11.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.

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WARUM WIEN IMMER WIEDER SPASS MACHT?<br />

GANZ EINFACH: WEIL DIE ÖSTERREICHISCHE<br />

HAUPTSTADT EINE EBENSO UNTERHALTSAME WIE<br />

KLUGE GESCHICHTENERZÄHLERIN IST<br />

Wien<br />

Kein Musikverein, keine Staatsoper, kein Konzerthaus: Das musikalische Wien<br />

Ludwig van <strong>Beethoven</strong>s sah noch ganz anders aus als das heutige.<br />

Ein Spaziergang mit dem Dirigenten Martin Haselböck, der <strong>Beethoven</strong>s Musik mit<br />

Originalinstrumenten wieder dort aufführt, wo sie seinerzeit gespielt wurde.<br />

VON WALTER WEIDRINGER<br />

FOTO: ANDREJ GRILC<br />

Solange der Österreicher noch braun’s Bier<br />

und Würstel hat, revoltiert er nicht.“ So ironisch<br />

betrachtete der junge Ludwig van<br />

<strong>Beethoven</strong> 1794 die Bevölkerung seiner<br />

Wahlheimat Wien. Später sollte der Komponist<br />

selbst als Revolutionär in die Musikgeschichte<br />

eingehen, besonders mit seinen Sinfonien. Greift es<br />

zu hoch, auch am Dirigenten Martin Haselböck<br />

einen revolutionären Zug wahrzunehmen? In jedem<br />

Fall kann man es im wörtlichen Sinn radikal nennen,<br />

also auf das Lateinische radix, die Wurzel zurückgehend,<br />

was Haselböck und sein auf Originalinstrumenten<br />

spielendes Orchester Wiener Akademie in<br />

den letzten Jahren in Konzerten und auf CD geleistet haben. Sie<br />

suchen und besuchen nämlich <strong>Beethoven</strong> zu Hause – oder besser:<br />

seine Sinfonien in deren eigenen vier Wänden. „Grundsätzlich sind<br />

wir ja mit einem eigenen Konzertzyklus im Musikverein beheimatet“,<br />

erzählt Haselböck auf unserem Weg dorthin. Der traditionsreiche<br />

Bau des Architekten Theophil Hansen mit seinem Goldenen Saal gilt<br />

mit seiner Akustik als einer der besten Konzertsäle der Welt. Im <strong>Beethoven</strong>jahr<br />

<strong>20</strong><strong>20</strong> feiert der Musikverein seinen 150. Geburtstag – hat<br />

also zu <strong>Beethoven</strong>s Zeiten noch nicht existiert. „Er hat für ganz andere<br />

Säle geschrieben“, weiß Haselböck, „für Adelshäuser, eine kleine Zahl<br />

von öffentlichen Sälen, nicht zuletzt für Theater.“ Nicht alle dieser<br />

Gebäude stehen noch, manche nicht mehr in der originalen Form –<br />

aber dort, wo sie noch im historischen Zustand sind, ermöglichten sie<br />

Haselböck und dem Publikum von „Re-Sound <strong>Beethoven</strong>“ eine faszinierende<br />

Neuentdeckung von <strong>Beethoven</strong>s Musik.<br />

Vom Musikverein aus quer jenseits des Resselparks liegt das<br />

traditionsreiche Theater an der Wien: 1801 als modernstes Theater<br />

Organist, Komponist,<br />

Dirigent: Martin Haselböck<br />

der Monarchie eröffnet, hat es Emanuel Schikaneder<br />

aus den Tantiemen der Zauberflöte erbaut,<br />

worauf das der Innenstadt zugewandte Papagenotor<br />

hindeutet. „Es ist das <strong>Beethoven</strong>-Theater par excellence“,<br />

sagt Haselböck: „Hier wurden nicht nur die<br />

ersten beiden Fassungen des Fidelio uraufgeführt,<br />

sondern er hat während der Komposition auch in<br />

einer Dienstwohnung im Theater gelebt.“<br />

Wir spazieren vom Theater an der Wien Richtung<br />

Innenstadt, in der Operngasse an der heutigen<br />

Staatsoper vorbei und gelangen hinter der Albertina<br />

zum Palais Lobkowitz, dem ersten bedeutenden<br />

barocken Stadtpalast aus der Zeit unmittelbar nach<br />

der Zweiten Türkenbelagerung von 1683. Hier hat sich übrigens<br />

1812 auch die Gesellschaft der Musikfreunde formiert. Der Festsaal<br />

ist einer der berühmtesten <strong>Beethoven</strong>-Orte der Stadt – und Haselböck<br />

gerät demgemäß ins Schwärmen. „Lobkowitz war einer der<br />

drei jungen Adeligen, die <strong>Beethoven</strong> eine Leibrente ausgesetzt<br />

haben. Sie haben ihn quasi radikalisiert.“ Dabei muss gerade Lobkowitz<br />

eine Art Schnösel gewesen sein, der sich nicht mit Krethi und<br />

Plethi mischen wollte: „Also hat er <strong>Beethoven</strong> ein Orchester zur Verfügung<br />

gestellt, ihn probieren und dann sozusagen in seinem Wohnzimmer<br />

für Adel und ausgewählte Musikfreunde musizieren lassen.<br />

Das Erlebnis des relativ kleinen, aber akustisch ganz speziellen<br />

Eroica-Saals, wie er später genannt wurde, hat garantiert auch auf<br />

seine anderen Stücke abgefärbt.“ Und wer das Werk unter Haselböcks<br />

Leitung dort gehört hat, gewaltig, ja gewaltsam fast, der kann<br />

sein Urteil nur bestätigen: „Man glaubt dort, die Musik körperlich<br />

spüren zu können! Dieses physische Erleben war für <strong>Beethoven</strong><br />

offenbar extrem wichtig. Auch in anderen Sälen wie in Akademie<br />

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