CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
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Günther Groissböck<br />
SÄNGER<br />
Meine erste bewusste musikalisch-seelische<br />
Begegnung mit <strong>Beethoven</strong> fand im Alter von<br />
acht Jahren statt. Eine Schallplattenaufnahme<br />
im elterlichen Wohnzimmer, wo mir nach den<br />
wohl vier berühmtesten Tönen der Musikgeschichte<br />
überhaupt, dem Hauptmotiv des<br />
ersten Satzes der legendären Fünften Sinfonie,<br />
diese – seine – Welt aufging. Es war gewaltig.<br />
Diese Wucht, diese Schwere, dieser Trotz!<br />
Und dabei aber immer auch diese alles umarmen<br />
wollende Sanftheit. Rafael Kubelik mit<br />
dem Boston Symphony Orchestra. Es war die<br />
allererste Edition der Serie „Große Komponisten<br />
und ihre Musik“. Ich habe sie mir alle<br />
gekauft beziehungsweise kaufen lassen.<br />
FOTO: MATTI NENONEN<br />
Jos van Immerseel<br />
CEMBALIST, PIANIST, DIRIGENT<br />
Paavali Jumppanen<br />
PIANIST<br />
Bei einem Klavierabend in Lakeland, Florida, gingen, just bevor ich mit der Waldsteinsonate<br />
anfing, die Bühnenlichter alle aus. Der Veranstalter ermunterte mich, dennoch weiterzuspielen<br />
– er würde die Lichter währenddessen schon wieder in Gang bringen. Es kam allerdings<br />
anders. Mitte zweite Seite, erster Satz, gingen dann auf einmal auch alle Lichter im Zuschauerraum<br />
aus. Aus dem tiefschwarzen Saal kam es kollektiv: „Oups ...“ Und dann gleich noch<br />
einmal, als sie merkten, dass ich einfach weiterspielte. Und zwar bis zum Schluss. Es war vermutlich<br />
nicht meine beste Waldsteinsonate, aber nachdem mich ich im Lichtkegel einer<br />
Taschenlampe, die jemand auf die Bühne gebracht hatte, verbeugte, war ich froh, es getan zu<br />
haben, denn der Veranstalter beendete das Konzert und schickte die Leute nach Hause.<br />
Wieder im Flugzeug, musste ich auf einmal lachen. Mir war der französische Titel der Sonate<br />
– L’Aurora, oder Sonnenaufgang – eingefallen ... Und ich realisierte, dass ich diese Sonate<br />
gerade so gespielt hatte, als hätte ich tatsächlich auf einen Sonnenaufgang gewartet.<br />
Mit 13 habe ich im Orchester meiner Musikschule in Antwerpen gespielt – und<br />
zwar Klavier! Dort war ich „Mädchen für alles“: Ich übernahm Pauken, Xylofon<br />
und dirigierte auch, wenn der Dirigent selber etwas anderes spielen musste. Sogar<br />
Posaunenpartien habe ich auf dem Klavier gespielt. Und das alles ohne „Lehrer“. Es<br />
war herrlich! Ich konnte experimentieren ohne Grenzen – und das auf einem<br />
wunderschönen Erard-Konzertflügel des frühen <strong>20</strong>. Jahrhunderts! Einen Chor gab<br />
es auch in der Schule. Der Dirigent drückte mir die Chorfantasie von <strong>Beethoven</strong> in<br />
die Hand, und ich meinte: „Das ist zu schwer für mich.“ Aber er sagte: „Wenn du<br />
es wirklich willst, ist es gar nicht so schwierig.“ Und so spielte ich ganz natürlich,<br />
ohne Professor, meinen Solopart, später auch vor Publikum. Unglaublich überwältigend<br />
war das, <strong>Beethoven</strong> auf diese Weise kennenzulernen.<br />
FOTO: DOMINIK STIXENBERGER<br />
FOTO: CONCERTGEBOUW<br />
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