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Stanislaw Lem - Transfer

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»Warte. Es ist doch ganz einfach. Derjenige, der tötet, ist darauf vorbereitet, auch getötet zu<br />

werden - nicht?« Ich schwieg.<br />

»Und deshalb ist es in einem gewissen Sinn nötig, dass du- alles - aufs Spiel setzen kannst. Wir<br />

können es. Sie nicht. Deshalb haben sie vor uns eine solche Angst.«<br />

»Die Frauen?«<br />

»Nicht nur die Frauen. Alle. Hal!«<br />

Plötzlich setzte er sich.<br />

»Was denn?«<br />

»Hast du einen Hypnagog bekommen?«<br />

»Einen Hyp... so einen Apparat, um im Schlaf lernen zu können? Ja.«<br />

»Hast du ihn auch benutzt?« schrie er fast.<br />

»Nein... wieso?«<br />

»Dein Glück. Wirf ihn ins Schwimmbecken.«<br />

»Warum? Was ist das? Hast du ihn gebraucht?«<br />

»Nein. Etwas überkam mich, und ich hörte es alles im wachen Zustand, obwohl die<br />

Gebrauchsanweisung das verbot. Na, hast du eine Ahnung, Mensch!«<br />

Nun setzte ich mich auch.<br />

»Was ist denn drin?«<br />

Er sah mürrisch aus.<br />

»Lauter süßes Zeug. Die reinste Zuckerbäckerei, sage ich dir. Dass du freundlich, brav sein sollst.<br />

Dass du jede Kränkung hinnehmen musst, denn falls jemand dich nicht versteht oder zu dir nicht<br />

nett sein will - eine Frau, wohlgemerkt -, dann ist es deine Schuld, nicht ihre. Dass das<br />

gesellschaftliche Gleichgewicht, die Stabilisierung das höchste Gut sei, und so weiter und so fort<br />

in einer Tour, hundertmal. Und die Schlussfolgerung: still leben, Memoiren schreiben, die sich für<br />

die Veröffentlichung nicht eignen, nur so, für sich selbst, Sport treiben und sich weiterbilden. Auf<br />

die Älteren hören.«<br />

»Das soll wohl ein Ersatz für die Betrisierung sein«, murmelte ich.<br />

»Klar. Da war noch 'ne ganze Menge anderer Dinge drin! Dass man niemals Gewalt oder einen<br />

aggressiven Ton jemandem gegenüber anwenden darf, und eine Schande, ja ein Verbrechen wäre<br />

es schon, einen zu schlagen, denn das ruft einen schrecklichen Schock hervor. Dass man -<br />

ungeachtet der Umstände – nie kämpfen darf, denn nur die Tiere kämpfen, dass...«<br />

»Warte mal«, sagte ich, »und gesetzt den Fall, dass aus einem Schutzgebiet ein wildes Tier<br />

ausbricht.., ach ja, wilde Tiere gibt es keine mehr.«<br />

»Raubtiere nicht«, sagte er, »aber es gibt die Roboter.«<br />

»Was soll denn das heißen? Meinst du damit, man kann ihnen den Befehl geben, jemanden zu<br />

töten?«<br />

»Na ja.«<br />

»Woher weißt du es?«<br />

»So ganz bestimmt weiß ich es nicht. Aber schließlich müssen die doch auf alles vorbereitet sein,<br />

sogar ein betrisierter Hund kann schon mal tollwütig werden, nicht?«<br />

»Aber... aber das ist ja - warte! Also können sie doch töten? Indem sie Befehle geben? Ist es denn<br />

nicht egal, ob ich selbst töte oder einen Befehl gebe?«<br />

»Für sie nicht. Das heißt, es geschieht nur - in extremis, verstehst du. Im Falle einer Katastrophe,<br />

einer Bedrohung, wie mit Tollwut. Normalerweise kommt es nicht vor. Wenn aber wir...«<br />

»Wir?«<br />

»Ja, zum Beispiel wir zwei- wenn wir da irgend etwas.., ha, du weißt schon.., dann werden sich<br />

selbstverständlich die Roboter unser annehmen, nicht sie. Sie können es nicht. Sie sind ja gut.«<br />

Eine Weile schwieg er. Seine weite, von der Sonne und vom Sand jetzt gerötete Brust schien<br />

schneller zu atmen.<br />

»Hal. Hätte ich es gewusst. Hätt ich es nur gewusst. Hätt... ich's.., nur.., gewusst...«<br />

»Hör auf.«<br />

»Hast du schon etwas erlebt?«<br />

»Ja.«<br />

»Du weißt doch, was ich meine?«

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