CRESCENDO 7/19&1/20 Sonderausgabe Beethoven
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag. Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
Beethoven! Sonderausgabe zum 250. Geburtstag.
Von CRESCENDO – Das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Offizielle Publikation zum Beethovenjahr 2020. Mit großem Veranstaltungsteil.
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DIALOG<br />
Foto: GEMA, Sebastian Linder<br />
Grenzbereiche<br />
sinnlicher<br />
Vermittlung<br />
Bonner Projektwoche zum Thema HÖREN<br />
<strong>Beethoven</strong>s Ertaubung ist ein traumatischer<br />
Einschnitt in seinem Leben.<br />
Die ersten Beeinträchtigungen seines<br />
Hörvermögens stellte der Komponist<br />
im Jahr 1801 im Alter von 31 Jahren<br />
fest. 1812 war es seinen Gesprächspartnern<br />
nicht mehr möglich, mit<br />
ihm in normaler Gesprächslautstärke<br />
zu kommunizieren, und 1818 begann<br />
er sich die Kommunikation mithilfe<br />
von Konversationsheften zu erleichtern.<br />
Demzufolge ist <strong>Beethoven</strong>s Biografie<br />
auch für die Naturwissenschaften<br />
und die Medizin von Be deutung.<br />
Die Bonner Projektwoche zum<br />
Thema Hören lädt ein zu einem<br />
medizinischen Kongress des Universitätsklinikums<br />
Bonn mit dem Freiburger<br />
Institut für Musikermedizin<br />
und dem Internationalen Symposium<br />
Listening/Hearing der <strong>Beethoven</strong>stiftung<br />
für Kunst und Kultur.<br />
Es gibt nur wenige, die sich dem<br />
Thema mit direkten Erfahrungen so<br />
stellen können wie der Komponist<br />
Helmut Oehring. Als Sohn gehör loser<br />
Eltern setzt er sich in einer multimedialen<br />
Auftragskomposition mit<br />
dem Ensemble Musikfabrik in <strong>Beethoven</strong>,<br />
der erlösende Fehler mit dem<br />
Phänomen der Gehörlosigkeit auseinander.<br />
Oehring verwendet Kompositionen<br />
<strong>Beethoven</strong>s auf Texte aus<br />
seinen Konversationsheften und dem<br />
Heiligenstädter Testament.<br />
Die Auseinander setzung<br />
mit mo dernen Kommunikationsformen<br />
und ex pe rimentellen<br />
künstlerischen Mitteln<br />
ist dem Ensemble<br />
Musikfabrik Helmut Oehring<br />
ein<br />
zentrales und performatives Anliegen.<br />
Dieses dringt wie das Symposium<br />
Listening/Hearing in Grenzbereiche<br />
der Vermittlung vor, weil vielen Betroffenen<br />
das Erfassen einer auditiven<br />
Ebene der Kunstwerke und von deren<br />
Inhalten erschwert beziehungsweise<br />
unmöglich ist. Oehring setzte sich in<br />
seiner Autobiografie Mit anderen Augen.<br />
Vom Kind gehörloser Eltern zum<br />
Komponisten intensiv mit den sinnlichen,<br />
sozialen und fachlichen Aspekten<br />
erst der Ungewissheit und dann<br />
des Erkennens eines eigenen Hörvermögens<br />
auseinander. Im Gegensatz<br />
zu <strong>Beethoven</strong>, dessen Hören sich<br />
unheilbar verschlechterte, entdeckte<br />
Oehring im fortgeschrittenen Kleinkindalter,<br />
dass er selbst nicht gehörlos<br />
war. Erst mit vier Jahren lernte er die<br />
Artikulation mit Sprechstimme.<br />
Eine Radioversion der Autobiografie<br />
schilderte diese Lebensgeschichte mit<br />
Ausschnitten aus Oehrings Kompositionen<br />
sowie Geräuschen und akustischen<br />
Flächen, die die Handicaps<br />
des Hörens versinnbildlichen. An der<br />
Schnittstelle zwischen Hören und sensitivem<br />
Erfassen agiert in der Bonner<br />
Uraufführung als Gebärdensolistin<br />
und Vokalistin Kassandra Wedel. Mit<br />
vier Jahren verlor die Hip-Hop-Tanzlehrerin<br />
und Schauspielerin ihr Gehör<br />
als Folge eines Autounfalls. Durch die<br />
Wahrnehmung von Vibrationen und<br />
dem Wummern von Bässen entwickelte<br />
sie für sich eine Form des alternativen<br />
Hörens, das ihr den Weg auf<br />
die Bühne ermöglichte. Einer ihrer<br />
Schwerpunkte ist Tanzunterricht für<br />
Hörgeschädigte.<br />
Projektwoche<br />
<strong>Beethoven</strong> und der Sinn des Hörens<br />
13.–21.6.<strong>20</strong><strong>20</strong><br />
Verschiedene Orte, Bonn<br />
bthvn<strong>20</strong><strong>20</strong>.de/kalender<br />
Verlagssonderveröffentlichung 87