11.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

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L E B E N S A R T<br />

und Landhaus, zu denen wir noch kommen,<br />

merkt man: Hier geht jemand mit<br />

großen Orchestern in kleinen Räumen<br />

wirklich ans Extrem. Was man heute mit<br />

Lautsprecherverstärkung erreicht, wird<br />

<strong>Beethoven</strong>s Lebzeiten, Aufführungen all<br />

seiner Sinfonien beherbergte. Für Haselböck<br />

ist der prunkvolle Saal mit seinem<br />

relativ niedrigen Gewölbe und dem<br />

größten zusammenhängenden Deckengemälde<br />

dort schon durch die Räume hervorgerufen!<br />

Österreichs von Antonio<br />

Stefan Weinzierl hat mich mit seinem<br />

Beduzzi „eigentlich der allerschönste,<br />

Buch <strong>Beethoven</strong>s Konzerträume vor<br />

auch für Aufnahmen: unglaublich<br />

Jahren dazu inspiriert, die erhaltenen<br />

Säle wieder zu bespielen. Er rechnete aus,<br />

intensiv“. Des im 8. Wiener Gemeindebezirk<br />

gelegenen Theaters in der Josefstadt,<br />

für dessen Wiedereröffnung nach<br />

dass man im Musikverein eine absurde Martin Haselböck und sein Orchester<br />

Orchestergröße brauchen würde – ich Wiener Akademie im Wiener Musikverein einem Umbau 1822 <strong>Beethoven</strong> seine<br />

glaube, 2.000 Musiker –, um den Schalldruck des Eroica-Saals im<br />

Palais Lobkowitz zu erreichen!“<br />

Wir biegen links daneben zum Josephsplatz ein und blicken in<br />

der gegenüberliegenden Front der altehrwürdigen Mauern der Hofburg<br />

zum Großen Redoutensaal empor. „Die beiden ersten Aufführungen<br />

der Neunten, die eine im längst abgerissenen Kärntnertortheater,<br />

die andere im Großen Redoutensaal, müssen sich akustisch<br />

unterschieden haben wie Tag und Nacht“, sagt Haselböck.<br />

„Außerdem sind Bräuche des Konzertwesens mitzubedenken, die<br />

uns heute völlig unverständlich erscheinen: Wir müssen uns <strong>Beethoven</strong>-Akademien<br />

eher wie Rockkonzerte vorstellen, nicht nur<br />

durch die Lautstärke, sondern auch mit stehendem Publikum, ohne<br />

feuerpolizeiliche Zugangslimitierung. Auch die Achte Sinfonie<br />

wurde im Großen Redoutensaal uraufgeführt – und dort, wo man<br />

jetzt 900 Sitze unterbringen darf, drängten sich laut Anton Schindler<br />

5.000 Menschen! Er schreibt auch von schwachem Applaus, weil<br />

‚das große Gedränge der Zuhörer den freyen Gebrauch der Hände<br />

nicht gestattete‘.“<br />

Jenseits des Michaelerplatzes verläuft die Herrengasse – und<br />

auf der Höhe des berühmten Café Central befindet sich das Palais<br />

Niederösterreich (das vormals Liechtensteinische Landhaus), das<br />

seit 1513 im Besitz der Stände als Vorläufer des niederösterreichischen<br />

Ouvertüre Zur Weihe des Hauses geschrieben hat, gedenken wir<br />

nur von fern: „Viele sagten, in dieser extrem trockenen Akustik<br />

könne man gar nicht spielen. Unsere Aufnahme von dort ist aber<br />

ungeheuer plastisch und tiefenscharf geworden.“ Stattdessen<br />

machen wir kehrt Richtung Stephansdom und gehen noch ein bisschen<br />

weiter: zur Alten Universität, wo heute die Akademie der<br />

Wissenschaften residiert. Deren überakustisch-prunkvollem Festsaal<br />

(das Programm des Deckenfreskos wurde von Pietro Metastasio<br />

mitentworfen) hat <strong>Beethoven</strong> seine Schlachtensinfonie Wellingtons<br />

Sieg geradezu einkomponiert – mit riesigem Erfolg. Haselböck<br />

präzisiert nochmals mit Zahlen: „Die Lautstärke einer einzelnen<br />

Violine, gespielt im Freien, steigt im Musikverein um den Faktor<br />

2,2. Im Eroica-Saal aber um 6,8 und in der Akademie der Wissenschaften<br />

gar um 7,1.“ Der beklemmenden Macht des Schlachtengetümmels<br />

im Surroundsound konnte sich das Publikum damals<br />

ebenso wenig entziehen wie heute: „Die Leute haben wegen Überfüllung<br />

des Saals teilweise im Stiegenhaus zugehört. Die über die<br />

beiden Türen von außen anrückenden ‚Heere‘, die beiden Balkone:<br />

An diesem Originalschauplatz wird alles plausibel. Und man<br />

bekommt Gänsehaut, wenn man als Dirigent an derselben Stelle<br />

steht wie damals <strong>Beethoven</strong>! Genau gleichzeitig hat übrigens im<br />

Konvikt gegenüber der 16-jährige Franz Schubert seine Erste Sinfo-<br />

Landtags war und in den Jahren 1819–27, also noch zu nie geschrieben: So etwas gibt es nur in Wien.“ <br />

■<br />

Tipps, Infos & Adressen<br />

Reiseinformationen rund um Ihren Besuch in Wien.<br />

<strong>Beethoven</strong> privat<br />

Auch das Haus der Musik (Seilerstätte 30)<br />

widmet sich <strong>20</strong><strong>20</strong> <strong>Beethoven</strong> – und feiert<br />

selbst <strong>20</strong>. Geburtstag. Zum festen <strong>Beethoven</strong>-<br />

Raum kommen Projekte hinzu, z. B. „Inside<br />

<strong>Beethoven</strong>“ – Musik aus dem Hörwinkel von<br />

Orchester musikern. Zudem zeitgenössische<br />

Kunst: Bildhauer Márton Barabás schafft aus<br />

alten Klavierelementen eindringliche Skulpturen.<br />

Ein Muss: das Sommerhaus <strong>Beethoven</strong>s<br />

in Baden bei Wien, wo seine Neunte entstand.<br />

Essen & Trinken<br />

Im Griechenbeisl, dem wahrscheinlich<br />

ältesten Gasthaus der Stadt (Fleischmarkt 11),<br />

haben <strong>Beethoven</strong>, Schubert, Einstein und viele<br />

andere schon gegessen und sich an Wänden und<br />

Decke verewigt. www.griechenbeisl.at<br />

Bei Entler (Schlüsselgasse 2) nah des Mozartbrunnens<br />

geht es in einem Gewölbe aus dem<br />

18. Jahrhundert moderner zu, aber nicht minder<br />

kunstsinnig aufgrund wechselnder künstlerischer<br />

Ausstattung. Kulinarisch top. www.entler.at<br />

Übernachten<br />

Das Hotel <strong>Beethoven</strong> liegt ganz verkehrsberuhigt<br />

(Papagenogasse 6) direkt gegenüber<br />

dem Papagenotor des Theaters an<br />

der Wien – mehr historisches Musikflair<br />

geht kaum. www.hotel-beethoven.at<br />

Im Ruby Sofie (Marxergasse 17) und<br />

Ruby Marie (Kaiserstraße 2 - 4) können<br />

kostenlos E-Gitarren mit professionellen<br />

Verstärkern im Hotelzimmer ausprobiert<br />

werden! www.ruby-hotels.com/Marie/Wien<br />

FOTOS: STEPHAN POLZER/MUSIKVEREIN; PIXABAY; RUBY HOTELS<br />

176 w w w . c r e s c e n d o . d e — Dezember <strong>20</strong>19 – Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>

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