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Stanislaw Lem - Transfer

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»Wie heißen Sie?«<br />

»Bregg. Hal Bregg.«<br />

»Bregg...«, wiederholte er. »Bregg... nein. Kann mich nicht erinnern. Waren Sie denn dort?«<br />

»Ja. In Apprenous, als Ihr Vater die Korrekturen mitbrachte, die von Geonides im letzten Monat<br />

vor dem Start entdeckt worden sind.., es hat sich erwiesen, dass die Refraktionskoeffizienten in<br />

den dunklen Staubmassen zu gering waren.., ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt?« Unsicher<br />

hielt ich inne.<br />

»Doch. Selbstverständlich«, sagte er mit einer besonderen Betonung. »Mein Vater. Ja, natürlich.<br />

In Apprenous? Aber was machten Sie denn dort? Wo waren Sie da?«<br />

»In der Gravitationskammer, bei Janssen. Sie sind damals dort gewesen, Arder brachte Sie<br />

dorthin, Sie standen oben, auf der kleinen Brücke, und sahen zu, wie man mir vierzig g gegeben<br />

hat.<br />

Als ich herauskletterte, blutete ich aus der Nase... Sie gaben mir Ihr Taschentuch...«<br />

»Ach! Sie sind das gewesen?«<br />

»Ja.«<br />

»Ich hatte den Eindruck, dass der Mann, dort in der Kammer... dunkles Haar hatte.«<br />

»Ja. Meine sind auch nicht hell. Sie sind grau. Nur kann man es jetzt nicht so gut sehen.«<br />

Es kam wieder ein Schweigen, das länger andauerte als vorher.<br />

»Sie sind, selbstverständlich, Professor?« sagte ich, nur um dieses Schweigen zu brechen.<br />

»Gewesen. Jetzt... nichts mehr. Seit dreiundzwanzig Jahren. Nichts.« Und noch einmal, sehr leise,<br />

wiederholte er: »Nichts.«<br />

»Ich habe heute Bücher gekauft...darunter ist auch die Topologie von Roemer. Ist die von Ihnen<br />

oder von Ihrem Vater?«<br />

»Von mir. Sind Sie Mathematiker?«<br />

Er sah mich mit neuem Interesse an.<br />

»Nein«, sagte ich. »Aber... ich hatte recht viel Zeit... dort. Jeder tat, was er wollte. Mir hat die<br />

Mathematik... geholfen.«<br />

»Wie meinen Sie das?«<br />

»Wir hatten jede Menge von Mikrofilmen: Belletristik, Romane, alles was man sich nur wünschen<br />

konnte. Wissen Sie, dass wir dreihunderttausend Titel mitgenommen haben? Ihr Vater half Arder,<br />

den mathematischen Teil zu vervollständigen...«<br />

»Das weiß ich.«<br />

»Anfangs betrachteten wir es als eine Art von... Unterhaltung. Um die Zeit totzuschlagen. Aber<br />

schon nach ein paar Monaten, als die Verbindung mit der Erde vollkommen abbrach und wir so -<br />

scheinbar reglos - den Sternen gegenüberhingen, da, wissen Sie, zu lesen, dass da irgendein Peter<br />

nervös eine Zigarette rauchte und qualvoll daran dachte, ob die Lucy wohl kommen würde, und<br />

sie dann hereinkam und ihre Handschuhe zerknüllte.., dabei fing man erst zu lachen an, wie ein<br />

richtiger Idiot, und später konnte einen die Wut packen. Kurz: später hat niemand mehr auch nur<br />

einen Roman angerührt.«<br />

»Also: die Mathematik?«<br />

»Nein. Jedenfalls nicht gleich. Am Anfang machte ich mich an die Sprachen, wissen Sie, und<br />

verzichtete darauf bis zum Schluss nicht, obwohl ich wusste, dass es fast nutzlos war: wenn ich<br />

zurückkehrte, würden sie ja nur noch archaische Dialekte sein. Aber Gimma und besonders<br />

Thurber haben mich zur Physik hingezogen. Meinten, die könnte von Nutzen sein. So machte ich<br />

mich daran, zusammen mit Arder und mit Olaf Staave - nur wir drei waren keine<br />

Wissenschaftler...«<br />

»Sie hatten aber einen akademischen Grad.«<br />

»Ja- Magister der Informationstheorie der Kosmodromie, und auch das Diplom eines<br />

Kerningenieurs hatte ich, das war aber alles rein professionell und nicht theoretisch. Sie wissen<br />

doch, wie sich ein Ingenieur in der Mathematik auskennt. Also- die Physik. Aber ich wollte noch<br />

etwas - etwas eigenes haben. Und erst dann kam die reine Mathematik. Ich war nie mathematisch<br />

begabt. Gar keine Begabung in dieser Richtung. Nichts - außer Halsstarrigkeit.«<br />

»Ja«, meinte er leise. »Die musste man schon haben um... hinzufliegen. «

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