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Stanislaw Lem - Transfer

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»Du kannst nicht, wie? Es ist nicht möglich. Ja, ich weiß, dass es nicht möglich ist. Wusste es<br />

vom ersten Augenblick an. Ich dürfte nicht hier sein. Eine leere Stelle sollte jetzt hier sein. Ich<br />

gehöre dorthin. Es ist aber nicht meine Schuld, dass ich zurückgekehrt bin. Ja. Ich weiß nicht,<br />

warum ich dir das alles erzähle. Das gibt es nicht. Was gibt es nicht? Egal, wenn dich das nichts<br />

angeht. Du dachtest wohl, ich könnte mit dir alles machen, was ich will? Mir liegt aber nichts<br />

daran, verstehst du? Du bist ja kein Stern...«<br />

Stille. Das ganze Haus schwieg. Ich neigte den Kopf zu ihren Händen, die wie gelähmt auf den<br />

meinen lagen, und fing an, zu ihnen zu sprechen.<br />

»Eri, Eri. Jetzt weißt du, dass du keine Angst zu haben brauchst, nicht wahr? Du weißt, dass dir<br />

keine Gefahr droht. Aber das ist so - groß, Eri. Ich wusste nicht mal, dass es so etwas geben kann.<br />

Wusste es nicht. Ich schwöre es dir. Warum fliegen sie denn zu den Sternen? Ich kann es nicht<br />

verstehen. Dies ist doch hier. Oder muss man vielleicht erst dort gewesen sein, um es zu<br />

verstehen? Ja, schon möglich. Nun will ich gehen, ich gehe schon. Und du wirst alles vergessen.<br />

Wirst du es vergessen?« Sie nickte.<br />

»Wirst du es auch keinem sagen?«<br />

Sie verneinte mit dem Kopf.<br />

»Wirklich?«<br />

»Wirklich.«<br />

Es war nur ein Flüstern.<br />

»Ich danke dir.«<br />

Ich ging hinaus. Die Treppe. Eine cremefarbene, dann eine grüne Wand. Die Tür meines<br />

Zimmers. Ich machte weit das Fenster auf, atmete tief. Wie gut die Luft war. Seit ich aus ihrem<br />

Zimmer kam, war ich völlig ruhig. Ich lächelte sogar, aber weder mit dem Gesicht, noch mit den<br />

Lippen. Dieses Lächeln hatte ich in mir, nachsichtig meiner eigenen Dummheit gegenüber, auch<br />

der Tatsache, dass ich nichts wusste und es doch so einfach gewesen war. Gebückt wühlte ich im<br />

Innern meines Sportkoffers. Unter den Stricken? Nein. Irgendwelche Päckchen, was denn, nein,<br />

nicht das, Moment mal...<br />

Nun hatte ich ihn. Ich streckte mich wieder und fühlte mich plötzlich beschämt. Die Lichter. Nein,<br />

so konnte ich es nicht. Ich ging eben, um sie zu löschen, als Olaf auf die Schwelle trat. Er war<br />

noch nicht ausgezogen. War er denn überhaupt nicht ins Bett gegangen?<br />

»Was machst du denn da?«<br />

»Nichts.«<br />

»So? Und was hast du da? Versteck es nur nicht!«<br />

»Nichts...«<br />

»Zeig her!«<br />

»Nein.«<br />

»Wusste ich's doch. Du Scheißkerl!«<br />

Diesen Schlag hatte ich nicht erwartet. Ich öffnete die Finger, der Griff rutschte mir aus der Hand,<br />

und wir beide kämpften bereits, ich warf mich über ihn, er sprang über mich, der Schreibtisch fiel<br />

um, die mitgezogene Lampe krachte gegen die Wand, dass das ganze Haus aufdröhnte. Nun hatte<br />

ich ihn erwischt. Er konnte sich nicht mehr befreien, wand sich nur, ich hörte einen Schrei, ihren<br />

Schrei, ließ ihn los, sprang nach rückwärts.<br />

Sie stand in der Tür.<br />

Olaf kam auf die Knie.<br />

»Töten wollte er sich. Deinetwegen!« röchelte er. Er fasste sich mit beiden Händen an den Hals.<br />

Ich wandte mein Gesicht ab. Stützte mich an der Wand, meine Beine zitterten. Ich schämte mich,<br />

schämte mich furchtbar. Sie sah uns an, erst den einen, dann den anderen. Olaf hielt immer noch<br />

seinen Hals.<br />

»Geh hier fort«, sagte ich leise zu Olaf.<br />

»Zuerst musst du mich fertigmachen.«<br />

»Hör auf damit.«<br />

»Nein.«<br />

»Bitte, mein Herr, gehen Sie doch«, sagte sie.<br />

Ich verstummte mit offenem Mund. Olaf starrte sie ungläubig an. »Mädchen, er...«

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