Stanislaw Lem - Transfer
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Schweigend fuhren wir noch lange. Die Bauten im Zentrum wichen den wunderlichen Formen der<br />
suburbanen Architektur - unter kleinen, künstlichen Sonnen lagen im Grünen Gebäude mit<br />
verschwommenen Linien, aufgedunsen in wunderliche Kissen mit etlichen Flügeln, derart, dass<br />
sich die Grenze zwischen dem Innern der Häuser und ihrer Umgebung verwischte. Erzeugnisse<br />
einer Phantasmagorie, immerwährender Bestrebungen, etwas zu schaffen, was nicht eine<br />
Wiederholung der alten Formen wäre. Der Glider verließ die breite Fahrbahn, lief durch den<br />
dunklen Park und hielt bei einer Treppe, die einem gläsernen Wasserfall glich: indem ich sie<br />
hinaufstieg, sah ich unter meinen Füßen ein Treibhaus ausgebreitet.<br />
Das schwere Tor ging lautlos auf. Eine Riesenhalle, hoch von einer Galerie umrahmt, hellrosa<br />
Lampenschilder ohne Stütze oder Aufhang, an den sich neigenden Wänden. Nischen – wie<br />
Fenster, die in einen anderen Raum geschlagen wären. Und in ihnen weder Fotos, noch Puppen,<br />
sondern Aen selbst, riesengroß, mir gegenüber: umfangen von einem dunkelhaarigen Mann, der<br />
sie über dem Katarakt der Treppe küsste - Aen in einem weißen, flimmernden Stoffberg - über lila<br />
Blumen gebeugt, die wie ihr Gesicht riesengroß waren. Hinter ihr hergehend, sah ich sie<br />
nochmals, in einem anderen Fenster, mädchenhaft lächelnd, allein, das Licht zitterte in ihrem<br />
Kupferhaar.<br />
Grüne Treppen. Eine weiße Zimmerflucht. Silbertreppen. Durchgänge und dann ein unaufhörlich<br />
langsame Bewegung atmender Raum. Die Wände verschoben sich reglos, sie bildeten<br />
Durchgänge für die Vorübergehenden; man konnte auf den Gedanken kommen, dass ein<br />
unspürbarer Geist die Ecken der Galerie abrundete, sie meißelte und alles, was ich bisher sah, nur<br />
eine Schwelle, eine Einleitung gewesen war. Durch ein weißes Zimmer, derart von den dünnsten<br />
Eisäderchen durchleuchtet, dass sogar die Schatten dort milchig zu sein schienen, kamen wir in<br />
ein kleineres - nach der makellosen Helle des anderen war seine Bronze wie ein Schrei. Hier gab<br />
es nur Licht, das aus einer unbekannten und wie umgekehrten Quelle kam: es beleuchtete uns und<br />
unsere Gesichter von unten; sie bewegte ihre Hand, dann wurde es dunkel; sie trat an eine Wand<br />
heran und zauberte daraus mit einigen Gesten eine Schwellung, die sich sogleich weiter entfaltete<br />
und etwas wie eine breite Doppelliege bildete - ich kannte genug Topologie, um zu wissen, was<br />
allein die Stützlinie hier an Forschungen kosten musste.<br />
»Wir haben einen Gast«, sagte sie, indem sie stehenblieb. Von der offenen Holzverkleidung kam<br />
ein niedriges, vollgedecktes Tischchen und lief- wie ein Hund- auf sie zu. Die großen Lichter<br />
erloschen, als sie über die Sesselnische - was für Sessel es waren, ich finde überhaupt keine Worte<br />
dafür! - mit einer Geste befahl, dass eine kleine Lampe erscheine, und die Wand gehorchte ihr<br />
auch gleich.<br />
Wahrscheinlich hatte sie nun genug von den knospenden, vor unseren Augen aufblühenden<br />
Möbeln, denn sie bückte sich über das Tischchen und fragte, ohne mich anzusehen: »Blar?«<br />
»Meinetwegen«, sagte ich. Ich stellte keine Fragen; dass ich ein Wilder war, konnte ich nicht<br />
ändern, zumindest aber konnte ich ein schweigsamer Wilder sein. Sie gab mir einen hohen Kegel<br />
mit einem Röhrchen, der wie ein Rubin schillerte, dabei aber weich war, wie flaumige Obsthaut.<br />
Sie selber nahm einen zweiten. Wir setzten uns. Unerträglich weich, man saß wie auf Wolken.<br />
Die Flüssigkeit schmeckte nach unbekannten frischen Früchten mit kleinen festen Kernen, die<br />
unerwartet und komisch auf der Zunge zersprangen.<br />
»Gut?« fragte sie.<br />
»Ja.«<br />
Vielleicht war es irgendein ritueller Trank. Zum Beispiel für die Auserwählten, oder auch<br />
umgekehrt, um die besonders Gefährlichen zu zähmen. Aber ich hatte mir ja vorgenommen, keine<br />
Fragen zu stellen.<br />
»Es ist besser, wenn du sitzt.«<br />
»Warum?«<br />
»Du bist schrecklich groß.«<br />
»Das weiß ich.«<br />
»Versuchst du mit Absicht so unhöflich zu sein?«<br />
»Nein. Das gelingt mir mühelos.«<br />
Sie fing leise zu lachen an.<br />
»Witzig bin ich auch«, sagte ich. »Eine ganze Menge von Vorteilen - nicht?«