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Stanislaw Lem - Transfer

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»Ja. Es waren ihrer zwei - die eine lud mich prompt ein, als ich vom Bahnhof kam, das heißt -<br />

nein. Ich habe mich auf diesem verflixten Bahnhof verirrt. Und sie nahm mich dann mit in ihre<br />

Wohnung.«<br />

»Wusste sie, wer du bist?«<br />

»Ich sagte es ihr. Am Anfang hatte sie Angst, später.., schien sie mir Mut machen zu wollen -<br />

wohl aus Mitleid oder – weiß ich-, und dann war sie wirklich erschrocken. Ich ging ins Hotel. Am<br />

nächsten Tag traf ich.., du ahnst nicht wen: Roemer!«<br />

»Nein! Wie alt ist er denn jetzt - einhundertsiebzig?!«<br />

»Nein, es war sein Sohn. Der ist übrigens auch schon weit über ein Jahrhundert alt. Eine Mumie.<br />

Schrecklich. Ich sprach mit ihm. Und weißt du was? Er beneidet uns...«<br />

»Er hat auch allen Grund.«<br />

»Er versteht das nicht. Na, das war's. Dann eine Schauspielerin. Sie werden hier Realistinnen<br />

genannt. Sie war von mir entzückt: ein richtiger Pithekanthropus! Ich fuhr mit in ihre Wohnung<br />

und bin da am nächsten Tag ausgerissen. Es war ein wirklicher Palast. Herrlich. Aufblühende<br />

Möbel, wandernde Wände, jeden Wunsch und jeden Gedanken erratende Betten... ja.«<br />

»Mhm. Die hatte keine Angst, wie?«<br />

»Nein. Angst hatte sie wohl auch, aber sie trank etwas - ich weiß nicht, was es war -, irgendeine<br />

Droge vielleicht. Perto hieß es, oder so ähnlich.«<br />

»Perto?!«<br />

»Ja. Weißt du, was das ist? Hast du es auch schon probiert?«<br />

»Nein«, sagte er gedehnt. »Probiert nicht. Aber so heißt ja das Zeug, das es aufhebt...«<br />

»Aufhebt? Die Betrisierung? Unwahrscheinlich!«<br />

»So sagte mir jedenfalls dieser Mann.«<br />

»Wer?«<br />

»Kann ich dir nicht sagen. Habe mein Ehrenwort gegeben.«<br />

»Schön. Also deshalb.., deshalb hat sie...«<br />

Ich sprang hoch.<br />

»Setz dich.«<br />

Ich setzte mich.<br />

»Und du?« fragte ich. »Da rede ich immerzu nur von mir selbst...«<br />

»Ich? Nichts. Das heißt - nichts gelang mir. Nichts...«, wiederholte er noch einmal. Ich schwieg.<br />

»Und wie heißt dieser Ort hier?«<br />

»Klavestra. Aber das Städtchen selbst ist ein paar Meilen weit von hier. Weißt du, fahren wir doch<br />

hin. Ich wollte den Wagen zur Reparatur bringen. Und zurück können wir querfeldein laufen.<br />

Wie?«<br />

»Hal«, sagte er langsam, »du alter Gaul...«<br />

»Was?«<br />

Seine Augen lächelten.<br />

»Du willst den Teufel mit Leichtathletik vertreiben? Ein Esel bist du.«<br />

»Entweder Gaul oder Esel, da musst du dich entscheiden«, sagte ich. »Und was ist schon<br />

Schlimmes dabei?«<br />

»Nur, dass es nicht gelingen wird. Bist du einem von ihnen zu nahe getreten?«<br />

»Wie... ihn beleidigt? Nein. Warum?«<br />

Erst jetzt verstand ich, was er meinte, da er es näher zu erklären versuchte: »Nicht doch. Zu nahe.<br />

Ganz nah. Angefasst.«<br />

»Hatte keine Gelegenheit. Und?«<br />

»Ich würde es dir auch nicht raten.«<br />

»Warum?«<br />

»Weil es ungefähr so ist, als ob du eine Amme ohrfeigen möchtest. Kapierst du?«<br />

»So ungefähr. Hast du irgendwo Krach gemacht?«<br />

Ich versuchte mein Erstaunen zu verbergen. An Deck war Olaf einer der am meisten beherrschten<br />

Männer gewesen.

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