11.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

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B E E T H O V E N !<br />

Der Axel-Brüggemann-Kommentar<br />

ICH WÜNSCHE MIR DEN WÜTENDEN,<br />

KRANKEN, KÄMPFENDEN KOMPONISTEN<br />

<strong>20</strong><strong>20</strong> werden wir <strong>Beethoven</strong> wie einen Popstar feiern.<br />

Aber würden wir ihn auch lieben, wenn er plötzlich unter uns wäre?<br />

Ludwig van <strong>Beethoven</strong> – was für eine Marke! Und was für eine<br />

Geburtstagssause. <strong>20</strong><strong>20</strong> steht ganz im Zeichen des „Ta-Ta-Ta-<br />

Taaaaa“-Komponisten. Happy birthday, <strong>Beethoven</strong>, der unsere Telefonschleifen<br />

mit Klaviermusik Für Elise vertont und dessen Schiller-<br />

Chor Politiker der ganzen Welt entzückt hat. Seine Geburtsstadt<br />

Bonn und seine Wahlheimat Wien werden „BTHVN“ feiern und<br />

all ears „on Vienna“ richten. Die Wiener Philharmoniker heben<br />

<strong>Beethoven</strong> schon am ersten Tag des neuen Jahres im Goldenen Saal<br />

des Musikvereins auf das Programm, die gelbe Post der DHL steckt<br />

ein ganzes <strong>Beethoven</strong>-Museum in einen Karton, und in Wien wird<br />

<strong>Beethoven</strong> sogar „im Gemeindebau“ gesucht. Schauspieler Tobias<br />

Moretti wird das wahnsinnige Genie im ARD-Spielfilm verkörpern,<br />

Christoph Waltz den Fidelio im<br />

Theater an der Wien inszenieren,<br />

Igor Levit spielt die 32 Sonaten in<br />

Salzburg, Jan Lisiecki die fünf<br />

Klavierkonzerte für die Deutsche<br />

Grammophon, und Rudolf Buchbinder<br />

hat neue Diabelli-Variationen<br />

in der ganzen Welt in Auftrag<br />

gegeben. Wir werden Kulturschaffende,<br />

Popstars und Politiker hören, die <strong>Beethoven</strong>s Größe,<br />

seine visionäre Musik und seinen Humanismus feiern. <strong>20</strong><strong>20</strong> ist das<br />

„Roll over <strong>Beethoven</strong>“-Jahr, und man kann nur hoffen, dass wir uns<br />

bis zu seinem wirklichen Geburtstag im Dezember <strong>20</strong><strong>20</strong> nicht längst<br />

taub an ihm gehört haben.<br />

Ich erinnere noch das letzte große Mozart-Jahr: Damals ist es<br />

gelungen, nicht allzu viel Marzipan und Zuckerguss aufzutischen,<br />

sondern auch den unbekannten Mozart zu entdecken. Am Ende<br />

BEETHOVEN, DER HEUTE VOM<br />

BILDUNGSBÜRGERTUM ALS IDEAL<br />

DARGESTELLT WIRD, WAR ALLES ANDERE<br />

ALS EIN EINFACHER ZEITGENOSSE<br />

wurde uns sogar eine Rechnung aufgetischt, die den aktuellen<br />

Marktwert des Komponisten errechnet hat. Das Ergebnis war, dass<br />

der Wert der Marke Mozart sich im Bereichen von Apple, Amazon<br />

oder Nike messen ließ und auf fünf Milliarden Euro geschätzt wurde.<br />

Ganz so viel dürfte bei <strong>Beethoven</strong> nicht zusammenkommen, aber<br />

allein der Ausblick in diesem Heft auf das Jubiläumsjahr <strong>20</strong><strong>20</strong> stellt<br />

unter Beweis: Nicht nur für Bonn und Wien ist der Komponist pures<br />

Geld wert, auch für jedes Orchester und für jeden Politiker, der gern<br />

das Miteinander aller Menschen anpreist. <strong>Beethoven</strong> steht für alles<br />

Gute und Hehre. Zuletzt war es Emmanuel Macron, der sich im Hof<br />

von Versailles in Paris zum Präsidenten küren ließ, natürlich mit<br />

einem Europa-Bekenntnis in Form von <strong>Beethoven</strong>s Neunter.<br />

Bei so viel vorbehaltlosem<br />

Jubel muss die Frage gestattet sein,<br />

ob jener <strong>Beethoven</strong>, den wir im<br />

kommenden Jahr so ausgiebig feiern,<br />

in unserer Zeit überhaupt<br />

eine Chance gehabt hätte. Es ist<br />

leicht, einen Toten zu beweihräuchern.<br />

Aber nehmen wir mal an,<br />

er wäre wirklich wieder da: Mich<br />

würde schon interessieren, wie der Klassikbetrieb, das Klassikpublikum,<br />

die Klassikveranstalter und wie Politiker aus aller Welt heute<br />

auf einen Menschen wie <strong>Beethoven</strong> reagieren würden. Würden wir<br />

ihn wirklich vorbehaltlos lieben und verehren? Oder würde er einigen<br />

dann doch eher Angst einjagen? Und vor allen Dingen: Würde<br />

er es sich gefallen lassen, von uns umarmt zu werden?<br />

Nehmen wir den späten <strong>Beethoven</strong>, jenen der Diabelli-Variationen,<br />

der letzten Werke. Als der Verleger Anton Diabelli 50 öster-<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

66 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember <strong>20</strong>19 – Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>

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