Stanislaw Lem - Transfer
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»Na, Olaf kennst du schon etwas. Kannst dir also denken, dass ich nicht gleich geflogen bin. Aber<br />
am Ende war ich es, der Thomas weggeschickt hatte. Diese Tatsache konnte er nicht leugnen.<br />
Kurz, ich bin also geflogen. Selbstverständlich ohne Rakete.«<br />
»Ohne Rakete?«<br />
»Ja. Im Raumanzug und mit einer Rückstoßpistole. Es hat etwas gedauert, aber nicht so lange, wie<br />
es schien. Ich hatte nur Schwierigkeiten mit dem Ferroweiser, denn das war fast eine Kiste,<br />
äußerst unhandlich. Dort, natürlich, wog er gar nichts, aber als ich in die Wolke kam, musste ich<br />
scharf aufpassen, um nicht gegen irgend etwas zu stoßen.<br />
Als ich näher kam, hörte ich auf, die Wolke zu sehen, nur die Sterne fingen an zu verschwinden.<br />
Erst nur einige, die aus dem Umkreis, dann wurde schon der halbe Himmel finster - ich sah mich<br />
um, der >Prometheus< leuchtete voll und ganz in der Ferne, er hatte so eine<br />
Illuminationsvorrichtung für seinen Panzer. Er sah aus wie ein langer weißer Bleistift- mit einem<br />
Pilz am Ende-, das war der Photonenscheinwerfer. Plötzlich verschwand alles. Dieser Übergang<br />
war ganz scharf. Vielleicht eine Sekunde schwarzer Nebel - dann schon nichts mehr. Mein Radio<br />
hatte ich ausgeschaltet, statt dessen sang mir der Ferroweiser in den Kopfhörern. Bis zum<br />
Wolkenrand flog ich kaum ein paar Minuten, aber auf die Oberfläche glitt ich länger als zwei<br />
Stunden - ich musste da sehr aufpassen. Meine elektrische Taschenlampe erwies sich als<br />
untauglich, was ich übrigens auch erwartet hatte. Ich fing die Suche an. Weißt du, wie die großen<br />
Stalaktiten in den Felsenhöhlen aussehen...?«<br />
»Ja.«<br />
»Also etwas in der Art, nur unheimlicher. Ich spreche darüber, was ich später sah, als die Wolke<br />
bereits gesunken war. Denn während dieser Sucherei - nichts, als ob jemand die Sichtscheibe<br />
meines Raumanzuges mit Teer begossen hätte. Die Kiste trug ich an Trägern. Ich musste die<br />
kleine Antenne bewegen, horchen, mit ausgestreckten Armen gehen - nie in meinem ganzen<br />
Leben bin ich so oft hingefallen wie dort. Unschädlich war es nur infolge der geringen<br />
Gravitation, und könnte man da nur ein klein wenig sehen, könnte der Mensch natürlich auch<br />
zehnmal sein Gleichgewicht wiedergewinnen. Aber so- einem, der das nicht kennt, lässt es sich<br />
nur schwer erzählen... Dieser Miniplanet bestand aus angehäuften Nadelfelsen und balancierenden<br />
Felsbrocken – ich stellte einen Fuß hin und fing plötzlich an, irgendwohin zu fliegen, konnte mich<br />
selbstverständlich nirgendwo abstoßen - flog mit dieser trunkenen Langsamkeit- sonst aber wäre<br />
ich eine Viertelstunde lang wieder nach oben gestiegen. Ich musste ganz einfach warten,<br />
versuchte nur immer weiterzugehen, dann aber bewegten sich die Steinmassen unter mir. Diese<br />
Trümmer, Säulen, Steinstücke, all das war kaum miteinander verbunden, denn nur eine äußerst<br />
geringe Kraft hielt sie zusammen - was ja nicht bedeutet, dass ein Riesenbrocken, auf den<br />
Menschen fallend, ihn nicht erschlagen konnte.., denn dann wirkt doch die Masse, nicht das<br />
Gewicht, nur hat man da immer Zeit, zur Seite zu springen, natürlich wenn man diesen Steinfall,<br />
diesen Absturz sieht.., oder zumindest hört. Aber dort gab es ja keine Luft, also konnte ich mich<br />
nur nach den Felsbewegungen unter meinen Sohlen richten und begreifen, dass ich wohl schon<br />
wieder irgendein Felsengemach aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Nur warten, ob aus diesem<br />
Teer da nicht ein Brocken kommt, der nun anfängt, mich zu zermalmen... Kurz, so wanderte ich<br />
eben herum, stundenlang, und hatte schon längst aufgehört, meine Idee mit dem Ferroweiser für<br />
genial zu halten... Auf jeden Schritt musste ich auch deshalb achten, weil ich unvorsichtigerweise<br />
schon einige Male in der Luft, also in der Schwebe hängengeblieben war.., wie in einem<br />
närrischen Traum. Endlich fing ich das Signal auf. Ich verlor es dann wieder so an die achtmal,<br />
weiß es nicht mehr genau, jedenfalls, als ich die Rakete fand, war auf dem >Prometheus< schon<br />
Nacht.<br />
Sie stand schräg, zur Hälfte in diesem höllischen Staub vergraben. Das ist etwas äußerst Weiches,<br />
äußerst Zartes - das Feinste auf der ganzen Welt -, weißt du? Eine fast unberührbare Substanz..,<br />
der leichteste Daunen leistet auf Erden einen weit größeren Widerstand. Die Teilchen sind so<br />
unwahrscheinlich winzig... Ich schaute hinein - er war aber nicht in der Rakete. Ich sagte, dass sie<br />
schräg stand; ich war dessen aber durchaus nicht sicher; ein Mensch konnte dort die senkrechte<br />
Lage nicht ohne Spezialapparate bestimmen, und das hätte dann sowieso ungefähr eine Stunde<br />
gedauert. Ein einfaches Gewicht, federleicht, würde am Ende einer Schnur wie eine Fliege<br />
herumsausen, statt diese redlich zu spannen... Also war ich auch nicht erstaunt, dass er keinen