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Stanislaw Lem - Transfer

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Ich klopfte an Olafs Tür.<br />

»Wenn es kein Fremder ist - herein!« hörte ich seine Stimme. Er stand nackt in der Mitte des<br />

Zimmers und spritzte aus einer Flasche seinen Körper mit einer hellgelben, sofort flaumig<br />

erstarrenden Flüssigkeit an.<br />

»Diese flüssige Wäsche, wie?« sagte ich. »Wie kannst du bloß!«<br />

»Ich nahm kein zweites Oberhemd mit«, brummte er. »Magst du das nicht?«<br />

»Nein. Und du?«<br />

»Mein Oberhemd wurde zerrissen.«<br />

Auf meinen erstaunten Blick fügte er mit einer Grimasse hinzu: »Dieser lachende Kerl, weißt du.«<br />

Ich sagte kein Wort mehr. Er zog seine alte Hose - die ich noch vom »Prometheus« kannte - an,<br />

und wir gingen hinunter. Auf dem Tisch lagen nur drei Gedecke, und im Speisezimmer war<br />

niemand zu sehen.<br />

»Wir werden vier sein«, wandte ich mich an den weißen Roboter.<br />

»Nein, mein Herr. Herr Marger ist fort. Die Dame, Sie und Herr Staave sind nun zu dritt hier.<br />

Darf ich servieren, oder soll man auf die Dame warten?«<br />

»Wir warten lieber«, beeilte sich Olaf zu antworten.<br />

Anständiger Kerl. Das Mädchen kam gerade herein. Sie hatte dasselbe Röckchen an wie gestern,<br />

und ihr Haar war etwas feucht, als wäre sie aus dem Wasser gekommen. Ich stellte ihr Olaf vor,<br />

der sich ruhig, würdevoll gab. Nie verstand ich es, so würdevoll zu sein. Wir unterhielten uns. Sie<br />

sagte, dass ihr Mann jede Woche drei Tage lang aus beruflichen Gründen wegfahren müsse und<br />

dass das Wasser im Schwimmbecken, trotz der Sonne, nicht so warm wäre, wie es sein könnte.<br />

Dieses Gespräch riss bald ab, und obwohl ich mir die größte Mühe gab, konnte ich kein weiteres<br />

Thema finden. Ich saß und aß nur, die beiden gegensätzlichen Gestalten mir gegenüber. Ich<br />

merkte, dass Olaf sie ansah, aber nur, wenn ich mit ihr sprach und sie mich anschaute. Sein<br />

Gesicht war ganz ausdruckslos, als dächte er die ganze Zeit an etwas anderes.<br />

Zum Schluss des Mittagessens kam der weiße Roboter und sagte, das Wasser im Schwimmbecken<br />

würde für den Abend gewärmt sein, wie Frau Marger es sich gewünscht hatte. Frau Marger<br />

dankte und ging nach oben. Wir blieben zu zweit. Olaf sah mich an, und wieder wurde ich<br />

schrecklich rot.<br />

»Wie ist denn das bloß«, meinte Olaf, indem er sich die von mir gereichte Zigarette in den Mund<br />

steckte, »dass ein Kerl, der fähig war, in dieses stinkende Loch auf Kerenea einzusteigen, ein alter<br />

Gaul - nein, nein, kein Gaul! -, ein altes Nashorn vielmehr, von einhundertfünfzig Jahren auf<br />

einmal anfängt...«<br />

»Bitte, lass das sein«, brummte ich. »Wenn du es genau wissen willst: ich würde da noch einmal<br />

hineinsteigen, aber...« Ich beendete den Satz nicht.<br />

»Gut. Werde nichts mehr sagen. Ehrenwort. Aber weißt du, Hal, verstehen kann ich dich. Und<br />

würde wetten, dass du nicht weißt, warum...«<br />

Mit dem Kopf deutete er in die Richtung, in der sie verschwunden war.<br />

»Warum?«<br />

»Ja. Weißt du es?«<br />

»Nein. Du aber auch nicht.«<br />

»Doch. Soll ich's sagen?«<br />

»Bitte. Nur keine Schweinereien dabei.«<br />

»Du bist wirklich verrückt«, entrüstete sich Olaf. »Die Sache ist doch ganz einfach. Du hattest<br />

nämlich schon immer diesen Fehler - was unter deiner Nase war, bemerktest du nicht, nur immer<br />

dort, weit in der Ferne, alle diese Cantoren, Korybasileen...«<br />

»Mach kein Theater.«<br />

»Ich weiß, es ist Pennälerstil, aber wir wurden doch in unserer Entwicklung gehemmt, als man<br />

hinter uns die sechshundertachtzig Schrauben fest angezogen hat. Weißt du das?«<br />

»Ja. Und weiter?«<br />

V

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