20.12.2012 Aufrufe

Stanislaw Lem - Transfer

Stanislaw Lem - Transfer

Stanislaw Lem - Transfer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sagen, weil die mit uns nichts zu verrechnen haben. Aber Venturi hat da was. Und Arder und<br />

Ennesson. Und Thomas. Womit wirst du nun zahlen, Thurber? Mit der Aufklärung Oswamms –<br />

über mich? Und Gimma - mit seiner Bürgschaft für Olaf und mich?<br />

Als ich dich zum ersten Mal sah; machtest du genau dasselbe wie heute. Das war in Apprenous.<br />

Du hast bei deinen Papieren gesessen und so geglotzt wie jetzt eben: in der Pause zwischen<br />

wichtigeren Dingen - im Namen der Wissenschaft...«<br />

Ich stand auf. »Danke Gimma, dass er sich so für uns einsetzte...«<br />

Thurber stand ebenfalls auf. Wir maßen uns mit den Blicken, vielleicht eine Sekunde lang. Er war<br />

kleiner als ich, aber das war nicht spürbar. Seine körperliche Größe war gar nicht von Bedeutung.<br />

Sein Blick war die Ruhe selbst.<br />

»Erteilst du mir nun das Wort, oder bin ich schon verurteilt?« fragte er.<br />

Ich brummte irgend etwas Unverständliches.<br />

»Dann setz dich«, sagte er, und ohne darauf zu warten, fiel er selbst schwer zurück in seinen<br />

Sessel. »Irgend etwas hast du also doch gemacht«, sagte er in einem Ton, als ob wir bisher nur<br />

über das Wetter gesprochen hätten. »Du hast Starck gelesen, ihm geglaubt, hältst dich nun für<br />

betrogen und suchst die Schuldigen. Sollte dir daran wirklich liegen, so bin ich bereit, die Schuld<br />

auf mich zu nehmen. Aber nicht darum geht es. Starck hat dich überzeugt- nach diesen ganzen<br />

zehn Jahren? Bregg - ich wusste wohl, dass du ein Hitzkopf bist, vermutete aber nie, dass du<br />

dumm wärest.« Er schwieg eine Weile. Und ich - komischerweise – fühlte zugleich Erleichterung<br />

wie ein Vorgefühl der Erlösung. Ich hatte keine Zeit mehr, über mich selbst nachzudenken, denn<br />

nun sprach er schon wieder:<br />

»Ein Kontakt der galaktischen Zivilisationen? Wer hat dir davon erzählt? Keiner von uns und<br />

keiner der Klassiker, weder Merquier, noch Simoniadi, noch Rag Ngamieli- niemand, keine<br />

Expedition rechnete mit einem Kontakt, und daher ist dieses ganze Gequassel über Archäologen,<br />

die da in der Leere herumreisen, über jene ewig verspätete Post der Galaxis, eine Bekämpfung<br />

von Thesen, die niemand je aufgestellt hat. Was kann man denn von den Sternen haben? Und was<br />

war der Nutzen der Expedition von Amundsen? Von Andree? Der einzige konkrete Nutzen<br />

beruhte darin, dass eine - Möglichkeit bewiesen worden ist. Dass man so etwas tun kann. Und<br />

genauer gesprochen- dass dies, für die gegebene Zeit, das Schwierigste ist, was man erreichen<br />

kann. Ich weiß nicht, ob wir sogar das gemacht hatten, Bregg. Weiß es wirklich nicht. Aber wir<br />

sind dort gewesen.«<br />

Ich schwieg. Thurber sah mich nicht mehr an. Er stützte die Fäuste auf den Schreibtischrand.<br />

»Was hat dir denn Starck bewiesen - die Nutzlosigkeit der Kosmodromie? Als ob wir es selbst<br />

nicht wussten! Und die Pole? Was gab es an den Polen? Diejenigen, die sie eroberten, wussten<br />

genau, dass es dort nichts gibt. Und der Mond? Was suchte wohl die Ross-Gruppe in dem<br />

Erastrotenes-Krater? Brillanten? Und wozu sind Bant und Jegorin durch das Zentrum der<br />

Merkurscheibe gegangen? Um schön braun zu werden? Und Kellen und Offshag- das einzige, was<br />

sie wussten, als sie auf die kalte Zerberus-Wolke zuflogen, war, dass man dort umkommen kann.<br />

Bist du dir im klaren, was Starck wirklich sagt? Der Mensch muss essen, trinken und sich kleiden;<br />

alles andere ist Irrsinn. Jeder hat seinen eigenen Starck, Bregg. Jedes Zeitalter hatte ihn. Wozu hat<br />

denn Gimma euch beide mit Arder hinausgeschickt? Damit ihr Proben mit dem Koronasauggerät<br />

holt. Aber wer schickte Gimma? Die Wissenschaft. Wie sachlich das doch klingt - nicht? Die<br />

Erkundung der Sterne.<br />

Bregg, glaubst du, dass wir geflogen wären, wenn es sie nicht gegeben hätte? Ich glaube, schon.<br />

Wir hätten dann die Leere kennenlernen wollen, um das Ganze irgendwie zu rechtfertigen.<br />

Geonides oder irgendein anderer würde uns sagen, was für wertvolle Messungen und<br />

Erkundungen man da unterwegs machen kann. Versteh mich richtig. Ich behaupte nicht, dass die<br />

Sterne nur ein Vorwand sind... Der Pol ist es ja auch nicht gewesen, Nansen und Andree<br />

brauchten ihn... Der Everest war für Mallory und Irving nötiger als die Luft selbst. Du sagst, ich<br />

hätte euch Befehle - im Namen der Wissenschaft - erteilt? Aber du weißt doch, dass das nicht<br />

stimmt. Du wolltest mein Gedächtnis auf die Probe stellen. Vielleicht probiere ich nun das deine<br />

aus? Erinnerst du dich an den Thomas-Planetoiden?« Ich zuckte zusammen.<br />

»Du hast uns damals belogen. Du bist ein zweites Mal hingeflogen, obwohl du wusstest, dass er<br />

nicht mehr lebte. Stimmt's?«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!