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Stanislaw Lem - Transfer

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»Ich verstehe schon, du brauchst den Satz nicht zu beenden. Also ist das so eine<br />

Vorsichtsmaßnahme? Sehr komisch!«<br />

»Das meine ich durchaus nicht«, sagte sie. »Und was hast du da so Weißes, unter deiner<br />

Wolljacke?«<br />

»Ein Hemd.«<br />

»Was ist das?«<br />

»Hast du denn nie ein Hemd gesehen?! Eben - Wäsche. Aus Nylon.«<br />

Ich rollte meinen Ärmel auf und zeigte ihn ihr.<br />

»Interessant«, meinte sie.<br />

»So eine Sitte«, erwiderte ich ratlos. Wirklich, man hatte mir im ADAPT gesagt, dass ich<br />

aufhören sollte, mich wie vor hundert Jahren zu kleiden; ich aber wollte nicht. Ihr Recht musste<br />

ich jedoch anerkennen: Brit war für mich dasselbe - wie für sie ein Hemd. Schließlich zwang doch<br />

niemand die Menschen, Hemden zu tragen, trotzdem trugen sie sie alle. Mit dem Brit verhielt es<br />

sich wohl genauso.<br />

»Wie lange wirkt denn Brit?« wollte ich wissen. Sie errötete ein wenig.<br />

»So eilig hast du es. Noch steht ja nichts fest.«<br />

»Ich sagte doch nichts Böses«, verteidigte ich mich, »wollte nur wissen.., warum guckst du denn<br />

so? Was hast du? Nais!«<br />

Sie erhob sich langsam. Stand hinter dem Sessel.<br />

»Wie lange - sagtest du? Hundertzwanzig Jahre?«<br />

»Hundertsiebenundzwanzig. Na - und?«<br />

»Und wurdest.., wurdest du... betrisiert?«<br />

»Was ist denn das?«<br />

»Wurdest du es nicht?!«<br />

»Aber ich habe nicht mal eine Ahnung, was das ist. Nais... Mädchen, was hast du nur?«<br />

»Nein, du wurdest es nicht«, flüsterte sie. »Sonst müsstest du es ja wissen...«<br />

Ich wollte auf sie zukommen.<br />

Sie hob beide Arme: »Komme nicht näher! Nein! Nein! Bitte!«<br />

Sie trat zur Wand zurück.<br />

»Du sagtest doch selbst, dass Brit... ich setze mich schon. Da, nun sitze ich, siehst du wohl,<br />

beruhige dich also. Und was ist das für eine Geschichte mit diesem Be... Wie heißt es?«<br />

»Genau weiß ich es nicht. Aber ... betrisiert wird jeder. Gleich nach der Geburt.«<br />

»Was ist das?«<br />

»Da wird wohl irgend etwas ins Blut gebracht.«<br />

»Allen?«<br />

»Ja. Denn- eben... Brit... hat ohne das keine Wirkung. Rühre dich ja nicht!«<br />

»Kind, sei doch nicht lächerlich.« Ich drückte meine Zigarette aus. »Ich bin doch kein wildes<br />

Tier... Sei nicht böse, aber.., mir scheint, ihr alle seid hier ein bisschen verrückt. Dieser Brit... na,<br />

das ist, als ob man allen Menschen Handschellen anlegen würde, nur weil vielleicht einer unter<br />

ihnen ein Dieb sein könnte. Schließlich... kann man doch ein wenig Vertrauen haben.«<br />

»Du bist ja toll«, sie schien sich etwas gefasst zu haben, setzte sich aber immer noch nicht.<br />

»Warum warst du denn vorhin so entrüstet, dass ich Fremde in meine Wohnung hole?«<br />

»Das ist etwas anderes.«<br />

»Ich sehe da keinen Unterschied. Du warst also bestimmt nicht betrisiert?«<br />

»Nein. Ich war es nicht.«<br />

»Und vielleicht jetzt? Nach deiner Rückkehr?«<br />

»Keine Ahnung. Man gab mir verschiedene Spritzen. Was hat das schon für eine Bedeutung?«<br />

»Doch. Also Spritzen? Das ist gut.« Sie setzte sich.<br />

»Ich habe eine Bitte an dich«, sagte ich, so ruhig ich konnte. »Du musst mir bitte erklären...«<br />

»Was denn?«<br />

»Deine Angst. Hast du gefürchtet, dass ich mich auf dich stürzen werde - oder was sonst? Das hat<br />

doch keinen Sinn!«<br />

»Nein. Rein vernunftmäßig nicht, aber - das war schon stark, weißt du. So ein Schock. Ich hab'<br />

noch nie einen Menschen gesehen, der nicht...«

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