werke.<br />

Viele von ihnen inspiriert von Leonora Carrington, <strong>der</strong> englischen<br />

Oberschicht-Tochter mit dem schwarzen Humor, <strong>der</strong>en<br />

innere Bildwelt in fast magischer Weise mit <strong>der</strong> seinen übereinstimmte<br />

und von <strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Krieg brutal trennte.<br />

Silvana Schmid stieß zufällig auf das Haus in St. Martin<br />

d’Ardèche, das Max Ernst und Leonora Carrington bewohnt<br />

hatten. Sie verglich es mit Fotos aus früherer Zeit und stellte<br />

fest, dass all die skurrilen Geister und Totems, mit denen Max<br />

und Leonora die Fassade geschmückt hatten, fehlten. Zurückgeblieben<br />

war einzig das haushohe „Loplop“-Relief – in einem<br />

jämmerlichen Zustand. Ein Meisterwerk surrealistischer Bildhauerei,<br />

dem Zerfall preisgegeben. Wie konnte es soweit<br />

kommen? Hartnäckig forschte Silvana Schmid nach Loplops<br />

Geheimnissen. Ihr Buch ist eine poetische und in Teilen auch<br />

kriminalistische Reportage. Sie gibt erstmals einen vollständigen<br />

Überblick über diese verdrängten Jahre des Max Ernst.<br />

Und vermittelt einen Eindruck von den künstlerischen Anfängen<br />

<strong>der</strong> 1917 geborenen, heute als weltbekannte Malerin in<br />

Mexiko lebenden Leonora Carrington.<br />

Das Buch versammelt mit zahlreichen vierfarbigen und<br />

schwarz-weißen Abbildungen erstmals die wichtigsten plastischen<br />

Arbeiten, Bil<strong>der</strong> und Buchillustrationen <strong>der</strong> beiden<br />

Künstler, die im Zusammenhang mit St. Martin d’Ardèche<br />

entstanden sind und gibt Hinweise zu ihrer Interpretation in<br />

diesem Kontext.<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-87038-<strong>338</strong>-1<br />

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