Stanislaw Lem - Transfer
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mich in der Sonne unter einem Rhododendron mit verholzten Schuppen von schon abgestorbenen<br />
Blättern, dann ging ich in das Hotel zurück.<br />
In der Halle unten bekam ich einen kleinen Rasierapparat, Als ich im Badezimmer mit der Rasur<br />
begann, merkte ich, dass ich mich ein wenig zum Spiegel herab beugen musste. Und ich wusste<br />
doch, dass ich mich vorher darin gerade stehend sehen konnte. Der Unterschied war minimal: aber<br />
schon vorher, als ich mein Hemd auszog, bemerkte ich etwas Sonderbares: das Hemd schien<br />
kürzer geworden zu sein. Fast als ob es eingelaufen wäre. Ich sah es mir genauer an. Ärmel und<br />
Kragen waren unverändert. Ich legte das Hemd auf den Tisch. Es sah genauso aus wie vorher. Als<br />
ich es jedoch anzog, reichte es mir knapp über die Taille. Ich hatte mich verändert, nicht das<br />
Hemd. Ich bin also größer geworden. Dieser Gedanke war absurd, beunruhigte mich aber<br />
trotzdem.<br />
Ich verband mich mit dem Hotel-Infor und bat um die Adresse eines Arztes - Spezialist für<br />
Raumfahrtmedizin. Zum ADAPT wollte ich, solange es nur möglich war, nicht gehen. Nach einer<br />
kurzen Schweigepause, so als ob sich der antwortende Automat nicht schlüssig wäre - hörte ich<br />
die Adresse. Der Arzt wohnte in derselben Straße, einige Häuserblocks weiter. Ich ging zu ihm.<br />
Ein Roboter führte mich in ein großes, verdunkeltes Zimmer. Außer mir war niemand da. Nach<br />
einer Weile kam der Arzt. Er sah aus, als ob er aus einem Familienfoto im Arbeitszimmer meines<br />
Vaters herausgestiegen wäre. Er war klein, aber nicht zierlich, grau, hatte einen kleinen weißen<br />
Bart und eine goldumrandete Brille - die ersten Gläser, die ich an einem menschlichen Gesicht<br />
seit meiner Landung sah. Er hieß Doktor Juffon.<br />
»Hal Bregg?« sagte er. »Sind Sie es?«<br />
»Ja.«<br />
Er schwieg und sah mich lange an. »Was fehlt Ihnen?«<br />
»Eigentlich nichts, Doktor, nur...«, ich erzählte ihm von meinen eigenartigen Beobachtungen.<br />
Ohne ein Wort zu sagen, öffnete er mir eine Tür. Ich kam in ein kleines Behandlungszimmer.<br />
»Ziehen Sie sich, bitte, aus.«<br />
»Ganz?« fragte ich, als ich nur noch die Hose anhatte.<br />
»Ja.«<br />
Er besah mich als Nackten.<br />
»Solche Männer gibt es nicht mehr«, murmelte er wie zu sich selbst. Er horchte mein Herz ab,<br />
indem er mir ein kaltes Hörrohr an die Brust legte. >Auch noch in tausend Jahren wird es so sein<<br />
- dachte ich, und dieser Gedanke machte mir eine kleine Freude. Er maß meine Größe, dann<br />
musste ich mich hinlegen. Er betrachtete recht aufmerksam die Narbe unter meinem rechten<br />
Schlüsselbein, sagte aber nichts. Er untersuchte mich fast eine Stunde. Reflexe, Lungenkapazität,<br />
EKG - alles. Als ich mich anzog, setzte er sich hinter einen kleinen, schwarzen Schreibtisch. Die<br />
Schublade, die er auszog, um darin zu kramen, quietschte. Nach all den Möbeln, die sich neben<br />
den Menschen wie besessen bewegten, gefiel mir dieser alte Schreibtisch sehr. »Wie alt sind<br />
Sie?«<br />
Ich erklärte ihm, wie es bei mir um diese Dinge stand.<br />
»Sie haben den Körper eines dreißigjährigen Mannes«, meinte er. »Haben Sie hyberniert?«<br />
»Ja.«<br />
»Lange?«<br />
»Ein Jahr.«<br />
»Warum?«<br />
»Wir kamen mit einem verstärkten Schub zurück. Man musste sich ins Wasser legen.<br />
Amortisation, wissen Sie, Herr Doktor. Und da es einem schwerfällt, ein volles Jahr wach im<br />
Wasser zu liegen, so...«<br />
»Selbstverständlich. Ich dachte, Sie hätten länger hyberniert. Dieses eine Jahr können Sie getrost<br />
abziehen. Nicht vierzig, sondern neununddreißig sind Sie.«<br />
»Und... das andere?«<br />
»Es ist nichts, Bregg. Wieviel hattet ihr?«<br />
»Beschleunigung? Zwei g.«<br />
»Na, also. Sie dachten wohl, Sie wachsen weiter - wie? Nein. Wachsen tun Sie nicht. Ganz<br />
einfach: die Bandscheiben. Wissen Sie, was das ist?«