Stanislaw Lem - Transfer
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Ich unterbrach ihn. Fing an zu beteuern, dass ich nirgends hin wollte, zögerte dann aber und hörte<br />
bald darauf meine eigene Stimme, die da sagte, dass ich tatsächlich die Absicht hätte, in die Stadt<br />
zu fahren, wenn es also ginge...<br />
»Na, dann ist's ja gut«, meinte er. Wir waren bereits vom Tisch aufgestanden. »Um wieviel Uhr<br />
würde es Ihnen denn passen?«<br />
Eine Weile noch überboten wir uns an Höflichkeit, bis ich ihn dazu brachte zu gestehen, dass er<br />
selbst es eilig hatte. Darauf erwiderte ich, dass ich jederzeit fahren könnte. In einer halben Stunde<br />
sollten wir uns treffen.<br />
Ich ging hinauf, ziemlich erstaunt über den Verlauf der Dinge. Er ging mich doch nichts an. Und<br />
ich hatte absolut nichts in der Stadt zu suchen. Wozu also dieser ganze Ausflug? Außerdem schien<br />
mir auch seine Höflichkeit etwas übertrieben. Wenn ich es wirklich eilig hätte, in die Stadt zu<br />
kommen, würden mich die Roboter bestimmt nicht im Stich und auch nicht zu Fuß gehen lassen.<br />
Wollte er vielleicht etwas von mir? Aber was? Er kannte mich doch gar nicht. Ich zerbrach mir<br />
darüber - unnützerweise – so lange den Kopf, bis die Zeit um war und ich wieder nach unten ging.<br />
Seine Frau war nirgends zu sehen, am Fenster erschien sie auch nicht, um ihm noch einmal aus<br />
der Ferne Lebewohl zu sagen. Anfangs schwiegen wir in der großen Maschine, schauten nur auf<br />
die auftauchenden Biegungen und Schleifen der Fahrbahn, die sich zwischen den Hügeln wand.<br />
Langsam kamen wir dann ins Gespräch. Ich erfuhr, dass Marger Ingenieur war.<br />
»Gerade heute muss ich die städtische Selektstation kontrollieren«, sagte er. »Und Sie sind- wie es<br />
scheint - auch ein Kybernetiker?«<br />
»Aus der früheren Steinzeit«, erwiderte ich. »Doch - Verzeihung - woher wissen Sie es?«<br />
»Man sagte mir im Reisebüro, wer unser Nachbar sein würde. Natürlich war ich da neugierig.«<br />
»Aha.«<br />
Wir schwiegen eine Weile. An den stets öfter auftauchenden Ansammlungen bunter<br />
Plastikmassen konnte man erkennen, dass die Vororte schon nahe waren.<br />
»Wenn Sie gestatten.., ich wollte Sie fragen, ob Sie auch irgendwelche Schwierigkeiten mit den<br />
Automaten hatten?« fragte er mich plötzlich. Nicht so sehr aus dem Inhalt, vielmehr aus dem Ton<br />
dieser Frage begriff ich, dass ihm an meiner Antwort sehr lag. Das also wollte er wissen? Aber -<br />
warum eigentlich?<br />
»Meinen Sie die... Defekte? Doch, davon hatten wir eine Menge. Ist wohl auch selbstverständlich,<br />
die Modelle waren im Vergleich zu den Ihrigen so veraltet...«<br />
»Nein; nicht die Defekte«, beeilte er sich zu antworten, »vielmehr die Schwankungen der<br />
Effektivität bei derart unterschiedlichen Verhältnissen... Heute haben wir leider keine Möglichkeit<br />
mehr, die Automaten auf derart extreme Art auszuprobieren.«<br />
Im Grunde lief das Ganze auf rein technische Fragen hinaus. Er war einfach neugierig, wie<br />
gewisse Parameter der Elektrohirntätigkeit im Bereich der riesengroßen Magnetfelder, kosmischer<br />
Nebel, in den Trichtern der Gravitationsstörungen aussahen, und war dabei nicht sicher, ob diese<br />
Daten nicht unserem vorläufig noch nicht zur Veröffentlichung zugelassenen Expeditionsarchiv<br />
angehörten. Ich erzählte ihm, was ich wusste, und riet, sich wegen spezieller Angaben an Thurber<br />
zu wenden, den Stellvertreter des wissenschaftlichen Leiters unserer Expedition.<br />
»Könnte ich mich dabei auf Sie berufen?«<br />
»Selbstverständlich.«<br />
Er bedankte sich überschwenglich. Ich war etwas enttäuscht. Also weiter nichts? Aber durch<br />
dieses Gespräch entstand zwischen uns eine Art beruflicher Bindung, und nun fragte ich ihn<br />
wiederum nach der Bedeutung seiner Arbeit: ich wusste nicht, was das für eine Selektstation war,<br />
die er kontrollieren sollte.<br />
»Ach, nichts Interessantes. Einfach ein Schrottlager... eigentlich möchte ich mich der<br />
wissenschaftlichen Arbeit widmen; dies hier ist nur eine Art Praktikum, das übrigens nicht mal<br />
sehr nützlich ist.«<br />
»Praktikum? Die Arbeit in einem Schrottlager? Wie denn? Sie sind doch Kybernetiker, also...«<br />
»Es ist kybernetischer Schrott«, erklärte er mit einem schiefen Lächeln. Und fügte, fast<br />
verächtlich, noch hinzu: »Denn wir sind sehr sparsam, wissen Sie. Es geht darum, dass nichts<br />
verlorengeht... In meinem Institut könnte ich Ihnen schon so manches Interessante zeigen, aber<br />
hier...«