Stanislaw Lem - Transfer
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Er packte seine bescheidene Habe aus und zog sich um. Beide warfen wir die Bademäntel um die<br />
Schultern und gingen hinunter. Es war noch früh. Normalerweise hätte man das Frühstück erst in<br />
einer halben Stunde serviert.<br />
»Gehen wir lieber hinter das Haus«, sagte ich. »Dort kann uns keiner sehen.«<br />
Wir hielten in einem Rund hoher Sträucher. Zuerst traten wir das Gras mit den Füßen glatt, das<br />
sowieso niedrig war.<br />
»Glatt wird es sein«, meinte Olaf, indem er mit den Füßen auf diesem improvisierten Ring<br />
scharrte.<br />
»Schadet nichts. Der Kampf wird dann schwerer.«<br />
Wir zogen die Handschuhe über. Etwas umständlich ging es damit, denn wir hatten ja niemand,<br />
der sie uns zubinden konnte, und einen Roboter mochte ich nicht rufen.<br />
Olaf stellte sich mir gegenüber auf. Sein Körper war ganz weiß.<br />
»Du bist noch nicht braun geworden«, sagte ich.<br />
»Werde dir später erzählen, wie es mir erging. Ich hatte keine Lust, am Strand zu liegen. Gong.«<br />
»Gong.«<br />
Wir fingen behutsam an. Finten. Ausweichen. Wieder ausweichen. Ich erwärmte mich dabei.<br />
Suchte die Fühlung, keinen Hieb. Schließlich wollte ich ihn ja nicht schlagen. Ich war gut dreißig<br />
Pfund schwerer, und seine nur ein wenig längeren Arme konnten meine Überhand nicht aufhalten,<br />
um so mehr, als ich auch sonst ein besserer Boxer war. Deshalb ließ ich ihn ein paarmal heran,<br />
obwohl ich es nicht musste. Plötzlich ließ er die Handschuhe sinken. Sein Gesicht wurde fest,<br />
seine Kiefer arbeiteten. Er war wütend.<br />
»So nicht«, sagte er.<br />
»Was denn?«<br />
»Stell dich nicht an, Hal. Entweder wird richtig geboxt oder gar nicht.«<br />
»Fein«, sagte ich und bleckte die Zähne. »Los!«<br />
Nun trat ich etwas näher. Handschuh schlug gegen Handschuh, es klatschte schaft dabei. Er<br />
spürte, dass ich es ernst meinte, und ging in Deckung. Das Tempo wuchs. Ich verteilte Haken,<br />
einmal links, einmal rechts, serienartig, der letzte Hieb landete stets auf seinem Körper - er konnte<br />
nicht folgen. Ganz unerwartet ging er zum Angriff über, es gelang ihm eine schöne Gerade, ich<br />
flog zwei Schritte hin. Kam aber gleich wieder hoch. Wir umtänzelten uns, ich tauchte unter dem<br />
Handschuh auf, wich zurück und placierte dann von halber Entfernung eine rechte Gerade,<br />
verwendete viel Kraft darauf. Olaf gab nach, hatte für einen Augenblick seine Deckung gelockert,<br />
kam dann aber schon zurück, vorsichtig, gebückt. Die nächste Minute verging mit Angriffen. Die<br />
Handschuhe schlugen auf die Oberarme, mit dumpfen Geräuschen, ohne dabei Schaden<br />
anzurichten. Nur einmal hatte ich kaum noch Zeit auszuweichen: er scheuerte mit seinem<br />
Handschuh über mein Ohr, es war wirklich ein Hieb, der mich fast niederstrecken konnte. Wieder<br />
tanzten wir herum. Ich bekam einen dumpfen Stoß vor die Brust, konnte noch kämpfen, rührte<br />
mich aber nicht, stand wie gelähmt da- denn sie stand am Fenster im Erdgeschoss, ihr Gesicht so<br />
weiß wie das, was sie über den Schultern trug. Es war der Bruchteil einer Sekunde. Im nächsten<br />
Augenblick wurde ich von einem wuchtigen Hieb getroffen, benommen fiel ich auf die Knie.<br />
»Entschuldigung!« hörte ich Olafs Schrei.<br />
»Macht nichts.., war gut so...«, murmelte ich und stand auf. Das Fenster war nun geschlossen. Wir<br />
kämpften weiter, vielleicht eine halbe Minute lang, bis Olaf sich plötzlich zurückzog.<br />
»Was hast du?«<br />
»Nichts.«<br />
»Stimmt nicht.«<br />
»Na ja. Keine Lust mehr. Böse?«<br />
»Ach wo. Hätte ja sowieso wenig Sinn, so gleich von Anfang an... gehen wir.«<br />
Wir gingen zum Schwimmbecken. Olaf sprang besser als ich. Er konnte herrliche Dinge. Ich<br />
versuchte einen Salto nach hinten mit einer Schraube, genauso wie er, schlug aber nur ganz<br />
fürchterlich mit den Schenkeln aufs Wasser. Auf dem Rand des Schwimmbeckens sitzend, begoss<br />
ich meine Haut, die wie Feuer brannte, mit Wasser. Olaf lachte.<br />
»Du bist aus der Übung gekommen.«<br />
»Ach wo. Eine Schraube konnte ich nie gut. Dass du es aber so kannst! «