Stanislaw Lem - Transfer
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Er zuckte die Achseln. Der Glider verließ die Fahrbahn und glitt durch ein hohes Metalltor auf<br />
einen weitläufigen Fabrikhof; ich sah dort eine ganze Reihe von Transportern, Gitterschieber,<br />
etwas, was an einen modernisierten Siemens-Martin-Ofen erinnerte.<br />
»Nun stelle ich Ihnen die Maschine zur Verfügung«, sagte Marger. Aus einem Schalter in der<br />
Wand, an der wir stehengeblieben waren, lehnte sich ein Roboter heraus und sagte etwas zu ihm.<br />
Marger stieg aus, ich sah ihn gestikulieren, plötzlich wandte er sich mir zu, ziemlich verlegen.<br />
»Schöne Bescherung«, sagte er, »Gloor - er ist mein Kollege - ist krank geworden, und allein darf<br />
ich nicht - was soll man da tun?«<br />
»Um was geht es denn?« fragte ich und stieg ebenfalls aus.<br />
»Die Kontrolle muss von zwei Menschen durchgeführt werden - mindestens von zweien«, erklärte<br />
Marger. Plötzlich aber erhellte sich sein Gesicht. »Herr Bregg! Sie sind doch auch ein<br />
Kybernetiker! Wenn Sie nun einwilligen möchten?«<br />
»Oho«, lächelte ich, »Kybernetiker? Antiker, müssen Sie da schon hinzufügen. Ich kenne mich ja<br />
überhaupt nicht mehr aus.«<br />
»Es ist doch nur eine reine Formsache!« unterbrach er mich.<br />
»Die technische Seite will ich, selbstverständlich, gerne übernehmen, es geht hier lediglich um<br />
eine zweite Unterschrift – um nichts weiter!«<br />
»Meinen Sie?« sagte ich zögernd. Ich verstand wohl, dass er es eilig hatte, zu seiner Frau<br />
zurückzukehren, aber ich wollte nicht jemanden darstellen, der ich nicht war; für einen Statisten<br />
bin ich nicht geeignet. Das sagte ich ihm auch, allerdings in milderen Worten.<br />
Er hob abwehrend beide Hände: »Bitte, verstehen Sie mich ja nicht falsch! Es sei denn, dass Sie<br />
sehr in Eile sind - ja -, Sie wollten doch etwas in der Stadt... Dann will ich also schon..,<br />
irgendwie.., und bitte um Entschuldigung, dass...«<br />
»Die anderen Dinge können warten«, erwiderte ich. »Sprechen Sie, bitte, und wenn ich kann,<br />
werde ich Ihnen helfen.«<br />
Wir gingen in ein weißes Gebäude, das abseits stand. Marger führte mich durch einen eigenartig<br />
leeren Korridor: in den Nischen standen regungslos einige Roboter. In einem kleinen, einfach<br />
eingerichteten Arbeitszimmer nahm er aus dem Wandschrank einen Stoß Papiere heraus, legte sie<br />
auf den Tisch und fing an zu erklären, worauf seine - oder vielmehr unsere - Funktion beruhte. Er<br />
eignete sich nicht zum Vortragenden, recht bald zweifelte ich an den Chancen seiner<br />
wissenschaftlichen Karriere: dauernd setzte er bei mir ein Wissen voraus, von dem ich keine<br />
Ahnung hatte. Immerfort musste ich ihn unterbrechen und beschämend elementare Fragen stellen.<br />
Er aber, aus wohlverständlichen Gründen daran interessiert, mich nicht abzuschrecken,<br />
betrachtete sämtliche Beweise meiner Ignoranz geradezu als Tugenden. Am Ende erfuhr ich, dass<br />
seit Jahrzehnten bereits eine völlige Abgrenzung der Produktion vom Leben bestand.<br />
Die Produktion war automatisch und fand unter der Aufsicht der Roboter statt, die wiederum<br />
anderen Robotern unterstanden: in diesem Bereich gab es für Menschen keinen Platz mehr. Die<br />
menschliche Gesellschaft existierte für sich und die Roboter und Automaten - für sich; und nur<br />
um keine unvorhersehbare Verwirrung in dieser einmal festgelegten Ordnung der mechanischen<br />
Arbeitsarmee zuzulassen, waren da periodische Kontrollen - von Spezialisten durchgeführt -<br />
unerlässlich. Marger war einer von ihnen.<br />
»Zweifellos«, meinte er, »finden wir alles in Ordnung. Und dann, nachdem wir die einzelnen<br />
Bestandteile der Prozesse besichtigt haben, werden wir unsere Unterschriften leisten und<br />
Schluss.«<br />
»Aber ich weiß ja nicht einmal, was hier produziert wird... «, ich wies auf die Bauten hinter dem<br />
Fenster.<br />
»Nichts, überhaupt nichts!« rief er. »Darum geht es ja eben... rein nichts - das ist ganz einfach ein<br />
Schrottlager... ich sagte es Ihnen doch schon.«<br />
Die mir aufgezwungene Rolle gefiel mir nicht besonders, länger konnte ich aber nicht Widerstand<br />
leisten.<br />
»Na, schön.., also was soll ich überhaupt tun?«<br />
»Dasselbe wie ich: einzelne Aggregate besichtigen.«<br />
Wir ließen die Papiere im Arbeitszimmer und begannen mit der Kontrolle. Das erste war ein<br />
großes Sortierlager, wo automatische Schöpfkellen ganze Stöße von Blech, von verbogenen und