20.12.2012 Aufrufe

Stanislaw Lem - Transfer

Stanislaw Lem - Transfer

Stanislaw Lem - Transfer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wäre der Kellner ein Mensch, so hätte ich ihm gesagt, er solle bringen, was er selber mag. Aber er<br />

war ein Roboter. Dem war alles egal.<br />

»Und Kaffee gibt es keinen?« fragte ich beunruhigt.<br />

»Doch. Kress, Ozot oder Herma?«<br />

»Kaffee und, na... eben das, was am besten zum Kaffee passt, diesen... äh...«<br />

»Ozot«, sagte er und ging.<br />

Das wäre geschafft.<br />

Er hatte wohl schon alles vorbereitet, denn er kam sofort zurück mit einem Tablett, das so beladen<br />

war, dass ich schon fast irgendeinen Streich witterte. Indessen machte mir der Anblick bewusst,<br />

dass ich außer dem Bons, den ich gestern aß, und dem Becher des berüchtigten Brit seit meiner<br />

Ankunft nichts mehr im Munde gehabt hatte.<br />

Das einzige, was nach irgend etwas Bekanntem aussah, war der Kaffee, der an gut gekochten Tee<br />

erinnerte. Die Sahne hatte winzige, blaue Pünktchen und stammte todsicher von keiner Kuh. Es<br />

tat mir leid, dass ich es keinem abgucken konnte, der das Ganze zu essen verstand, doch war wohl<br />

die Frühstückszeit schon lange vorbei, ich saß ganz allein da. Sichelförmige Tellerchen mit einer<br />

dampfenden Masse, aus der etwas wie Enden von Streichhölzern herausragte, und drinnen etwas<br />

wie ein Backapfel: selbstverständlich waren es weder Äpfel noch Zündhölzer. Und das, was ich<br />

wiederum für Haferflocken hielt, fing - sobald ich es mit dem Löffel berührte - zu schwellen an.<br />

Ich aß alles auf, erwies mich als unheimlich verfressen. Die Sehnsucht nach Gebäck – davon war<br />

nicht die Spur zu sehen - kam erst nachträglich wieder, als der Roboter auftauchte und in einer<br />

gewissen Entfernung wartete.<br />

»Was zahle ich?« fragte ich ihn.<br />

»Danke, nichts«, sagte er. Er war eher einem Möbelstück als einer Puppe ähnlich. Er hatte nur ein<br />

einziges rundes Kristallauge. Irgend etwas bewegte sich in seinem Innern, doch konnte ich mich<br />

nicht überwinden, ihm in den Bauch zu schauen. Sogar ein Trinkgeld war da niemals zu geben.<br />

Ich wusste nicht, ob er mich verstehen würde, wenn ich ihn wegen einer Zeitung fragte. Vielleicht<br />

gab es keine Zeitungen mehr. Also ging ich einkaufen. Vorerst traf ich aber auf ein Reisebüro -<br />

das war wie eine Erleuchtung. Ich ging hinein.<br />

In einem großen, silbernen Saal mit smaragdenen Konsolen - allmählich konnte ich diese Farben<br />

schon nicht mehr sehen – war es fast leer. Mattscheiben, Riesenfarbfotos des Canyons Colorado,<br />

des Archimedes-Kraters, der Deimos-Felsenhänge, Palm Beach, Florida - alles war so gemacht,<br />

dass man beim Zuschauen die Tiefe sah, sogar die Wellen bewegten sich, als wären es keine<br />

Fotos, sondern auf einen reellen Raum geöffnete Fenster, Ich ging zum Schalter mit der Inschrift:<br />

ERDE.<br />

Dort saß, selbstverständlich, ein Roboter. Diesmal ein goldener. Oder vielmehr mit Gold besprüht.<br />

»Womit können wir Ihnen dienen?« Seine Stimme war tief. Wenn ich die Augen zumachte, würde<br />

ich schwören, dass da ein dicker, dunkelhaariger Mann spricht.<br />

»Mir liegt an etwas Primitivem«, sagte ich. »Ich komme eben von einer langen Reise zurück -<br />

einer sehr langen. Ich möchte Ruhe haben, Wasser, Bäume, es können auch Berge sein. Primitiv<br />

und altmodisch will ich's haben. Wie vor hundert Jahren. Habt ihr so etwas?«<br />

»Wenn Sie es wünschen, müssen wir es haben. Felsengebirge. Fort Plum. Mallorca. Die<br />

Antillen.«<br />

»Näher«, sagte ich. »Tja... so ungefähr eintausend Kilometer entfernt. Wie?«<br />

»Klavestra.«<br />

»Wo ist denn das?«<br />

Ich merkte schon, dass ich mit den Robotern ausgezeichnet reden konnte. Sie wunderten sich über<br />

rein gar nichts. Das konnten sie nicht. Eine sehr vernünftige Erfindung.<br />

»Eine alte Bergbausiedlung in Pazifik-Nähe. Bergwerke, die seit fast vierhundert Jahren<br />

stillstehen. Recht interessante Ausflüge durch die unterirdischen Stollen. Bequeme Verbindungen<br />

durch Ulder und Glider. Sanatorien unter ärztlicher Aufsicht, Villen zu vermieten, mit Gärten,<br />

Schwimmbecken, klimatische Stabilisation, das Lokalzentrum unseres Büros veranstaltet alle<br />

Arten von Unterhaltung, Ausflüge, Spiele, Gesellschaftsabende. An Ort und Stelle - Real, Mut<br />

und Stereon. «

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!