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Stanislaw Lem - Transfer

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»Wie du willst«, meinte sie schließlich. »Keiner hält dich. Ja, aber jetzt...« Sie wurde verwirrt.<br />

Trank ihre Limonade - wie ich in Gedanken ihr prickelndes Getränk nannte -, und ich wusste<br />

wieder einmal nicht, was ich sagen sollte. Wie schwierig das alles doch war!<br />

»Erzähle mir von dir«, schlug ich vor, »willst du?«<br />

»Gerne. Und wirst du mir später auch von dir erzählen?«<br />

»Ja.«<br />

»Ich bin an der Kawut, das zweite Jahr schon. Aber in der letzten Zeit ließ ich mich etwas gehen,<br />

plastete nicht regelmäßig und.., ha, eben so. Meine Sechs ist Uninteressant. Und so im Ernst...<br />

habe ich keinen. Komisch...«<br />

»Was denn?«<br />

»Dass ich keinen habe...«<br />

Wieder dieses Dunkel. Von wem sprach sie da? Wen hatte sie nicht? Eltern? Liebhaber? Freunde?<br />

Abs hatte doch recht, dass ich ohne acht Monate im ADAPT nicht auskommen würde. Aber jetzt<br />

wollte ich noch viel weniger als vorher zerknirscht zurück in die Schule.<br />

»Und weiter?« fragte ich, und da ich den Becher immer noch in der Hand hielt, nahm ich wieder<br />

einen Schluck von dieser Milch. Nais Lippen umspielte eine Art spöttisches Lächeln. Sie trank<br />

ihren Becher bis zur Neige aus, fasste mit der Hand die flaumige Bedeckung ihrer Schulter an und<br />

zerriss sie - knöpfte sie nicht auf, zog sie nicht aus, sondern riss sie einfach herunter und ließ die<br />

Fetzen, wie Unrat, aus ihren Fingern fallen.<br />

»Schließlich kennen wir uns ja ein wenig«, sagte sie. Sie schien freier zu werden. Lächelte.<br />

Manchmal wurde sie wunderschön, besonders wenn sie blinzelte und ihre heruntergezogene<br />

Unterlippe glitzernde Zähne sehen ließ. Ihr Gesicht hatte etwas ägyptisches. Eine ägyptische<br />

Katze. Das Haar mehr als nur schwarz - und als sie den Pelzflaum von ihren Schultern und der<br />

Brust herunterriss, sah ich, dass sie durchaus nicht so mager war, wie es zuerst schien. Warum<br />

aber zerriss sie das Kleid?... Sollte das etwas bedeuten? »Du wolltest erzählen!« meinte sie und<br />

sah mich über ihren Becher an.<br />

»Ja«, sagte ich und spürte ein solches Lampenfieber, als ob von meinen Worten weiß Gott was<br />

abhängen würde. »Ich... ich war ein Pilot. Das letzte Mal war ich hier.., erschrick bloß nicht!«<br />

»Nein. Sprich!«<br />

Ihre Augen waren aufmerksam und glänzend.<br />

»Vor einhundertsiebenundzwanzig Jahren. Ich war damals dreißig Jahre alt. Die Expedition... ich<br />

war Pilot der Expedition nach Fomalhaut. Eine Entfernung von dreiundzwanzig Lichtjahren. Hin<br />

und zurück flogen wir einhundertsiebenundzwanzig Jahre Erdzeit und zehn Jahre Bordzeit. Vor<br />

vier Tagen kehrten wir zurück... Der >Prometheus< - mein Schiff - blieb auf der Luna. Heute bin<br />

ich von dort gekommen. Das ist alles.«<br />

Sie sah mich an. Sagte nichts. Ihre Lippen bewegten, öffneten, schlossen sich wieder. Was lag<br />

wohl in ihren Augen? Staunen? Bewunderung? Angst?<br />

»Warum sagst du denn nichts?« fragte ich. Ich musste mich räuspern.<br />

»Ja... also wie alt bist du wirklich?«<br />

Ich musste lächeln; doch war es kein nettes Lächeln.<br />

»Was heißt da - wirklich? Biologisch bin ich vierzig, aber nach irdischer Zeitrechnung<br />

einhundertsiebenundfünfzig...«<br />

Langes Schweigen und plötzlich: »Gab es dort Frauen?«<br />

»Warte mal«, sagte ich. »Hast du etwas zum Trinken?«<br />

»Wieso?«<br />

»Etwas Giftiges, weißt du. Etwas Starkes. Alkohol... oder wird der nicht mehr getrunken?«<br />

»Äußerst selten...«, antwortete sie ganz leise, so als wären ihre Gedanken ganz woanders. Ihre<br />

Hände fielen langsam nach unten, berührten das metallische Blau ihres Kleides.<br />

»Ich werde dir... >Anghen< geben, willst du? Ach, ja, du weißt ja nicht, was das ist?«<br />

»Nein. Ich weiß es nicht«, antwortete ich mit einer unerwarteten Halsstarrigkeit. Sie ging zur Bar<br />

und kam mit einer kleinen, bauchigen Flasche wieder. Sie goss mir ein. Es war etwas Alkohol<br />

darin- nicht viel- und noch etwas - der Geschmack war eigenartig, herb.<br />

»Sei bitte nicht böse«, sagte ich, indem ich meinen Becher austrank, und goss mir zum zweiten<br />

Male ein.

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