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Stanislaw Lem - Transfer

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Sie verneinte mit dem Kopf.<br />

Er behielt uns im Auge, ging etwas seitlich, dann ein bisschen rückwärts und verschwand.<br />

Sie sah mich an. »Ist das wahr?« fragte sie.<br />

»Eri...«, stöhnte ich.<br />

»Musst du?« fragte sie.<br />

Ich nickte: »Ja.« Aber sie widersprach mir.<br />

»Wieso?« sagte ich. Und wiederholte noch einmal, etwas stotternd: »Wieso?« - Sie schwieg. Ich<br />

kam auf sie zu und sah, dass sie den Kopf an die Schulter zog und ihre Hände, die einen Teil des<br />

flaumigen Mantels hielten, zitterten.<br />

»Warum? Warum hast du eine solche Angst vor mir?«<br />

Sie verneinte mit dem Kopf.<br />

»Nicht?«<br />

»Nein.«<br />

»Aber du zitterst ja?«<br />

»Nur so.«<br />

»Und... wirst du mit mir gehen?«<br />

Sie nickte zweimal, wie ein Kind. Ich umarmte sie, so leicht wie ich nur konnte. Als ob sie ganz<br />

aus Glas wäre.<br />

»Habe keine Angst«, sagte ich. »Sieh...«<br />

Meine Hände zitterten nun auch. Warum zitterten sie nicht, als ich langsam weiße Haare bekam,<br />

als ich auf Arder wartete? An welche Reserven, an welche verborgenen Winkel stieß ich nun, um<br />

endlich zu erfahren, was ich selbst wert bin?<br />

»Setz dich«, bat ich, »du zitterst ja noch immer. Oder nein, warte!«<br />

Ich legte sie auf mein Bett. Deckte sie bis an den Hals zu.<br />

»Besser so?«<br />

Sie nickte: »Ja, besser.«<br />

Ich wusste nicht, ob sie nur in meiner Anwesenheit so stumm war oder überhaupt von Natur aus.<br />

Ich kniete am Bett nieder.<br />

»Sag mir doch etwas«, flüsterte ich.<br />

»Was?«<br />

»Von dir. Wer du bist. Was du machst. Was du willst. Nein - was du wolltest, ehe ich über dich<br />

herfiel.«<br />

Sie zuckte leise die Achseln, so als ob sie damit sagen wollte: >Nichts habe ich zu sagen.<<br />

»Willst du nichts erzählen? Warum? Vielleicht...«<br />

»Das ist nicht wichtig«, sagte sie. Als ob sie mich mit diesen Worten geschlagen hätte. Ich rückte<br />

von ihr ab.<br />

»Wieso, Eri... wieso...?« stammelte ich. Aber ich verstand es bereits. Nur zu gut. Ich sprang auf<br />

und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen.<br />

»So will ich es nicht. So kann ich nicht. Ich kann es nicht. So darf es nicht sein. Ich...«<br />

Ich erstarrte. Schon wieder. Denn sie lächelte. Ihr Lächeln war so schwach, dass man es kaum<br />

wahrnahm. »Eri, was...?«<br />

»Er hat recht«, sagte sie.<br />

»Wer?«<br />

»Dieser... dieser Freund von Ihnen.«<br />

»Weshalb?«<br />

Es fiel ihr schwer, es zu sagen. Sie wandte den Blick ab. »Weil Sie ... unklug sind.«<br />

»Woher weißt du, dass er so etwas sagte?«<br />

»Ich habe es gehört.«<br />

»Unser Gespräch? Nach dem Mittagessen?«<br />

Sie nickte. Und errötete. Sogar ihre Ohren wurden rosig.<br />

»Es ging nicht anders. Sie haben beide sehr laut gesprochen. Ich wäre weggegangen, aber...«<br />

Ich verstand. Die Tür ihres Zimmers ging in die Halle. >Idiot!< dachte ich, selbstverständlich von<br />

mir. Ich war wie betäubt.<br />

»Hast du... alles gehört?«

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