CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
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K Ü N S T L E R<br />
1) Berühmter Sohn: der Sänger mit seinen Eltern 1993 in Pesaro 2) Junger Papa: der Tenor mit seinen drei Töchtern Giuliana, Cristina<br />
und Lorenza 3) Pavarotti mit seiner zweiten Frau, Nicoletta Mantovani, die Hochzeit war <strong>20</strong>03<br />
besonders tief empfunden haben musste. Das habe ich auch in der<br />
Arbeit mit Schauspielern erlebt, die manchmal in Szenen etwas<br />
ausdrücken, das aus dem Innersten ihrer Psyche kommt.<br />
Welche Auftritte ragten da besonders heraus?<br />
Zum Beispiel eine Spezialsendung aus seinen späteren Jahren mit<br />
seiner Pagliacci-Arie. Da dachte ich mir zum ersten Mal: „Oh, da<br />
gibt’s zwischen ihm und dieser Musik eine besondere Verbindung.“<br />
Nessun Dorma in den Caracalla-Thermen wirft dich um, das hat<br />
mich jedes Mal bewegt. Und eine Tosca-Aufführung in Rom gegen<br />
Ende seines Lebens. Wenn du das in diesem Kontext siehst,<br />
zusammen mit den Ovationen des<br />
Publikums, da kriegst du eine Gänsehaut.<br />
Können Sie sagen, wie viel Filmmaterial<br />
Sie da gesichtet haben?<br />
Ich habe keine Ahnung. Es waren auf<br />
jeden Fall Tausende von Metern. Zum<br />
Glück hat mein Schnittteam für mich<br />
eine Vorauswahl getroffen. Wir haben<br />
uns beispielsweise alle möglichen<br />
La-Bohème-Aufzeichnungen angeschaut,<br />
hatten auch Amateuraufnahmen. Zum Beispiel hat jemand einen<br />
Auftritt von La fille du régiment mitgefilmt, in dem er die neun<br />
hohen Cs singt. Hinzu kamen auch die Heimvideos von seiner<br />
zweiten Frau Nicoletta Mantovani.<br />
Wie viel Material hat sie Ihnen geliefert?<br />
Ich kann es nicht beziffern – es war viel, aber keine Stunden. Hier<br />
war das Problem, dass die Audiospur nicht gut zu hören war.<br />
Aber wir konnten das technologisch lösen. Und uns war sofort<br />
klar, dass wir das nutzen wollten. Denn hier spricht er ganz<br />
authentisch und ungefiltert über sein Leben, nicht für irgendwelche<br />
Fernsehkameras.<br />
Es gelang Ihnen ja, Pavarottis beide Frauen und seine Töchter<br />
aus erster Ehe vor die Kamera zu holen. Das dürfte nicht ganz<br />
einfach gewesen sein.<br />
Ja, aber es war mir wichtig, dass sich auch Adua Veroni und die<br />
älteren Töchter äußern. Denn ich wollte, dass dieser Film einen<br />
Blick auf sein ganzes Leben wirft – er sollte eine epische Oper<br />
bieten. Ich wusste dabei nicht, was mir alle Beteiligten erzählen<br />
würden. Aber alle waren bereit, weil ich gewissermaßen als<br />
Mittelsmann fungierte. So gesehen hatte der Film auf die Familie<br />
eine heilende Wirkung.<br />
Pavarottis 16-jährige Tochter Alice aus zweiter Ehe taucht<br />
allerdings nicht auf. Warum?<br />
Es ergab für mich nicht wirklich Sinn, da wir möglichst viel aus<br />
seinem Blickwinkel erzählen wollten. Wir nahmen also Interviews,<br />
Arien, die seine Geschichte reflektierten, und so viel von<br />
seinen Aufnahmen wie möglich. Interviews mit anderen<br />
ICH WOLLTE, DASS DIESER FILM<br />
EINEN BLICK AUF SEIN GANZES<br />
LEBEN WIRFT – ER SOLLTE EINE<br />
EPISCHE OPER BIETEN<br />
Beteiligten haben wir nur benutzt, um einen Kontext zu schaffen.<br />
Alice, die vier war, als ihr Vater starb, konnte nicht wirklich<br />
Erkenntnisse zu ihrem Vater vermitteln.<br />
Einer der Interviewten des Films ist Plácido Domingo. Wenn<br />
Sie eine Dokumentation über ihn gedreht hätten, wäre das jetzt<br />
vermutlich sehr problematisch.<br />
Ich kann nur sagen, dass ich ihm für sein Interview, das ich selbst<br />
nicht geführt habe, sehr dankbar bin. Er war und ist ein großer<br />
Künstler, aber wir befinden uns nun einmal in einer Zeit des<br />
Wandels. Männer auf der ganzen Welt erleben ein Erwachen, weil<br />
sich ihr Verhältnis zu Frauen auf<br />
konstruktive Weise verändert. Ich<br />
wünsche ihm das Beste für diese<br />
schwierige und für ihn peinliche Zeit.<br />
Aber so etwas ist eben ein Preis, den<br />
man für diese sehr wichtigen Veränderungen<br />
bezahlen muss.<br />
Sie selbst machten als Regisseur<br />
unangenehme Erfahrungen, weil Ihr<br />
letzter Film, das Star-Wars-Epos Solo<br />
floppte. Ist die Arbeit an einem Pavarotti eine Erleichterung?<br />
So denke ich nicht. Jedes Projekt bringt seine eigenen Herausforderungen<br />
mit sich, und ich liebe es, zwischen fiktionalen<br />
Geschichten und Dokumentationen hin und her zu wechseln. Ich<br />
bin ein sehr neugieriger Mensch, und ich liebe es, in verschiedensten<br />
Genres auf Entdeckungsreisen zu gehen. Alle Arbeiten<br />
befruchten sich bei mir gegenseitig.<br />
Sie sagten ja, dass Sie vor Pavarotti keine große Opernaffinität<br />
hatten. Inwieweit hat Sie dieser Film geistig befruchtet?<br />
Ich höre jetzt wesentlich häufiger Opern – habe sie im Auto<br />
laufen. Ich weiß sie auch viel besser zu schätzen, verstehe ihre<br />
Themen und was die Sänger leisten müssen, um dem Publikum<br />
das ganze Potenzial einer Oper näherzubringen.<br />
Könnten Sie sich jetzt auch vorstellen, Opernregie zu führen?<br />
Nein, nie.<br />
Wirklich nicht?<br />
So weit würde ich mich nicht vorwagen wollen. Bei einer<br />
Dokumentation kann ich einfach den Beobachter spielen. So in<br />
der Art „Ich bin neugierig. Was kann ich über mein Sujet<br />
herausfinden? Wie kann ich es den Zuschauer vermitteln?“. Aber<br />
es wäre unfair gegenüber der Kunstform Oper und gegenüber<br />
den Publikum, wenn ich mich zu so<br />
etwas erdreisten würde. <br />
n<br />
Regisseur Ron Howard; Pavarotti läuft ab<br />
26. Dezember in den deutschen Kinos. Der<br />
Soundtrack ist bereits erhältlich (DECCA)<br />
32 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember <strong>20</strong>19 – Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>