Stanislaw Lem - Transfer
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»Wir führten zwei Sonden über Arkturus. Ich verlor den Kontakt mit ihm. Konnte ihn nicht<br />
finden. Sein Radio war es, das da schwieg, nicht meins. Als mir der Sauerstoff zu Ende ging, kam<br />
ich zurück.«<br />
»Haben Sie gewartet?«<br />
»Ja. Das heißt - ich kreiste um Arkturus herum. Sechs Tage lang. Genau<br />
einhundertsechsundfünfzig Stunden.«<br />
»Allein?«<br />
»Ja. Ich hatte Pech, weil Arkturus neue Flecken bekam und ich den Kontakt mit dem<br />
>Prometheus< völlig verlor. Mit meinem Schiff. Störungen. Allein, ohne Radio, konnte er nicht<br />
zurück. Arder, meine ich. Denn der Peilfunk ist in den Sonden mit dem Radio gekoppelt. Er<br />
konnte ohne mich nicht zurück, und er kam auch nicht. Gimma rief mich zurück. Recht hatte er.<br />
Nur so zum Zeitvertreib berechnete ich später, wie die Chancen standen, dass ich ihn im Bild, mit<br />
dem Radar hätte wiederfinden können – ich weiß nicht mehr genau, aber es verhielt sich etwa wie<br />
eins zu einer Trillion. Ich hoffe, er tat dasselbe wie Arne Ennesson.«<br />
»Was tat denn Arne Ennesson?«<br />
»Er verlor die Fokalisation des Bündels. Sein Schub wurde geschwächt. Er konnte sich noch auf<br />
der Umlaufbahn – vielleicht vierundzwanzig Stunden, schätze ich- halten, er würde auf einer<br />
Spirale rotieren und endlich auf Arkturus fallen, also zog er vor, gleich in die Protuberanz<br />
hineinzugehen. Er verbrannte fast vor meinen Augen.«<br />
»Wie viele Piloten gab es außer Ihnen?«<br />
»Auf dem >Prometheus< fünf.«<br />
»Dass es eine Heldentat ist. So dachte ich früher auch, als ich Bücher über solche Leute las. Es<br />
stimmt aber nicht. Hören Sie? Hätte ich es gekonnt, würde ich diesen Arder alleingelassen haben<br />
und wäre gleich zurückgekehrt, aber das konnte ich nicht. Er wäre auch nicht zurückgekehrt.<br />
Keiner würde es tun. Gimma ebenfalls nicht...«<br />
»Warum... verleugnen Sie sich so?« fragte er leise.<br />
»Weil es einen Unterschied zwischen dem Heldentum und der Notwendigkeit gibt. Ich tat das,<br />
was jeder tun würde. Doktor, um das zu verstehen, muss man dort sein. Der Mensch ist so eine<br />
flüssige Blase. Es genügt ein defokalisierter Schub oder entmagnetisierte Felder, dann entsteht<br />
eine Vibration, und im Nu gerinnt das Blut. Beachten Sie bitte: Ich spreche nicht über die äußeren<br />
Ursachen, wie Meteore, sondern nur über die Folgen von Defekten. Irgendeine kleine Sauerei,<br />
irgendein durchgebrannter Draht im Funk genügt schon- und dann kommt es. Sollten bei<br />
derartigen Expeditionen unter solchen Umständen auch noch Menschen versagen, so wäre das<br />
Ganze reiner Selbstmord gewesen, begreifen Sie?« Für eine Sekunde schloss ich die Augen.<br />
»Doktor - fliegen die anderen jetzt nicht mehr? Wie ist das möglich?«<br />
»Würden Sie fliegen?«<br />
»Nein.«<br />
»Warum?«<br />
»Das sage ich Ihnen. Keiner von uns wäre geflogen, hätte er gewusst, wie es dort ist. Das weiß<br />
eben niemand. Niemand, der nicht dort gewesen ist. Wir waren ein Haufen zu Tode<br />
erschrockener, verzweifelter Tiere.«<br />
»Wie vereinbaren Sie das mit dem, was Sie vor einer Weile gesagt haben?«<br />
»Ich vereinbare es nicht miteinander. So war es. Wir hatten Angst. Doktor, als ich auf Arder<br />
wartete - da um diese Sonne kreisend -, habe ich mir verschiedene Personen ausgedacht und mit<br />
ihnen gesprochen, für sie und für mich selbst, und am Ende glaubte ich, dass sie mit mir flögen.<br />
Jeder rettete sich, wie er konnte. Denken Sie bloß mal nach, Doktor. Ich sitze hier, vor Ihnen,<br />
habe mir eine Villa gemietet, ein altes Auto gekauft, will lernen, lesen, schwimmen.., aber all das<br />
habe ich in mir. Das steckt in mir, dieser Raum, diese Stille, und wie Venturi um Hilfe schrie und<br />
ich, statt ihn zu retten, vollen Schub nach rückwärts gegeben habe.«<br />
»Warum?«<br />
»Ich führte den >Prometheus