B E E T H O V E N ! Sie soll dem Universum erzählen, was Menschen sind und wie sie klingen: die „Voyager Golden Record“ Mit <strong>Beethoven</strong> Staat machen Zur Hochzeit gibt es Mendelssohn, zur Beerdigung Mozart. Geht es aber um den Akt, der einerseits emotional sein soll, zugleich aber auch tragend im Hinblick auf das deutsche Wesen, dann ist <strong>Beethoven</strong> abonniert. Warum? Weil seine Musik unser Dasein im Innersten anrührt. Missbrauch nicht ausgeschlossen. VON THOMAS SONNER 56 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember <strong>20</strong>19 – Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>
FOTO: WIKIIMAGES AUF PIXABAY <strong>Beethoven</strong>. Warum eigentlich immer <strong>Beethoven</strong>? Seine Musik ist offensicht lich erste Wahl, wenn es etwas Besonderes zu feiern gibt. Ganz gleich, ob staatliche Feier oder Olympische Spiele: An den Klängen des Klassikers kommt keiner vorbei. Doch das liegt nicht nur an seiner Musik allein. <strong>Beethoven</strong> ist eine Marke. Sie wirkt, auch ohne einen einzigen Ton. Der Name steht für Qualität, zeitlose Kunst und jene gewisse Prise heroischen Kampfes für das Wahre, Gute und Schöne. Schon die Titel und Beinamen seiner Werke befeuern dies: Den heldenhaften Zusatz eroica setzte <strong>Beethoven</strong> selbst über seine Dritte Sinfonie, seine Fünfte ist als Schicksalssinfonie bekannt. Die Musik zu Goethes Egmont illustriert den Kampf gegen die Unterdrückung, und im Fidelio triumphieren Liebe und Gerechtigkeit. Und als wäre das nicht schon genug Symbolik, scheinen in der Rezeption von <strong>Beethoven</strong> Leben und Werk zu verschmelzen: Er wirkt selbst wie ein einsamer Held, der gegen seine Ertaubung ankomponierte. Diesen „Kampf um das künstlerische Schaffen“ hat der Musikwissenschaftler David B. Dennis BEETHOVEN WURDE, WOHL ODER ÜBEL, ZUM DIENER VIELER HERREN als das zentra le Element identifiziert, das sich für jede beliebige politische Agenda bestens ausschlachten ließ. So wurde <strong>Beethoven</strong>, wohl oder übel, zum Diener vieler Herren, etwa für die Feiern der Weimarer Republik. Die Demokraten wollten dem säbelklirrenden Zeremoniell der Monarchie andere Töne entgegensetzen: statt Kaiserparaden nun bürgerliche Festlichkeit. <strong>Beethoven</strong> schien dafür ideal. Schon den ersten Festakt zum Verfassungstag am 11. August 1921 krönte der Schlusssatz aus der Fünften Sinfonie. Und wer der Republik gegenüber positiv eingestellt war, klatschte begeistert. Allgemeine Akzeptanz fand diese Gestaltung aber nicht. Die nationalistischen Kräfte schäumten. Die Kreuz-Zeitung bezichtigte die bürgerliche Regierung unter Kanzler Wirth, <strong>Beethoven</strong> für „sozialistische Parteizwecke zu mißbrauchen“. Das sei, so der Kommentator weiter, „geradezu Vergewaltigung“. Die Marke <strong>Beethoven</strong> war zwar über alle Zweifel erhaben. Aber jedes politische Lager sah sich selbst als rechtmäßigen Hüter. Die Republik feierte jedenfalls weiter mit <strong>Beethoven</strong>. Die Coriolan-Ouvertüre erklang 1922 im Reichstag bei der Trauerfeier für Walther Rathenau. 1929, zum Jubiläumstag der Republik, brachten alle drei Opernhäuser Berlins abends ein <strong>Beethoven</strong>-Programm. Wenige Jahre später wurde <strong>Beethoven</strong> olympisch. Treibende Kraft war Pierre de Coubertin, Gründer der modernen olympischen Bewegung. Ihm schien die Ode an die Freude wie geschaffen, um „die Macht jugendlichen Strebens“ auszudrücken. Das Finale der Neunten Sinfonie krönte auf seinen Wunsch die Eröffnung der Spiele von Berlin 1936. Am Abend des ersten Wettkampftages entfaltete sich im Stadion ein gigantisches Festspiel, durchwebt mit olympischen Ideen und der brutalen Ideologie des NS-Staates: Ein choreografierter Schaukampf feierte den Opfertod für das Vaterland als höchstes Ideal. Im Anschluss erklang <strong>Beethoven</strong>s Werk – und die Zeile „Freudig, wie ein Held zum Siegen, laufet Brüder eure Bahn“ erhielt ungeahntes Gewicht. Die Ode an die Freude erklang noch mehrmals bei Olympischen Spielen, wenn auch dann stets als Zeichen der Völkerverbindung. Besonders extravagant in Szene gesetzt wurde dies zur Schlussfeier der Winterspiele 1998 in Nagano. Im Konzertsaal der Stadt dirigierte Seji Ozawa Chor und Orchester, während im Stadion ein zweiter Chor aus voller Kehle mit einstimmte. Per Satellit wurden auch noch Chöre aus Sydney, Berlin, New York, Peking und Kapstadt live dazugeschaltet. So vereinigten sich virtuell Stimmen aller Kontinente im gemeinsamen Gesang. Doch zurück zur staatlichen Aneignung der Werke. BRD und DDR sahen sich jeweils als rechtmäßige Hüter von <strong>Beethoven</strong>s Musik. 1946 eröffnete die Ouvertüre zur Freiheitsoper Fidelio in Ost-Berlin den Parteitag zur erzwungenen Vereinigung von SPD und KPD. Drei Jahre später spielte man in Bonn vor der ersten Sitzung des Bundestages die Ouvertüre Die Weihe des Hauses. Das Nonplusultra für höchste Anlässe bleibt aber die Neunte Sinfonie. Als 1989 die Berliner Mauer irrelevant geworden war, organisierten Justus Frantz und Leonard Bernstein zu Weihnachten zwei Konzerte mit der Neunten – eines in der Philharmonie im Westteil der Stadt, das andere im Osten, im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Unter dem Eindruck der Ereignisse änderte Bernstein die bekannteste Textstelle ab in „Freiheit, schöner Götterfunken“. Im Programmheft schrieb er selbstsicher, <strong>Beethoven</strong> hätte dem gewiss seinen Segen gegeben. Knapp ein Jahr später erklang die Neunte wieder im Schauspielhaus, diesmal mit Originaltext. Mit einer Festaufführung dieses Werkes verabschiedete sich die DDR am Abend des 2. Oktober 1990 aus der Weltgeschichte. Auch die Feiern der Berliner Republik bleiben <strong>Beethoven</strong> treu. Bei den Festakten zum Tag der Deutschen Einheit ist er bis heute der meistgespielte Komponist. Häufig erklingen die Ouvertüren zu Egmont, Fidelio oder die Leonore III. Greift man nicht gleich auf die Neunte zurück, steht nicht selten die Chorfantasie auf dem Programm, die ihr in vielem ähnelt. Eine Besonderheit des deutschen Zeremoniells: der Große Zapfenstreich der Bundeswehr. Er wird zu herausragenden Ereignissen aufgeführt und beginnt immer dem sogenannten York’schen Marsch von <strong>Beethoven</strong>. Der Titel ist Resultat einer Raubkopie. 1809 schrieb <strong>Beethoven</strong> in Wien seinen Marsch für die Böhmische Landwehr. Ohne sein Wissen gelangte das Werk bis nach Berlin. Dort erschien es gut zehn Jahre später als Teil der Preußischen Armeemarschsammlung unter dem Titel: Yorck’schen Korps, 1813. So ehrte man einen Truppenteil unter Führung von Graf Yorck von Wartenburg, der sich im Kampf gegen die Napoleonischen Heere ausgezeichnet hatte. <strong>Beethoven</strong> selbst hat von dieser Karriere seines Marsches wohl nie erfahren. Aber bis heute marschiert die deutsche Bundeswehr mit diesem Stück zu ihrem höchsten Zeremoniell ein. Auch 250 Jahre nach <strong>Beethoven</strong>s Geburtstag lässt sich mit ihm und seiner Musik prächtig Staat machen. Und mehr beziehungsweise länger noch: So ging <strong>Beethoven</strong> auch mit den beiden 1977 gestarteten interstellaren Raumsonden Voyager 1 und 2 auf Datenplatten ins All. Sinn und Zweck der Mission: Außerirdische, möglicherweise intelligente Lebensformen über unser Menschsein zu informieren. Mit einer Lebensdauer von 500 Millionen Jahren lässt die „Voyager Golden Record“ den 250. Geburtstag des Titanen insofern ziemlich blass aussehen. Denn natürlich ist neben Bach, Mozart, Strawinsky und Holborne im sinfonischen Bereich auch er dabei auf der Reise ins Universum: mit der Cavatina, dem fünften Satz aus dem Streichquartett Nr. 13, op. 130, und dem ersten Satz seiner Fünften. Zwar ist Bach gleich dreimal auf der Platte zu finden, doch schlägt <strong>Beethoven</strong> ihn mit einer Länge von 13,57 Minuten um 2,14 Minuten. Und wo wir schon beim Maß aller Dinge sind: Es war und ist <strong>Beethoven</strong>s Neunte, die Größe und Laufzeit einer CD festlegen. Der Vizepräsident von Sony – die Audio-CD war eine Entwicklung der Technikriesen Sony und Philips –, offensichtlich ein Liebhaber von <strong>Beethoven</strong>s Neunter Sinfonie, erwählte sie als maßgeblich für die Standardisierung. Zunächst fiel die Wahl auf die 66-minütige Einspielung Herbert von Karajans, letztlich aber sollte auch die etwas langsamere Interpretation von Wilhelm Furtwängler darauf passen, die damit zur Referenzaufnahme wurde. Nicht mehr und nicht weniger ist der Grund, weshalb die Laufzeit einer CD 74 Minuten und 33 Sekunden beträgt und einen Durchmesser von 12 Zentimetern hat. Ja, genau, auch das ist „Klassik in Zahlen“. ■ 57
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