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Stanislaw Lem - Transfer

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IV<br />

Die Tür ging auf. Ein weiß -orangefarbener Roboter wartete auf dem Rasen. Ich stieg aus.<br />

»Wir begrüßen Sie in Klavestra«, sagte er und sein weißes Bäuchlein summte unerwarteterweise<br />

auf: es ließ Glasmusiktöne hören, so als ob er im Bauch eine Spieluhr hätte. Immer noch lachend,<br />

half ich ihm, meine Sachen herauszutragen. Dann öffnete sich die hintere Klappe des Ulders, der<br />

im Gras wie ein kleiner silberner Zeppelin lag, und zwei orangefarbene Roboter rollten mein Auto<br />

heraus. Ich hatte es völlig vergessen. Nun gingen sämtliche Roboter, mit meinen Koffern, Kisten<br />

und Paketen beladen, im Gänsemarsch ins Haus. Das Haus war ein Würfel mit Fensterwänden.<br />

Man ging hinein durch ein panoramaartig verglastes Solarium in eine Halle, den Speiseraum und<br />

die Treppe nach oben - alles aus Holz! -, der Roboter mit der Spieluhr vergaß nicht, meine<br />

Aufmerksamkeit auf diese Rarität zu lenken.<br />

Oben gab es fünf Zimmer. Ich nahm nicht das beste, sondern das östlich liegende: denn in den<br />

anderen, besonders in dem mit dem Blick auf die Berge, gab es zuviel Gold und Silber. Das<br />

Ostzimmer wies nur grüne blattartige Streifen auf cremefarbenem Hintergrund auf.<br />

Die Roboter legten alle meine Sachen in Wandschränke, sie arbeiteten schnell und leise. Ich blieb<br />

am Fenster stehen. >Ein Hafeneine Bleibe.< Erst als ich mich hinauslehnte, konnte<br />

ich den blauen Dunst der Berge sehen. Unten gab es einen großen Blumengarten mit einigen<br />

ziemlich alten Obstbäumen: sie hatten verschlungene, abgearbeitete Äste und trugen wohl keine<br />

Früchte mehr.<br />

Etwas seitlich, bei der Fahrbahn - die ich vorher aus dem Ulder gesehen hatte, sie war durch<br />

Hecken verdeckt - sah man über dem Grün den Turm des Sprungbretts. Dort war also das<br />

Schwimmbecken. Als ich mich umdrehte, waren die Roboter schon gegangen. Ich schob den<br />

leichten, wie aufgeblasenen Schreibtisch ans Fenster, legte darauf die Stapel der<br />

wissenschaftlichen Zeitschriften, die Tüten mit den Kristall-Büchern und den Leseapparat;<br />

gesondert brachte ich meine noch unangetasteten Notizen und meinen Füllfederhalter unter. Es<br />

war mein alter Füller - bei verstärkter Gravitation lief er immer aus und befleckte alles, aber Olaf<br />

hatte ihn ausgezeichnet repariert. Ich legte Mappen für Notizen an, schrieb darauf »Geschichte«,<br />

»Mathematik«, »Physik« und tat das alles hastig, weil ich es eilig hatte, ins Wasser kommen.<br />

Ich wusste nicht, ob ich hier nur im Slip ausgehen konnte: den Bademantel hatte ich vergessen.<br />

Also ging ich ins Badezimmer auf dem Gang und stellte dort - mit einer Flasche<br />

Schaumflüssigkeit- ein scheußliches Ding zusammen, das an überhaupt nichts erinnerte. Ich riss<br />

es herunter und fing von vorne an. Der zweite Mantel fiel dann schon etwas besser aus, blieb aber<br />

trotzdem eine Art von Robinsonkleidung - mit einem Messer schnitt ich die größeren<br />

Unebenheiten der Ärmel und Säume ab, dann sah er schon annehmbarer aus.<br />

Ich ging hinunter, noch nicht sicher, ob das Haus ganz ohne Gäste war. Die Halle blieb leer. Auch<br />

der Garten, nur mähte der orangefarbene Roboter den Rasen neben den Rosensträuchern. Sie<br />

verblühten schon.<br />

Fast laufend gelangte ich zum Schwimmbecken. Das Wasser glänzte und zitterte. Darüber<br />

schwebte unsichtbare Kühle. Ich warf den Mantel auf den goldenen Sand, der mir die Fußsohlen<br />

verbrannte, und laut auf den Metallstufen polternd, kletterte ich aufs Sprungbrett. Es war niedrig,<br />

doch gerade gut für den Anfang. Ich stieß mich ab, drehte einen einzelnen Salto - mehr traute ich<br />

mir nach einer so langen Pause nicht zu! - und fuhr ins Wasser wie ein Messer.<br />

Glücklich kam ich an die Oberfläche. Ich fing mit großen Armbewegungen an, einmal<br />

durchzuschwimmen, dann zurück, dann noch einmal- das Becken war wohl so um die fünfzig<br />

Meter groß. Ich schwamm es achtmal durch, ohne das Tempo zu verringern, kam triefend wie ein<br />

Seehund ans Ufer und legte mich mit schwerpochendem Herzen auf den Sand. Das war gut. Die<br />

Erde hatte doch ihren Zauber! Nach einigen Minuten war ich trocken. Ich stand auf - hielt<br />

Ausschau rundum - niemand. Ausgezeichnet. Wieder lief ich zum Sprungbrett.<br />

Zuerst machte ich einen Salto rückwärts, er gelang, obwohl ich mich zu stark abgestoßen hatte:<br />

statt eines Bretts gab es da am Ende ein Stück Plastik, das wie eine Sprungfeder wippte. Dann<br />

kam ein Doppelsalto, der mir nicht besonders gut gelang: ich schlug mit den Schenkeln hart aufs

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