11.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

K Ü N S T L E R<br />

1) Berühmter Sohn: der Sänger mit seinen Eltern 1993 in Pesaro 2) Junger Papa: der Tenor mit seinen drei Töchtern Giuliana, Cristina<br />

und Lorenza 3) Pavarotti mit seiner zweiten Frau, Nicoletta Mantovani, die Hochzeit war <strong>20</strong>03<br />

besonders tief empfunden haben musste. Das habe ich auch in der<br />

Arbeit mit Schauspielern erlebt, die manchmal in Szenen etwas<br />

ausdrücken, das aus dem Innersten ihrer Psyche kommt.<br />

Welche Auftritte ragten da besonders heraus?<br />

Zum Beispiel eine Spezialsendung aus seinen späteren Jahren mit<br />

seiner Pagliacci-Arie. Da dachte ich mir zum ersten Mal: „Oh, da<br />

gibt’s zwischen ihm und dieser Musik eine besondere Verbindung.“<br />

Nessun Dorma in den Caracalla-Thermen wirft dich um, das hat<br />

mich jedes Mal bewegt. Und eine Tosca-Aufführung in Rom gegen<br />

Ende seines Lebens. Wenn du das in diesem Kontext siehst,<br />

zusammen mit den Ovationen des<br />

Publikums, da kriegst du eine Gänsehaut.<br />

Können Sie sagen, wie viel Filmmaterial<br />

Sie da gesichtet haben?<br />

Ich habe keine Ahnung. Es waren auf<br />

jeden Fall Tausende von Metern. Zum<br />

Glück hat mein Schnittteam für mich<br />

eine Vorauswahl getroffen. Wir haben<br />

uns beispielsweise alle möglichen<br />

La-Bohème-Aufzeichnungen angeschaut,<br />

hatten auch Amateuraufnahmen. Zum Beispiel hat jemand einen<br />

Auftritt von La fille du régiment mitgefilmt, in dem er die neun<br />

hohen Cs singt. Hinzu kamen auch die Heimvideos von seiner<br />

zweiten Frau Nicoletta Mantovani.<br />

Wie viel Material hat sie Ihnen geliefert?<br />

Ich kann es nicht beziffern – es war viel, aber keine Stunden. Hier<br />

war das Problem, dass die Audiospur nicht gut zu hören war.<br />

Aber wir konnten das technologisch lösen. Und uns war sofort<br />

klar, dass wir das nutzen wollten. Denn hier spricht er ganz<br />

authentisch und ungefiltert über sein Leben, nicht für irgendwelche<br />

Fernsehkameras.<br />

Es gelang Ihnen ja, Pavarottis beide Frauen und seine Töchter<br />

aus erster Ehe vor die Kamera zu holen. Das dürfte nicht ganz<br />

einfach gewesen sein.<br />

Ja, aber es war mir wichtig, dass sich auch Adua Veroni und die<br />

älteren Töchter äußern. Denn ich wollte, dass dieser Film einen<br />

Blick auf sein ganzes Leben wirft – er sollte eine epische Oper<br />

bieten. Ich wusste dabei nicht, was mir alle Beteiligten erzählen<br />

würden. Aber alle waren bereit, weil ich gewissermaßen als<br />

Mittelsmann fungierte. So gesehen hatte der Film auf die Familie<br />

eine heilende Wirkung.<br />

Pavarottis 16-jährige Tochter Alice aus zweiter Ehe taucht<br />

allerdings nicht auf. Warum?<br />

Es ergab für mich nicht wirklich Sinn, da wir möglichst viel aus<br />

seinem Blickwinkel erzählen wollten. Wir nahmen also Interviews,<br />

Arien, die seine Geschichte reflektierten, und so viel von<br />

seinen Aufnahmen wie möglich. Interviews mit anderen<br />

ICH WOLLTE, DASS DIESER FILM<br />

EINEN BLICK AUF SEIN GANZES<br />

LEBEN WIRFT – ER SOLLTE EINE<br />

EPISCHE OPER BIETEN<br />

Beteiligten haben wir nur benutzt, um einen Kontext zu schaffen.<br />

Alice, die vier war, als ihr Vater starb, konnte nicht wirklich<br />

Erkenntnisse zu ihrem Vater vermitteln.<br />

Einer der Interviewten des Films ist Plácido Domingo. Wenn<br />

Sie eine Dokumentation über ihn gedreht hätten, wäre das jetzt<br />

vermutlich sehr problematisch.<br />

Ich kann nur sagen, dass ich ihm für sein Interview, das ich selbst<br />

nicht geführt habe, sehr dankbar bin. Er war und ist ein großer<br />

Künstler, aber wir befinden uns nun einmal in einer Zeit des<br />

Wandels. Männer auf der ganzen Welt erleben ein Erwachen, weil<br />

sich ihr Verhältnis zu Frauen auf<br />

konstruktive Weise verändert. Ich<br />

wünsche ihm das Beste für diese<br />

schwierige und für ihn peinliche Zeit.<br />

Aber so etwas ist eben ein Preis, den<br />

man für diese sehr wichtigen Veränderungen<br />

bezahlen muss.<br />

Sie selbst machten als Regisseur<br />

unangenehme Erfahrungen, weil Ihr<br />

letzter Film, das Star-Wars-Epos Solo<br />

floppte. Ist die Arbeit an einem Pavarotti eine Erleichterung?<br />

So denke ich nicht. Jedes Projekt bringt seine eigenen Herausforderungen<br />

mit sich, und ich liebe es, zwischen fiktionalen<br />

Geschichten und Dokumentationen hin und her zu wechseln. Ich<br />

bin ein sehr neugieriger Mensch, und ich liebe es, in verschiedensten<br />

Genres auf Entdeckungsreisen zu gehen. Alle Arbeiten<br />

befruchten sich bei mir gegenseitig.<br />

Sie sagten ja, dass Sie vor Pavarotti keine große Opernaffinität<br />

hatten. Inwieweit hat Sie dieser Film geistig befruchtet?<br />

Ich höre jetzt wesentlich häufiger Opern – habe sie im Auto<br />

laufen. Ich weiß sie auch viel besser zu schätzen, verstehe ihre<br />

Themen und was die Sänger leisten müssen, um dem Publikum<br />

das ganze Potenzial einer Oper näherzubringen.<br />

Könnten Sie sich jetzt auch vorstellen, Opernregie zu führen?<br />

Nein, nie.<br />

Wirklich nicht?<br />

So weit würde ich mich nicht vorwagen wollen. Bei einer<br />

Dokumentation kann ich einfach den Beobachter spielen. So in<br />

der Art „Ich bin neugierig. Was kann ich über mein Sujet<br />

herausfinden? Wie kann ich es den Zuschauer vermitteln?“. Aber<br />

es wäre unfair gegenüber der Kunstform Oper und gegenüber<br />

den Publikum, wenn ich mich zu so<br />

etwas erdreisten würde. <br />

n<br />

Regisseur Ron Howard; Pavarotti läuft ab<br />

26. Dezember in den deutschen Kinos. Der<br />

Soundtrack ist bereits erhältlich (DECCA)<br />

32 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember <strong>20</strong>19 – Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!