CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven

B E E T H O V E N !
MEIN
ERSTES MAL
Es gibt ein Leben vor und nach Beethoven. Dass es irgendwann jeden
erwischt, steht fast außer Frage. Wir haben bei Musikern nachgefragt,
wie und wann der Moment war, in dem sie Feuer gefangen haben.
Die Antworten werden uns das ganze Beethoven-Jahr begleiten.
FOTO: MAIKE HELBIG
Midori Seiler VIOLINISTIN
An den Gefühlsschauer, der mich als Kind beim Hören von Beethovens Musik erstmalig durchrann,
kann ich mich gut erinnern. Als Salzburger Gewächs war ich vor allem mit Mozart vertraut, das
Andersartige bei Beethoven hat mich tief bewegt. Später, in Jugendjahren, hat meine Liebe zu
Beethoven gelitten: Das Bombastische in den damaligen Orchesterinterpretationen, das Hämmernde
am modernen Flügel hat mich von ihm entfernt. Erst viel später haben mich die poetischen und
farbigen Klänge der Fortepiani und historisch orientierten Orchester wieder in seine Nähe gebracht,
und ich fand zu meiner Liebe zu Beethoven zurück. Inzwischen habe ich die Klangwelt des „Biedermeierbogens“
entdeckt: ein Bogen, der in Wien zu Beethovens Zeit gebräuchlich war und dessen
Sprache einen Beethoven zeichnet, der ungeheuer persönlich, subjektiv und fein gezeichnet ist. Meine
Annäherung an Beethoven bleibt spannend und in alle Richtungen offen.
58 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember 2019 – Januar 2020