Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
»Ich weiß. Aber sie können uns doch nichts antun. Übrigens sollten sie uns gernhaben. Komm<br />
bloß.«<br />
»Wozu? Überleg mal, Hal. Vielleicht wird es dadurch...«<br />
»Was?«<br />
»Schlimmer.«<br />
»Woher weißt du, dass es mir nicht gutgeht?«<br />
Ich hörte sein kurzes Lachen, eigentlich einen Seufzer: so leise lachte er.<br />
»Und warum willst du mich dort haben?«<br />
Plötzlich kam mir eine glänzende Idee.<br />
»Olaf, hör mal. Hier ist so eine Art von Sommerfrische, weißt du. Eine Villa mit Schwimmbecken<br />
und Garten. Nur... na, du weißt doch, wie es heute ist, weißt, wie sie leben, nicht?«<br />
»Ungefähr schon.«<br />
Der Ton, in dem er diese Worte sprach, sagte mehr als sie selbst.<br />
»Siehst du. Also - pass auf. Komm her. Aber vorher besorge uns... Boxhandschuhe. Zwei Paar.<br />
Wir werden Sparring üben. Du wirst sehen, wie herrlich das sein wird!«<br />
»Mensch! Hal! Woher soll ich diese Boxhandschuhe nehmen? Solche Dinge gibt es doch seit<br />
Jahren nicht mehr.«<br />
»Dann lass eben welche arbeiten. Du wirst mir nicht einreden wollen, dass man keine blöden vier<br />
Handschuhe herstellen kann. Wir werden uns einen kleinen Ring bauen - und werden uns<br />
verkloppen. Wir zwei können es doch, Olaf! Ich hoffe, dass du bereits etwas über die Betrisierung<br />
gehört hast, wie?«<br />
»Klar. Könnte dir sagen, was ich davon halte. Aber per Telefon lieber nicht. Da würde vielleicht<br />
doch jemand Anstoß daran nehmen.«<br />
»Hör zu. Komm her. Ja? Tust du's?«<br />
Er schwieg ziemlich lange.<br />
»Ich weiß nicht, ob es Sinn hat, Hal.«<br />
»Schön. Dann sag mir, was für Pläne du hast. Falls du welche hast, will ich dir natürlich mit<br />
meinen Launen nicht lästig fallen.«<br />
»Ich habe gar keine«, sagte er, »und du?«<br />
»Ich kam her, um mich sozusagen zu erholen. Bisschen lernen, lesen, aber das sind ja keine Pläne,<br />
es ist bloß.., ja, ich sah einfach nichts anderes vor mir.«<br />
»...«<br />
»Olaf?!«<br />
»Mir scheint, dass wir den gleichen Start hatten«, brummte er.<br />
»Hal, vielleicht hat es weiter nichts zu bedeuten. Ich kann ja jeden Augenblick zurück, falls es<br />
sich zeigen sollte, dass...«<br />
»Ach, hör auf! « rief ich ungeduldig. »Was gibt es da überhaupt zu reden. Pack deine<br />
Siebensachen und komm. Wann kannst du hier sein?«<br />
»Meinetwegen schon morgen früh. Willst du denn wirklich boxen?«<br />
»Du nicht?«<br />
Er lachte. »Mensch, klar. Und ganz bestimmt aus demselben Grund wie du.«<br />
»Also abgemacht«, sagte ich schnell. »Ich erwarte dich. Bis dann.« Ich ging nach oben. Suchte<br />
unter den Sachen, die in einem besonderen Koffer waren, nach einem Tau. Ich fand ein großes<br />
Knäuel. Ringtau. Nur noch vier kleine Pfähle, Gummizeug oder Sprungfedern, und wir haben<br />
einen Boxring. Ohne Kampfrichter. Den werden wir nicht brauchen. Dann setzte ich mich an die<br />
Bücher. Mein Kopf war wie vernebelt. In solchen Fällen musste ich mich durch jeden Text<br />
durchbeißen wie der Holzwurm durch Eichenholz. Aber so schwer ging es noch nie. Zwei<br />
Stunden lang wühlte ich in zwanzig Büchern, konnte aber bei keinem länger als fünf Minuten<br />
aufmerksam bleiben. Sogar die Märchen verwarf ich. Aber ich nahm mir vor, fest zu bleiben. Ich<br />
nahm genau das, was mir am schwersten schien: eine Monographie der Metagenenanalyse und<br />
warf mich auf die ersten Gleichungen: Mit dem Kopf durch die Wand.<br />
Die Mathematik hatte jedoch gewisse heilbringende Eigenschaften, besonders für mich. Nach<br />
einer Stunde verstand ich plötzlich- mit halboffenem Mund- und war voller Bewunderung für<br />
diesen Ferret - wie er das nur fertigbrachte? Sogar jetzt, nachdem ich den von ihm gangbar